Kann eine Linke die Politik von Tsipras noch verteidigen?

Die neoliberale Politik der griechischen Regierung sorgt für Streit in der Europäischen Linken

Der Aufruf[1] von Gregor Gysi war so simpel wie vage. „An alle linken und progressiven Kräfte. Einheit herstellen, um neoliberale Politik zu besiegen“, lautete er.

Doch jetzt hat sich die Europäische Linke[2], ein Zusammenschluss unterschiedlicher linker Parteien und Organisationen über die Politik der griechischen Syriza-Regierung zerstritten. Schließlich ist die maßgebliche Regierungspartei Griechenlands Teil dieser Europäischer Linken. Vor einigen Jahren war Alexis Tsipras von Syriza der unumstrittene Star der Europäischen Linken[3].

Schließlich hat er 2015 mit einer Partei links von der Sozialdemokratie die Wahlen in Griechenland gewonnen. Es begannen die wenigen Wochen eines politischen Aufbruchs in Europa. Denn die Syriza-Regierung schien ihr Wahlprogramm zunächst ernst zu nehmen. Sie verwies Vertreter der Troika, die die das wesentlich von Deutschland organisierte Austeritätsdiktat exekutierten, aus dem Land und initiierte einige Reformen.

In vielen Europäischen Ländern setzten sich Menschen für ein Ende oder zumindest für eine Lockerung der Austeritätspolitik ein. Für einige Wochen wurde Tsipras so zum Hoffnungsträger von vielen Menschen, die hofften, in Griechenland werde sich beweisen, dass eine andere Politik möglich ist.

Doch es war maßgeblich die Regierung Merkel-Schäuble, die mit allen Mitteln die Austeritätspolitik umsetzten. Bei der aktuellen Merkelverklärung bis in Teile der Linken und der Grünen solle man sich wieder daran erinnern.

Tsipras und die Mehrheit seiner Partei beugten sich dem Diktat und setzten fortan ziemlich geräuschlos die Politik um, die sie in der Opposition bekämpften (siehe: Alexis Tsipras: Vom Revolutionär zum Konservativen[4]). Wie viele linke Parteien an der Macht hatte auch Tsipras vergessen, warum Syriza gewählt worden waren. Die Verteidigung der eigenen Machtposition war wichtiger. Trotzdem bestand Syriza darauf, weiter Teil der Europäischen Linken zu sein.

Nicht alle waren damit einverstanden. Nun hat die französische Linkspartei die Europäische Linke verlassen, nachdem sie mit ihrer Forderung, Syriza auszuschließen, gescheitert war.

Hat Tsipras seine Ideale verraten?

Die Sprecherin der französischen Linkspartei Sophie Rauszer[5] hat in einem ND-Interview [6]Tsipras Verrat vorgeworfen.

ND: Warum tritt Ihre Partei gerade jetzt aus der Europäischen Linkspartei aus?
Sophie Rauszer: Es galt, Klarheit über unsere Haltung gegenüber der Austeritätspolitik der EU zu schaffen. Weil der griechische Regierungschef Alexis Tsipras seine vor Jahren übernommenen Verpflichtungen verraten hat, haben wir gefordert, seine Partei Syriza aus der Europäischen Linkspartei auszuschließen – die sich im Übrigen in der Griechenlandfrage festgefahren hat. Da dies abgelehnt wurde, haben wir jetzt unsererseits die Konsequenzen gezogen. Ein Jahr vor der nächsten Europawahl war es Zeit für eine solche Klarstellung.
ND: Was werfen Sie Syriza und damit Tsipras vor?
Sophie Rauszer: Sie sind das Synonym für Austerität. Die griechische Regierungskoalition hat das Streikrecht eingeschränkt, hat die Renten gekürzt, hat ganze Bereiche der Wirtschaft privatisiert und unter Wert an China und Deutschland abgetreten.

Interview, Neues Deutschland[7]
Unterstützung bekommt Syriza vom keynesianischen Ökonomen und Politiker der Linkspartei, Axel Troost[8], der sich damit faktisch zum unkritischen Verklärer der Tsipras-Regierung macht.

Schutzschirm über Tsipras und nicht über die Opfer seiner Politik

Korrekterweise erinnert er daran, dass Syriza die Austeritätspolitik zunächst auf den massiven Druck umsetzte. Troost verweist in seiner Erklärung auf die von Gläubigern Griechenlands diktierten Bedingungen und die nach wie vor anhaltende faktische Abhängigkeit der Regierung in Athen. Doch dann wird er zum Apologeten der griechischen Regierung und ihrer Wandlung von linken zu rechten Sozialdemokraten.

Troost konstatiert, es sei der Syriza-geführten Regierung gelungen, einige Weichen Richtung Zukunft zu stellen. So habe Athen am Aufbau eines modernen Staats gearbeitet, was aus linker wie aus rechter Sicht überfällig gewesen sei. Und mit der in der Regierungszeit von Alexis Tsipras erarbeiteten Wachstumsstrategie werde Syriza in den nächsten Wahlkampf ziehen, zeigt sich Troost optimistisch.

Die Spielräume für eine soziale Politik werden langsam wachsen. Der Einsatz war also nicht umsonst.

Axel Troost

Woher Troost dieses optimistische Fazit nimmt, ist nicht ersichtlich. In Griechenland sind die Umfragewerte für Syriza niedrig und die Rechte versucht die Chance zu nutzen, sich wieder an die Macht zu bringen. Auch die Neofaschisten der Goldenen Morgenröte versuchen davon zu profitieren, dass Tsipras und seine Partei nicht mehr als Alternative wahrgenommen werden.

Zum Glück gibt es im linken Spektrum noch Alternativen wie eine Syriza-Abspaltung und die Kommunistische Partei Griechenlands. Es sind aber auch hausgemachte Gründe, die verhindern, dass diese Parteien stärker werden. Statt sich intensiver mit dem Gründen des Scheiterns von Tsipras zu befassen, wird von Troost und anderen in der Linken ein Schutzschirm über ihn und seine Partei gehalten und nicht über die Opfer seiner Politik.

Mit dem Verweis auf den Druck der Troika und der europäischen Regierungen werden die hausgemachten Fehler einfach unter dem Tisch fallen gelassen. Zudem wird die Tatsache verschwiegen, dass Tsipras heute die Politik der rechten Sozialdemokratie durchsetzt.

In der von verschiedenen sozialen Initiativen herausgegebenen Publikation Faktencheck: Europa[9] wird die Bilanz der Syriza-Jahre auf den Punkt gebracht – allerdings ebenfalls die Syriza-Regierung ganz aus der Verantwortung genommen: „Bilanz der Troika-Politik in Griechenland: krasse Verschuldung, krasse Verelendung, krasser Abbau von demokratischen und gewerkschaftlichen Rechten. Konkret geht es neben der sozialen Verelendung auch um den Abbau von Streikrechten und die Durchsetzung von Zwangsräumungen.“

Warum verteidigen Gysi, Troost etc. die Syriza-Regierung?

Natürlich gehen von solchen Statements auch klare politische Signale aus.

Wenn in der Europäischen Linken ein Politiker akzeptiert wird, der wie ein Konservativer agiert, mit dem Unterschied, dass im letzteren Fall der außerparlamentarische Widerstand stärker wäre, dann ist damit die Botschaft verbunden: Wenn wir an der Regierung sind, wird sich auch nicht viel ändern. Wir werden im Zweifel immer an der Seite derer stehen, die grundlegende Veränderungen verhindern.

Das Abwürgen einer starken sozialen Massenbewegung und die Weigerung, eine Politik jenseits der EU überhaupt nur zu überlegen, sind die Kennzeichen von Syriza nach deren Unterwerfung. Dabei hätte sich nach dem erfolgreichen Referendum über ein Nein zum Austeritätsdiktat für einen kurzen Zeitraum die Möglichkeit gegeben, der EU die Stirn zu bieten und auch innenpolitisch einen Bruch mit der bisherigen Politik durchzusetzen.

Dann hätte es auch in anderen EU-Staaten zum Widerstand gegen die Troika kommen können. Doch in der Stunde der Entscheidung zeigte sich, dass Tsipras und seine Syriza Sozialdemokraten waren und als solche agierten. Danach exekutierten sie die Troikapolitik fast reibungslos.

Damit hätte sich Syriza einen Platz unter rechten Sozialdemokraten von Schlage eines Schröder etc. verdient. Dass sie weiterhin von der Linken beschirmt werden, zeigt wie gering die Unterschiedliche zwischen den unterschiedlichen Spielarten der Sozialdemokratie sind.

Dass die französische Linkspartei nun selber den Bruch verzogen hat, heißt noch lange nicht, dass sie nun mit ihrer bisherigen Politik bricht. Es geht um Wahlarithmetik. In manchen Teilen der Wählerschaft der französischen Linken gibt man sich noch kämpferisch, was Syriza auch getan hat, solange sie in der Opposition war.

Für die anstehenden Europawahlen präsentiert sich die Linke zersplittert. Die französische Linkspartei will ein eigenes Bündnis gründen und auch Yanis Varofakis[10] wirbt mit seiner proeuropäischen linksliberalen Diem 21[11] um Wählerunterstützung.

Peter Nowak
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4107589
https://www.heise.de/tp/features/Kann-eine-Linke-die-Politik-von-Tsipras-noch-verteidigen-4107589.html

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.die-linke.de/start/europaeische-linke/erklaerungen-des-praesidenten/detail/an-alle-linken-und-progressiven-kraefte-europas-einheit-herstellen-um-neoliberale-politik-zu-besieg/
[2] https://www.die-linke.de/start/europaeische-linke/
[3] http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-syriza-soll-vorbild-fuer-europas-linke-werden-a-1014940.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/Alexis-Tsipras-Vom-Revolutionaer-zum-Konservativen-3907283.html
[5] https://www.transform-network.net/de/netzwerk/autorinnen/detail/sophie-rauszer/
[6] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1093356.europaeische-linke-der-verrat-von-tsipras.html
[7] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1093356.europaeische-linke-der-verrat-von-tsipras.html
[8] https://www.axel-troost.de/de/article/9836.der-einsatz-war-nicht-umsonst.html
[9] http://faktencheck-europa.de/ankuendigung-faktencheck-europa-nr-4/
[10] https://www.yanisvaroufakis.eu
[11] https://diem25.org/main-de/
Copyright © 2018 Heise Medien

Ein Sieg der Seeheimer und Seehofers aller Parteien

Scholz, Schulz, Seehofer sind austauschbar und in welchen Parteien sie Karriere machen, ist es auch

Über mehrere Tage wurden die Gespräche für eine neue Regierung aus den Unionsparteien und der SPD so inszeniert, als ginge es dabei um entscheidende Weichenstellungen und ein Großteil der Medien spielte mit. Statt kritischer Aufklärung übten sie sich in Mystifizierungen aller Art.

Das beginnt schon damit,…

„Ein Sieg der Seeheimer und Seehofers aller Parteien“ weiterlesen

Scheitert die deutsche Regierung an der EU?

Bundeskanzlerin Merkel muss mit einem Aufstand in Teilen der Union und der FDP gegen den geplanten EU-Rettungsplan rechnen

Sollte Bundeskanzlerin Merkel mit der Sondersitzung der Unionsfraktion am 23.August die Hoffnung verbunden haben, die Debatte um den EU-Rettungsplan zu beenden, so ist sie damit gescheitert. Vielmehr ist das Gegenteil eingetreten. Nicht nur in der Union, auch in der FDP melden sich weiterhin Politiker zu Wort, die beim gegenwärtigen EU-Rettungsfonds die deutschen Interessen zu wenig gewahrt sehen.

Bricht Wulff oder die EZB die EU-Verträge?

Die Kritiker haben Unterstützung von Bundespräsident Christian Wulff bekommen, der in einer Rede vor Nobelpreisträgern auf der Insel Lindau die Europäische ZentralbankY beschuldigt hat, mit dem Aufkauf von Staatsanleihen von einzelnen EU-Staaten die EU-Verträge zu brechen. Dabei bezog er sich auf Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in dem der Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB verboten wird.

Mittlerweile wird freilich Wulff selber beschuldigt, mit seiner Rede den Artikel 130 des EU-Vertrags verletzt zu haben, in dem sich die Mitgliedstaaten verpflichten, „nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen“.

Unterschiedliche Kritik am Demokratiedefizit der EU

Die Kritik am Demokratieabbau im Rahmen des EU-Prozesses wird von unterschiedlichen Akteuren formuliert. So haben Zeitungen in Griechenland und Portugal, aber auch soziale Initiativen in den letzten Wochen immer wieder moniert, dass verschuldete Länder unter EU-Protektorat gestellt und ihre Parlamente bei wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen entmachtet werden. In einen viel beachteten Aufsatz in den Blättern für Deutsche und Internationale Politik hat das Mitglied des IG-Metall-Vorstands Heinz Jürgen Urban vor einer „postdemokratischen Krise in der EU“ gewarnt.

„Im Zuge dieser Strategie ist die Europäische Union zu einem abgehobenen ‚Elitenprozess‘ mutiert, in dem die Institutionen der Demokratie äußerlich intakt blieben, dem europäischen Demos aber immer offensichtlicher die Beteiligung am ‚Europäischen Projekt‘ verweigert wurde“, lautet eine zentrale These des Gewerkschafters, der befürchtet, dass aus der EU „ein autoritäres Regime prekärer Stabilität“ entstehen könnte, dass Parlamente und Gewerkschaften in den Ländern der europäischen Peripherie entmachtet.

Die Kritik, wie sie von Politikern aus Union und FDP geäußert wird, zielt auf mehr Druck auf diese Länder. So erklärte Unions-Vize Johannes Singhammer: „Bevor die deutschen Steuerzahler zur Haftung herangezogen werden, müssen Länder wie Italien oder Portugal zunächst einmal ihre beträchtlichen Goldreserven einsetzen.“ Damit unterstützte er die Vorschläge der stellvertretenden CDU-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Sie regte am Dienstag an, die europäischen Institutionen sollten sich ihre Kredite von den notleidenden Ländern künftig über Goldreserven oder Industriebeteiligungen absichern lassen.

Wirtschaftsnahe Kritiker inner- und außerhalb der Union werfen der bisher als Merkel-Vertrauten geltenden Politikerin vor, das Vertrauen in den EU-Rettungsplan zu untergraben. Zudem besäßen Länder wie Griechenland gar nicht mehr so viele Reserven, die sie als Sicherheit anbieten könnten. Zu den Verteidigern des Vorstoßes von der Leyens gehört der CDU-Bundesabgeordnete Philipp Missfelder. Er verwies auf Sondervollmachten, die Finnland am EU-Sondergipfel zu den Griechenlandhilfen zugestanden wurden: „Es gibt keinen Grund zu sagen, (…) Finnland darf das in Anspruch nehmen und Deutschland darf das nicht in Anspruch nehmen“, sagte Missfelder.

Finnland hatte mit Verweis auf die EU-kritische Stimmung in dem Land, die sich in dem Überraschungserfolg der rechtspopulistischen Wahren Finnen manifestierte, die Zugeständnisse erhalten, weil das Land wegen der geforderten Einstimmigkeit den gesamten Rettungsplan hätte blockieren können. Was damals als absolute Ausnahme gehandelt wurde, wird nun von den EU-Skeptikern im deutschen Regierungslager Exempel interpretiert.

Positionierung in der Nach-Merkel-Ära

Dabei geht es auch um die Positionierung der deutschen Konservativen und Liberalen in der Nach-Merkel-Ära. Mit dem Pochen auf deutsche Interessen in der EU-Politik wollen diese Parteien ein Thema besetzen, das in der Bevölkerung durchaus eine Rolle spielt und kampagnenfähig werden könnte. Eine Union und eine FDP, die sich im Wahlkampf als Wächter der Stabilität des Euro gerieren und die Oppositionsparteien der Nachlässigkeit zeihen, könnten aus dem Umfragetief herauskommen.

Dabei haben diese Politiker des Regierungslagers allerdings ein Problem. Die Parteien müssen Maßnahmen mittragen, die dem angestrebten Image als Hüter der Währungsstabilität zuwiderläuft. Während FDP- und Unionspolitiker deutsche Interessen in der EU pointieren und die nationale Karte spielen wollen, vermeldet das Handelsblatt, dass in der Schublade von Finanzminister Schäuble, der als Oppositionspolitiker übrigens auch zu den EU-Skeptikern gerechnet wurde, ein Geheimpapier liege, das EU-Gremien gegenüber dem nationalen Parlament weitere Handlungsvollmachten einräumen soll.

In dem 41 Seiten umfassenden Geheimpapier erläutert Schäuble seine Pläne für die konkrete Ausgestaltung der erweiterten Befugnisse des Rettungsschirms, der von 440 auf 770 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Danach soll der Deutsche Bundestag dem EFSF eine Art Generalbevollmächtigung erteilen, um Rettungsmaßnahmen für Schuldenstaaten durchführen zu können. Das Direktorium des Fonds soll künftig drei zusätzliche finanzpolitische Handlungsinstrumente erhalten und dafür Richtlinien erlassen, die keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
Handelsblatt

Sofort haben Politiker beider Regierungsfraktionen Protest erhoben und erklärt, das Finanzministerium habe vor einer solchen Entmachtung des Parlaments gewarnt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums hat mittlerweile erklärt, das Parlament sei über die Pläne informiert worden.

FDP-Politiker reden vom Koalitionsbruch

Der Spagat zwischen Realpolitik und dem Propagieren von deutschen Interessen in der EU ist die Ursache des heftigen Streits in der Regierung. Demnächst gibt es zwei Termine, die ihn zu einer Regierungskrise ausweiten könnte.

Am 7. September will das Bundesverfassungsgericht sein lange erwartetes Urteil über die Rechtmäßigkeit der Milliardenhilfe für Griechenland verkünden. Zu den Klägern gegen die Währungspolitik der Bundesregierung gehört auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Gauweiler. Sollte das Gericht den Klägern Recht geben, wäre nicht nur die Regierung, sondern auch die EU in der Krise. Aber auch wenn das Gericht, wie die meisten Beobachter erwarten, die Klage ablehnt, ist die Bundesregierung nicht außer Gefahr.

Am 23. September sollen Bundestag und Bundesrat über die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom Juli abstimmen. Sollte die Bundesregierung dann keine eigene Mehrheit zusammenbringen, könnte die Regierung am Ende sein. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel war nicht die Einzige, die offen einen Koalitionsbruch über die EU-Frage ins Gespräch gebracht hat. Sie bekam in ihrer Partei Unterstützung. Dann könne die Post-Merkel-Ära, auf die einige Bundestagsabgeordnete mit ihrer Kritik an der EU-Politik zielen, schneller als erwartet beginnen.

http://www.heise.de/tp/artikel/35/35368/1.html

Peter Nowak

Lafontaine als Notretter?

Der Streit in der Linken ist durch die Notkonferenz entschärft, aber nicht beendet

„Die Partei ist in einer schwierigen Situation“, so lautet der erste Ersatz einer Erklärung des geschäftsführenden Vorstands der Linken, die sich am 20.April außerplanmäßig zu einer Krisensitzung in Berlin getroffen hat.

 Der Grund war die Verschärfung des internen Streits, der sich seit den schlechten Wahlergebnissen der Linken bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ausgeweitet. Sogar Mitglieder des Bundesvorstands beteiligten sich daran.
Der Höhepunkt war die Rücktrittsforderung an den dem Realoflügel der Partei angehörenden Schatzmeister Raju Sharma durch zwei Vorstandsmitglieder vom linken Flügel. Zuvor hatte Sharma dem Vorsitzenden Klaus Ernst empfohlen, das Maul zu halten, nachdem der auf einer Rede in Hamburg ein Ende der Personaldebatte gefordert hatte. Dabei haben Sharma und Ernst zumindest eines gemeinsam: Beide sind von der SPD enttäuschte Sozialdemokraten.
 
Daher sind auch die Zuschreibungen zumindest verkürzt, die jetzt über den Linkenstreit wieder im Schwange sind. Es handelt sich weder um einen Ost- Weststreit noch in seiner Gesamtheit um einen Kampf Parteilinke versus Parteirechte. Das zeigt sich schon daran, dass der in der innerpolitischen Debatte am linken Flügel verortete Ernst in seinem bayerischen Landesverband gerade von der Parteilinken heftig angefeindet wird, die sogar die Wahl des Landesvorstands von der Schiedskommission erfolgreich angefochten hat.
 
Grundsätzlicher Richtungsstreit

Es geht bei dem Streit eher um die Rolle, die eine künftige Linke künftig in der politischen Arena spielen soll. Soll sie Teil eines irgendwie sozialökologischen Bündnisses gemeinsam mit SPD und Grünen werden – oder einen eigenständigen Kurs in der Distanz zu allen anderen Parteien gehen? Für erste Rolle treten aus unterschiedlichen Gründen Politiker aus der ehemaligen PDS in Ost und West ein. Die zweite Variante wird ebenfalls von einer sehr gemischten Runde vertreten, darunter von Politikern, die erst vor einigen Jahren aus der SPD ausgetreten sind und daher die Distanz wahren wollen.
 
Dem Duo des Bundesvorstands wird nun vorgehalten, zu schwach zu sein, die erste Variante innerparteilich durchzusetzen. Dabei wird Gesine Lötzsch auch ihr Diskussionsbeitrag zum Thema „Wege zum Kommunismus“ vorgehalten, wobei oft nicht erwähnt wird, dass Lötzsch dem Kommunismus dort eine Absage erteilt hat. Verschärft wird die Auseinandersetzung von vielen Medien, die in der Debatte Partei ergreifen, für den Flügel, der in der Kooperation mit SPD und Grüne für die Partei eine Zukunft sieht. So kam der heute funktionslose langjährige PDS-Funktionär Andre Brie und erklärte Realos in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ausgiebig zu Wort.
 
Vergleich mit der Debatte bei den Grünen

 Eine ähnliche Frontstellung gab es ab Mitte der 80er Jahre im innergrünen Streit, wo auch wesentliche Medien, FR und Taz in vorderster Linie, die als Fundamentalisten verschrienen Parteilinken offen bekämpften und dabei die sogenannten Realisten, kurz Realos, ausgiebig zu Wort kommen ließen.
 
So dürfte die aktuelle Vorstandstagung den Streit innerhalb der Linken etwas entschärfen, aber nicht beenden. Die Medien werden bald den einen oder anderen Linkenpolitiker finden, der sich gegen den gewählten Vorstand positioniert und den Streit wieder anheizt, bis am Ende vielleicht Oskar Lafontaine als Notretter noch einmal den Parteivorstand übernimmt.

http://www.heise.de/tp/artikel/34/34599/1.html

Perer Nowak

Karteileichen im Keller der Linkspartei

Nicht nur in Bayern, auch anderswo brechen in der Linkspartei die Querelen zwischen verschiedenen Fraktiönchen und Einzelpersonen mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung wieder auf
„Die Debatte um das neue Programm unserer Partei ist in vollem Gang“, heißt es auf der Homepage des bayerischen Landesverbandes der Linken. Dabei ist wohl nicht die Schlammschlacht gemeint, die zwischen dem bayerischen Schatzmeister der Linken Ulrich Voß und der Mehrheit im Landesverband ausgebrochen ist. Nachdem Voß behauptete, der Flügel um Klaus Ernst, der sich jetzt mit Gesine Lötzsch den Parteivorsitz teilt, habe mit manipulierten Mitgliederdateien Posten und Einfluss gewonnen, konterte die bayerische Landesvorsitzende mit einer Rücktrittsforderung an den Schatzmeister, dem sie ungeheuerliche Verleumdungen vorwirft.

Die neuerliche Auseinandersetzung ist nur der Höhepunkt eines langen Grabenkampfes innerhalb der bayerischen Linken, der vor mehr als einem Monat zum Rücktritt des Landesvorsitzenden Michael Wendl geführt hat. Vordergründig werden die Querelen als Streit zwischen einem pragmatischen Gewerkschaftsflügel und angeblichen „linken Sektierern“ klassifiziert. Selbst das Wort Trotzkist wird wieder einmal angeführt. Die Gegenseite kontert, indem sie von „Verleumdungen wie in der Stalinära“ spricht.

Kein bayerischer Sonderfall

Die Parteispitze der Linken muss über diese Auseinandersetzungen beunruhigt sein. Dass sie kein bayerischer Sonderfall sind, zeigen die Offenen Briefe, mit denen sich sogenannte Parteifreunde der Linken in Baden-Württemberg bekriegen.

Wie sehr sich in der Auseinandersetzung vermeintliche politische Differenzen und das gekränkte Ego vermischen, macht der Brief des mittlerweile aus der Linken ausgetretenen Jürgen Angelbeck ofenkundig. Dort klassifiziert der ehemalige führende Sozialdemokrat die Linke einerseits als „den Kapitalismus in sozialpartnerschaftlicher Manier stabilisierende Kraft“ und verteidigt andererseits den ehemaligen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der in der Partei als ausgewiesener Realpolitiker gilt.

Die Querelen zwischen verschiedenen Fraktiönchen und Einzelpersonen mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung, die die Gründungsphase der WASG und deren Überleitung in die Linkspartei begleitet haben, scheint nicht überwunden. In der letzten Zeit waren sie überdeckt durch den Konflikt zwischen Pragmatikern aus der ehemaligen PDS und enttäuschten Sozialdemokraten um Lafontaine. Mit dessen Rückzug aus der Bundespolitik scheinen die alten Spannungen wieder virulent zu werden. Schon wünschen sich manche in der Linken Lafontaine zurück in die bundespolitische Arena. Schließlich vermeldet selbst die Bild, dass Lafontaine noch Applaus bekommt, wenn er den politischen Gegner und nicht die Parteifreunde angreift.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148214

Peter Nowak

Wieviel Schröder und Müntefering darf es denn sein?

 Der Streit um die Rente mit 67 in der SPD ist eine Auseinandersetzung über das Erbe von Schröder und Müntefering
„Gabriel versus Steinmeier?“ – solche Überschriften über den Streit in der SPD sind mittlerweile fast ein Jahr alt. Mittlerweile hat die SPD ihre Personalfragen geklärt. Die Arbeitsteilung zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Steinmeier und dem Parteivorsitzenden Gabriel schien sogar zu funktionieren. Jedenfalls hat es die SPD in den letzten Monaten verstanden, sich geräuschloser als die gegenwärtigen Koalitionsparteien zu streiten. Allem Anschein nach zahlt sich das beim Wahlvolk aus. In momentanen Umfragewerten überholen SPD und Grüne schon mal die gegenwärtige Regierungskoalition. Genau in diesem Augenblick wollen die sozialdemokratischen Spitzenpolitiker beweisen, dass sie auch noch streiten können und prompt ist die alte Frontstellung von vor einem Jahr wieder da.
 Aktueller Streitpunkt ist die Frage, wie es die SPD mit der Rente mit 67 hält. Während Steinmeier mit dem Argument daran festhalten will, dass die Menschen heute älter werden und daher länger Rente beziehen, will Gabriel die längere Rente aussetzen, solange der Anteil der arbeitenden Menschen zwischen 60 und 64 nicht erhöht werden kann. Dabei hat er nach Angaben der FAZ große Teile der SPD auf seiner Seite, darunter die in der SPD rhetorisch eher auf den linken Flügel positionierten hessischen und saarländischen Landespolitiker. Zudem ist die Rente mit 67 in Gewerkschaftskreisen von Anfang an auf scharfe Kritik gestoßen.

Sogar größere Arbeitskampfmaßnahmen waren in der Diskussion. Mit der Rücknahme dieser Pläne könnte die SPD wieder näher an die Gewerkschaften rücken, was einige als links klassifizierte SPD-Politiker begrüßen würden, die darauf hoffen, die Linkspartei werde sich im Westen doch noch überflüssig machen. Kaum gab es Umfragewerte für eine rot-grüne Mehrheit, meinten einige SPD-Politiker, Anzeichen dafür zu entdecken, dass das 5-Parteien-System nicht von Dauer ist.
Sollten bei den künftigen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz der dienstälteste SPD-Ministerpräsident Kurt Beck die absolute Mehrheit verteidigen und die dort besonders zerstrittene Linkspartei an der 5-Prozent-Hürde scheitern, werden solche Stimmen lauter werden. Mit einem Abrücken von der Rente mit 67 könnte die SPD auf solche Sozialdemokraten zugehen, die die Schröder-SPD zur Passivität oder zur Linkspartei getrieben hat.

Münteferings Reform

Doch so einfach ist die sozialdemokratische Welt nicht. Die Rente mit 67 ist nämlich 2007, also zu Zeiten der großen Koalition, beschlossen worden. Sie wurde von den damaligen SPD-Spitzenpolitikern nicht etwa widersprechend mitgetragen, sondern aktiv unterstützt und gegen Kritik verteidigt.

Besonders für die Rente mit 67 eingesetzt hat sich der langjährige SPD-Spitzenpolitiker und Bundesarbeitsminister in der großen Koalition Franz Müntefering und der damalige Außenminister und SPD-Vorsitzende Frank-Walter Steinmeier.

Kaum in der Opposition hat in der SPD der Streit über den Umgang der von ihr beschlossenen und vertretenen Rentenverlängerung begonnen. Nur war der Dissens in den letzten Monaten nicht so demonstrativ in der Öffentlichkeit ausgetragen worden wie in den letzten Tagen.

Stunde der Apparatschiks

Dass der Streit gerade jetzt wieder hochkocht, kann durchaus mit den guten Umfragewerten in Verbindung gebracht werden. Unmittelbar nach der Wahl hatten Beobachter der SPD eine längere Regenerationsperiode prophezeit. Da – nicht einmal ein Jahr später – in Umfragen wieder rot-grüne Mehrheiten möglich scheinen, regen sich in der SPD Kräfte, die bei nächsten Wahlen die Machtoption stark machen und die Oppositionszeit als einen kurzen Ausrutscher betrachten.

Vorteile aus einer solchen Situation ziehen dabei die SPD-Apparatschiks, die meist noch aus der Schröder-Ära stammen und dessen Politik am liebsten nahtlos fortsetzen würden. Sie haben Erfahren in Management und Verwaltung und sind noch jung genug, um ihre Fähigkeiten sofort wieder zur Verfügung zu stellen, wenn die SPD in welcher Koalition auch immer, wieder Teil der Regierung wird.

Sie teilen mit Müntefering die Ansicht, dass Opposition Mist ist und deshalb ist ihr größtes Ziel, die SPD wieder an der Regierung zu sehen. Dass sie persönlich sich damit auch wieder Posten verschaffen, ist ein nicht zu vernachlässigender Nebeneffekt. Schließlich würde eine längere Oppositionszeit für die SPD auch bedeuten, dass diese Apparatschiks ihrem Vorbild Schroder in die Wirtschaft folgen würden.

Für diesen Typus steht Steinmeier. Unter Schröder der Mann im Hintergrund kam er während der großen Koalition als Schröderianer zum Zuge. Die Apparatschiks, die mit den früher „Kanalarbeiter“, heute „Seeheimer Kreis“ genannten Parteirechten, aber auch mit jüngeren, selbsternannten Pragmatikern gut vernetzt sind, geht es in erster Linie ums Mitregieren und um den Erhalt einer ideologiefreien SPD à la Schröder. Alle Ansätze, die als Rückkehr zu klassenkämpferischen Parolen gedeutet werden, sind ihnen ein Gräuel. Denn, ohne gute Beziehung zur Wirtschaft kann ein Sozialdemokrat nicht lange Regierung spielen, was Bundesfinanzminister Lafontaine gut bewiesen hat. Deshalb ist für sie nicht nur die Rente mit 67 sondern die gesamte „Agenda 2010-Politik“ sakrosankt. Sie sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik den Beweis für die Richtigkeit dieser Politik.

Widerstand der Nachwuchspolitiker

Diesen Apparatschiks stehen die auch schon in die Jahre gekommenen SPD-Nachwuchspolitiker gegenüber, die in der Schröder-Ära nicht in den engeren Machtzirkeln verkehrten, sondern es nur zum SPD-Popbeauftragten gebracht haben, wie Sigmar Gabriel – oder im Machtkampf der Apparatschiks unterlegen sind wie Kurt Beck.

Sie sind gar nicht darauf erpicht, ganz schnell wieder in die Regierung zu wechseln, gerade weil sie hoffen, dass die Apparatschiks sich nach lukrativeren Posten umsehen und sie dann die vakanten Posten besetzen können. Sie sind flexibler, wenn es darum geht, Fehler bei der Agenda-Politik einzugestehen, wobei auch von ihnen immer betont wird, dass diese Politik in den Grundlinien richtig war.

Sie wollen daher die Agenda-Politik nicht grundlegend verändern, sondern höchstens hier und da nachjustieren oder die Stellschrauben etwas anziehen, wie es in ihrer Technokratensprache heißt. Sie sind auch eher als die Apparatschiks bereit, einige sozialpolitische Zugeständnisse zu machen und bei der eigenen Klientel besonders unpopuläre Projekte wie die Rente mit 67 in Frage zu stellen, zumindest solange sie in der Opposition sind.

Alles nur Show?

„Gabriel setzt heute den Keim für ein gebrochenes Wahlversprechen von morgen“, kommentiert der Kölner Stadtanzeiger Gabriels Rütteln an der Rente mit 67 und dürfte damit nicht ganz falsch liegen. Denn Gabriel und Steinmeier teilen mit den meisten Zeitungskommentatoren die Ansicht, dass länger gearbeitet werden muss, aber dann müssen auch die Arbeitsplätze da sein.

„Der Unterschied besteht darin, dass der eine (Steinmeier) das längere Arbeiten mehr betont und die anderen (Gabriel, Beck) lieber von den Risiken reden“, meint der Chefkommentator der SPD-nahen FR die sozialdemokratische Rentenshow. Die Vorstellung, angesichts der gestiegenen Produktivität durch den technischen Fortschritt, die Rente zum Grundrecht für Alle – unabhängig von der Lohnarbeit und Produktivität zu erklären – liegt jenseits des sozialdemokratischen Horizonts. Darin sind sich die Gabriels, Becks und Steinmeiers einig.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33111/1.html

Peter Nowak

Haushaltsprobleme der Linken

Einem Teil der Parteibasis ist das erst vor wenigen Wochen auf dem Rostocker Parteitag gewählte Führungspersonal zu teuer
Eigentlich ist die Linke gerade mit der Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung beschäftigt. Da kommen ihr nun Finanz- und Haushaltsprobleme in eigener Sache in die Quere: Einem Teil der Parteibasis ist das erst vor wenigen Wochen auf dem Rostocker Parteitag gewählte Führungspersonal schlicht zu teuer. Auf der ersten Sitzung des neugewählten Parteivorstands wurde auch über die finanzielle Vergütung gesprochen.

Obwohl noch keine genauen Zahlen bekannt wurden, machten an der Basis Vermutungen die Runde, dass auch Bundestagsabgeordnete ihre Vorstandstätigkeit in der Partei zusätzlich vergüten können. Die schnell empörten Genossen schrieben Briefe an den Vorstand.

„Glaubt ihr wirklich, dass Bundestagsabgeordnete 4000 Euro zusätzlich im Monat zum Leben brauchen“, zitierte das parteinahe Neue Deutschland aus einem Brief des Kreisvorstandes Havelland. Nach Informationen des Spiegel protestierten auch andere Basisorganisationen gegen die „Selbstbedienungsmentalität“. Die Linkenbasis moniert auch eine mangelhafte innerparteiliche Transparenz bei der Finanzierungsfrage.

Eine als „Hilfreiche Erläuterung“ überschriebene Pressemitteilung des Pressesprechers der Bundestagsfraktion der Linken, Hanno Harnisch, konnte den Streit nicht beenden. Harnisch schrieb, dass es keine Neuregelung der Vorstandsbezüge, sondern nur einen Beschluss für die neue Wahlperiode gäbe. Fortgesetzt werde eine Regelung, die auch für Lothar Bisky und Oskar Lafontaine gegolten habe. Die Linksfraktion sei für diese Frage gar nicht zuständig und der Inhalt der Meldung treffe nicht zu, konterte das Neue Deutschland.

Während drei der sieben Parlamentarier, die auch im Vorstand der Linken sind, mittlerweile auf eine zusätzliche Entlohnung verzichtet haben, soll ein Vorstandsmitglied bereits seine Forderungen angemeldet haben. Ende März war Klaus Ernst aus dem neuen Führungsduo der Linken wegen unklarer Abrechnungen seiner Flüge in die Kritik geraten. Der Spiegel berichtet, er soll auch Flüge beim Bundestag abgerechnet haben, wo er nicht als Bundestagsabgeordneter sondern als IG-Metall-Funktionär unterwegs gewesen sein soll. Ernst bestreitet die Vorwürfe.

Weder Wulff noch Gauck

Während diese internen Haushaltsprobleme Teil der Entwicklung der Linken zu einer ordentlichen Parlamentspartei sind, kann sie sich über die Auswahl der Bundespräsidentenkandidaten freuen. Weil weder Wulff noch Gauck von der Parteibasis akzeptiert werden, bleibt der Partei die Diskussion über eine mögliche Unterstützung eines SPD- oder Grünen-Kandidaten erspart.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147767

Peter Nowak

Pazifisten an der Front

Pazifisten an der Front
ANTIMILITARISMUS Bei der Friedensgesellschaft wird scharf geschossen: Landesverband und Bundesvorstand streiten sich um den juristischen Umgang mit einem satirischen Flugblatt

Der Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) wirft seinem Bundesvorstand Denunziation vor. Der Bundesvorsitzende der ältesten friedenspolitischen Organisation Deutschlands, Jürgen Grässlin, hat die Namen von drei Berliner DFG-VK-Mitgliedern sowie ein internes Schreiben an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, nachdem diese die Herausgabe der Daten verlangt hatte. „Die Übermittlung der Namen geschah in vollem Wissen, dass den Betroffenen nun mit hoher Wahrscheinlichkei Hausdurchsuchungen bevorstehen und ein Ermittlungsverfahren wegen ihrer politischen Aktivitäten droht“, so der Landesverband Berlin-Brandenburg in einer Stellungnahme.

Der Grund sind Ermittlungen wegen eines satirisch gemeinten Aufrufs der DFG-VK Berlin-Brandenburg, der unter dem doppeldeutigen Motto „Feste feiern, wenn sie fallen“ zum Schampus-Saufen aufruft, wenn ein Bundeswehrsoldat beim Afghanistan-Einsatz ums Leben kommt (siehe Interview unten). Die im April beendete Aktion hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt und juristische Ermittlungen nach sich gezogen. Mehrere von Bundeswehrverbänden angestrengte Klagen wegen Beleidigung waren zwar bereits im vorigen Jahr eingestellt worden. Doch das Berliner Landeskriminalamt ermittelt weiter.

Im April waren in Berlin drei Buchläden, die Büroräume eines Internetproviders und Privatwohnungen auf der Suche nach den Verantwortlichen der Aufrufe durchsucht worden. Weil die Ermittlungsbehörden keinen Hinweis auf die Urheber der satirischen Aufrufe gefunden haben, wandten sie sich an den DFG-VK-Bundesvorsitzenden – mit Erfolg.

„Als BSK waren wir uns einig, dass wir den Ermittlungsbehörden keinen Vorwand für eine Hausdurchsuchung in der Bundesgeschäftsstelle mit der Beschlagnahme aller Computer und weiterer Unterlagen geben dürfen“, begründete der Bundessprecher Jürgen Grässlin gegenüber der taz die Datenweitergabe. „Die Personendaten unserer mehr als 4.000 Mitglieder sowie die weiteren Unterlagen, wie Brief- und Mailwechsel, Protokolle all unserer Aktivitäten, gehen die Staatsanwaltschaft absolut nichts an.“ Zudem verstehe sich die DFG-VK nicht als Untergrundorganisation, die mit subversiven Mitteln gegen die Staatsmacht angeht. „Wir bekennen uns bei all unseren Aktionen mit unserem Namen zu unseren Taten“, so Grässlin.

Hinter dem Streit stehen politische Gegensätze. Während sich viele DFG-VK-Mitglieder in der Friedensbewegung der 80er-Jahre politisierten und heute vor allem bei der Organisierung von Ostermärschen gegen Atomraketen und als Kritische AktionärInnen von Rüstungsbetrieben engagieren, sorgten im Landesverband Berlin-Brandenburg jüngere AntimilitaristInnen mit provokativen Aktionen auch verbandsintern öfter für Unmut. So wurde das Plakat „Schritt zur Abrüstung“ mit dem Sarg eines getöteten Soldaten auch von DFG-VK-Mitgliedern als menschenverachtend kritisiert.

Die Weiterleitung der Namen hat die Krise zugespitzt. Der Landesverband Berlin-Brandenburg will vorerst keine Informationen über geplante Aktivitäten mehr an die Bundesebene weiterleiten. Man plane aber keinen Austritt aus dem Verband, sagte ein Landesverbandsmitglied der taz.

 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F05%2F14%2Fa0194&cHash=c53e000247

Peter Nowak