»Kein Unglücksfall« – Der Tod eines Streikpostens in Italien

Der Tod eines Kollegen auf Streikposten hat Mitte September in Italien zu massiven Protesten geführt. In Deutschland war das – auch in der linken Öffentlichkeit – kaum ein Thema.
„Er ist mit einem Megaphon in der Hand gestorben. Er ist von SEAM [einem Zulieferer von GLS] und GLS getötet worden.“ Das sagten einige KollegInnen von Abd Elsalam Ahmed Eldanf, der am 15. September 2016 bei der Blockade eines bestreikten GLS-Warenlagers in Piacenza von einem Firmenwagen überfahren wurde. Sie klagen damit auch die beiden Unternehmen an, bei denen der in Ägypten geborene Mann seit 2003 gearbeitet hat.
Mit dem Streik wollten die Beschäftigten die unbefristete Anstellung von 13 KollegInnen und die Wiedereinstellung von weiteren KollegInnen, die ihren Job verloren hatten, weil sie Gewerkschaftsmitglieder geworden waren, durchsetzen. Abd Elsalam hatte bereits einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Er beteiligte sich an dem Streik, um seine KollegInnen zu unterstützen. Dieses solidarische Agieren der Beschäftigten kennzeichnet den seit 2008 andauernden Kampfzyklus in der norditalienischen Logistikbranche. „Die meist migrantischen LogistikarbeiterInnen in Italien haben es in den letzten sechs Jahren geschafft, durch militante Streiks ihre menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen grundlegend zu verbessern. Während sie früher regelmäßig bei der Lohnabrechnung betrogen und von den VorarbeiterInnen mit gewalttätiger Arroganz behandelt wurden, haben sie jetzt in vielen Unternehmen normale Bedingungen für sich erkämpft. Wegen dieser Erfolge organisieren sich immer mehr ArbeiterInnen in der Basisgewerkschaft S.I. Cobas und setzen sich mit ihren KollegInnen zur Wehr“, schreibt Bärbel Schönafinger auf der Plattform Labournet.tv. Sie hat einige der italienischen LogistikarbeiterInnen 2014 beim europäischen Treffen von BasisgewerkschafterInnen in Berlin kennengelernt und diese in Norditalien besucht. Aus den Besuchen und Gesprächen ging auch der Film „Die Angst wegschmeißen“ (http://de.labournet.tv/die-angst-wegschmeissen) hervor, mit dem sie den Arbeitskampf in Norditalien in Deutschland bekannter gemacht hat.
Terror gegen Streikende
Für Giorgio Grappi, Sozialwissenschaftler, aktives Mitglied der MigrantInnen-Koordination von Bologna und des Kollektivs »S-Connessioniprecarie« (Prekäre Verbindungen), ist der Tod von Abd Elsalam nicht der tragische Unglücksfall, als den ihn die italienische Justiz darstellt. In einem Interview mit der linken Zeitung Il Manifesto bezeichnet er Abd Elsalams Tod als Höhepunkt der Gewalt, die von Seiten der Unternehmen und des Staates seit Beginn des Kampfzyklus gegen die Streikenden zum Ausdruck kam. „Wer die Arbeitskämpfe der migrantischen ArbeiterInnen in der Logistik verfolgt hat, kennt die Gewalt, die von Unternehmerseite bei den Blockaden ausgeübt wird, die Versuche, sie zu durchbrechen, und die Polizeieinsätze gegen Streikposten sehr genau“, erklärt Grappi. „Youtube ist voll von Videos, die ArbeiterInnen mit schweren Verletzungen zeigen, die ihnen Polizei oder Streikbrecher zugefügt haben“, berichtet auch Bärbel Schönafinger. Die Kampfbereitschaft und Entschlossenheit der Beschäftigten konnte damit nicht gebrochen werden .
Sie haben es geschafft, sich italienweit zu organisieren und gegenseitig in ihren Kämpfen zu unterstützen, so dass auch Kämpfe in Warenlagern gewonnen werden konnten, in denen zunächst nur ein kleiner Teil der Belegschaft in den Streik getreten war. Der Kampfzyklus hatte zudem eine integrative Kraft für die radikale Linke in Italien, die die LogistikarbeiterInnen tatkräftig unterstützt. Der Arbeitskampf wird sowohl von sozialen Zentren und autonomen Zusammenhängen als auch von verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen in Norditalien unterstützt. Die unterschiedlichen Spektren der italienischen Linken kooperieren bei der Streikunterstützung. Keine Unterstützung für den Arbeitskampf kam hingegen von den großen Gewerkschaftszentralen in Italien. Ob sich dies nach dem Tod von Abd Elsalam ändert, muss sich zeigen. Am 18. September erklärte der Sekretär der größten italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM-CGIL, Maurizio Landini: „Mit der Auftragsvergabe an Subunternehmer und Kürzungen bei der Vorbeugung befindet sich die Arbeitssicherheit in einer dramatischen Lage. Man muss die verfehlten Gesetze korrigieren.“ Die CGIL fordert ein neues Statut für die Rechte der Werktätigen und ein Referendum gegen den Jobs Act (kann man das erläutern?). Für den 21. September hatte auch die FIOM-CGIL zu Streiks und Betriebsversammlungen aufgerufen.
Kaum Unterstützung aus Deutschland
Obwohl einige der in Norditalien bestreikten Logistikunternehmen wie IKEA und DHM auch Filialen in deutschen Städten haben, ist es bislang in Deutschland nicht gelungen, eine Solidaritätsstruktur zur Unterstützung der Streikenden in Italien aufzubauen. Nachdem die Auseinandersetzungen in Norditalien durch den Film „Die Angst wegschmeißen“ bekannter wurden, gab es im Sommer 2015 auch Versuche, mit Aktionstagen die Solidarität mit den Streikenden auszuweiten. Das Konzept sah vor, parallel zum Arbeitskampf in Italien auch vor den Filialen in Deutschland die Forderungen der Belegschaft zu unterstützen. In Berlin, Hamburg und dem Ruhrgebiet gab es kleinere Aktionen wie z.B. unangemeldete Kundgebungen, und an IKEA-KundInnen wurden Flugblätter mit Informationen zu den Hintergründen der Streiks in italienischen Logistikunternehmen, die für IKEA arbeiten, verteilt. Doch es gelang nicht, die Solidaritätsaktionen kontinuierlich fortzusetzen oder gar auszuweiten. So wurde der Tod von Abd Elsalam Ahmed Eldanf in Deutschland kaum registriert. Lediglich in den Tageszeitungen Neues Deutschland und junge welt sowie in der Monatszeitung analyse und kritik (ak) gab es Artikel bzw. ein Interview dazu. Auch die außerparlamentarische Linke, die 2001 beim Tod des Globalisierungskritikers Carlo Giuliani noch in vielen Städten Aktionen organisierte, ignorierte den Tod des Streikpostens. Dieses Schweigen ist ein Zeichen, wie schlecht es um eine europaweite gewerkschaftliche Solidarität bestellt ist.
http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Erst Rausschmiss, dann Reglementierung

WOHNEN Vor einem Jahr wurde Tina S. zwangsgeräumt. Seither kämpft sie um ihre Privatsphäre
Über ein Jahr ist her, dass Tina S. aus ihrer Wohnung in der Buttmannstraße 18 im Wedding geräumt wurde. Am kommenden Freitag lädt die Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“ ab 17 Uhr in den Nachbarladen in der Buttmannstraße 16 zum Kiezpalaver mit Büfett – auf den Treffen wird es auch um die seit einem Jahr leer stehende Wohnung von Tina S. gehen, die nach der Sanierung wesentlich teurer zur Neuvermietung angeboten wird. „Wir wollen darüber sprechen, wie die Probleme im Kiez gemeinsam angegangen werden können“, erklärte Martin Steinberg von dem Weddinger Stadtteilbündnis. Tina S. würde gern wieder in ihre alte Wohnung zurückkehren.  Sie lebt zurzeit bei UnterstützerInnen, muss aber in nächsten Monaten eine neue Wohnung finden. Davor hat sie mehrere Monate in der Einrichtung der Berliner Wohnungsnothilfe FrauenBeDacht in Berlin-Mitte gewohnt. Dort geriet sie mit der Hausordnung in Konflikt. „Die erste Abmahnung erhielt ich, weil ich in der Gemeinschaftsküche geraucht habe, was ein Verstoß gegen die Hausordnung ist. Drei Abmahnungen führen zur Kündigung“, berichtet Tina S. gegenüber der taz. Sie habe sich in der Einrichtung reglementiert gefühlt und juristisch um ihre Privatsphäre kämpfen müssen, betont sie. So habe sie dem Personal erfolglos mehrmals verboten, ihr Zimmer ohne ihre Einwilligung zu betreten. Erst nachdem sie einen Anwalt einschaltete, erhielt sie von der Geschäftsstelle der Gebewo Soziale Dienste, die die Einrichtung
betreibt, per SMS die Mitteilung, dass alle MitarbeiterInnen angewiesen wurden, das Zimmer nicht ohne ihre Einwilligung zu betreten.

Kündigung nach vier Tagen
Robert Veltmann von der Geschäftsstelle der Gebewo Soziale Dienste wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Da wir in solch einer Unterkunft auch viele Menschen mit erheblichen sozialen Problemen beherbergen, dient es allen Bewohnerinnen im Haus, eine verbindliche Hausordnung zu pflegen.“ Die von Tina S. kritisierte Regelung, dass Bewohnerinnen gekündigt wird, wenn sie vier Tage nicht in der Einrichtung übernachten, begründet Veltmann mit der Kooperationsverpflichtung gegenüber den Jobcentern. „Die von Ihnen bemängelte Regelung beruht darauf, dass wir als Trägerorganisation unabgesprochenes Fernbleiben der Bewohnerinnen nach spätestens drei Werktagen dem zuständigen Kostenträger mitteilen müssen, der dann seinerseits wegen fehlender Mitwirkung die Zahlung für die Unterhaltskosten einstellt“, schreibt Veltmann an den Rechtsanwalt von Tina S. Henrik Solf.
aus Taz vom 12.8.2015
PETER NOWAK

Falsche Bauarbeiter, echte Ziele

WOHNUNGSBAU Noch bis Ende Juli können Kaufinteressenten für das staatseigene Dragonergelände Angebote abgeben. Ein Bündnis fordert, dass auch kapitalschwache Investoren eine Chance kriegen

Der Bauhelm sitzt auf dem Kopf, ein Zollstock steckt in der Hosentasche des Overalls. Auf den ersten Blick sieht der Mann, der am Dienstagmittag gegen 13 Uhr an der Kreuzung Mehringdamm/Obentrautstraße in Kreuzberg die Straße absperrt, wie ein echter Bauarbeiter aus. Doch warum schichtet er Kartons statt Gitter auf der Straße auf? Spätestens als einige andere Menschen Plakate mit der Aufschrift „Eine Stadt für Alle“ und „Bund vernichtet Wohnraum“ hochhalten, wird klar, dass es sich um eine Protestaktion handelt.

Mit dem symbolischen Baubeginn machen AktivistInnen des Bündnisses „Berlin von unten“ deutlich, dass sie über die künftige Nutzung des ehemaligen Dragonergeländes mitten in Kreuzberg mitentscheiden wollen. Dabei handelt es sich um ein rund 4,7 Hektar großes ehemaliges Kasernengelände hinter dem Bezirksrathaus am Mehringdamm.

Hier wird nur geparkt

Derzeit befinden sich auf dem Gelände hauptsächlich Parkplätze und Autowerkstätten. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), der das Grundstück gehört, will es zum Höchstpreis veräußern. Bis zum 31. Juli sollen sich KaufinteressentInnen melden.

Doch die stadtpolitischen Gruppen, die sich am Mittwochmittag auf dem Areal versammelt haben, fordern ein Verkaufsmoratorium, bis die Rahmenbedingungen geändert sind. Enrico Schönberg vom Bündnis „Stadt von unten“ kritisiert, dass die Bima das Gelände trotz des Rückzugs eines früheren Investors weiterhin zum Höchstpreis veräußern will. Damit beteilige sich eine bundeseigene Einrichtung an der „Vertreibung von einkommensschwachen MieterInnen aus den innenstadtnahen Kiezen“, so Schönberg. „Auf einem Gelände, auf dem Land und Bund 100 Prozent Zugriff haben, sollten sie nicht nach Marktbedingungen agieren, sondern Raum für einen neuen kommunalen Wohnungsbau öffnen“, verlangt auch Elisabeth Voss, ebenfalls vom Bündnis.

Ideen entwickelt

Bei den Protesten waren auch Mitglieder des Vereins Upstall Kreuzberg da, die Konzepte für einen sozialen Wohnungsbau auf dem Gelände entwickeln. Darüber soll am 26. Juli mit InteressentInnen diskutiert werden. An diesem Tag planen die stadtpolitischen AktivistInnen ab 15 Uhr auf dem Dragonergelände eine Kundgebung unter dem Motto „Hinter dem Finanzamt liegt der Strand“.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F07%2F17%2Fa0192&cHash=7a6286f125e13e63b2102dff15cb300c

Peter Nowak

„Revolution im Umweltrecht“?

Links

[1]

http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2013&nr=60

[2]

http://duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=3171

[3]

http://www.aarhus-konvention.de

[4]

http://www.presseportal.de/pm/22521/2529037/bundeswirtschaftsminister-roesler-muss-einflussnahme-der-autolobby-auf-klimaschutzverordnung

[5]

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62011CJ0515:DE:HTML

[6]

http://www.heise.de/tp/blogs/6/154753

[7]

http://www.taz.de/!123146/