Kinderleichte Syrienhilfe

Manuela Schwesig erscheint auf einer Website als Retterin. 55 000 Kinder aus Syrien dürfen angeblich nach Deutschland einreisen. Doch es handelt sich um eine Kunstaktion.

Die Festnetznummer der Kindertransporthilfe des Bundes ist zurzeit wegen Überlastung nicht zu erreichen. In den letzten Tagen haben viele Menschen angerufen, die Kinder aus den syrischen Krisengebieten zeitweise in ihren Haushalt aufnehmen würden, um ihnen einen temporären Urlaub vom Kriegsalltag zu ermöglichen.

»55 000 syrische Kinder werden von Familienministerin Manuela Schwesig gerettet«, heißt es auf der Homepage der Kindertransporthilfe des Bundes. Doch das Konterfei der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) täuscht. Hinter der Aktion steckt die Politkunstgruppe »Zentrum für politische Schönheit«, die sich bereits in der Vergangenheit mit Politikern und Wirtschaftsvertretern anlegte.

Ein Video, in dem die Gruppe den Pressesprecher der Deutschen Bank kritisch mit den Folgen der Nahrungsmittelspekulation konfrontierte, wollte dieser sogar aus dem Verkehr ziehen.

In seiner Arbeitsweise kann das »Zentrum für politische Schönheit« mit der US-amerikanischen Künstlergruppe »The Yes Men« verglichen werden, die immer wieder politische und ökonomische Verantwortungsträger in Verlegenheit bringen. Sie lässt humanitäre Maßnahmen verkünden, die sich zwar viele Menschen wünschen, aber die der kapitalistischen Profitlogik oder dem politischen Kalkül zuwiderlaufen. So wurden »The Yes Men« bekannt, als sie einen Sprecher des Chemiekonzerns Union Carbide Company verkünden ließen, dass er bereit sei, die Opfer des Giftgasunfalls in der Filiale im indischen Bhopal zu entschädigen. Die international unterstützte Forderung wurde bis heute allerdings nicht erfüllt.

Zur Kindernothilfe gab es vom zuständigen Familienministerium noch keine Reaktion. HIngegen reagierten viele Menschen mit großem Ärger, sobald sie erfahren, dass es sich bei der Aktion um eine Kunstaktion handelt, sagte eine Sprecherin der Kunstinitiative.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/932905.kinderleichte-syrienhilfe.html

Peter Nowak

55.000 syrische Kinder nach Deutschland

Eine Aktion politischer Künstler könnte Gutes bewirken

Die Festnetznummer der Kindertransporthilfe des Bundes [1] ist zurzeit wegen Überlastung nicht zu erreichen. In den letzten Tagen haben viele Menschen angerufen, die ein Kind aus den syrischen Krisengebieten zeitweise in ihren Haushalt aufnehmen würden, um temporär ein Leben ohne Granateneinschläge und Krieg zu ermöglichen. „Die Bundesregierung hat mit dem am 8. Mai 2014 im Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf 18/1333 die gesetzlichen Grundlagen für die Aufnahme besonders gefährdeter Kinder aus Syrien für die Dauer des Konfliktes geschaffen. Als gefährdet gelten Kinder, deren Eltern schon einmal inhaftiert waren oder sind, Kinder aus Waisenhäusern und Knaben älteren Jahrgangs, die von Verhaftung bedroht sind, sowie bei erwiesener Armut oder Obdachlosigkeit der Familie. Im Rahmen des Hilfsprogramms des Bundes können vorübergehend 55.000 Kinder im Alter von bis zu 17 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland einreisen“, heißt es in einem Soforthilfeprogramm des Bundes, für das die Ministerin Manuela Schwesig [2] die Federführung haben soll. Doch weder auf ihrer persönlichen Homepage noch auf der Webseite ihres Ministeriums [3] findet sich ein Hinweis auf das Kinderhilfsprogramm. Denn tatsächlich hat das Ministerim ein solches Programm bisher nicht verkündet.

The Yesmen von Deutschland

Vielmehr handelt sich um eine Aktion der Politkunstgruppe Zentrum für politische Schönheit [4]. Sie hat schon in der Vergangenheit mit ähnlichen Aktionen im Grenzbereich zwischen Kunst und Politik für Aufsehen gesorgt [5]. So agierte die Künstlergruppe gegen die Nahrungsmittelspekulation und konnte sich damit gegen den Pressesprecher der Deutschen Bank durchsetzen, der ein Interview mit den Künstlern aus dem Verkehr ziehen wollte [6]. Auch vorher legten sich die Künstler schon mal mit Politik und Justiz an [7]. Das Zentrum für politische Schönheit ist von ihrer Arbeitsweise mit der US-amerikanischen Künstlergruppe The Yesmen [8] zu vergleichen, die es immer wieder schafft, politische und ökonomische Verantwortungsträger in Verlegenheit zu bringen, weil sie sie humanitäre Maßnahmen verkünden lässt, die viele Menschen sich wünschen, die aber der kapitalistischen Profitlogik oder dem politischen Kalkül zuwiderlaufen. So wurden The Yesmen bekannt, als sie einen Sprecher des Chemiekonzern Union Carbide Company verkünden ließ, dass er bereit ist, die Opfer des Giftgasunfalls in ihrer Filiale im indischen Bhopal zu leisten. Auch The Yesmen konnten diese international verbreitete Forderung [9] nicht durchsetzen, brachte den Chemiekonzern aber in große Erklärungsnöte.

Wird mit der Aktion nicht Opferstatus der Kinder zementiert?

Ob auch die Aktion Kinderhilfstransporte des Zentrums für politische Zentrums eine solche Wirkung haben wird, ist noch offen. Eine Sprecherin erklärte gegenüber Telepolis, bisher haben viele Menschen angerufen, die ein syrisches Kind aufnehmen würden. Manche seien emotional sehr aufgewühlt, wenn sie erfahren, dass es sich um eine Kunstaktion handelt. Zumindest hat die Aktion deutlich gemacht, dass es viele Menschen bereit wären, ein Kind aufzunehmen und dass es viele Hilfsorganisationen gibt, die solche Aufnahmemöglichkeiten dringend suchen. Seit Monaten appelliert [10] UNICEF an die internationale Öffentlichkeit wegen der verzweifelten Lage der syrischen Kinder. Die Kampagne knüpft an ähnliche Hilfsprogramme an, mit denen Kinder der Umgebung von Tschernobyl oder aus dem zerfallenden Jugoslawien zumindest zeitweise eine andere Umgebung geboten wurde. Natürlich sollte man auch an der Stoßrichtung der Kampagne Kritik üben können. So wird dort immer mit anklagenden Kinderaugen geworben. Auch das Zentrum für politische Schönheit operiert mit dem Motiv, wenn Kinder in einer Schulkasse die Bilder der Ministerin Schwesig in die Höhe halten und sich auf selbstgemalten Schildern bei ihr bedanken. Wird hier der Opferstatus nicht zementiert? Warum werden nicht Jugendliche in einem Alter gezeigt, in der sie nicht mehr Objekte von Mitleid sind? Warum wird mit den Formulierungen von der Kinderrettung dieser Opferstatus noch auf die Spitze getrieben? Diese Fragen, die bereits länger an solche Hilfsprogramme gerichtet [11] werden, könnten auch an das Zentrum für politische Schönheit gestellt werden. Zudem stellt sich natürlich die Frage, ob eine temporäre Aufnahme in einer Familie in Deutschland wirklich die Probleme lösen kann, wenn sie dann nach Monaten doch wieder in ihre alte Umgebung zurück müssen. Allerdings ist es das Verdienst der Künstler, die Bundesregierung unter Zugzwang zu bringen, die einerseits viele Worte über das Schicksal der Menschen im syrischen Bürgerkrieg verliert, aber nicht zu einer solchen humanitären Hilfsaktion bereitet ist. Vielleicht gelingt es mit der Aktion auch mehr Aufmerksamkeit für Hilfsaktionen mit den syrischen Kindern zu schaffen, die wie die Spendenaktion „Zahlmobil für Syrien [12]“ bisher wenig Publicity bekamen aber auch zu konkreter Hilfe für die Betroffenen beitragen.

http://www.heise.de/tp/news/55-000-syrische-Kinder-nach-Deutschland-2188316.html

Peter Nowak

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Verliert die Linkspartei ihre friedenspolitische Unschuld?

Morgen wird sich zeigen, ob manche Abgeordnete der Linkspartei dem Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen zustimmen werden

Einige Friedensgruppen sehen das so und haben in den letzten Tagen eine sehr zivile Schlacht der Offenen Briefe [1] eröffnet. Gewarnt wird, dass die Linkspartei ihr parlamentarisches Alleinstellungsmerkmal als Friedenspartei verlieren würde, wenn, wie angekündigt, einige ihrer Abgeordneten den Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen [2] zustimmen. Abgestimmt wird auch über einen Antrag der Linken [3], in dem von der Bundesregierung gefordert wird, keine zivil wie militärisch verwendbaren Güter, die zur Herstellung chemischer oder biologischer Waffen verwendbar sind, an Staaten zu genehmigen, die die Chemiewaffen- und die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben.

Kritisch ist die parlamentarische Absegnung des von der Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossenen Mandats. Es sieht vor, dass die Bundeswehr mit 300 Soldaten und einer Fregatte den Einsatz des US-Spezialfrachters „Cape Ray“ [4] schützen soll. Auf dem Schiff werden im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen durch das sogenannte Hydrolyseverfahren [5] unbrauchbar gemacht. Die Zustimmung der Linkspartei ist nicht notwendig, weil bereits eine ganz große Koalition aus Union, SPD und Grünen eine Zustimmung zu dem Einsatz angekündigt haben.

Wenn einige Linke nun in dieser Frage auch mit Ja stimmen, wollen sie ein Signal setzen, nicht zu den ewigen Neinsagern gehören zu wollen. Das aber wird als erster Schritt in ein potentielles Bündnis mit der SPD und vielleicht auch den Grünen verstanden. Der einer Regierungsbeteiligung aufgeschlossene, in den Medien als Reformer titulierte Flügel und die nicht so sehr darauf erpichten Kreise, die gerne als Traditionalisten abgewatscht werden, belauern sich gegenseitig. Wer gibt wieder welche Signale, ist immer die großeFrage. Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Abstimmung über eine Begleitung eines zur Vernichtung vorgesehenen Giftgastransportes eine solch heftige Debatte provozierte.

Abrüstungspolitisch glaubwürdig?

Paul Schäfer war verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode. Weil er bei den letzten Wahlen den Wiedereinzug ins Parlament verfehlte, kann er jetzt nur noch per Offenem Brief [6] agieren und seine Parteifreunde zur Zustimmung auffordern [7]:

„Ein Nein zum Antrag der Bundesregierung käme für mich nicht in Frage. Dass die Koalition diesen Einsatz auch zur Legitimation anderer Militäreinsätze missbrauchen wird, ist klar, aber kein ausreichender Grund.
Eine Enthaltung wäre eine Option, weil man sich der Abrüstung nicht verweigern will, aber die besonderen Begleitumstände – ’neue deutsche Verantwortung‘ heißt mehr Militäreinsätze – kritisch sieht. Ein Ja wäre meine bevorzugte Option, weil man sich in der Sache, um die es eigentlich geht, konsequent verhält und abrüstungspolitisch glaubwürdig bleibt.“

Vor allem die beiden letzten Absätze in Schäfers Text sind interpretationsfähig. Obwohl er die Stimmenthaltung als eine Option sieht, nicht die Waffenvernichtung, aber deutsche Militäreinsätze abzulehnen, bezeichnet er am Schluss eine Zustimmung als seine bevorzugte Option. Aus der Logik seiner Argumentation kann das aber nur bedeuten, dass er beides, die Vernichtung des Giftgases und die neue deutsche Verantwortung, nicht kritisch sieht. Inhaltich argumentiert Schäfer, die Begleitung des Giftgases sei „kein Kampfeinsatz. Die UN-Resolution 2118 stützt sich nicht auf das Kapitel VII der UN-Charta, der Auftrag lautet nicht, einen Gegner militärisch zu bezwingen, sondern ist auf Begleitschutz und hierbei auf Selbstverteidigung und die Pflicht zur Nothilfe festgeschrieben.“

Symbolpolitik der Bundeswehr?

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Annette Groth widersprach [8] ihrem Ex-Kollegen.

„Selbstverständlich ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu begrüßen. Die geplante Entsendung von 300 Soldaten zum maritimen Begleitschutz des US-Schiffes CAPE RAY, an dessen Bord die syrischen Chemiewaffen unbrauchbar gemacht werden sollen, ist aber mehr als fragwürdig. Denn sie stellt formal einen Kampfeinsatz dar.“

Groth weist auch darauf hin, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Giftgastransport nicht benötigt und die Gefährdungslage von der Bundesregierung selber als niedrig eingeschätzt wird Daher sei die
Beteiligungder Bundeswehr selber eine Symbolpolitik. Die Bundesregierung will damit weltpolitisch Flagge zeigen. Ähnlich argumentiert der aktuelle verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Alexander Neu. Die Argumente seines Vorgängers für eine Zustimmung überzeugen ihn nicht. In einem Interview [9] sagte er:

„Paul Schäfer kann mir den militärischen Mehrwert durch eine deutsche Fregatte nicht plausibel erklären. Die Sicherheitsmaßnahmen sehen so aus: Auf dem US-Schiff, das die Vernichtung der Chemiewaffen vornimmt, ist eine US-Spezialeinheit. Um das Schiff herum bilden US-Kriegsschiffe einen ‚Schutzgürtel‘. Jenseits dieses Schutzgürtels soll es einen zweiten durch Kriegsschiffe anderer Staaten, darunter der deutschen Fregatte, geben. Zugleich wird seitens der Bundesregierung gesagt, die Bedrohungslage sei ‚gering‘. Der zweite, äußere Schutzgürtel ist faktisch nicht erforderlich.“

Das Parteizentrum um Gysi versucht den Konflikt um den Bundeswehreinsatz nun dadurch zu entschärfen, dass er für alle Bundestagsabgeordneten der Linkspartei eine Stimmenthaltung empfiehlt.

http://www.heise.de/tp/news/Verliert-die-Linkspartei-ihre-friedenspolitische-Unschuld-2166325.html

Peter Nowak

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Syrien, die Folter und Heuchelei

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Den Staat Syrien wieder aufbauen

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http://www.urania.de/

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https://www.versoehnungsbund.de/friedensreferat

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http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Veranstaltungsflyer_Ghanem-Hussein.pdf

[4]

http://binaa-syria.com/B/en/node/138

[5]

http://www.louay.co.uk/ar

[6]

http://binaa-syria.com/B/en

[7]

http://www.free-syrian-army.com/

[8]

https://www.adoptrevolution.org/

[9]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/151815

Altes Feindbild USA

Links

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http://german.irib.ir/analysen/beitraege/item/225513-fidel-castro-die-usa-und-ihre-verb%C3%BCndeten-bereiten-einen-genozid-an-den-arabischen-v%C3%B6lkern-vor

[2]

http://www.adoptrevolution.org/liveblog-damaskus/

[3]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154881

[4]

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39824/1.html

[5]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/syrien-bnd-faengt-beleg-fuer-giftgaseinsatz-durch-assad-regime-ab-a-919965.html

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/18/18224/1.html

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Kommentar auf diesen Beitrag in der jungen Welt vom 7.9.2013:

http://www.jungewelt.de/2013/09-07/003.php

7.09.2013 / Wochenendbeilage / Seite 3 (Beilage)Inhalt

Der Schwarze Kanal: Imperialismusapologie

Von Werner Pirker

Antiamerikanische Verschwörungstheoretiker hätten wieder einmal Hochkonjunktur, klagt Peter Nowak in einem Beitrag für das Internetportal Telepolis. Er wird doch nicht etwa eine antiamerikanische Verschwörung vermuten? »In der letzten Woche hatten die Restbestände der deutschen Friedensbewegung ihr altes Feindbild USA wieder poliert«, empört sich der Mann, der einst unzählige Friedensdemonstrationen mit seinen Energiebällchen belieferte, was auch der Grund dafür sein mag, daß es nur noch Restbestände der Friedensbewegung gibt. Daß die Obama-Administration gerade dabei ist, einen weiteren Krieg zu entfesseln, kann einen Nowak nicht erschüttern. Äußerst erzürnt reagiert er hingegen auf die Antikriegsproteste. »Wie immer bei solchen Anlässen, kannte das US-Bashing keine Grenzen«, schreibt er.

Die reine Hysterie, befindet der Telepolis-Autor. »Die Propheten des großen Blutbads und des sich ausbreitenden Flächenbrands im Nahen Osten«, schreibt er, »waren wieder in ihrem Element. Merkwürdigerweise sahen sie diese schwarzen Visionen erst dann gegeben, wenn die USA und andere NATO-Mächte eingreifen. Daß der syrische Bürgerkrieg ein solches Blutbad schon längst produziert und daß er auch die Nachbarländer wie Libanon destabilisiert, wird dabei von denen gerne ausgeblendet, für die ein Konflikt erst dann zum großen Problem wird, wenn die USA eingreifen.« Damit ergreift Nowak die Position »humanitärer Interventionisten« – nicht direkt, sondern von hinten rum, wie das so seine Art ist. Um das Blutvergießen in Syrien zu stoppen, müßten die USA und ihre NATO-Partner die Bürde des weißen Mannes auf sich nehmen und militärisch eingreifen, lautet der Klartext. Die durchaus realistische Annahme, daß dies ein noch viel größeres Blutbad und einen Flächenbrand im Nahen Osten auslösen könnte, erscheint dem Autor als wahnhafte Weltuntergangsprophezeiung paranoider Amerikafeinde.

Die entscheidende Frage, warum der syrische Konflikt ein solches Gewaltpotential in sich trägt, blendet Nowak gerne aus. Denn nicht erst mit dem Anlaufen offener Kriegsvorbereitungen der USA und ihrer Willigen ist der Konflikt zum großen Problem geworden, wie er das der Friedensbewegung unterstellt. Der Westen und die arabische Reaktion waren vom Anfang an mehr oder weniger verdeckte Teilnehmer am syrischen »Bürgerkrieg«. Erst als die bewaffneten Oppositionsbanden trotz der ihnen zu Teil gewordenen massiven militärischen und politischen Unterstützung immer mehr in die Defensive gerieten, wurde ein direktes militärisches Eingreifen des Westens auf die Tagesordnung gesetzt. Daß Obama es nach dem Londoner Parlamentsvotum gegen eine britische Kriegsbeteiligung etwas langsamer angehen wollte und die Kriegsfrage dem US-Kongreß zur Entscheidung vorlegte, weiß der Autor als »Bruch mit den autoritären Vorstellungen der Bush-Ära« zu würdigen.

Doch es ist kein demokratischer Impuls, den die Obama-Administration folgt, sondern schlicht die Tatsache, daß sie nicht alleine die Verantwortung für einen Krieg mit unabsehbaren Folgen übernehmen will. Dabei geht es vor allem um die Herstellung eines Konsenses unter den Eliten. Der Krieg soll von Demokraten und Republikanern gemeinsam getragen werden und damit »demokratisch« legitimiert erscheinen. Im Umkehrschluß bedeutet das die Delegitimierung demokratischen Widerstandes gegen die Kriegspolitik. Ein neuer nationaler Schulterschluß ist gefordert, der sich angesichts der wachsenden Kriegsskepsis in der US-amerikanischen Bevölkerung freilich nur noch schwer herstellen lassen wird.

Über die Legitimität eines von den USA und Co. entfesselten Angriffskrieges kann indessen nicht ein Mehrheitsvotum im US-Kongreß entscheiden. Einzig der UN-Sicherheitsrat ist dazu befugt, eine Militärintervention zu legitimieren, was freilich immer noch nicht bedeutet, daß sie auch wirklich legitim ist. Gegenwärtig sorgen Rußland und China dafür, daß ein illegitimer Krieg im Sicherheitsrat nicht für legitim erklärt wird.

Nowak wäre nicht Nowak, würde er sich, wie die als »Antideutsche« auftretenden deutschen Neocons, zu einer offenen Befürwortung imperialistischer Kriege hinreißen lassen. Er zieht es vor, seine Schleimspuren im Vorfeld des antideutschen Wahns zu hinterlassen. Im Ton nicht ganz so kriegstreiberisch, ist seine Absicht die gleiche: Die Diskreditierung der Friedens- und antiimperialistischen Bewegung als notorische Amerika-Hasser und damit die Nutzung des Feindbildes »Antiamerikanismus« als Projektionsfläche einer neuen Imperialismusapologie.

Verhandeln oder Angreifen in Syrien?

Links

[1]

http://www.cap-lmu.de/cap/fellows/stuetzle.php

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http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2229149/

[3]

http://apxwn.blogspot.de/2013/08/baschar-al-assad-im-interview-fur.html#more

[4]

http://www.sueddeutsche.de/politik/giftgaseinsatz-in-syrien-die-rote-linie-fuer-obamas-glaubwuerdigkeit-1.1754546-2

[5]

http://www.taz.de/Debatte-Syrischer-Buergerkrieg/!122544/

[6]

http://www.taz.de/!122490/

[7]

http://www.ag-friedensforschung.de/

[8]

http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung/antikriegstag2013-baf.html

[9]

http://www.jungewelt.de/2013/08-28/059.php