Fällt das KPD-Verbot wegen V-Leute-Einsatz?

Während das Bundesverfassungsgericht sehr darauf achtet, dass vor einem NPD-Verbot alle V-Leute abgeschaltet sind, besteht weiter ein Parteienverbot, das erlassen wurde, obwohl damals zahlreiche V-Leute in der KPD aktiv waren

Manche sahen vor einigen Wochen bereits den zweiten Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Scheitern [1]. Bis Ende letzter Woche mussten die Bundesländer belegen, dass alle V-Leute bei der NPD abgeschaltet sind.

Nun sind die geforderten Dokumente fristgerecht bei dem Bundesverfassungsgericht eingegangen [2]. Dabei soll es sich um insgesamt vier Aktenordner mit Beweismaterial zur Abschaltung der V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD handeln. Laut Spiegel Online [3] hat der Inlandsgeheimdienst vor dem Verbotsantrag insgesamt elf V-Leute in der NPD-Spitze abgeschaltet. Der letzte soll im April 2012 abgezogen worden sei.

Alle elf seien „Führungskräfte“ aus Bundesvorstand und Landesvorständen gewesen, berichtete das Magazin unter Berufung auf ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Bundesrats an das Bundesverfassungsgericht.

Zum Stichtag 1. Dezember 2011 wurden demnach drei der Neonazifunktionäre vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführt, zwei vom Bayerischen Landesamt und zwei weitere vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens. Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen hatten demnach jeweils eine Quelle in Vorstandsgremien, die restlichen Bundesländer angeblich keine. Die Namen der ehemaligen Zuträger nannte der Bundesrat dem Bundesverfassungsgericht nicht .

Als Begründung gab er an, dass eine Offenlegung der Identität die Quellen „erheblicher Gefahr“ aussetzen könnte. Die Bevollmächtigten der Länder brachten ein sogenanntes In-camera-Verfahren ins Spiel, bei dem Vertreter des Verfassungsgerichts die angeschwärzten Geheimunterlagen hinter verschlossenen Türen einsehen könnten. „Ob sich die Karlsruher Richter auf dieses Prozedere einlassen, gilt jedoch als fraglich“, schreibt Spiegel-Online.

KPD trotz V-Leute verboten

Die Akribie der Richter des Bundesverfassungsgerichts ist auf den ersten Blick verständlich. Ein Parteienverbot ist eine gravierende Entscheidung, so dass im Vorfeld alle Eventualitäten ausgeschlossen werden müssen, die eine Revision der Entscheidung bei europäischen Gerichten ermöglichen. Die NPD hat diesen Schritt bereits angekündigt.

Auf den zweiten Blick ergeben sich allerdings aus der Sorge des Bundesverfassungsgerichts um die Gegnerfreiheit der NPD auch Fragen. Zunächst geht es um eine gravierende Ungleichheit. Beim KPD-Verbot 1956 spielte es keine Rolle, dass bei der Kommunistischen Partei auch an entscheidenden Stellen V-Leute aktiv waren. Das bestätigen unabhängig voneinander unterschiediche Juristen, die damals als Anwälte im KPD-Verbotsverfahren engagiert waren oder Mandaten verteidigten, die im Zeuge der Kommunistenverfolgung angeklagt waren.

Zu diesen Juristen gehörte der spätere SPD-Politiker Diether Posser [4], der über seine Zeit als Anwalt im Kalten Krieg ein Buch [5] schrieb. Auch der Anwalt Heinrich Hannover [6] hat über seine Zeit als Rechtsanwalt, als er angeklagte Linke vertrat, geschrieben. Systematisch aufgearbeitet hat der Jurist Alexander von Brünneck [7] den Komplex des KPD-Verbots. Alle diese Schriften bestätigen, dass V-Leute vor und während des Verbotsverfahrens in der KPD aktiv waren und kein Hinderungsgrund für ein Verbot gewesen sind.

KPD-Aufhebung ohne Gesichtsverlust

Nun könnte man argumentieren, die Akribie beim NPD-Verbotsverfahren sei genau dieser negativen Erfahrung geschuldet. Man wollte nicht erneut eine Partei verbieten, obwohl an entscheidenden Stellen V-Leute aktiv sind.

Doch gegen diese Lesart spricht, dass in der Regel überhaupt nicht erwähnt wird, dass beim KPD-Verfahren eben nicht diese die rechtsstaatliche Akribie angewandt wurde, die der NPD jetzt zugute kommt. Würde diese Debatte geführt, könnte sie durchaus noch Konsequenzen für die Gegenwart haben. Mag das KPD-Verbot mittlerweile auch fast 60 Jahre alt sein, so hat es noch immer Bestand.

Es gab seit dem Verbot immer einen Initiativkreis, der sich für eine Aufhebung stark machte. Bis 1968 spielte er in der bundesdeutschen Innenpolitik durchaus eine Rolle und die Mitglieder waren auch öfter mit Anklagen konfrontiert, weil sie sich allein durch ihre Forderung nach der Aufhebung des KPD-Verbots nach Auffassung von Juristen in gefährlicher Nähe zur verbotenen KPD bewegten.

Mit der Gründung der DKP [8] ohne die Aufhebung des KPD-Verbots verloren die Bemühungen des Initiativkreises in der Öffentlichkeit an Bedeutung. Doch diese Forderung spielt durchaus bis heute noch eine Rolle [9]. Man sollte diese Bemühungen allerdings nicht vorschnell als Aktivitäten von Ewiggestrigen abstempeln.

Es handelt sich vielmehr auch um die Frage der politischen Rehabilitierung von tausenden Menschen, die im Rahmen des KPD-Verbots kriminalisiert worden sind. Dabei ging es nicht nur um monatelange Prozesse und teilweise jahrelange Haftstrafen. Viele verloren damals ihre berufliche Perspektive und mussten in prekären Verhältnissen leben. Andere Betroffene, die schon im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren, verloren finanzielle Entschädigungen, die sie als Opfer des Naziregimes bekommen haben. Manche mussten schon gezahlte Gelder wieder zurückzahlen.

Daher fordern [10] die Betroffenen und ihre Angehörigen auch eine Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges auf Seiten der BRD. Eine Aufhebung des KPD-Verbots wäre dafür ein wichtiger Schritt. Es war bisher nicht zu erwarten, dass sich die Politik bzw. die Gerichte in dieser Frage bewegen. Zumindest die Unionsparteien und auch die Mehrheitsströmung der SPD haben immer deutlich gemacht, dass sie am KPD-Verbot nicht rütteln wollen.

Nun könnte die aktuelle Diskussion um das NPD-Verfahren eine Möglichkeit aufzeigen, wie eine Aufhebung des KPD-Verbots ohne Gesichtsverlust von Politik und Justiz möglich wäre. Sie könnten die unbestrittene Tatsache, dass es an wichtigen Stellen in der KPD V-Leute gab, zum Aufhänger dieser Aufhebung nehmen. Dabei bräuchten sie nicht einmal das Urteil von 1956 in Frage stellen, aber eben feststellen, dass die Maßstäbe für ein Parteienverbot heute in Bezug auf die V-Leute strenger sind.

Daher ist nach heutigen Maßstäben das Verbot nicht mehr zu rechtfertigen und eben aufzuheben. Mit diesem Schritt würde das Bundesverfassungsgericht zumindest deutlich machen, dass es beim Parteienverbot nicht unterschiedliche Maßstäbe anlegt.

Solange aber die durchaus berechtigte Diskussion um die Rolle der V-Leute in der NPD nicht auch dazu führt, das KPD-Verbot infrage zu stellen, das trotz des Einsatzes von V-Leuten beschlossen und vollstreckt wurde, gilt auch hier der Grundsatz: Weil man sich bei den Kommunisten mit verfassungsrechtlichen Bedenken nicht lange aufgehalten hat, ist man bei den Rechten besonders akribisch?

http://www.heise.de/tp/news/Faellt-das-KPD-Verbot-wegen-V-Leute-Einsatz-2651779.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/npd-verbotsverfahren-v-leute-laender

[2]

http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html

[3]

http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/verfassungsschutz-fuehrte-elf-v-leute-in-der-npd-spitze-a-1033840.html

[4]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehemaliger-nrw-finanzminister-diether-posser-ist-tot-a-671364.html

[5]

http://www.luise-berlin.de/lesezei/blz01_01/text32.htm

[6]

http://heinrich-hannover.de/person.htm

[7]

http://www.zeit.de/1979/46/eine-waffe-des-kalten-krieges

[8]

http://www.dkp-online.de/marxbild/doku/60er-kp.pdf

[9]

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/021/1802152.pdf

[10]

http://irokkinfo.blogspot.de/2014/11/stellungnahme-der-initiative-zur.html