Radeln gegen AKW?

Ingo Falk ist Mitglied der Anti-Atom-Gruppe Freiburg

nd: Jährlich protestieren Atomkraftgegner in der Region um das an der Grenze zu Deutschland gelegene, französische AKW Fessenheim. Am Wochenende führt die Fahrraddemonstration »Tour de Fessenheim 2013« von Mulhouse nach Colmar. Was ist geplant?
falk: Bereits im vergangenen Jahr haben wir auf etliche Projekte der erneuerbaren Energien in der Region aufmerksam gemacht. Diesmal steht die Besichtigung der neuen Photovoltaikanlage in Staffelfelden auf 5,5 Hektar Fläche mit einer installierten Leistung von 5,3 Megawatt auf unserem Programm. Im Département Aude in der Gegend um Narbonne und Carcasonne wird schon heute mit Wind- und Solarenergie mehr als 50 Prozent des Stroms erzeugt. Nur in den Mainstreammedien in Deutschland ist immer noch die Rede von der »Atomstromnation Frank-reich«.

Lässt das Interesse am Protest nicht nach, da viele im Elsass meinen, das AKW Fessenheim werde in wenigen Jahren stillgelegt?
Zum einen wollen wir dieser trügerischen Hoffnung etwas entgegensetzen, zum anderen zeigen uns die Anmeldungen, dass gerade die Zahl der französischen Teilnehmer in diesem Jahr höher liegen wird als bei der »Tour de Fessenheim 2012«.

Welche Risiken sehen Sie durch den Betrieb dieses AKWs?
Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die rund 35 Kilometer von Fessenheim entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 bestätigte ein Gutachten, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist. Laut einer TV-Dokumentation auf »France 2« hielt der Betreiberkonzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Ein solcher Dammbruch kann durch ein Erdbeben ausgelöst werden.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW am Netz?

Pro Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also rund 600 Millionen. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandszeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb. Bekanntlich unterstützt auch die kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Frankreich. Es ist bekannt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Stromkonzerns EdF finanziert.

Frankreich bleibt Atommacht?
Wir müssen sehen, dass die politische Kaste in Frankreich unbeirrt an der atomaren Bewaffnung, der »force de frappe«, festhält. Atomkraftwerk und Atombombe sind siamesische Zwillinge. Ohne eine Abkehr von der Atombombe ist daher das Versprechen von Präsident François Hollande, einen Atomausstieg in Frankreich einzuleiten, wenig glaubwürdig. Zumal wenn in Mali ein Krieg geführt wird, der der Sicherung von Uranminen im benachbarten Niger dient, und wenn weiterhin Milliarden Euro staatlicher Gelder in die Förderung der Atomenergie fließen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/825974.radeln-gegen-akw.html
Interview: Peter Nowak

„Ein Unfall im AKW Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben als das Desaster in Japan“


„Tour de Fessenheim“: Atomkraft-Gegner protestieren gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW

Am kommenden Wochenende findet die Tour de Fessenheim 2013 statt – in diesem Jahr auf der Strecke von Mulhouse nach Colmar. Nach wie vor gilt die Fahrrad-Demonstration dem Protest gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW Fessenheim. Frankreichs neuer Präsident François Hollande hat zwar versprochen, das mit rund 36 Jahren älteste französische Atomkraftwerk gegen Ende seiner vierjährigen Amtszeit stillzulegen, doch die Atomkraft-Gegner dies- und jenseits des Rheins haben da ihre Zweifel und drängen auf eine sofortige Stilllegung. Außerdem stehen bei der diesjährigen Tour de Fessenheim die erneuerbaren Energien im Zentrum.

Die Tour de Fessenheim stellt gleich in dreierlei Hinsicht zu schnelle Urteile über die Anti-AKW-Bewegung infrage. Da gibt es die in den Medien immer wieder verwendete Behauptung, dass mit dem langsamen Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft auch die Anti-AKW-Bewegung ihre Funktion verloren habe, und es jetzt nur noch darum gehe, einen Platz für den atomaren Müll zu finden. Eine zweite Behauptung in vielen deutschen Medien besagt, dass die Bevölkerung in Frankreich mehrheitlich gegenüber AKW-kritischen Bestrebungen resistent sei.

Schließlich wird immer wieder behauptet, dass ein Desaster wie in Fukoshima in Europa nicht möglich wäre. Die Proteste gegen das AKW Fessenheim haben in den letzten zwei Jahren nach den Gau in Japan neuen Zulauf bekommen, die Kooperation mit französischen Mitstreitern wurde ausgebaut. Ein Unfall in Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben, als das Desaster in Japan, meint Ingo Falk vom Organisationsteam der Tour de Fessenheim im Gespräch mit Telepolis.

„Ein AKW in einem mitteleuropäischen Erdbebengebiet ist unverantwortlich“

Lässt das Interesse am Protest nicht nach, wenn nun viele im Elsass meinen, das AKW Fessenheim werde in wenigen Jahren stillgelegt?

Ingo Falk: Zum einen wollen wir dieser trügerischen Hoffnung etwas entgegensetzen, zum anderen zeigt uns die Zahl der Anmeldungen, dass gerade die Zahl der französischen Teilnehmer in diesem Jahr sicher höher liegen wird als im vergangenen Jahr.

Welche Risiken sehen Sie für das AKW-Fessenheim?

Ingo Falk: Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die von Fessenheim rund 35 Kilometer entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist.

Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Und auch ein solcher Dammbruch kann durch ein Erdbeben ausgelöst werden.

Wären die Folgen eines Super-GAU im AKW Fessenheim mit jenen in Japan vergleichbar?

Ingo Falk: Sie könnten weitaus verheerender ausfallen. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden.

Das AKW Fessenheim enthält ein radioaktives Inventar, das 1.760 Hiroshima-Bomben entspricht. Im Februar erklärte Jean-Louis Basdevant, hochrangiger französischer Kernphysiker und Professor an der polytechnischen Hochschule, dass ein schwerer Unfall im AKW Fessenheim eine dramatische Katastrophe für ganz Europa wäre, die – so wörtlich – das Leben der zentraleuropäischen Region bis nach Rotterdam für mehr als 300 Jahre vernichten würde. Er erinnerte daran, dass sich das AKW an der Basis des Rheintals zwischen Basel und Rotterdam befindet, dem am dichtesten besiedelten Gebiet Europas mit einer hohen Konzentration von Industrieanlagen – und dass Fessenheim an der Basis des Oberrhein-Aquifers, einem der größten Trinkwasservorkommen Europas liegt.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW dennoch am Netz?

Ingo Falk: In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandszeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb.

Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Es ist bekannt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Strom-Konzerns EDF finanziert. Zudem müssen wir sehen, dass die politische Kaste in Frankreich unbeirrt an der atomaren Bewaffnung, der „force de frappe“, festhält.

Atomkraftwerk und Atombombe sind siamesische Zwillinge. Ohne eine Abkehr von der Atombombe ist daher das Versprechen Hollandes, einen Atomausstieg in Frankreich einzuleiten, wenig glaubwürdig – zumal wenn ein Krieg geführt wird wie in Mali, der der Sicherung von Uranminen im benachbarten Niger dient, und wenn weiterhin Milliarden Euro staatlicher Gelder in die Förderung der Atomenergie fließen.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/154529
Peter Nowak

Widerstand im Dreiländereck

Hunderte Atomkraftgegner aus der Schweiz, Frankreich und- Deutschland haben am Wochenende für die sofortige Stilllegung des AKW Fessenheim und die Förderung erneuerbarer Energien demonstriert. »Mit der Tour de Fessenheim wird die Tradition des Widerstands im Dreyecksland neu belebt«, meint ein Freiburger Aktivist und verweist auf das nie in Betrieb genommene AKW Wyhl, dass Ende der 70er Jahre durch Aktivisten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz verhindert worden ist.

Auf der Anti-AKW-Tour wurde de neugewählte französische Präsident Hollande an sein Wahlversprechen erinnert, Fessenheim so schnell wie möglich abzuschalten. Bei der ersten Sitzung der Überwachungskommission Fessenheim nach dem Regierungswechsel stellte sich aber heraus, dass die Abschaltung des AKW noch dauern wird. Ein zeitaufwendiges Verfahren sei nötig und zudem hat das Betreiberunternehmen Electricité de France (EDF) schon angekündigt, dass es bei einer Abschaltung eine Entschädigung fordern will.
Ingo Falk von der Anti-Atomgruppe Freiburg betonte bei einer Kundgebung in Colmar, dass es nicht reiche, ein AKW stillzulegen. Vielmehr sei eine Energiewende nötig. Daher forderten die AKW-Gegner nicht nur die Stilllegung von Fessenheim sondern besuchten auf ihrer Tour auch verschiedene Orte einer alternativen Energieerzeugung. So wurde eine Kleinwasserkraftwerkanlage in Emmendingen und ein Solardach in Pfaffenheim besichtigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/230677.jeder-tag-birgt-das-risiko-
eines-super-gau.html
Peter Nowak

»Jeder Tag birgt das Risiko eines Super-GAU«

BUND-Aktivistin Elke Brandes über die Proteste gegen das französische AKW Fessenheim
Elke Brandes ist Mitglied der Umweltorganisation BUND Freiburg und gehört zum Organisations-Team der »Tour de Fessenheim«, einer grenzüberschreitenden Demonstration gegen den Betrieb des Atomkraftwerkes im elsässischen Fessenheim. Mit ihr sprach für »nd« Peter Nowak.

nd: Dem französischen Atomkraftwerk Fessenheim wurde vor wenigen Monaten bei einer Zehn-Jahres-Inspektion die Sicherheit für den weiteren Betrieb bescheinigt. Auch der neue französische Präsident François Hollande will den Meiler offenbar nicht vor 2017 stilllegen. Warum organisieren Sie weiter den Widerstand?
Brandes: Jeder weitere Tag, an dem dieses Atomkraftwerk in Betrieb ist, birgt das Risiko eines Super-GAU wie in Fukushima. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden.

Ein Tsunami dürfte am Oberrhein wohl ausgeschlossen sein. Was könnte nach Ihrer Ansicht einen Super-GAU im AKW Fessenheim auslösen?
Es bedarf keiner Ursache von außen. Auch das AKW Fessenheim ist konstruktionsbedingt nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren ausgelegt. Diese Frist endete im Jahr 2002. Dabei wurden bereits in den ersten Jahren des Betriebs Risse in einem der beiden Reaktordruckbehälter und in dessen 54 Tonnen schwerem Deckel festgestellt. Der Reaktordeckel von Block 1 etwa wurde im Juli 1996 ersetzt – doch die Reaktordruckbehälter können nicht ausgetauscht werden. Dabei wird das Material durch den Neutronenbeschuss aus dem Kern immer brüchiger.

Welche Risiken sehen sie durch Erdbeben oder andere Ursachen?
Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist. Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem Untersuchungsergebnisse über den Rheinseitenkanals zu lesen sind.

Warum bleibt das AKW dennoch am Netz?
In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandszeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb. Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Strom-Konzerns EDF finanziert.

Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?
Elsässische, Nordschweizer und badische Anti-AKW-Initiativen treffen sich regelmäßig, um ihre Arbeit zu koordinieren. Dabei wird auch Wert gelegt auf die Unterstützung der Initiativen gegen die geplanten atomaren Endlager in Benken in der Nordschweiz, in Bure in Lothringen und in Gorleben im Wendland. Wichtig ist für uns zudem, dass in Baden-Württemberg die Atomkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg stillgelegt werden. Neben Großdemonstrationen ist die »Tour de Fessenheim«, die wir in diesem Jahr zum siebten Mal organisierten, für uns eine Möglichkeit, das Bewusstsein für das Restrisiko wachzuhalten und zugleich auf die gerade im hiesigen Dreyeckland vielfältigen Initiativen zur Energiewende hinzuweisen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/230677.
jeder-tag-birgt-das-risiko-eines-super-gau.html

Interview: Peter Nowak

Es gibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb des AKW Fessenheim

Widerstand im Dreiländereck gegen ältestes französisches AKW

Elke Brandes ist Mitglied der Umweltorganisation BUND und gehört zum Organisations-Team der Tour de Fessenheim. Aufgerufen wird zu einer grenzüberschreitenden Demonstration gegen den Betrieb des Atomkraftwerkes im elsässischen Fessenheim, die an diesem Wochenende stattfindet.

Dem Atomkraftwerk (AKW) Fessenheim wurde vor wenigen Monaten bei einer 10-Jahres-Inspektion die Sicherheit für den weiteren Betrieb bescheinigt. Auch der neue französische Präsident François Hollande will den Meiler offenbar nicht vor 2017 stilllegen. Warum organisieren Sie weiter den Protest?

Elke Brandes: Jeder weitere Tag, an dem dieses Atomkraftwerk in Betrieb ist, birgt das Risiko eines Super-GAU wie in Fukushima. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden. Das AKW Fessenheim enthält ein radioaktives Inventar, das 1.760 Hiroshima-Bomben entspricht.

Ein Tsunami dürfte am Oberrhein wohl ausgeschlossen sein. Was könnte nach Ihrer Ansicht einen Super-GAU im AKW Fessenheim auslösen?

Elke Brandes: Zunächst einmal: Es bedarf keiner Ursache von außen. Auch das AKW Fessenheim ist konstruktionsbedingt nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren ausgelegt. Diese Frist endete im Jahr 2002. Dabei wurden bereits in den ersten Jahren des Betriebs Risse in einem der beiden Reaktordruckbehälter und in dessen 54 Tonnen schwerem Deckel festgestellt. Der Reaktordeckel von Block 1 etwa wurde im Juli 1996 ersetzt – doch die Reaktordruckbehälter können nicht ausgetauscht werden. Dabei wird das Material durch den Neutronenbeschuss aus dem Kern immer brüchiger.

…und welche Risiken sehen Sie durch Erdbeben oder andere äußere Ursachen?

Elke Brandes: Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die von Fessenheim rund 35 Kilometer entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist. Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Und auch gegen einen möglichen Terrorangriff nach dem Vorbild des 11. September 2001 ist das Atomkraftwerk nicht ausreichend geschützt. Seine Betonhülle mit einer Stärke von 80 Zentimetern kann nicht einmal dem gezielten Absturz eines Cessna-Kleinflugzeugs standhalten. Dies sind nur drei Beispiele aus einer ganzen Reihe von nicht zu leugnenden Gefahren.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW dennoch am Netz?

Elke Brandes: In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandzeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb. Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Stromkonzerns EdF finanziert.

Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?

Elke Brandes: Elsässische, Nordschweizer und badische Anti-AKW-Initiativen treffen sich regelmäßig, um ihre Arbeit zu koordinieren. Dabei wird auch Wert gelegt auf die Unterstützung der Initiativen gegen die geplanten atomaren Endlager in Benken in der Nordschweiz, in Bure in Lothringen und in Gorleben im Wendland. Auch Kontakte zu Gruppen aus dem CASTOR-Widerstand werden gepflegt. Wichtig ist für uns zudem, dass in Baden-Württemberg die Atomkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg stillgelegt werden.

Neben Großdemonstrationen ist die „Tour de Fessenheim“, die wir in diesem Jahr zum siebten Mal organisieren, für uns eine Möglichkeit, das Bewusstsein für das sogenannte Restrisiko wachzuhalten und zugleich auf die gerade im hiesigen Dreieckland vielfältigen Initiativen zur Realisierung der Energiewende hinzuweisen: kleine Wasserkraftwerke, Windkraftwerke, Solarzellen, Sonnenkollektoren und so weiter. Für einen Atomausstieg, der auch in Deutschland erst noch erkämpft werden muss, ist nicht zuletzt entscheidend, ob wir den Umstieg auf die Vollversorgung durch erneuerbare Energien durchsetzen können.

http://www.heise.de/tp/artikel/37/37135/1.html
Peter Nowak