In der Schweiz waren zwei Journalisten eines Kassensturz-Beitrags wegen der Verwendung einer versteckten Kamera verurteilt wurden. Sie hatten Treffen zwischen Versicherungsberatern und einer gespielt ahnungslosen Kundin heimlich gefilmt, um Falschberatungen der Versicherungsvertreter zu dokumentieren.
Gestern hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte [3] entschieden, dass die Arbeit der Journalisten rechtmäßig [4] gewesen sei. Ihre Verurteilung der Journalisten verletzte nach Ansicht des Gerichts die Pressefreiheit [5] .
Ein Sprecher der Schweizer Justiz betonte gegenüber der Schweizer Presse, dass das Urteil auch nach der Entscheidung des EGM weiterhin gültig sei. Über das weitere Vorgehen werde beraten. Es ist also im Gegensatz zu den Medienberichten mancher Zeitungen noch gar nicht klar, ob die Journalisten letztlich freigesprochen werden.
Stärkung der Journalistenrechte?
Die Entscheidung des EGMR wird fast unisono als Stärkung der Journalistenrechte gefeiert. Tatsächlich ist eine Rechtssicherheit für Medienarbeiter sinnvoll, die in Situationen, in denen ein Machtgefälle besteht. Man muss nur daran denken, dass Shoah [6] von Claude Lanzmann, die eindrucksvolle Dokumentation über die deutsche Vernichtungspolitik gegen die europäischen Juden ohne die Verwendung von versteckten Kameras und Tonaufzeichnungsgeräten [7] nicht möglich gewesen wäre.
Doch auch nach dem Urteil werden vor allem Journalisten von weniger bekannten Medien Probleme haben, wenn sie mit versteckter Kamera arbeiten. Denn die Frage, wer ist Journalist, wird sicher weiterhin strittig sein und die Gerichte beschäftigen. Es wäre zu hoffen, das Urteil könnte zumindest dafür sorgen, dass solche Kapriolen nicht mehr möglich sind, wie sie das Freie Senderkombinat [8] (fsk) in Hamburg erleben musste. Der FSK-Redakteur Werner Pomrehn wurde verurteilt [9], weil er ein Interview mit dem Pressesprecher de Hamburger Polizei gesendet hatte, das sich kritisch mit dem Polizeiverhalten im Jahr 2003 befasst, ohne es autorisieren zu lassen.
Wegen des Interviews waren sowohl die Redaktionsräume des fsk als auch die Wohnung des Journalisten durchsucht [10] worden. 2011 wurde die Razzia vom Karlsruher Verfassungsgericht für illegal erklärt [11]. Es ist aber zu befürchten, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Wiederholungen ebenso wenig ausschließt wie das Karlsruher Urteil. Denn selbst wenn die Maßnahme hinterher für illegal erklärt wird, haben sie für die betroffenen Journalisten und vor allem für kleinere Medien abschreckende Wirkung.
Probleme des Datenschutz bleiben
Zudem wird es auch nach dem EGMR-Urteil die Frage weiter im Raum stehen, wie es um den Datenschutz der Personen steht, die in den verdeckt aufgenommen Filmen und Videos zu sehen sind. Diese Frage dürfte noch für politischen und juristischen Streit gerade in einer Zeit sorgen, in der die Grenzen zwischen Journalismus und der Bloggerszene verschwimmen.
Schließlich werden mit versteckten Kameras nicht nur Missstände aufgedeckt und Machenschaften der Mächtigen transparent gemacht, sondern auch Mobbingattacken gegen Schwächere geführt. Manche werden sich jetzt auf das EGMR-Urteil berufen.
http://www.heise.de/tp/news/Verdeckte-Kameras-legalisiert-2559497.html
Peter Nowak
Links:
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