Per Konjunktiv in den VS-Bericht

Die »Kritische Uni« Rostock im Geheimdienst-Visier

»Extremismus der Mitte? Rostocker Profs und der rechte Rand«, lautet der Titel eines Flugblattes, auf dem die Initiative »Kritische Uni« einige Dozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Rostock kritisch unter die Lupe nimmt. Dort wird einem Professor für Alte Geschichte vorgeworfen, in seinen Vorlesungen das Bild eines Kampfes der Kulturen zu zeichnen, bei dem sich östliche Barbaren und westliche Zivilisationen gegenüber stehen. Auch Mitgliedschaften in Burschenschaften oder die Publikationen bei Zeitungen am rechten Rand werden in der Flugschrift aufgeführt. Alle Behauptungen wurden mit Quellen belegt und keiner der aufgegeführten Personen ging juristisch gegen die Schrift vor. Dennoch wird ihr und der verantwortlichen Gruppen ein Absatz im Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern gewidmet.

»Ein dem Anschein nach linksextremistischer Hintergrund dürfte auch einer Outing-Aktion an der Rostocker Universität im Jahre 2013 zugrundeliegen, in deren Rahmen Dozenten des Historischen Instituts der Universität wegen ›Verbindungen ins rechte Milieu‹ bezichtigt wurden«, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

Dass eine kritische Beschäftigung mit rechten Bestrebungen zu einem Eintrag in den VS-Bericht führt, ist für den ASTA und den Studierendenrat der Rostocker Universität unverständlich. »Der Diskurs ist das grundlegende Prinzip jeder Hochschule. Das Verbreiten von Flugblättern an einer deutschen Universität von einem Geheimdienst verfolgen zu lassen, widerspricht diesem Prinzip und ist daher kategorisch abzulehnen«, heißt es in einer Stellungnahme der Studierendenschaft.

Auch der hochschulpolitische Sprecher der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Hikmat Al-Sabty, zeigt sich befremdet, dass eine linke Hochschulgruppe ein Fall für den Verfassungsschutz geworden ist. »Die Studentengruppe ›Kritische Uni‹ hat mit einer Flugblattaktion im Herbst 2013 auf die Gefahr des Extremismus im Bereich der Dozierenden am Historischen Institut hingewiesen. Was der Verfassungsschutz daran zu bemängeln hat, oder welche angeblichen Gefahren von dieser Gruppe drohen, erschließt sich mir nicht«, erklärt Al-Sabty. Ein Eintrag im VS-Bericht könne für Mitglieder der Gruppe Probleme beim Berufseinstieg bedeuten, befürchtet er.

Diese Angst scheinen auch die Mitglieder der Gruppe, die seit mehr als 18 Monaten an der Historischen Fakultät der Rostocker Universität aktiv ist, zu teilen. Sie wollen anonym bleiben und machen auch keine Angaben über ihre Anzahl. Die Vorsicht ist nicht unverständlich. Schließlich bestehe die Gefahr, dass sie wegen ihrer antifaschistischen Aktivitäten auch ins Visier von rechten Gruppen kommen könnten.

Der Pressesprecher des Innenministeriums in Schwerin, Michael Teich, betont gegenüber »nd«, dass die Studentengruppe ›Kritische Uni‹ kein Beobachtungsobjekt des Landesverfassungsschutzes sei. Nur die Aktionsformen seien Gegenstand des Berichts. »Der Beitrag im Jahresbericht 2013 wurde vor dem Hintergrund der für Linksextremisten typischen Aktionsform des ›Outing‹ mit der Einleitung ›Ein dem Anschein nach linksextremistischer Hintergrund‹ versehen«, so Teich. Über Internetveröffentlichungen sei der Verfassungsschutz auf die Aktion gestoßen. In der Vergangenheit stand der Landes-VS bereits in der Kritik, weil die Punkband Feine Sahne Fischfilet, die häufig auf Antifakonzerten auftritt, als Teil der linksextremen Szene des Landes aufgeführt wurde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/958590.per-konjunktiv-in-den-vs-bericht.html

Peter Nowak