Wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Mitte Mai in Berlin empfangen wird, dürfte er von politischen Vertretern kaum mit der Frage konfrontiert werden, wann endlich die Hintergründe der Ereignisse aufgeklärt werden, die am 2. Mai 2014 zum Tod von 42 Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa führten. Die meisten Opfer verbrannten bei lebendigem Leib. Zuvor bereits hatte es Straßenschlachten zwischen …
„Deutschland-Besuch: Selenskyj sollte sich zu Massaker von Odessa erklären“ weiterlesenSchlagwort: Ulrich Heyden
Internationaler Strafgerichtshof: Welche Kriegsverbrechen werden geahndet?
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof gegen Putin fand große Zustimmung bei den USA und der Ukraine. In vielen anderen Ländern vorwiegend des Globalen Südens hingegen wird die Entscheidung eher als weiteres Indiz dafür interpretiert, dass der Gerichtshof sehr selektiv Politiker wegen Kriegsverbrecher bestraft. Es handelt sich in der Regel um diejenigen, die …
„Internationaler Strafgerichtshof: Welche Kriegsverbrechen werden geahndet?“ weiterlesenRise Up- Und trotzdem weiterkämpfen
Eigentlich müssten es gute Zeit für linke Aktivist*innen sein, wenn sogar erklärte Kapitalismusfans wie die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann, Bücher mit dem Titel „Das Ende des Kapitalismus“ verfassen. Sie vergisst nirgends zu erwähne, wie sehr bedauert, dass es mit dem Kapitalismus aus ökologischen Gründen so nicht mehr weitergehen kann, wo der doch so flexibel gewesen sei und uns so viel Wohlstand gebracht haben soll. Da bräuchte es doch linke Aktivist*innen, die Herrmann mal aufzeigen, dass die Geschichte des Kapitalismus von Anfang eine Geschichte von Ausbeutung und Verelendung war. Der Kapitalismus hinterliess nicht nur mit seinen Kriegen Leichenberge, auch die Arbeiter*innen in den Metropolen und später zunehmend die Menschen im globalen Süden waren die Opfer dieses Systems. Es zeugt auch von einer politischen Regression, dass eine Autorin, die so ignorant gegenüber der Verbrechensgeschichte des Kapitalismus ist, sogar noch als irgendwie kritisch und links gelabelt wird. Da ist es wichtig zu wissen, dass es überall auf der Welt noch Menschen gibt, die nichts Positives am Kapitalismus erkennen wollen und die auch nicht wie Herrmann eine kapitalistische Kriegswirtschaft nach dem Vorbild Grossbritanniens im 2. Weltkrieg als Lösungsmodell vorschlagen. Am 27. Oktober ist der Dokumentarfilm Rise Up in vielen Kinos angelaufen, der 5 dieser Menschen, die sich nicht mit den Verhältnissen versöhnt haben, zu Wort kommen lässt. Die südafrikanische Aktivistin …
„Rise Up- Und trotzdem weiterkämpfen“ weiterlesenDie Leipziger globaLE und die linke Kritikunfähigkeit
„Ihr habt Lust auf globalisierungskritisches Kino in Leipzig und spannende Diskussionen? Dann seid ihr bei der globaLE genau richtig!“ Mit diesem Spruch wirbt das Leipziger Filmfestival globaLE für ihr gesellschaftskritische Sommerfilmprogramm. Es ist während der globalisierungskritischen Bewegung vor 15 Jahren entstanden und hat deren Niedergang überlebt. Unterstützt wird es von der globalisierungskritischen Organisation Attac in Leipzig. Natürlich ist eine solche gesellschaftskritische Veranstaltung den Staatsapparaten verdächtig. Doch jetzt könnte das Filmfestival an der Kritikunfähigkeit der Linken scheitern. Am 18. August wurde dort der Film „Ukraine on Fire“ des bekannten US-Regisseurs Oliver Stone gezeigt, der keineswegs objektiv ist, und das Adjektiv russlandfreundlich kann man ihm sicher geben. Mir sind sofort verschiedene Kritikpunkte eingefallen, als ich den Film einmal gesehen habe. So scheint der Regisseur bei aller Geopolitik zu vergessen, dass es reale materielle Hintergründe gibt, die viele Menschen …
„Die Leipziger globaLE und die linke Kritikunfähigkeit“ weiterlesenWider den eingebetteten Kriegsjournalismus
„Die Jungs von ‚Asow‘ werden dort rauskommen und sie (die russischen Soldaten P.N.) verbrennen.“ zitiert das Portal Obosrewatel Oleksi Arestowitsch. Dabei handelt es sich um den Chef der ukrainischen Präsidialadministration, der hier ganz offen zu einem Kriegsverbrechen aufruft, das die ukrainischen Kameradschaften der Asow-Brigadenverüben sollen, die aktuell noch in einer Fabrik am Rande von Mariupol von russischen Truppen eingeschlossen sind. Arestowitschs Drohung erfolgte, nachdem der russische Präsident angekündigt hat, diese Fabrik nicht zu stürmen. Dieser Drohung mit faschistischem Terror durch einen offiziellen Repräsentanten der Ukraine folgte in der Mehrzahl …
„Wider den eingebetteten Kriegsjournalismus“ weiterlesen„Weder Selenskyj noch Putin – Stoppt den Krieg“
Es gab eine Zeit, da orientierte sich ein Teil der außerparlamentarischen Linken auch in Deutschland an der zapatistischen Bewegung, die im Süden Mexikos aktiv war, aber diskursiv auf Linke in aller Welt ausstrahlte, weil sie in ihren Erklärungen mit der Rhetorik der traditionellen Linken gebrochen hatte. Leider hat die Anfang März verfasste zapatistische Erklärung zum russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit gefunden, die sie eigentlich verdient. Denn diese Erklärung könnte auch …
„„Weder Selenskyj noch Putin – Stoppt den Krieg““ weiterlesen„Gegen Putin und gegen die Nato“
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gab es in vielen Städten in Deutschland spontane Proteste sehr unterschiedlicher Art. So fanden sich am Donenrstag rund um das in den ukrainischen Nationalfarben angeleuchtete Brandenburger Tor in Berlin wie in den Vortagen viele Menschen mit familiärem Bezug zur Ukraine ein, die zum Teil schon länger in Berlin leben. Aber auch Menschen aus Russland, Kasachstan und Belorussland haben sich dort in den Protesten beteiligt. In den letzten Jahren war Berlin zum Fluchtpunkt vor allem junger Menschen aus postsowjetischen Staaten geworden. Sie beteiligen sich oft zum ersten Mal an politischen Aktivitäten. Die Stimmung dort ist sehr emotional, weil viele der Beteiligten Freunde und Angehörige in der Ukraine haben. „Mein Vater kämpft gerade gegen die Russen“ hat ein junger Mann auf ein Schild geschrieben. Rund um das Brandenburger Tor sah man auch viele ukrainische Nationalfahnen. Einige Redner forderten von Deutschland …
„„Gegen Putin und gegen die Nato““ weiterlesenKeine Menschenrechte für Oppositionelle
Auf einer Konferenz in Berlin sprachen JournalistInnen und PolitikerInnen, über massive Repression der Ukraine. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zum Mord an kritischen JournalistInnen. In der westlichen Welt herrscht darüber Schweigen.
JournalistInnen und Kriegsdienstverweigerer werden verfolgt, verprügelt und landen im Gefängnis. Kritische Zeitungen und Rundfunksender werden von der Regierung geschlossen oder von einem nationalistischen Mob belagert. Bei der knapp vierstündigen Konferenz der Linksfraktion Mitte Juni ging es um Menschenrechte und Medienfreiheit in der Ukraine. Dabei wird in Deutschland die Ukraine von der CSU bis zu den Grünen ausschliesslich als Opfer russischer Expansionsinteressen gesehen. Vor Beginn der Fussballweltmeisterschaft der Männer in Russland hat die Grünen-Politikerin Marie Luise Beck bei einer Diskussion im Deutschlandfunk wieder eine Lanze für die Ukraine gebrochen. Für sie war ganz klar, dass die Ukraine gegen Putin ebenso verteidigt werden müsse wie die prowestliche russische Opposition, die Beck unterstützt.
Grüne gegen Pazifist
Auf der vom Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko eröffneten Konferenz zu den Menschenrechten in der Ukraine wurde deutlich, wie stark auch in der Ukraine Andersdenkende und Oppositionelle verfolgt werden. Im ersten Panel berichteten JuristInnen und VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen über die repressive ukrainische Innenpolitik. Die Leiterin des Instituts für Rechtspolitik und Soziales Elena Berezhnaya holte aus einer Tasche einen schmutzigen Lappen. Damit wollte sie zeigen, wie der ukrainische Präsident mit der Verfassung umgehe. Ein Maulkorb sollte die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit symbolisieren. Das bekommen auch oppositionelle MedienvertreterInnen zu spüren, die im zweiten Panel über vielfältige Repressalien berichteten. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zum Mord an kritischen JournalistInnen. Wenn das in Russland geschieht, gibt es einen grossen Aufschrei in der westlichen Welt. Wenn es in der Ukraine geschieht, folgt das grosse Schweigen.
Die Namen der in den letzten Jahren in der Ukraine ermordeten JournalistInnen sind kaum bekannt. Es setzen sich anders als im Falle Russlands auch keine grünen SpitzenpolitikerInnen für sie ein. Es waren zivilgesellschaftliche AktivistInnen wie Lothar Eberhardt, die dafür gesorgt haben, dass der Name des Bloggers und Journalisten Ruslan Kotsaba einer grösseren Öffentlichkeit bekannt wurde. Er wurde inhaftiert, weil er sich als überzeugter Pazifist klar gegen den Krieg der Ukraine gegen die prorussische Bevölkerung im Osten des Landes ausgesprochen hat. Die Kampagne für seine Freilassung hatte Erfolg. Doch nach seinen engagieren Vortrag, informierte Kotsaba darüber, dass die ukrainische Justiz eine neue Anklage gegen ihn vorbereitet. Es kann also sein, dass er bei seiner Rückkehr wieder inhaftiert wird. Eigentlich müsste der Pazifist Unterstützung auch von Grünen bekommen. Doch für Rebecca Harms und andere FreundInnen der Ukraine sind ukrainische PazifistInnen suspekt, weil sie nicht zur Wehrbereitschaft beitragen.
Zweierlei Mass
Der Journalist Ulrich Heyden redete auf der Konferenz aus eigener Betroffenheit. Er war einer der wenigen deutschsprachigen JournalistInnen, die mit den Angehörigen der Menschen gesprochen haben, die am 2. Mai 2014 beim Sturm von NationalistInnen auf das Gewerkschaftshaus von Odessa, in das sich Angehörige des Anti-Maidan geflüchtet hatten, ums Leben kamen. Heyden schuf mit «Lauffeuer» einen der wenigen deutschsprachigen Filme, die sich mit dem blutigen Geschehen befassen. In den meisten Medien wurde der Film ebenso verschwiegen, wie die Proteste ausblieben, als Heyden aus der Ukraine ausgewiesen wurde. Wäre das in Russland geschehen, wäre Heyden der Held aller Talkshows gewesen und hätte die Unterstützung von allen Parteien bekommen.
aus: Vorwärts, 13.7.2018
Peter Nowak
Für Oppositionelle gibt es in der Ukraine keine Menschenrechte
Auf einer Konferenz in Berlin sprachen kritische Journalisten und Politiker, die aber das Pech haben, nicht aus Russland zu kommen
Journalisten und Kriegsdienstverweigerter werden verfolgt, verprügelt und landen im Gefängnis. Kritische Zeitungen und Rundfunksender werden von der Regierung geschlossen oder von einem nationalistischen Mob belagert.
Nein, da ist nicht von Russland die Rede. Bei der knapp vierstündigen Konferenz der Linksfraktion ging es um Menschenrechte und Medienfreiheit in der Ukraine. Das Land wird in Deutschland von einer ganz großen Koalition von CSU bis zu den Grünen ausschließlich als Opfer russischer Expansionsinteressen gesehen.
Erst vor zwei Tagen hat die Grünen-Politikerin Marie Luise Beck bei einer Diskussion im Deutschlandfunk wieder eine Lanze für die Ukraine gebrochen. Für sie war ganz klar, dass sie gegen Putin ebenso verteidigt werden müsse wie die prowestliche russische Opposition, die Beck unterstützt.
Aber die vom Linken-Abgeordneten Andrej Hunko eröffnete Konferenz zu den Menschenrechten in der Ukraine machte deutlich, dass in dem Land Andersdenkende und Handelnde mindestens genau so stark verfolgt werden wie in Russland. Im ersten Panel berichteten Juristen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen über die repressive ukrainische Innenpolitik.
Die Leiterin des Instituts für Rechtspolitik und Soziales Elena Berezhnaya holte aus einer Tasche einen schmutzigen Lappen. Damit wollte sie zeigen, wie der ukrainische Präsident mit der Verfassung umgehe. Ein Maulkorb sollte die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit symbolisieren.
Das bekommen auch oppositionelle Medienvertreter zu spüren, die im zweite Panel über vielfältige Repressalien berichteten. Das fängt bei Drohungen an und geht bis zur Ermordung von kritischen Journalisten. Wenn das in Russland geschieht, gibt es mit Recht einen großen Aufschrei in der westlichen Welt. Wenn es in der Ukraine geschieht, folgt das große Schweigen.
Die Namen, der in den letzten Jahren in der Ukraine ermordeten Journalisten sind hierzulande kaum bekannt. Es setzen sich anders als im Falle Russlands auch keine grünen Spitzenpolitiker für sie ein. Es waren zivilgesellschaftliche Aktivisten wie Lothar Eberhardt, die dafür gesorgt haben, dass der Name des Bloggers und Journalisten Ruslan Kotsaba einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde.
Er wurde inhaftiert, weil sich der überzeugte Pazifist klar gegen den Krieg der Ukraine gegen die prorussische Bevölkerung im Osten des Landes ausgesprochen hat. Die Kampagne für seine Freilassung hatte Erfolg. Doch nach seinem engagieren Vortrag, informierte Kotsaba darüber, dass die ukrainische Justiz eine erneute Anklage gegen ihn vorbereitet.
Es kann also sein, dass er bei seiner Rückkehr erneut inhaftiert wird. Eigentlich müsste der Pazifist Unterstützung auch von Grünen bekommen. Doch für Rebecca Harms und andere Freunde der Ukraine sind ukrainische Pazifisten suspekt, weil sie nicht zur Wehrbereitschaft beitragen.
Linke Oppositionelle fehlten auf der Konferenz
Die auf der Konferenz geäußerten Fälle von Menschenrechtsverletzungen werden nicht dadurch entwertet, dass ein Großteil der anwesenden Referenten Anhänger des durch den Maidan gestürzten Regimes waren.
Auch die Presseverantwortliche der früheren Regierung meldete sich zu Wort und beteuerte, dass man es damals nicht nötig gehabt habe, gegen kritische Journalisten repressiv vorzugehen. Man hätte andere Mittel gehabt.
Der Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Soziologe Taras Salamaniuk kritisierte, dass bei der Auswahl der Referenten die „neue Linke“ nicht berücksichtigt worden sei und einige der Redner auf der Konferenz keine Probleme mit Abwertung von Schwulen und Lesben haben.
Man kann sagen, dass sie ein instrumentelles Verhältnis zu Menschenrechten haben und sich nur beklagen, wenn sie oder ihr nächstes Umfeld davon betroffen sind. Salamaniuk hat sich in einer Untersuchung mit der Rolle der Linken beim Maidan und Anti-Maidan befasst. Dabei kommt er für beide Bewegungen zu einen ernüchternden Fazit:
Hervorzuheben ist, dass der Anti-Maidan in Charkiw dank der starken Stellung von Borot ́ba und im Unterschied zu Kiew die Forderungen der Linken berücksichtigt hat. Diese haben dort nicht bloß Flugblätter verteilt oder ein kleines Agitationsgrüppchen organisiert, sondern ganz gezielt Propaganda von der Bühne herunter betrieben.
Als Folge sind einige progressive Forderungen, wie das Verbot ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse und die Priorität für kollektives Eigentum, in die Erklärung der „Charkiwer Volksrepublik“ aufgenommen worden.
Es ist aber umgekehrt nicht zu vergessen, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit und die engen Beziehungen zwischen Borot ́ba und den anderen, teilweise chauvinistischen Anti-Maidan-Organisationen in Charkiw noch umstrittener waren als die Teilnahme von Linken an der Maidan-Bewegung.
Taras Salamaniuk
Wenn EU-Freunde das Ende der Sowjetunion bejubeln
Doch unabhängig von diesen für die Formierung einer neuen Linken, die nichts mit den alten oligarchischen Machtblöcken zu tun hat, wichtigen Klärungsprozess sollte man bei der Frage der Menschenrechte endlich in der Ukraine den gleichen Maßstab wie in Russland anlegen.
Der Journalist Ulrich Heyden, der sich sehr engagiert dafür einsetzte, redete aus eigener Betroffenheit. Er war einer der wenigen deutschsprachigen Journalisten, die mit den Angehörigen der Menschen gesprochen haben, die am 2. Mai 2014 beim Sturm von Nationalisten auf das Gewerkschaftshaus von Odessa, in das sich Angehörige des Anti-Maidan geflüchtet hatten, ums Leben kamen.
Heyden schuf mit Lauffeuer einen der wenigen deutschsprachigen Filme, die sich mit dem blutigen Geschehen befassen. In den meisten Medien wurde der Film ebenso verschwiegen, wie die Proteste ausblieben, als Heyden aus der Ukraine ausgewiesen wurde.
Wäre das in Russland geschehen, wäre Heyden der Held aller Talkshows gewesen und hätte die Unterstützung von allen Parteien bekommen. Doch die doppelten Standards beginnen schon früher.Alle, die es so begrüßen, dass sich die Ukraine selbstständig gemacht haben, jubelten über das Ende der Sowjetunion. Dabei war sie wie die EU ein Bündnis verschiedener Staaten. Es gab keine Außengrenzen mehr. Die Menschen mussten keine langen Ausweisprozeduren auf sich nehmen, wenn sie innerhalb der SU reisten.
Nach dem Ende der SU entstanden ganz viel neue Nationalstaaten, die teilweise überhaupt keinen Kontakt untereinander haben und durch teilweise starre Grenzen getrennt sind. Diesen Aspekt wollen viele EU-Anhänger, die das Ende der Sowjetunion begrüßten, nicht sehen. Das ideologische Feindbild verhinderte es.
URL dieses Artikels:
Peter Nowak
http://www.heise.de/-4077292
https://www.heise.de/tp/features/Fuer-Oppositionelle-gibt-es-in-der-Ukraine-keine-Menschenrechte-4077292.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.linksfraktion.de/termine/detail/menschenrechte-und-medienfreiheit-in-der-ukraine-1/
[2] http://www.deutschlandfunk.de/europa-zwischen-trump-und-putin-geht-die-internationale.1784.de.html?dram:article_id=419904
[3] http://www.dfg-vk-mainz.de/aktuell/ruslan-kotsaba/
[4] https://www.rosalux.de/en/news/id/6910/f45dd8259a9694857a74e8ef50a01c06/
[5] https://www.wzb.eu/de/personen/taras-salamaniuk
[6] https://www.rosalux.de/en/news/id/6910/f45dd8259a9694857a74e8ef50a01c06/
[7] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Ausland/Salamaniuk_Verworrene_Wege_der_Linken.pdf
[8] https://www.heise.de/tp/autoren/?autor=Ulrich%20Heyden
[9] http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-europarat-kritisiert-ermittlungen-zu-strassenschlachten-a-1060987.html
[10] http://lauffeuer-film.de/
Odessa und die Kluft zwischen Maidan und Anti-Maidan
Waffen als Friedenslösung? Der Film „Lauffeuer“ erinnert an ein unaufgeklärtes Massaker
Wie es viele erwarteten haben, gingen auch nach dem zweiten Minsker Abkommen, das das Ziel hatte, den Ukraine-Konflikt in eine Form zu bringen, mit der auch die EU-Staaten leben können, die Kämpfe weiter.
Schnell wird die russische Unterstützung der Anti-Maidan-Bewegung in der Ostukraine zur Ursache für die weiteren Kämpfe erklärt. Ein weiterer Grund dürfte in dem Bestreben der ukrainischen Führung liegen, doch noch offizielle Waffenlieferungen der USA zu bekommen. Inoffiziell soll es bereits länger US-Waffen in der Ukraine geben. Die öffentlich zur Schau gestellte Niederlage der ukrainischen Truppen könnte auch darauf abzielen, bei den Entscheidern in den USA ein positives Klima für die offiziellen Waffenlieferungen zu schaffen. Schließlich haben Politiker der Republikaner und der Demokraten vor dem Minsker Gipfel erklärt, der sei die letzte Chance, um Waffenlieferungen zu verhindern.
Auch in Deutschland meldeten sich schon vor Minsk II Stimmen zur Wort, die der Bewaffnung der Ukraine das Wort redeten und sie sogar zur Bedingung für eine Friedenslösung erklärten. So sprach sich der als linksliberaler Interventionist nach dem Muster von Tony Blair bekannte Taz- Auslandsressortleiter Dominic Johnson für ein Recht auf Waffen für die Ukraine [1] aus.
Die Kluft zwischen Maidan und Anti-Maidan
Es ist unbestritten, dass diese außenpolitische Einflussnahme auf die Kräfte in der West- und Ostukraine vorhanden ist – und dabei nicht einflusslos. Doch oft wird die Kluft unterschätzt, die sich zwischen zwei politischen Modellen, die gut als Maidan- und Anti-Maidan beschrieben werden können, innerhalb der Ukraine vorhanden ist und eine Stilllegung des Konflikts so schwierig macht.
Sehr deutlich zeigt das der Film Lauffeuer [2], der am Mittwochabend im Berliner Kino Movimento seine Deutschlandpremiere [3] hatte. Der Film wurde von den langjährigen Russlandkorrespondenten vieler Medien von Spiegel, über Deutschlandfunk und Telepolis bis zur Schweizer Wochenzeitun, Ulrich Heyden in Kooperation mit dem Online-Videomagazin Leftvision [4] erstellt.
Der Untertitel – „eine Tragödie zerreißt Odessa“ – scheint aber gerade vor dem Inhalt des knapp 40 minütigen Films etwas deplatziert. Denn gezeigt werden die Vorgeschichte und die Durchführung eines bis heute unaufgeklärten Massakers rechter Kräfte des Maidan-Spektrums gegen den Anti-Maidan in Odessa. In der kurzen Vorgeschichte wird dargelegt, wie sich in der Stadt die Fronten schon lange vor dem 4. Mai verhärteten.
Es kam aber vor allem zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Maidan-Spektrum, wo man sich das Ziel setzte, auch Odessa zu ukrainisieren, und den Anti-Maidan-Kräften, die vor allem an einem engen Bündnis mit Russland festhalten wollten. An der Behandlung von Mahnmalen aus der sowjetischen Ära wurde die unterschiedlichen Symbolpolitik hinter der auch diametral entgegen gesetzte politische Inhalte standen, deutlich. Die Maidan-Kräfte stürzten und zerstören Denkmäler von Lenin, aber auch Erinnerungsorte an den Sieg der Roten Armee über Hitler-Deutschland. Dafür stand bei ihnen der glühende Antisemit und zeitweilige NS- Kollaborateur Bandera hoch im Kurs. Die Anti-Maidan-Kräfte hingegen bilden Schutzschilde vor diesen Denkmälern und trugen auch schon mal Antifafahnen.
Auch ökonomisch gibt es große Unterschiede. Der Maidan-Block gab sich prowestlich, wobei der harte Kern vor allem eine Unterstützung durch die EU gegen Russland meinte, und gehörte zum Mittelstand, während der Anti-Maidan zu Russland tendierte und in den ärmeren Schichten der Bevölkerung der Ostukraine besser verankert war. Dass es auch Versuche linker Kräfte gab, in die Maidan-Proteste zu intervenieren und dort vorsichtig auch soziale Fragen anzusprechen, zeigt eine Materialsammlung [5] der Rosa Luxemburg Sammlung zum Ukraine-Konflikt.
Im Vorfeld des 4. Mai strömten rechte Kräfte aus der gesamten Ukraine nach Odessa, um den Anti-Maidan zu zerstören. Jüngere Aktivisten des Anti-Maidan versuchten, sich diesen Kräften entgegenzustellen. Auch sie waren, wie im Film gezeigt wird, mit Steinen und Knüppel bewaffnet. Doch schnell merkten sie, dass sie angesichts des zahlenmäßig überlegenen, zu allem entschlossenen rechten Mob keine Chancen hatten. Von der Polizei, die sonst immer in der Nähe des Anti-Maidan postiert war, war nichts mehr zu sehen.
Als die ersten scherverletzten Anti-Maidan-Aktivisten verarztet werden mussten, wurde allen der Ernst der Lage klar. Die Menschen flohen in das Gewerkschaftshaus, weil ihnen klar war, dass das Camp nicht zu halten war. Nicht vorstellen konnten sich viele, dass selbst das massive Gebäude keinen Schutz bieten konnte. Das Haus wurde von den Sturmtrupps der Maidan-Bewegung in Brand gesetzt. Der Luftzug sorgte dafür, dass sich das Feuer rasend ausbreiten konnte. Menschen sprangen teilweise aus großer Höhe aus den Fenstern. Wenn sie überlebten, wurden sie von dem Maidan-Mob, der sich um das Gebäude aufgebaut hatte, geschlagen.
Menschen kamen durch das Feuer um, andere wurden erschlagen. Der Film verzichtet allerdings darauf, die verbrannten Menschen zu zeigen. Dafür kommen 16 Augenzeugen, Beteiligte des Anti-Maidan und ihre Verwandten mit teilweise erschütternden Berichten zu Wort. Ein älterer Seemann berichtet, dass er beobachten konnte, wie Menschen neben ihm in den Flammen starben. Am Ende sagt er kämpferisch, Odessa wird sich nie den Bandera-Leuten beugen. Er hat während der deutschen Besatzung seinen Vater verloren.
Die verschleppten Ermittlungen
Der Film zeigt auch, wie führende ukrainische Politiker im Vorfeld die schnelle Räumung des Anti-Maidan, der seine Zelte vor dem Gewerkschaftshaus in Odessa aufgeschlagen hatte, forderten. Ein wichtiger Zeuge ist der mittlerweile geflohene, damals amtierende Polizeichef von Odessa, der schwere Vorwürfe gegen die ukrainische Führung in Odessa erhebt. Demnach gab es einen Kreis unterschiedlicher Politiker und Oligarchen, die dem Anti-Maidan eine vernichtende Niederlage bereiten wollten. Einige dieser Politiker werden im Film benannt. Es wird aber auch immer wieder eingeräumt, dass die letzten Beweise fehlten.
Denn polizeiliche Ermittlungen fanden nach dem Tod von offiziell 49 Menschen, manche nennen wesentlich höhere Zahlen, nicht statt. So wurde das ausgebrannte Gewerkschaftsgebäude nicht einmal abgesperrt und konnte von allen Menschen betreten werden. Angehörige der Getöteten berichteten, dass bis heute nicht klar ist, wo die beerdigt wurden.
Diese Aussage ist besonders schockierend. Selbst in lateinamerikanischen Militärregimen erkämpften sich die Menschen das Recht auf die Beerdigung ihrer getöteten Angehörigen. Vor allem junge Menschen, die an den Anti-Maidan-Protesten beteiligt waren, sind nach den Ereignissen untergetaucht. Die meisten der Interviewpartner waren ältere Menschen. Auch die Opposition traut sich seit dem 4. Mai in Odessa kam noch auf die Straße.
So haben die rechten Strategen und die sie unterstützende Kräfte in den Institutionen ihr Ziel erreicht. Besonders empörend ist die Tatsache, dass dem Massaker und den Folgen in den europäischen Ländern mit Ignoranz begegnet wurden. Es gibt in Deutschland nicht einmal kleine Gruppen, die regelmäßig vor den ukrainischen Botschaften und Konsulaten die Aufklärung des Verbrechens und Gerechtigkeit für die Opfer von Odessa fordern.
Diese Ignoranz zeigt, wie dünn der zivilisatorische Firnis ist und wie schnell massive Menschenrechtsverletzungen achselzuckend hingenommen werden, wenn die Opfer erst stigmatisiert sind. Reicht es bereits aus, als Prorusse bezeichnet zu werden, um deren Ermordung stillschweigend zu dulden?
Neoliberale Junta, die sich mit Faschisten verbinden
Ulrich Heyden hat Recht, wenn er im Gespräch nach dem Film erklärt, dass die Arbeit der Filmemacher von Leftvision, die ausschließend mit Spenden finanziert wurde, eigentlich von hochbezahlten Journalisten hätte geleistet werden müssen, die ihre Arbeit dann in ARD und ZDF präsentieren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in dem Film viele Fragen aufgeworfen werden. Wer aber schon fertige Antworten erwartet, wird eines Besseren belehrt.
Der Film liefert Material für Journalisten und für zivilgesellschaftliche Gruppen, die vielleicht die Aufklärung des Falls noch vorantreiben können. Im Film wird auch kurz erwähnt, dass auch der Tod von ca. 100 Menschen, die Anfang Januar 2014 in Kiew bei den Maidan-Protesten erschossen wurden bis heute unaufgeklärt sind. Anders als das Massaker in Odessa wird über diese Toten öfter in den Medien berichtet [6] und gerätselt, warum die Aufklärung dieser Morde auch bei der neuen Regierung wenig Priorität hat.
Dabei wird seilten erwähnt, dass dieser mangelnde Eifer auch daran liegen kann, dass die Maidan-Demonstranten gar nicht von Schützen des alten Regimes getötet wurden. Eine Version besagt, die Täter kommen aus den Reihen der Maidan-Bewegung und wollten damit den Umsturz forcieren.
Wer aber nur auf die Repression schaut und die gegenwärtige ukrainische Regierung gar als faschistisch bezeichnet, verkennt, dass es rechte Kräfte auch auf der prorussischen Seite gibt. Vor allem aber verkennt er die ökonomische Seite.
In der Ukraine wird gerade ein neoliberales Modell vorbereitet, das eine Massenverarmung großer Teile der Bevölkerung zur Folge haben wird. Die Ausschaltung der Opposition, wie sie durch das Massaker in Odessa bewirkt wurde, verhindert, dass sich Widerstand gegen diese Politik entwickelt. Selbst ein Kommentator der maidanfreundlichen Taz gestand [7] ein, dass die gewerkschaftlichen Rechte zurückgedreht wurden. Die alte Regierung war nicht so weit gegangen:
Dort werden die Folgen des Massakers vom 4. Mai in Odessa auch sehr richtig benannt:
Eine neoliberale Junta bedient sich gelegentlich Faschisten, meinte Ulrich Heyden. Der 4. Mai in Odessa wäre ein solches Beispiel.
http://www.heise.de/tp/news/Odessa-und-die-Kluft-zwischen-Maidan-und-Anti-Maidan-2553778.html
Peter Nowak
Links:
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