Streikrecht ist ein Grundrecht

Der Streit um die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit nimmt kein Ende / Im April soll demonstriert werden

»Wo ein Streik reglementiert oder gar verboten ist, handelt es sich um reine Diktaturen.« Diese drastische Einschätzung stammt von dem ehemaligen ÖTV-Vorsitzenden Heinz Kluncker aus den 70er Jahren. Daran erinnern »Linke Hauptamtliche in ver.di« in einer Erklärung nicht ohne Grund.

Aktuell will die Bundesregierung das Streikrecht reglementieren, und der DGB-Vorstand und ein großer Teil der Einzelgewerkschaften stimmen dem von der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am 5. März in den Bundestag eingebrachten Tarifeinheitsgesetz sogar zu.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung kann ein Tarifvertrag nur dann Anwendung im Betrieb finden, wenn die vertragsschließende Gewerkschaft die Mehrheit der Mitglieder hat. Spartengewerkschaften, die nur in ein bestimmtes Segment der Beschäftigten vertreten, wären dadurch im Nachteil. Denn, wenn sie nicht tarifvertragsfähig sind, sinkt auch ihre Verhandlungsmacht.

Unter dem Motto »Hände weg vom Streikrecht« ruft ein Bündnis linker GewerkschafterInnen für den 18. April zu einer bundesweiten Demonstration nach Frankfurt am Main auf. Die Initiative dazu hat eine Arbeitsgruppe ergriffen, die sich auf einer Aktionskonferenz am 24. Januar in Kassel gegründet hat. Zu den Unterstützern der Demonstration gehören neben der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU), die Lokführergewerkschaft GDL und verschiedene linksgewerkschaftliche Initiativen. Von den acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften findet sich keine unter den UnterstützerInnen der Demonstration, die sich gegen das Tarifeinheitsgesetzt positioniert haben. »Wir haben über diese Demonstration keinerlei Informationen«, erklärte eine Mitarbeiterin der Pressestelle der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die sich von Anfang gegen das Tarifeinheitsgesetz stellte.

Die GEW unterstützt gemeinsam mit der NGG eine Unterschriftensammlung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen das Gesetz. Doch obwohl sich die Dienstleistungsgewerkschaft seit Jahren klar gegen die Tarifeinheit ausspricht, ist diese Frage organisationsintern nicht unumstritten, wie Erdogan Kaya von der linken Basisgruppe ver.di-aktiv auf der Berliner Mobilisierungsveranstaltung für die Demonstration in der letzten Woche erklärte. Er machte darauf aufmerksam, dass ver.di.-GewerkschafterInnen beispielsweise bei der Lufthansa das Tarifeinheitsgesetz unterstützen. Anders als bei ver.di sind in der IG Metall die Gegner der Initiative in der Minderheit.

Dazu gehört Günther Triebe vom Berliner IG Metall Ortsvorstand, der auf der Veranstaltung gesprochen hat. Der Basisgewerkschafter Willi Hajek erinnerte in seinen Abschlussbeitrag an eine Äußerung des damaligen DGB-Vorsitzenden Michael Sommer, der sich 2012 gegen den Generalstreik spanischer Gewerkschafter ausgesprochen und ihnen den Rat gegeben hat, dass in Krisensituationen Gewerkschafter und Arbeitgeber kooperieren sollen. Genau von diesem Geist der Sozialpartnerschaft sei auch das Tarifeinheitsgesetz geprägt. Hajek hat schon Pläne über die Demonstration hinaus. Wenn am 21. und 22. Mai das Tarifeinheitsgesetz in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten und verabschiedet wird, soll auf einer Alternativveranstaltung darüber diskutiert werden, wie das Grundrecht auf Streik durchgesetzt werden kann.

Peter Nowak

Kollegen aus Lampedusa

Die Solidarität mit Flüchtlingen ist in DGB-Gewerkschaften nicht selbstverständlich. Linke Gewerkschafter wollen das ändern.

»Refugees welcome« stand auf ihren T-Shirts und Plakaten. So bekundeten junge Gewerkschaftsmitglieder Anfang Dezember auf dem Jugendforum der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen ihre Meinung. Dass diese auch in den DGB-Gewerkschaften nicht überall geteilt wird, hatten Geflüchtete Anfang Oktober selbst erfahren. »Wir haben die Zentrale des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg besetzt, weil wir Solidarität erwarteten. Doch wir wurden geräumt. Zahlreiche unserer Freunde wurden dabei verletzt. Wir saßen stundenlang in Polizeihaft und jetzt erwarten uns Anklagen wegen Hausfriedensbruchs.«

So schilderte ein Mitglied der Besetzergruppe auf einer Veranstaltung in Berlin Anfang Dezember die Erfahrungen mit der DGB-Bürokratie. Diese sei gar nicht träge gewesen, als es darum ging, mit den Vorständen sämtlicher Einzelgewerkschaften den Räumungsbeschluss abzustimmen. Die Forderung der Geflüchteten, den Kontakt mit den Einzelgewerkschaften herzustellen, um sich deren Unterstützung zu versichern, sei angeblich aus organisatorischen Gründen nicht zu erfüllen gewesen. Dass der Geflüchtete aus der Besetzergruppe seine Erfahrungen im großen Saal der Berliner IG Metall vortragen konnte, zeigt allerdings auch, dass nach der Räumung in den DGB-Gewerkschaften die Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik zugenommen haben.

In Berlin hatte sich im September auf Initiative des an der Basis arbeitenden Zusammenschlusses »Verdi aktiv« eine Gruppe linker Gewerkschafter für die stärkere Unterstützung der Kämpfe von Geflüchteten eingesetzt. Doch erst nach der Räumung der DGB-Zentrale bekam die Initiative größeren Zuspruch. Die Veranstaltung Anfang Dezember war ihr erster öffentlicher Auftritt.

»Ich bin Flüchtling und Verdi-Mitglied«, sagte auch der zweite Redner der Veranstaltung. Asuquo Udo ist in Nigeria geboren und hat jahrelang in Libyen den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdient. »Der Nato-Krieg hat mich zur Flucht gezwungen«, fügt er hinzu. Über Italien kam er nach Hamburg, wo er sich in der Flüchtlingsselbstorganisation »Lampedusa Hamburg« engagierte. »Wir haben deutlich gemacht, dass wir Teil der Gesellschaft sind«, so Udo. Daher waren er und seine Mitstreiter erfreut, dass der Hamburger Verdi-Sekretär Peter Bremme den Flüchtlingen die Mitgliedschaft auch gegen den Widerstand des Verdi-Vorstands anbot. Auf der Website von »Lampedusa-Hamburg« ist neben den Mitgliedern der Beruf vermerkt, den sie vor der Flucht ausgeübt haben. Für Udo ist das sehr wichtig. »Es zeigte uns nicht als hilfsbedürftige Flüchtlinge, sondern als Kollegen.«

Für die Initiatoren der Berliner Veranstaltung hat die Forderung nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft von Geflüchteten eine antirassistische Komponente. Anna Basten vom Arbeitskreis »Undokumentierte Arbeit«, der Menschen ohne Papiere bei der Durchsetzung ihrer Arbeitsrechte unterstützt, sagt, dass Anträge für den Verdi-Bundeskongress im nächsten Jahr vorbereitet werden, die eine Gewerkschaft von Geflüchteten fordern. Wie die Gewerkschaftsvorstände reagieren werden, ist nicht absehbar. Der Berliner Veranstaltung blieben sie fern. Roland Tremper vom Berliner Verdi-Vorstand hatte zugesagt, nachdem der Termin eigens seinem Kalender angepasst worden war, kam aber trotzdem nicht.

Vielleicht diskutieren manche Verdi-Mitglieder ohnehin lieber über andere Dinge, wenn es um Migration geht. Im Verdi-Bildungszentrum Haus Brannenburg wird ein Seminar mit dem Titel »Der europäische Traum zwischen Migration, Integration und Wertekonsens« angeboten. Der Ankündigung zufolge soll über »Zuwanderungsformen, die Akzeptanzprobleme sowie soziale und kulturelle Verwerfungen« diskutiert werden.

http://jungle-world.com/artikel/2014/50/51080.html

Peter Nowak

Gewerkschafter kritisieren DGB

FLÜCHTLINGE Die Räumung der Zentrale sei ein „völlig falsches Signal“ gewesen, so der Tenor eines Aufrufs

Die Räumung einer Gruppe von Flüchtlingen aus der Berliner DGB-Zentrale durch die Polizei in der vergangenen Woche sorgt für Unmut unter Gewerkschaftern. „Die tagelange Belagerung des DGB-Hauses durch mehr als 20 Flüchtlinge und ihre Sympathisanten hat viele Beschäftigte im Hause an die Grenze der Belastbarkeit gebracht“, hatte der Sprecher des DGB Berlin-Brandenburg, Dieter Pienkny, die Einschaltung der Polizei begründet. Die Studentin Ines Schwerdtner und der Lehrer Micah Brashear von der Jungen GEW Berlin haben für diese Argumentation indes kein Verständnis: „Die Flüchtlingsgruppe hat sich nur in einem Stockwerk des Gewerkschaftsgebäudes aufgehalten und in der Lounge und in dem Foyer des DGB-Hauses geschlafen“, kritisieren sie das Vorgehen in einer Stellungnahme.

Nach Angaben der JunggewerkschafterInnen wollen sich KritikerInnen des Polizeieinsatzes, die im DGB-Haus arbeiten, nur anonym äußern, weil sie unter Druck ständen. Hingegen drücken viele haupt- und ehrenamtliche Mitglieder verschiedener Einzelgewerkschaften, die im DGB zusammengeschlossen sind, offen ihren Protest gegen die Räumung aus. „Nicht in unserem Namen – Refugees welcome!“, lautet die Überschrift des Aufrufs, der bereits von einigen hundert GewerkschafterInnen unterschrieben wurde. Die Räumung wird darin als „völlig falsches Signal“ bezeichnet.

Solidaritätskonferenz

Die GewerkschafterInnen wol- len die aktuelle Diskussion nutzen, damit sich der DGB und die in ihm zusammengeschlossenen Einzelgewerkschaften auf Seite der Flüchtlinge positionieren. So soll rasch eine Konferenz zur gewerkschaftlichen Solidarität mit den Geflüchteten organisiert werden. Außerdem soll jenen die Gewerkschaftsmitgliedschaft ermöglicht werden. Anna Basten vom „AK Undokumentiertes Arbeiten“, die im Ver.di-Büro Lohnabhängige unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus berät, verweist auf den Hamburger Ver.di-Sekretär Peter Bremme. Er hatte 2013 rund 300 Geflüchteten die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ermöglicht. Eine Abmahnung des Ver.di-Bundesvorstandes gegen ihn wurde nach Protesten zurückgenommen. Für die linke Gruppe Ver.di-Aktiv ist eine solche Initiative auch in Berlin überfällig. „Damit würden die Gewerkschaften deutlich machen, dass sie die Ausgrenzungspolitik nicht mittragen“, sagte ein Mitglied der Ver.di-Basisgruppe bei der BVG.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F07%2Fa0141&cHash=6972b0dbc68e19fd48640a53102d04fa

Peter Nowak

Kollegen im Kampf

Kein Objekt für Hilfsmaßnahmen: Flüchtlinge und Gewerkschaften wollen enger kooperieren

Ob die Gewerkschaften den Berliner Flüchtlingsprotest geschlossen unterstützen werden, wollen beide Fraktionen miteinander beraten.

Eine für DGB-Gewerkschaften ungewöhnliche Zusammensetzung hatte ein Treffen, das am Donnerstagabend in der Berliner Landeszentrale der Dienstagsleistungsgewerkschaft ver.di stattfand. Die Hälfte der rund 20 Anwesenden waren Geflüchtete, viele von ihnen hatten sich in den letzten Monaten an den Flüchtlingsprotesten am Oranienplatz beteiligt oder waren beim Solidaritätsmarsch nach Brüssel und verschiedenen anderen Aktionen für die Rechte der Flüchtlinge engagiert. »Doch wo waren die Gewerkschaften«, fragt Turgay Ulu. Der politische Flüchtling aus der Türkei stößt mit seiner Frage bei ver.di-Aktiv, den Initiatoren des Treffens, auf offene Ohren. Dabei handelt es sich um eine basisgewerkschaftliche Gruppe bei den Berliner Verkehrsbetrieben.

»Die Geflüchteten-Bewegung gehört zu der aktivsten und in der letzten Zeit präsentesten sozialen Bewegung in diesem Land. Es ist an der Zeit, dass sich die Gewerkschaften mit ihr solidarisieren«, sagte ein Mitglied von ver.di-Aktiv. Wichtig sei dabei, die Flüchtlinge als Teil der Arbeiterbewegung und nicht als hilfsbedürftige Opfer zu betrachten. Dieser Punkt ist auch Bashier aus Nigeria sehr wichtig. »Wir sind nicht hungrig, sondern wütend und kämpfen um unsere Rechte«, betont er. Ihm gehe es darum, Bündnispartner zu finden, die die Geflüchteten nicht als Objekt von Hilfsmaßnahmen, sondern als Kollegen im gemeinsamen Kampf betrachten.

Wie groß das Potenzial dazu bei den DGB-Gewerkschaften ist, soll erkundet werden. Dazu soll in der nächsten Zeit eine Veranstaltung in einem gewerkschaftlichen Raum vorbereitet werden, bei der Geflüchtete und Gewerkschafter ins Gespräch kommen sollen. Geworben werden soll dafür vor allem an der Gewerkschaftsbasis. Dazu sollen auch gewerkschaftliche Initiativen eingeladen werden, die bereits länger mit Flüchtlingen kooperieren. So sind im letzten Jahr in Hamburg zahlreiche afrikanische Flüchtlinge, die sich in der Gruppe Lampedusa in Hamburg zusammen geschlossen haben, bei ver.di eingetreten. Nachdem ein Gutachten des ver.di-Vorstands diese Neuaufnahmen als mit der eigenen Satzung unvereinbar erklärt hatte, war der Protest groß.

Anna Basten vom AK undokumentiertes Arbeiten, die in Räumen des DGB Arbeitnehmer ohne Papiere berät, berichtete auf dem Treffen, dass innerhalb weniger Tage mehrere hundert Gewerkschafter einen Aufruf unterzeichnet haben, der sich für einen Verbleib der Geflüchteten bei ver.di aussprach. Tatsächlich wurde deren Mitgliedschaft nicht storniert.

Ob auch in Berlin ein Eintritt bei ver.di sinnvoll ist, soll auf der geplanten Veranstaltung diskutiert werden. Doch mehrere Flüchtlinge hatten noch einige praktische Vorschläge, wie die Gewerkschaften sie unterstützen können. So brauchen sie kostenlose Tickets für den Berliner Nahverkehr, um sich in der Stadt bewegen zu können. Zudem könnten T-Shirts und Kappen mit dem ver.di-Emblem und der Aufschrift »Refugess willkommen« auch in Gewerkschaftskreisen die Diskussionen anregen.

»Kommt mit Euren Gewerkschaftsfahnen zu unseren Kundgebungen«, mahnte ein Flüchtling. Schließlich brauche man als Basisgewerkschafter dazu nicht zu warten, bis es einen Gewerkschaftsbeschluss gibt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/944932.kollegen-im-kampf.html

Peter Nowak