Protest gegen Leiharbeit im Senatsauftrag

Florian Geyer hat Ausdauer. Zehn Runden hat er am Freitagmittag um ein Polizeigebäude in Biesdorf gedreht. Doch es geht nicht um einen Sportwettbewerb. Geyer beteiligte sich mit weiteren KollegInnen am Dauerlauf für eine Festanstellung, zu dem die Gewerkschaft IG Metall aufgerufen hatte.

An dem Standort scannen sieben Festangestellte und 14 Leihbeschäftigte die Strafzettel Berlins ein. Letztere haben einen Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma Randstad und werden von Atos ausgeliehen. »Sie verrichten die gleiche Arbeit wie fest angestellte Beschäftigte – bekommen aber weniger Geld und haben keine Sicherheit für die Zukunft«, erklärt die IG Metall-Gewerkschaftssekretärin Susanne Steinborn gegenüber »nd«. Für sie symbolisiert der Dauerlauf von Geyer und KollegInnen die Situation der Leihbeschäftigten. »Seit vielen Jahren hoffen sie auf eine Festanstellung, die nie kommt.« Auch das vor dem Eingang der Polizeistation aufgestellte Glücksrad brachte nur Trostpreise, aber keine Festanstellung.

Doch auch ein Warnstreik konnte am Glücksrad gewonnen werden. Zu dieser Kampfmaßnahme könnten die Beschäftigten greifen, wenn sich Atos weiter stur stellt. Das Unternehmen argumentiert, eine Festanstellung sei nicht möglich, weil der Senat das Scannen der Knöllchen automatisieren will und dadurch künftig weniger Personal benötigt werde. »Atos verrichtet jedoch auch andere Scan-Aufträge, die unsere Beschäftigten erledigen können. Insofern gibt es genügend Arbeit, auch wenn der Scan-Auftrag bei der Polizei in ein paar Jahren wirklich wegfällt«, wies die Betriebsratsvorsitzende Carola Kühn diese Argumentation zurück.

Die anwesenden Beschäftigten scheinen entschlossen, sich nicht mehr vertrösten zu lassen. Nicht nur bei Atos ist Leiharbeit an der Tagesordnung Auch beim Unternehmen Sellbytel, das Kundenservice in 40 Sprachen anbietet, sind manche nicht mehr bereit, zu schlechten Konditionen zu arbeiten. Einige KollegInnen haben sich mittlerweile in der IG Metall organisiert und zeigten in Biesdorf ihre Solidarität. Unterstützung bekamen die LeiharbeiterInnen vom frisch für die LINKE in den Bundestag gewählten Pascal Meiser. Solche Arbeitsverhältnisse dürfe es in Berlin nicht mehr geben, erklärte er.
Die Beschäftigten kennen ihr Druckmittel. »Ohne uns gibt es keine Strafzettel in Berlin«, stand auf einem Schild. Dabei gab es durchaus Bedenken, ob der Spruch nicht kontraproduktiv ist. Schließlich könnte es ja mancher Autofahrer begrüßen, wenn er den Strafzettel nicht bezahlen muss. Die Befürchtungen waren unbegründet. Auch viele passierende Autofahrer signalisierten Zustimmung mit den Forderungen.

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Peter Nowak