«Wir liessen uns nicht einschüchtern»

Michel Poittevin ist aktiv in der französischen Basisgewerkschaft Solidaire SUD, die einen Arbeitskampf bei McDonald’s in Marseille unterstützt. Ein Gespräch mit ihm – auch über die aktuelle innenpolitische Situation in Frankreich und die «Gilets jaunes».

Ihre Gewerkschaft unterstützt einen Arbeitskampf bei McDonald’s in Marseille. Ist es nicht schwierig, gerade dort Beschäftigte zu organisieren?
Michel Poittevin: 2012 gab es die erste Auseinandersetzung in der Filiale von McDonald’s de Saint-Barthélémy in Marseille. Die Beschäftigten konnten so

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Gelbe Westen auch in Berlin?

Solidarisiert man sich mit einem Symbol oder mit konkreten Alltagskämpfen?

Am gestrigen Donnerstag ging es am Pariser Platz zwischen französischer Botschaft und Akademie der Künste zumindest nach Worten „revolutionär“ zu. Knapp 120 Menschen haben sich mit dem Protest der Gelben Westen in Frankreich solidarisiert [1]. Eine kleine Abordnung von ihnen war aus Frankreich nach Berlin gekommen.

Gekommen waren ansonsten Mitglieder und Unterstützer verschiedener linker Gruppen aus Berlin, die Sammlungsbewegung Aufstehen war mit einem Transparent vertreten. Für die Antifagruppe NEA [2] hat Martin Peters einen Beitrag mit viel Selbstkritik auch an die eigene Szene vorgetragen. So monierte er, dass ein großer Teil der Antifa-Linken die Bewegung der Gelben Westen (häufig auch: Gelbwesten) vorschnell unter der Rubrik Querfront nach Rechts abschieben würde und sich damit indirekt zum linken Feigenblatt der Macron-Fraktion des Kapitals machen würde.

Dabei verschwieg Peters nicht, dass es in der Bewegung der Gelben Westen Rechte gibt. Aufgabe einer linken Bewegung sei es dann aber, die Kräfte in der Bewegung zu unterstützen, die sich gegen die rechten Tendenzen dort stellten. Dazu gehörten auch die Mitglieder der Delegation, die am Donnerstag nach Berlin gekommen war.

Bewegung nicht rechts liegen lassen

In einem Taz-Interview [3] hatte Peters diese Position präzisiert:

taz: Bislang haben in Deutschland vor allem Rechte versucht, auf den Gelbwesten-Zug aufzuspringen. Die wollen Sie aber nicht auf Ihrer Demo haben?

Nein, unsere Motivation ist auch eine antifaschistische. Das Motto lautet: Gegen Sozialabbau und Rassismus. Wir widersprechen der Vereinnahmung von rechts und einer Verbindung mit dem Protest gegen den UN-Migrationspakt. Dass bislang eher Rechte aufgesprungen sind, spiegelt die Schwäche der Linken wider: Es fehlt eben an breiten Sozialprotesten. Und während „Unteilbar“ ein Moment war, ist etwa Pegida dauerhaft präsent und kann entsprechend schnell mobilisieren.


taz: Hat die deutsche Linke den französischen Protest bislang unterschätzt und sich zu sehr auf die problematischen Elemente der Bewegung fokussiert?

Ich würde sagen: ja. Es fehlt ihr inzwischen die Übung im Umgang mit Massenbewegungen. Viele sind es nur noch gewohnt, danebenzustellen und zu kritisieren. In den linken Filterblasen war schnell der Vorwurf eines Querfrontprotests verbreitet. Aber die Kernforderungen der Gelbwesten sind sozialer Natur und eben nicht der Migrationspakt. Wir wollen deutlich machen, dass sich französische Linke zum Großteil für eine solidarisch-kritische Intervention aussprechen und gegen Nazis zur Wehr setzen. Einen extrem rechten Sprecher hat die Bewegung schon geschasst – der versucht jetzt sein Glück als „Gelbe Zitronen“.

Martin Peters, langjähriger Berliner Antifa-Aktivist in der Taz

Welches Volk ist gemeint?

Tatsächlich haben Linke bei den Montagsdemonstrationen gegen die Einführung von Hartz-IV im Sommer 2004 den Rechten, die sich dort auch tummelten, Paroli geboten. In vielen Städten war das damals gelungen und so konnten die Rechten der damaligen Bewegung nicht ihren Stempel aufdrücken. Peters zeigte an einem Beispiel auch die Schwierigkeiten einer solchen Intervention. So lautete damals eine zentrale Parole „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir“.

Für viele Linke ist das gut begründet ein mit rechtem Gedankengut konterminierter Begriff. Doch wie geht man mit Menschen um, die die dahinterstehenden Debatten nicht kennen? Versuche ich erst einmal rauszufinden, was sie denn meinen, wenn sie von „Volk reden?

Nur dann ist eine Kommunikationsebene möglich. Allerdings sollte dabei klar sein, dass Linke nicht mit Volksbegriffen hantieren, sondern Menschen dabei unterstützen soll, zu erkennen, dass sie mit dem Begriff selbst einer Ideologie aufsitzen – beispielsweise der Ideologie, Krupp und Krause oder Peter Hartz und eine Hartz IV-Empfängerin säßen im selben Boot.

Die deutschen Zustände bekämpfen – aber wie?

Nach Peters sprach eine iranische Migrantin, die in Berlin lebt, über die sozialen Proteste in ihrem Land und über die Situation. Die beste Solidarität, die von Berlin für soziale Bewegungen in anderen Ländern geleistet werden könne, sei der Kampf gegen die deutschen Zustände. Damit erwies sie sich als gute Marx-Kennerin, der schon 1843 den Deutschen Zuständen den Krieg erklärt hatte [4].

Heute ist damit auf ökonomischen Gebiet ein Kampf gegen das weitgehend von Deutschland durchgesetzte Austeritätsregime gemeint, dass in vielen Ländern Europas für Verarmung sorgt. Werden sich die nun gegründeten Gelben Westen Berlins diesen Kampf annehmen? Dann könnte das Symbol „Gelbe Westen“ nur der Ausgangspunkt sein. Schließlich ist es ein leerer Signifikant. Die Träger können sehr Verschiedenes damit ausdrücken.

Ob es im nächsten Jahr die Bewegung in Frankreich noch geben wird, ist ungewiss. Aber es wird weiter soziale Kämpfe geben, mit und ohne gelbe Westen. Wenn die Initiatoren der Gelben Westen Berlin dafür sensibilisieren würden, hätten sie sich Verdienste erworben. Da wären aber einige kritische Fragen zu stellen. Warum gelang es nicht, einen Aktionstag der Solidarität mit den oft migrantischen Logistikarbeitern und ihren Streikzyklen [5] in Norditalien in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu etablieren? Versuche mit Aktionen vor verschiedenen IKEA-Zentralen gab es [6].

Um in der Gegenwart zu bleiben: Wo bleibt die transnationale McDonald-Kampagne aus Solidarität mit den Arbeitskämpfen bei einer McDonald-Filiale im Norden von Marseille [7]?

Michel Poittevin ist aktiv in der französischen Basisgewerkschaft Solidaires – SUD [8], die den Arbeitskampf bei McDonald in Marseille unterstützt:

Ihre Gewerkschaft unterstützt einen Arbeitskampf bei McDonald in Marseille [9]. Ist es nicht schwierig, gerade dort Beschäftigte zu organisieren?

M.P.: 2012 gab es die erste Auseinandersetzung in der McDonald-Filiale in McDonald de Saint-Barthelemy. Die Beschäftigten konnten so ein 13-Monastsgehalt und andere Verbesserungen durchsetzen. Die erkämpften Rechte wurden infrage gestellt, als in der Filiale der Besitzer wechselte. Dabei muss man wissen, dass McDonald ein Franchise-Modell eingeführt hat. Die Franchisenehmer zahlen an McDonald Miete und eine Umsatzbeteiligung. Mit dem Franchisemodell sollen die erkämpfen Arbeiterrechte zurückgerollt werden. Bei McDonald in Barthelemy entwickelte sich daraus 2017 ein monatelanger Streik. Er wurde nicht nur in ganz Frankreich bekannt. Sogar im Ausland wurde darüber berichtet. Sogar in großen US-Zeitungen gab es Artikel.
Wie reagierte Ihre Gewerkschaft darauf?

M.P.: Wir machten diese besonders brachiale Form von Union-Busting öffentlich. So organisierten wir eine Versammlung, in der wir die Gewalt gegen Gewerkschaftler bekannt machten. Als klar wurde, dass wir uns davon nicht einschüchtern ließen, hörten die Drohungen auf.

Ausschnitte aus einem längeren Interview mit Michel Poittevin

Auch hier stellt sich die Frage, warum kann nicht mit transnationalen McDonald-Aktionstagen eine Solidaritätsfront aufgebaut werden? Am 17.Januar 2019 wird vor dem Berliner Arbeitsgericht über die Berufungsverhandlung eines der rumänischen Bauarbeiter verhandelt, der bei der Mall of Berlin [10] um seinen Lohn geprellt wurde [11].

Der Konflikt dauert mittlerweile 4 Jahre und die um ihren Lohn geprellten Bauarbeiter hatten auf dem Rechtsweg Klagen gewonnen, aber kein Geld bekommen, weil die verurteilten Subunternehmen insolvent waren.

Warum sollten die Gelben Westen Berlin nicht an einen Samstag vor der Mall of Berlin, einer Nobel-Mall an exponierter Stelle, daran erinnern? Sie liegt nur wenige 100 Meter weg vom Kundgebungsplatz der Gelbwesten am vergangenen Donnerstag. Ein Mann mit gelber Weste schloss sein Fahrrad ab und betrat die Mall. War das jetzt ein Versuch, nach der Kundgebung den sozialen Protest an den passenden Ort zu tragen und die dortige weihnachtliche „Süßer die Kassen nie klingeln“-Stimmung etwas zu trüben? Nein, es handelte sich um einen Kunden in wettergerechter Bekleidung.

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4258473
https://www.heise.de/tp/features/Gelbe-Westen-auch-in-Berlin-4258473.html

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.facebook.com/GelbwestenGegenSozialabbauundRassismus
[2] http://antifa-nordost.org/
[3] http://www.taz.de/!5556689/
[4] https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/isf-flugschriften_lp1/
[5] http://www.labournet.de/category/internationales/italien/arbeitskaempfe-italien/
[6] http://www.labournet.de/internationales/italien/arbeitskaempfe-italien/it-ak-logistik/aktionstag-gegen-ikea/
[7] https://solidaires.org/De-Marseille-a-Paris-tous-mobilises-contre-l-exploitation-chez-Macdo
[8] https://solidaires.org/
[9] https://berlin.fau.org/termine/arbeitskaempfe-bei-mcdonald-s-in-marseille
[10] https://www.mallofberlin.de/
[11] https://berlin.fau.org/termine/gerichtstermin-eines-bauarbeiters-der-mall-of-shame

Uniklinik Düsseldorf: Patienten solidarisieren sich mit streikendem Klinikpersonal

Dabei wird auch das neue Gesicht der Arbeiterbewegung in Zeiten nach dem Ende der großen Fabriken deutlich: Es ist nicht mehr weiß und männlich

Seit zwei Monaten streikt das Personal der Uniklinik Düsseldorf für mehr Personal und Entlastung bei ihrer Arbeit. Hochrangige Klinikmitarbeiter haben mittlerweile in einem Offenen Brief den Ministerpräsidenten von NRW zur Vermittlung aufgefordert[1]:

„Es berührt uns zutiefst, seit Wochen die gravierenden Folgen des Streiks für unsere Patienten hilflos erleben zu müssen“, schreiben die Ärzte jetzt in dem offenen Brief. Die Notaufnahme sei zeitweise von der Notfallversorgung abgemeldet, wodurch Einschränkungen für Patienten entstehen könnten.

ÄrzteZeitung

Jetzt bekommen die Streikenden auch Unterstützung von den Patienten. Auf Initiative des Geschäftsführers der Stiftung ethecon Axel Köhler-Schnura[2] verfassten 135 ehemalige und aktuelle Klinikpatienten einen Solidaritätsaufruf[3] mit den Streikenden.

Wir sind empört über die skandalöse Überlastung und Überforderung des Personals, über extrem mangelnde Entlohnung, über unhaltbare Arbeitsbedingungen. Wir verurteilen, dass die Leitungen der Uni Klinik und ihrer Tochter-Gesellschaften nicht dafür sorgen, dass genügend Personal zur Verfügung steht und in angemessener Sorgfalt und Qualität gearbeitet werden kann. Es ist ein Skandal, dass bei den Geschäftsführungen der Uni Klinik Düsseldorf und ihrer Tochter-Gesellschaften betriebswirtschaftliche Überlegungen – wirtschaftlichkeit, Rendite und Profit – im Zentrum stehen und nicht das Wohl der PatientInnen.

Aus dem Solidaritätsbrief mit den Streikenden

Aus Personalnot vor das Bett gepinkelt

Im Gespräch mit Telepolis nennt Axel Köhler-Schnura ein prägnantes Beispiel, wie die desolate Personalsituation die Rechte der Patienten beeinträchtigt.

Wenn, wie eine mitunterzeichnende Patientin berichtete, dass sie dringend auf die Toilette muss, aber wegen der Krankheit nicht kann, und niemand in angemessener Zeit auf den Notruf reagiert, und dann vor das Bett urinieren muss, was kann denn dann sonst noch passieren?

Axel Köhler-Schnura

Neben dem Offenen Brief unterstützt die Patienteninitiative die Streikenden auch finanziell und beteiligt sich an den Kundgebungen. Die Initiative ist eine wichtige Solidaritätsaktion, weil so verhindert wird, dass es der Klinikleitung gelingt, Patienten und Personal zu spalten. Es gab bereits in den letzten Jahren Solidaritätsaktionen von außerbetrieblichen Linken[4] mit den Streikenden an der Berliner Charité.

Hier wird auch deutlich, dass die Arbeitskämpfe in den Kliniken in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle bei den bundesweiten Arbeitskämpfen[5] spielen werden. Lange Zeit galt die Arbeit in Kliniken und der Pflege als Ehrenamt, Streiks waren schon deshalb kaum möglich, weil man die Patienten nicht im Stich lassen will.

Doch das hat sich in den letzten Jahren geändert. Quer durch die Republik gab und gibt es Arbeitskämpfe von Klinikpersonal, die deutlich machen, dass es sich hier um Lohnarbeit handelt, die gut bezahlt werden muss. Es geht nicht nur um Lohn, es geht immer mehr um mehr Personal selbst. Die Beschäftigten sind nicht mehr bereit, Pflege am Limit[6] zu leisten.

Das neue Gesicht der Arbeiterbewegung

In den Ausständen wird auch das neue Gesicht der Arbeiterbewegung in Zeiten nach dem Ende der großen Fabriken deutlich. Es ist nicht mehr weiß und männlich (rein deutsch war auch die Belegschaft in der fordistischen Phase des Kapitalismus nicht). Im Bereich der Pflege gibt es besonders viele weibliche Arbeitskräfte, die lange Zeit auch von großen Teilen der traditionellen Arbeiterbewegung nicht so richtig als gleichwertig anerkannt wurden.

Das beginnt sich zu ändern. Schon vor einigen Jahren hat die Bewegung Carerevolution[7] auf die zunehmende Bedeutung der Pflege- und Sorgeberufe gelegt. Die Ausstände in den Kliniken[8] sind ein Teil dieser Carerevolution und die Solidaritätsaktionen können durchaus der Vorschein sein für eine neue Solidarität in Lohnarbeitsverhältnissen.

Denn klar ist: Arbeitskämpfe in Kliniken, Kitas etc. können nicht gegen, sondern nur mit den Patienten bzw. Eltern und Kinder gewonnen werden. In einem Stahlwerk konnten die Streikenden noch singen. Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will. Für die Streiks der neuen Arbeiterbewegung ist die Solidarität mit der Bevölkerung und vor allem der Nutzerinnen und Nutzer ihrer Dienstleistungen die größte Stärke.

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http://www.heise.de/-4137235
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/969264/uniklinikum-duesseldorf-offener-brief-landesvater-druckmittel.html
[2] https://www.ethikbank.de/die-ethikbank/unsere-kunden-im-portraet/axel-koehler-schnura.html
[3] http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/08/Streik_UniklinikD_OffenerBrief.pdf
[4] https://interventionistische-linke.org/beitrag/solidaritat-mit-dem-streik-der-charite
[5] http://mehr-krankenhauspersonal-bremen.de/2018/07/05/solidaritaetserklaerung-mit-den-streikenden-beschaeftigten-der-unikliniken-duesseldorf-und-essen/
[6] https://thueringen.verdi.de/themen/nachrichten/++co++d6936b90-72bb-11e7-b881-525400423e78
[7] https://care-revolution.org/
[8] https://de.labournet.tv/kaempfe-im-gesundheitsbereich

Transnational streiken – Arbeitskampf bei Amazon

striketogether

Ende März traten erneut Beschäftigte in mehreren deutschen Amazon-Standorten in den Ausstand. Hauptforderung ist die Bezahlung nach dem Flächentarif für den Einzelhandel. Doch der Amazon-Konzern bleibt bei seiner bekannten Linie und lehnt die Forderungen ab. Für das Management ist es eine Machtfrage, die Forderungen der Beschäftigten abzuwehren. In der Dienstleistungsgewerkschaft gab es bereits im letzten Jahr Überlegungen, den Kampf bei Amazon auslaufen zu lassen. Doch längst ist der Kampf bei Amazon über eine Auseinandersetzung zwischen Konzern und Verdi hinausgewachsen.

Solidarität an der Basis

Beschäftigte, die sich in den Streikauseinandersetzungen politisiert haben, sind in den Standorten ein wichtiger Faktor an der Basis. Seit mehr als zwei Jahren hat sich zudem eine außerbetriebliche Amazon-Streiksolidarität gegründet, die mit den Beschäftigten kooperiert. Ein weiterer zentraler Pluspunkt des Amazon-Streiks ist die transnationale Dimension. Seit mehr als einem Jahr sind im Amazon-Logistikzentrum Poznan Kolleg_innen in  der anarchosyndikalistischen Workers Initiative (IP) organisiert. Gemeinsam mit den Beschäftigten organisierte sie in den letzten Monaten zwei Solidaritätsaktionen mit den Streikenden in Deutschland. Vom Verdi-Apparat gab es dabei keinerlei Unterstützung, schließlich ist die polnische Partnergewerkschaft von Verdi im Amazon-Werk in Poznan kaum vertreten. Trotzdem ist eine Kooperation der Kolleg_innen aus Deutschland und Polen gelungen. Mit Unterstützung des Solidaritätskomitees wurden die Kontakte angebahnt. „Als  wir uns das erste Mal getroffen haben, merkten wir schnell, es ist die gleiche Arbeitshetze, die gleichen Methoden der Ausbeutung“, beschreibt ein Amazon-Kollege aus Bad Hersfeld die schnelle Verständigung unter den Kolleg_innen. „Als wir uns mit dem Arbeitskampf der Kolleg_innen in Deutschland solidarisieren, spielte die Frage der Gewerkschaft überhaupt keine Rolle. Wir unterstützen die streikenden Kolleg_innen“, erklärte auch eine Amazon-Beschäftige aus Poznan. Mittlerweile hat es mehrere Treffen gegeben, bei denen aktive Kolleg_innen aus beiden Ländern sich austauschten und auch überlegten, den Arbeitskampf über die Landesgrenzen auszuweiten.

Probleme benennen

Die IP hat dabei in einer Erklärung einige Aspekte, die für die Ausweitung des Arbeitskampfes von Bedeutung sind, benannt und dabei die Probleme nicht verschwiegen. So wird das Amazon-Modell des Heuern und Feuern als hinderlich für eine Organisierung benannt.

Die Spaltung in Fest- und Zeitarbeit schwächt die Arbeiter_innen deutlich. Sie erhöht den Druck auf alle, auch auf die Festangestellten, und beschränkt die Möglichkeiten zur Selbstorganisierung. Amazon stellt zu besonderen Stoßzeiten, beispielsweise vor den Weihnachts- oder Osterfeiertagen, viele Mitarbeiter_innen ein, die danach entlassen werden. Die Arbeiter_innen leben in täglicher Angst, ihre Einkommensquelle zu verlieren oder sogar abgeschoben zu werden. Die IP hat eine Kampagne gegen die Leiharbeit gestartet, um auch die Kurzzeitbeschäftigten mit einzubeziehen. Am 1. März 2016 hat sie anlässlich des europäischen Aktionstages gegen Grenzregime und prekäre Arbeit vor mehreren Zeitarbeitsfirmen in Polen Kundgebungen organisiert. Wie in den Wochen zuvor, nahmen an den Protesten neben Beschäftigten Unterstützer_innengruppen teil. Die IP hat in ihrer Erklärung alles Nötige gesagt: „Wir sollten von dem ausgehen, was uns verbindet, und so lernen, wie wir uns gemeinsam organisieren und für höhere Löhne und angemessene Arbeitsbedingungen ohne prekäre Verträge kämpfen können. Nur wenn wir zusammenhalten, können wir bekommen, was wir alle wollen: den ganzen Kuchen statt ein paar Krümel vom Tisch unserer Herren.“

Peter NowakDer Autor ist freier Journalist (peter-nowak-journalist.de) und Herausgeber des Buches „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“

Link zur Streik-Solidarität Leipzig: streiksoli.blogsport.de

Link zur Streik-Solidarität Berlin: www.facebook.com/SolidaritaetMitDenAmazonStreiks

https://www.direkteaktion.org/verteilzeitung-mai/transnational-streiken

aus: Sonderausgabe der Direkten Aktion zum 1. Mai 2016

von Peter Nowak 

Keine Babylöhne im Kino

Der Kampf um die Einhaltung des Tarifvertrags im Kino Babylon geht weiter

Im Jahr 2010 hat die Belegschaft des Kinos Babylon in Berlin-Mitte versucht, einen Haustarifvertrag zu erkämpfen (die SoZ berichtete). Die Gewerkschaft Ver.di konnte dann einen abschließen, doch die Geschäftsleitung hält sich nicht daran. Jetzt wird das Kino wieder bestreikt.

«Dieses kommunale Kino wird heute bestreikt. Darum bitten wir Sie, heute von einem Kinobesuch Abstand zu nehmen und damit die berechtigen Forderungen der Beschäftigten nicht zu unterlaufen», heißt es auf Plakaten, die in den letzten Wochen rund um das Kino Babylon in Berlin-Mitte zu finden sind. Verfasst wurden sie von der Ver.di-Betriebsgruppe des Kinos.
Es geht um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der 15 Kinobeschäftigten. «Fünf Jahre Verzicht sind genug», «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit», steht auf weiteren Plakaten rund um das Kino. «Im Dezember 2013 wurde mein Stundenlohn nach einer Forderung des Senats auf 8,50 Euro tarifvertraglich angehoben. Seitdem gab es keine weiteren Anpassungen», erklärt ein Kino-Angestellter. Die Filmvorführer hätten sogar seit fünf Jahren keine Gehaltserhöhung bekommen.
Ver.di fordert die Übernahme des Bundestarifvertrags des Hauptverbands Deutscher Filmtheater (HDF) für die Babylon-Beschäftigten. Außerdem soll eine verbindliche Mindestbesetzung während des laufenden Kino- und Veranstaltungsprogramms vereinbart werden, die auf die Besucherzahlen abgestimmt ist. Immer wieder gibt es Klagen wegen Arbeitsüberlastung.
Andreas Köhn vom Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg betont, dass das Kino die Forderungen wirtschaftlich tragen kann. «Schließlich sind die Eintrittspreise und die Einmietung in den letzten Jahren um teilweise 20% gestiegen. Auch die Anzahl der Besucher hat sich deutlich erhöht.»
Zudem steigen auch die Subventionen, die das Land Berlin jährlich an das Kino überweist. Im Doppelhaushalt 2016/17 sind dafür 361.500 (vorher 358.000) Euro vorgesehen. Ver.di fordert nun vom Senat, die Auszahlung der Zuwendungen an die Umsetzung des bundesweiten HDF-Tarifvertrags zu koppeln.

Vorgeschichte
In den Jahren 2009 und 2010 war das Kino Babylon durch einen Arbeitskampf über Berlin hinaus bekannt geworden. Damals wandten sich die Beschäftigten an die Basisgewerkschaft Freie Arbeiter-Union (FAU). «Der Arbeitskampf machte damals deutlich, dass auch in prekären Verhältnissen engagierte Arbeitskämpfe möglich sind», heißt es im Vorwort einer Broschüre*, die vom FAU-Aktivisten Hansi Oostinga herausgegeben wurde. «Die Broschüre erinnert an den von heute aus gesehen doch sehr organisierten und professionellen Arbeitskampf», erklärt der mittlerweile beurlaubte, der FAU angehörende Babylon-Betriebsrat Andreas Heinz.
Den aktuellen Streik von Ver.di unterstützt die FAU ausdrücklich. Dabei waren die Beziehungen zwischen beiden Gewerkschaften nicht immer die besten. Die FAU warf Ver.di vor, mit dem Geschäftsführer Timothy Grossman einen Tarifvertrag abgeschlossen zu haben, nachdem dieser der Basisgewerkschaft ihre Tariffähigkeit aberkennen wollte. Damals hatten sich in einem Solidaritätskomitee allerdings auch Mitglieder von DGB-Gewerkschaften mit der FAU solidarisiert.
Für Ver.di ist der Arbeitskampf der FAU immer noch eine Leerstelle. So heißt es auf der Titelseite von Sprachrohr (Nr.2/2015), der Mitgliederzeitung des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie für Ver.di-Berlin-Brandenburg: «2010 wurde für die Neue Babylon Berlin GmbH der bis tariflose Zustand beendet. Vereinbart wurde die Übernahme des Bundestarifvertrags HDF-Kino von 2009, allerdings mit deutlich schlechteren Regeln.» Kein Wort davon, dass es der engagiert geführte Arbeitskampf der FAU war, der die Babylon-Geschäftsführung so unter Druck setzte, dass sie den Tarifvertrag mit Ver.di schloss. Die jetzt auch von Ver.di beklagten Verschlechterungen hat die FAU schon beim Abschluss heftig kritisiert.
Der Konflikt zwischen der FAU und Grossman geht jedoch weiter. So wurde Betriebsrat Andreas Heinz wegen angeblicher Zerstörung eines Filmplakats nicht nur fristlos entlassen. Sogar der Staatsschutz wurde eingeschaltet worden. Im Juni wurde die Wohnung von Stefan Heinz durchsucht. Auch die Ver.di-Betriebsräte will die Kinogeschäftsführung loswerden, musste dabei Mitte August jedoch eine juristische Niederlage einstecken. Die 1.Instanz des Berliner Landesarbeitsgericht hat nämlich entschieden, dass der dreiköpfige Babylon-Betriebsrat rechtmäßig gewählt wurde. Die Wahl war von der Geschäftsführung mit der Begründung angefochten worden, die zahlreichen selbständigen Beschäftigten, die mittlerweile im Kino als Dienstleister bei Technik, Getränkeverkauf und Ticketkontrolle eingesetzt werden, dürften bei der Betriebsratswahl nicht berücksichtigt werden.

*Hans Oostinga: Babylohn. Der Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon. Moers: Syndikat A, 2015, 2,50 Euro.

aus: SoZ, September 2015

http://www.sozonline.de/2015/09/keine-babyloehne-im-kino/

Peter Nowak ist Autor des Buchs: Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht, das Mitte September in der Edition Assemblage erscheint.

Keine Geschenke

Deutschland: Bei Amazon wurde wieder gestreikt

An mehreren deutschen Standorten des Online-Handlers  Amazon wurde im März wieder gestreikt.   Wie schon in den Wochen vor Weihnachten sah die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di  auch vor dem   Ostergeschäft  eine gute Gelegenheit, um  den Druck auf den Konzern zu erhöhen. Die  Beschäftigten kämpfen  für einen Tarifvertrag nach den Bestimmungen des Onlinehandels. Amazon orientiert sich bisher am Logistiktarifvertrag, der für die Mitarbeiter_innen mit geringerem Lohn verbunden ist.

Der neue Streikzyklus bei  Amazon begann am 13. März als  sich  Amazon auf der Buchmesse  in Leipzig  als  erfolgreicher Global Player präsentieren wollte. Mit diesem   Streikauftakt  bekam der Arbeitskampf eine  maximale Aufmerksamkeit.  Im Anschluss wurde auch an den  Amazon-Standorten Bad Hersfeld in Osthessen und Graben in Bayern  gestreikt.  Das Amazon-Management reagierte  mit der lapidaren Erklärung, alle Aufträge würden termingerecht erfüllt. Allerdings wird  dabei nicht erwähnt, dass Amazon sowohl vor dem Weihnachts- wie dem Ostergeschäft zusätzliche Beschäftigte eingestellt hat, um  die Streikfolgen aufzufangen. Zudem hat Amazon im letzten Jahr in Polen zwei neue Niederlassungen eröffnet, um den Versandhandel  von dort abzuwickeln, wenn in Deutschland   gestreikt wird.

Während diese Zusammenhänge  in einen  Großteil der Medien  nicht  vermittelt wurden, bieb die Erklärung des Managements, es gäbe keine Behinderungen beim Versandhandel.   So verstärkt sich in der Öffentlichkeit der Eindruck,  Ver.di kann gegen einen global agierenden   Konzern wie Amazon nicht gewinnen. Dass die Bilanz von ver.di  nach den beiden Streikrunden nicht optimal  ist, bestätigte auch  verdi-Sekretärin Mechthild Middeke im Interview mit der  „Zeitung für sozialistische   Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“  express: „Der wirtschaftliche Druck ist da, wenn auch nicht in ausreichender Dimension“.  Einen zentralen Grund  sieht sie in den vielen befristeten Arbeitsverhältnissen. „Nicht alle, doch einige Befristete hatten auch während der vorweihnachtlichen Streiks mitgemacht und die sind nun einfach nicht mehr da.“

Was den Amazon-Streik von anderen Arbeitskämpfen heraushebt, sind kontinuierlich arbeitende außerbetriebliche Solidaritätsgruppen.  Die Initiative dazu ging im letzten Jahr von Studierenden in Leipzig aus. Mittlerweile sind auch in Berlin, Hamburg und Frankfurt/Main örtliche Solidaritätsgruppen entstanden. Es  gab bereits zwei bundesweite Treffen der Amazon-Solidarität.   Beschäftigte und Solidaritätsgruppen trugen   am 18.3.  in Frankfurt/Main ein Transparent mit der Aufschrift „Amazon  Strikers meet Blockupy“ was deutlich macht, dass die Kooperation nicht nur vor dem Werkstoren stattfindet.   Diese Solidaritätsgruppen versuchen auch verschiedene Arbeitskämpfe   zu koordinieren. So beteiligten  sich die streikenden Amazon-Beschäftigten in Leipzig am 30. März an einer Demonstration von Kita-Mitarbeiter_innen, die an diesem Tag ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen sind.  An diesen Tag nahm auch eine Delegation  der  kämpferischen italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas an der Demonstration in Leipzig teil.  Die Gewerkschaft hat in Italien in den letzen Jahren einige Erfolge bei der Organisierung von Beschäftigten  in der Onlinehandels- und Logistikbranche zu verzeichnen.   Der Mailänder SI-Cobas-Gewerkschafter Roberto Luzzi betonte  bei einer Veranstaltung in Berlin die Bedeutung  einer transnationalen Kooperation im Arbeitskampf. Die  Notwendigkeit ergäbe sich schon aus der Tatsache, dass der Versandhandel in kurzer Zeit in ein anderes Land, beispielsweise  von Leipzig nach Poznan,  verlagert werden kann.   Ein solcher schneller Wechsel  ist in dieser Branche auch deshalb so einfach, weil es dort keine Hochöfen oder komplexe Maschinenparks gibt, die nicht so einfach verlegt werden können. Würde damit nicht auch die materielle Grundlage für das Standortdenken bei großen Teilen der Belegschaft wegfallen, das  transnationale Arbeitskämpfe massiv erschwert, diese Frage stellten sich Teilnehmer_innen  Veranstaltung in Berlin. Schließlich hat dieses Standortdenken seine materielle  Grundlage oft in der Überzeugung, dass  der     „eigene“ Betrieb nicht so leicht verlagert werden kann.

Wenn Arbeitskämpfe gegen einen Konzern wie Amazon nicht in einem Land gewonnen werden können, ist ein Agieren  über Ländergrenzen   existentiell. Einige Beispiele wurden in Berlin  genannt.   So streikten kurz vor Weihnachten 2014  Amazon- Beschäftigte in   Frankreich und bezogen sich dabei  auf die Arbeitskämpfe in Deutschland.  Auch im Amazon-Werk in Poznan ist bei der Belegschaft der Unmut über die Arbeitsbedingungen gewachsen.

https://www.akweb.de/

ak analyse und kritik, 604/2015ak Banner

Peter Nowak

Amazonstreik – keine Chancen für die Gewerkschaften?

Streiksolidarität

Peter Nowak zu den Amazonprotesten
„Und, hast du schon alle deine Weihnachtsgeschenke gekauft? Kein Problem, die kannst du ja immer noch bei Amazon bestellen? Internet-Shopping ist Teil unserer aller Alltag geworden – doch nur wenige haben sich je Gedanken darüber gemacht, dass auch hinter diesem Teil der Wirtschaft ArbeiterInnen stehen, die tagtäglich die Pakete packen, Waren zusammensuchen, usw. Sie tun dies unter äußerst prekären Bedingungen: sie verdienen  nur wenig, werden ständig überwacht und haben selten unbefristete Verträge. Für viele von ihnen ist Weihnachten die Zeit, vor der sie sich fürchten müssen, weil ihnen dann gekündigt wird, um einer neuen Riege unbefristeter ArbeiterInnen Platz zu machen. Und dies alles, während Amazon kaum Steuern zahlt, kleine Verlage aus dem Markt drängt und ein de facto Buchmonopol errichtet.“
Von der Gewerkschaft ver.di produzierte Informationsflyer mit dieser   Botschaft wurden im Dezember in den Fußgängerzonen  mehrerer  deutscher Städte häufiger verteilt. Potentiellen KundInnen sollten damit     auf die Forderungen der Beschäftigten bei Amazon aufmerksam gemacht werden.   Damit sollte auch Verständnis geweckt werden, wenn es in den Nachrichten mal wieder heißt, bei Amazon wird gestreikt. Dabei wird oft sofort gefragt, ob jetzt womöglich die Plakate verspätet ankommen. Mit den Infoblättern wird der Fokus wieder auf die Menschen und ihre Arbeits- und Lebensbedingungen gelenkt, die es erst möglich machen, dass die Pakete  pünktlich geliefert werden.
An der Verteilaktion sind nicht nur GewerkschafterInnen beteiligt. Ein Bündnis aus linken Gruppen hat es beispielsweise in Berlin übernommen, auf verschiedenen Weihnachtsmärkten die Flyer zu verteilen und mit den PassantInnen darüber zu reden, wieso Amazon-KundInnen mit den Forderungen der in dem Unternehmen  Beschäftigten solidarisch sein sollen.   Dazu hatte sich ein Streiksoli-Bündnis gegründet.  Während das Solibündnis Flyer verteilt, beteiligen sich die Solidaritätsbündnisse  aus Frankfurt/Main an einer Blockade vor dem Amazon-Standort Bad Hersfeld. Damit soll verhindern werden, dass der Streik unterlaufen wird.
Ein Leuchtturm im Osten
Vorbild ist das Bündnis Streiksoli in Leipzig, das bereits im letzten Jahr   anlässlich der Streiks in den dortigen Amazon-Standort mit den Beschäftigten Kontakt  aufgenommen hatte. Das Bündnis  unterstützt Kundgebungen, verteilte  Flyer an potentielle Amazon-KundInnen und half so mit, in der Gesellschaft für den Streik zu werben. Schnell gab es auch in anderen Städten Interesse an einer Streiksoliarbeit nach dem Leipziger Vorbild. Am letzten Juni-Wochenende 2014     wurden  in Leipzig auf den  ersten bundesweiten Streiksoli-Treffen  die Grundlagen für eine Kooperation gelegt.  Mitte November gab es ein Folgetreffen in Frankfurt/Main, an dem VertreterInnen aus Leipzig und , Hamburg   teilnahmen.
Dort wurden im Detail durchaus Unterschiede erkennbar.Soll lediglich ein bundesweites   Netzwerk der Streiksolidarität aufgebaut werden, wie es vor allem dem  Bündnis Streik-Soli-Leipzig vorschwebte?     Oder soll sich das Bündnis auch ein kurzes Selbstverständnis geben, wie es vor allem die Gruppe Antifa Kritik und Klassenkampf  (AKK) aus Frankfurt/Main vorschlug?  Neben diesen Differenzen in organisatorischen Fragen stehen auch politische Unterschiede, die allerdings nicht so klar ausgesprochen werden.   Soll die Streiksolidarität in engem Bündnis mit DGB-Gewerkschaften kooperieren?  Doch wie soll sie reagieren, wenn die Gewerkschaftsvorstand wie so oft in der Vergangenheit,  einen Arbeitskampf gegen den Willen eines relevanten Teils der Beschäftigten beenden wollen und dabei Zugeständnisse an die  Kapitalseite macht, die von großen Teilen der Basis abgelehnt werden?  Die AKK erklärte in der Diskussion, die Streiksoliarbeit sollte die Selbstorganisierung der Lohnabhängigen    zum Ziel haben, was mit  dem gewerkschaftlichen Agieren übereinstimmen kann aber nicht muss.. Die Debatte wird sicherlich  beim nächten Treffen bundesweiten Treffen, das im Frühjahr 2015 in Bad Hersfeld, einem der Zentren des Amazon-Streiks  stattfinden soll, fortgesetzt werden.
aus express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

http://www.express-afp.info/newsletter.html
Peter Nowak

Rückenwind für die Streikenden

Gewerkschafterin Mechthild Middeke über Solidarität mit den Amazon-Beschäftigten

Mechthild Middeke ist Gewerkschaftssekretärin bei ver.di-Nordhessen. Mit der Streikleiterin bei Amazon sprach Peter Nowak über Solidarität mit den Amazon-Beschäftigten.

nd: Warum hatte ver.di den Amazon-Streik am Sonntag ausgesetzt und dann die Fortsetzung bis zum 24. Dezember beschlossen?
Middecke: Die Fortsetzung des Streiks bis zum 24. Dezember wurde am Freitag beschlossen. Wir haben den Streik am Sonntag nicht ausgesetzt. Das wurde in den Medien teilweise falsch dargestellt. Der Sonntag ist kein regulärer Arbeitstag. Deshalb wurde an diesem Tag auch nicht gestreikt.

Wehrt sich Ihre Gewerkschaft aber nicht auch gegen die Einführung der Sonntagsarbeit bei Amazon?
Ver.di hat am Freitag vor den Verwaltungsgerichten Kassel und Leipzig Klage gegen die vom Regierungspräsidium Kassel und der Landesdirektion Sachsen für die Standorte Bad Hersfeld und Leipzig bewilligte Sonntagsarbeit am 21. Dezember eingereicht. Die eingereichte Klage entfaltet eigentlich umgehend aufschiebende Wirkung. Da die Klagen den zuständigen Behörden allerdings nicht rechtzeitig zugestellt wurden, konnte diese aufschiebende Wirkung nicht in Kraft treten.

Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten, nachdem der Streik bis Weihnachten fortgesetzt wird?
Die letzten Streiktage haben den Beschäftigten Rückenwind gegeben. Besonders erfreut reagiert haben die Beschäftigten, dass am Montag mit Koblenz ein weiterer Amazon-Standort in den Streik getreten ist. Zudem hat die Nachricht, dass auch bei drei Amazon-Standorten in Frankreich seit Montag bis zum 24. Dezember gestreikt wird, die Stimmung unserer Kollegen gehoben.

Geht es bei den Streiks in Frankreich um ähnliche Forderungen wie in Deutschland?
Es geht bei dem Streik in Frankreich um die Verbesserung der Löhne und um die Festanstellung der bisher prekär beschäftigten Arbeitskräfte sowie um die Erhöhung der Pausenzeiten und um einen besseren Gesundheitsschutz. Das sind Themen, die auch die Kollegen bei Amazon in Deutschland beschäftigen.

Wie wurden die verschiedenen Solidaritätsaktionen von außerparlamentarischen Initiativen für den Amazon-Streik in der letzten Woche von den Kollegen aufgenommen?
Wir stehen in Bad Hersfeld schon länger in Kontakt mit einem Kasseler Solidaritätsbündnis. Am letzten Mittwoch besuchte uns die Gewerkschaftsjugend aus Frankfurt am Main. Am Donnerstag waren zudem Mitglieder eines größeren außerparlamentarischen linken Bündnisses vor Ort. Diese Unterstützungsaktionen werden von den Kollegen überwiegend positiv gesehen. Es gab aber auch manche, die vor Instrumentalisierung durch Gruppen von Außen warnen.

Sind Auswirkungen der Streikaktionen auf den Versandhandel feststellbar?
Da die Bestellungen zentral erfolgen und Amazon auch Standorte in Polen hat, können wir die Folgen nicht genau benennen. Was wir aber feststellen, ist, dass Amazon viel Geld ausgibt, um die zeitnahe Erledigung der Aufträge trotz des Streiks zu ermöglichen.

Wird der Streik nach Weihnachten fortgesetzt?
Nein, am 24. Dezember ist definitiv der letzte Streiktag bei Amazon in diesem Jahr. Das ist auch wegen der Zulagen der Beschäftigten notwendig. Wie es mit dem Arbeitskampf weitergeht, werden wir gemeinsam mit den Beschäftigten im nächsten Jahr entscheiden. Davor werden wir ausführlich die aktuellen Streiks auswerten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/956352.rueckenwind-fuer-die-streikenden.html

Interview: Peter Nowak

Dein Streik, mein Streik

Weihnachtszeit, Streikzeit. Doch für einen erfolgreichen Arbeitskampf bedürfen die Beschäftigten der Unterstützung. Wie diese aussehen könnte, wird in der Linken diskutiert.

Der Textildiscounter Kik wird seit Jahren kritisiert, weil er seine Kleidung unter verheerenden Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesh und Indien produzieren lässt. Mitte November wurde bekannt, dass es auch mit den Arbeitsbedingungen in den hiesigen Filialen des Unternehmens keineswegs zum Besten steht. Das derzeitige Geschäftsmodell von Kik basiere auf »Lohndumping und niedrigen Sozialstandards«, kritisierte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie hatte Mitte November zum ersten Streik vor einer Niederlassung des Textildiscounters in Deutschland aufgerufen. Etwa 500 Beschäftigte des Zentrallagers im nordrhein-westfälischen Bönen legten am 17. November von vier bis 24 Uhr die Arbeit nieder. Da von dem Lager alle Kik-Filialen in Deutschland beliefert werden, waren die Folgen schnell spürbar.

Die Gewerkschaft will mit dem Streik die Anerkennung aller Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen für die Beschäftigten in der Logistik von Kik durchsetzen. Nach Angaben von Verdi bekommt ein Lagerarbeiter nach dem nordrhein-westfälischen Einzelhandelstarifvertrag 2 106 Euro brutto Monatslohn. Bei Kik erhält er jedoch nur 1 650 Euro brutto. Sollte die Geschäftsführung weiterhin nicht nachgeben, könnten die Beschäftigten in den nächsten Wochen erneut in den Streik treten. Schließlich ist die Vorweihnachtszeit, in der mehr gekauft wird, besonders gut dafür geeignet, einen Arbeitskampf zu führen, der der anderen Seite wirklich wehtut.

Auch die Beschäftigten einiger Standorte des Versandhandels Amazon könnten bald wieder ihre Streikwesten anziehen. Der Konzern bereite sich schon auf neue Arbeitskämpfe vor, berichteten Beschäftigte in den vergangenen Wochen. Auch in diesen Auseinandersetzungen geht es um die Frage, ob die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des Versand- oder des Einzelhandels bezahlt werden. Letzteres fordern Verdi und viele Beschäftigte. Der Vorstand von Amazon will es hingegen bei der bisherigen Regelung belassen, nach der die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag der Logistikbranche bezahlt werden – und dadurch einen niedrigeren Lohn erhalten.

Sollten sich die Beschäftigten in der Vorweihnachtszeit für den Arbeitskampf entscheiden, können sie an mehreren Standorten mit der Unterstützung linker Gruppen rechnen. Bereits im vergangenen Jahr hat sich in Leipzig das Bündnis »Streiksoli« gegründet, das vor allem von Studierenden getragen wird. »Wir sind alle Amazon« lautete das Motto des Bündnisses, das ein Vorbild auch für andere Städte war. Nach einem ersten bundesweiten Treffen im Frühsommer in Leipzig erörterten Mitte November in Frankfurt am Main etwa 30 Personen, wie eine bestmögliche Unterstützung von Arbeitskämpfen aussehen könnte. Es nahmen auch Beschäftigte von Amazon aus der Filiale im osthessischen Bad Hersfeld teil, die in der jüngsten Zeit zu einem Zentrum des Arbeitskampfs geworden ist. Über die Bedeutung der Streiksolidarität für eine weitere Zusammenarbeit von Studierenden und Beschäftigten schrieben Jana Werner und John Lütten in einem in der Reihe »Standpunkte« der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Text: »Die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen bleibt unvermindert relevant.«

Darin waren sich alle Teilnehmer des Treffens in Frankfurt am Main einig. Im Detail gab es aber durchaus Differenzen. Soll lediglich ein bundesweites Netzwerk der Streiksolidarität aufgebaut werden, wie es vor allem das Bündnis »Streiksoli« favorisiert? Oder soll sich das Bündnis auch ein kurzes Selbstverständnis geben? Hinter den Kontroversen in organisatorischen Fragen stehen auch politische Differenzen. Wie eng sollen Gruppen in der Streiksolidarität mit den DGB-Gewerkschaften kooperieren? Wie sollen sie reagieren, wenn die Gewerkschaftsvorstände, wie so oft in der Vergangenheit, einen Arbeitskampf gegen den Willen einer Mehrheit der Beschäftigten zu beenden versuchen und dabei Zugeständnisse an die Arbeitgeber machen, die von vielen Beschäftigten abgelehnt werden? Solche Konflikte zwischen einer durch den Arbeitskampf politisierten Belegschaft und den Verhandlungsführern der Gewerkschaft sind vor allem nach längeren Arbeitskämpfen häufig zu verzeichnen. Der Frage des Umgangs damit zieht sich durch die Geschichte der jüngeren außerbetrieblichen Streiksolidarität, die sich kaum auf Vorbilder in der Vergangenheit beziehen kann. An die wenigen erinnerte Jan Ole Arps in seinem 2011 im Verlag Assoziation A erschienenen Buch »Frühschicht«.

In den siebziger Jahren waren vor allem die verschiedenen kommunistischen Parteien und linke operaistische Gruppen für die Streiksolidarität verantwortlich. Sie waren allerdings in der Regel darum bemüht, eigene Betriebszellen zu gründen. Das Verhältnis zu den verschiedenen DGB-Führungen war überwiegend sehr angespannt. Gewerkschaftsvorstände verabschiedeten Unvereinbarkeitsbeschlüsse, kämpferische Kollegen waren schnell mit Gewerkschaftsausschlüssen konfrontiert. Vor einigen Wochen dokumentierte der Verlag »Die Buchmacherei« unter dem Titel »Macht und Recht im Betrieb« die exemplarische Auseinandersetzung bei BMW in Berlin zwischen 1984 und 1987. Auch damals fürchteten die Gewerkschaftsvorstände, dass politische Gruppen in den Streik eingreifen und die betrieblichen Auseinandersetzungen politisieren könnten.

Mit dem Niedergang der kommunistischen Parteien und der operaistischen Streiksolidarität schien zeitweilig auch die Politisierung von Streiks der Vergangenheit anzugehören. Doch auch die Gewerkschaften selbst gerieten in den vergangenen Jahrzehnten in die Krise. In vielen Branchen gelang es ihnen kaum noch, Tarifverträge durchzusetzen, weil der Organisationsgrad der Belegschaften zu gering war. Gewerkschaftstheoretiker erkannten, dass ohne gesellschaftliche Unterstützung in vielen Branchen Arbeitskämpfe kaum noch zu gewinnen waren, und suchten nach Bündnispartnern. Dabei trafen sie nicht auf kommunistische Kader, sondern auf außerparlamentarische Linke, die sich wieder verstärkt mit Kämpfen in der Arbeitswelt beschäftigten.

Bereits 2008 wurde der damalige Einzelhandelsstreik in Berlin von eigenständigen Solidaritätsbekundungen linker Gruppen begleitet. Die Initiative ging vom Bündnis »Euro-Mayday« aus, das mehrere Jahre lang am 1. Mai Demonstrationen von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen veranstaltete. Höhepunkt der damaligen Solidaritätsarbeit war die Aktion »Dichtmachen«, bei der im Juni 2008 eine Berliner Supermarktfiliale für mehrere Stunden blockiert wurde. Im Film »Ende der Vertretung« wurde die durchaus nicht konfliktfreie Kooperation der außerparlamentarischen Unterstützer mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi thematisiert. In Nordrhein-Westfalen unterstützten linke Gruppen bereits 2007 monatelang den Streik von Beschäftigten der Catering-Firma Gate Gourmet, der von der DGB-Gewerkschaft NGG und auch Basisgewerkschaften wie den Wobblies geführt wurde. Vielleicht ergibt sich in der Vorweihnachtszeit Gelegenheit zu ähnlichen Solidaritätsbekundungen.

http://jungle-world.com/artikel/2014/48/51003.html

Peter Nowak

IKEA schmeißt Arbeiter raus

Proteste in Norditalien

Piacenza. Im Arbeitskampf der italienischen Logistikarbeiter in Norditalien gab es in den letzten Tagen eine massive Verschärfung. In Piacenza wurden 26 Beschäftigte vom IKEA-Konzern entlassen, zuvor waren Streikposten zusammengeschlagen und verletzt worden. Seit 2011 kämpfen in Italien die meist marantischen Arbeiter der italienischen Logistikbranche für reguläre Arbeitsbedingungen. In mehreren großen Logistikunternehmen ist es den Streikenden gelungen, die Einhaltung der nationalen Standards zu erzwingen und sich gegen Vorarbeiter, Leiharbeitsfirmen sowie massiv auftretende Polizei durchzusetzen. Während die großen Gewerkschaften den Arbeitskampf weitgehend ignorierten, werden die Beschäftigten von Teilen der außerparlamentarischen Linken Italiens und der Basisgewerkschaft S.I. Cobas unterstützt. Nach den Entlassungen soll nun die internationale Unterstützung beginnen. In Berlin-Tempelhof ist für Mittwoch, den 25. Juni um 18 Uhr eine Solidaritätsaktion vor der IKEA-Filiale am Sachsendamm 47 geplant.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/936471.ikea-schmeisst-arbeiter-raus.html

Peter Nowak

Basis blockiert Bosse

In Italien kämpfen die Logistikarbeiter

«Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es dreitausend», erklärt Karim Facchino. Er ist Lagerarbeiter und Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. Eine Delegation italienischer Gewerkschafter aus der Logistikbranche und Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken reiste vorige Woche durch Deutschland. Die Gruppe berichtete bei Veranstaltungen in Esslingen, Köln und Berlin über Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche, die sich schon über vier Jahre hinziehen und hierzulande bisher kaum bekannt sind.

Diese Auseinandersetzungen sind auch der Grund für den rasanten Mitgliederzuwachs der S.I. Cobas, in der sich die Logistikbeschäftigten organisiert haben. «Die Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros sondern auf der Straße und vor der Fabrik», sagt Facchino.

Träger der Auseinandersetzungen beispielsweise waren schlecht bezahlte Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die aus vielen europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben worden waren. Sie sind oft nicht direkt bei den Warenhäusern sondern bei Subunternehmen angestellt. «Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht», so Facchino, der in Marokko geboren wurde.

Die Beschäftigten fordern die Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne. Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert worden sind. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Arbeitern, die von der Polizei blutig geschlagen wurden, sorgten in ganz Italien für Empörung. Dadurch wurde die Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten größer. Die Unterstützergruppen nutzten auch Filme und Videos, um den Kampf der Beschäftigten bekannt zu machen. «Damit bekamen viele Menschen, die bisher wenig von dem Arbeitskampf wussten, eine Ahnung von der Entschlossenheit der Beschäftigten, für ihre Forderungen zu kämpfen und von der Staatsgewalt, der sie ausgesetzt waren, berichte ein Mitglied der Initiative Clash City Workers. Darin haben sich außerparlamentarische Linke organisiert, die die Arbeitskämpfe unterstützen und die Verbindung zwischen den Beschäftigen, linken Gruppen und sozialen Zentren in Italien aufrecht erhalten.

Die Unterstützungsarbeit ist vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit mit Zeitungen, Videos und Filmen gehört ebenso dazu wie die Beteiligung an einer Blockade oder einen Streikposten. Aber auch die Verbindung verschiedener Bewegungen ist den Unterstützern wichtig. So wurde bei einem Streik der Müllarbeiter Kontakt zu ökologischen Gruppen hergestellt, die ein neues Recyclingkonzept entwickelt hatten. Ein Ziel der Rundreise durch Deutschland war für die Delegation auch die bessere Koordination der Arbeitskämpfe. Sie beteiligte sich auch an der Protestaktion vor einer IKEA-Filiale in Berlin.

Denn in den letzten Tagen war der Arbeitskampf des zentralen südeuropäischen IKEA-Logistikzentrums in Piacenza wieder aufgeflammt. Nachdem die Geschäftsführung 70 gewerkschaftliche Aktivisten mit Disziplinarmaßnahmen belegte und 30 Gewerkschafter entließ, blockierten die Beschäftigen mehrere Tage die Zufahrtswege zu dem Werk. Am 9. Mai wurde ein Arbeiter schwer verletzt, als ein Auto in die Blockade raste.

Infos und Filme: de.labournet.tv

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933873.basis-blockiert-bosse.html

Peter Nowak

„Über Ausbeutung geredet“

Seit dem 1. Februar streiken in Dresden-Neustadt drei Kellner der Szenekneipe »Trotzdem«. Wolf Meyer ist einer von ihnen und hat mit der Jungle World gesprochen.

Was ist der Grund eures Streiks?

Die Kneipeninhaberin hat drei gewerkschaftlich in der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union organisierten Kellnern zum 28. Februar gekündigt. Die FAU hat die Chefin zur Rücknahme der Kündigung und zum Abschluss eines Haustarifvertrags aufgerufen. Nachdem keine Reaktion kam, haben wir den Streik begonnen.

Weshalb wurde euch gekündigt?

Die Chefin erklärte, es habe Diebstähle im Warenlager gegeben, die an die Substanz gingen. Da mehr Leute als die drei Gekündigten als mögliche Täter in Frage kommen, sehen wir den Vorwurf als Verleumdung. Mittlerweile hat sie klargestellt, dass zu dem Lager sogar ihre Verwandten Zugang haben.

Steht die Kündigung im Zusammenhang mit eurer gewerkschaftlichen Tätigkeit?

Es ist auffallend, dass nur die drei gewerkschaftlich Organisierten gekündigt wurden, obwohl keinem ein Diebstahl nachgewiesen wurde. Wir haben uns vor einem Jahr in der FAU organisiert und im Mai 2013 eine Gehaltserhöhung von 20 Prozent durchgesetzt. Bei der nächsten Lohnverhandlung für den von uns zunächst angepeilten Mindestlohn von 8,50 Euro sind wir der Inhaberin entgegengekommen und haben vorgeschlagen, die Preise auf die Getränke leicht zu erhöhen und darüber zu informieren, dass damit höhere Löhne für die Beschäftigten bezahlt werden sollen. Die Preiserhöhung hat stattgefunden, die Information über die Lohnerhöhung auf 8,50 Euro nicht mehr.

Wie läuft der Streik ab?

Jeden Tag ab 20 Uhr organisieren wir Streikposten vor der Kneipe. Neben den FAU-Mitgliedern beteiligen sich auch viele Unterstützer.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Die ersten zwei Streiktage hatte die Chefin die Kneipe geschlossen. Danach wurde sie mit Hilfe von Streikbrechern wieder geöffnet. Positiv sehen wir, dass im Dresdner Szenebezirk Neustadt wieder über die Ausbeutung am Arbeitsplatz geredet wird. Schließlich sind die Löhne in vielen Kneipen sehr niedrig. Die Rechte von Arbeitnehmer­innen und Arbeitnehmern werden unterlaufen. Das hat unsere Branchensektion Nahrung und Gastronomie mit einem Lohnspiegel, der auf unserer Homepage (www.libertaeres-netzwerk.org/allgemeines-syndikat/bng) zu finden ist, deutlich gemacht.

http://jungle-world.com/artikel/2014/07/49333.html

Small Talk von Peter Nowak

„Aber nicht so“

ARBEITSRECHT In Dresden hat eine alternative Gastronomin Angestellten gekündigt. Seither wird das „Trotzdem“ bestreikt. Die MitarbeiterInnen sind gewerkschaftlich organisiert

BERLIN taz | „Ich will weiter ins ,Trotzdem‘ gehen – aber nicht so“. Dieser Spruch wird BesucherInnen der Szenekneipe „Trotzdem“ in Dresden-Neustadt seit einigen Tagen entgegengehalten. Manche drehen sich weg, andere ignorieren ihn oder diskutieren mit den Menschen, die sich seit dem 1. Februar jeden Abend ab zwanzig Uhr vor der Kneipe in der Dresdner Alaunstraße versammeln.

Bei den Protestierenden handelt es sich um drei der vier KellnerInnen der Kneipe sowie um deren UnterstützerInnen. Nachdem sie von der Kneipeninhaberin Johanna Kalex gekündigt wurden, sind sie am 1. Februar in den Streik getreten. Verhandlungsangebote über die Rücknahme der Kündigung waren von der Betreiberin unbeantwortet geblieben.

Die KellnerInnen seien fristgemäß gekündigt worden, begründet Johanna Kalex den Rausschmiss, „weil es in der Kneipe seit über einem halben Jahr – aktenkundig – zu fortgesetzten Diebstählen in einem Umfang kam, der für uns wirtschaftlich nicht länger tragbar war“. Man habe versucht, den oder die Täter zu ermitteln. „Wären diese Bemühungen erfolgreich gewesen, hätten wir sehr gern mit den anderen weitergearbeitet“, erklärt sie.

Die Gekündigten sehen darin eine gezielte Verleumdung und behalten sich juristische Schritte vor. Sie sehen die Kündigung im Zusammenhang mit ihrem gewerkschaftlichen Engagement. Die drei Gekündigten hatten sich in der Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU) organisiert, die vor allem in solchen kleinen Betrieben für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen kämpft, die von den DGB-Gewerkschaften ignoriert werden. Dabei hatte ihre FAU-Betriebsgruppe im letzten Jahr Erfolge erzielt. „Wir haben am 1. April 2013 eine Lohnerhöhung von 20 Prozent durchgesetzt“, erklärt Wolf Meier von der Betriebsgruppe der Branchensektion für Nahrung und Gastronomie gegenüber der taz.

Die Beschäftigten hatten den Vorschlag gemacht, die Getränkepreise zu erhöhen und die Gäste darüber zu informieren, dass mit dem Geld die Löhne der KellnerInnen aufgestockt werden. Nachdem die Betriebsgruppe einen Lohnspiegel auf ihre Homepage gestellt hatte, in dem aufgelistet ist, wie niedrig die Löhne von KellnerInnen in Dresdner Szenekneipen sind, sorgte die Arbeit der kleinen Gewerkschaft zunehmend für Aufmerksamkeit. „Die Unterstützung bei dem Streik ist groß: Jeden Abend unterstützten uns AktivistInnen aus linken Gruppen beim Streikposten“, sagt der Gewerkschaftsmann. Zudem habe ein Arbeitskampf mitten im Dresdner Szeneviertel dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen auch in linken Kreisen wieder verstärkt diskutiert werden, zeigt sich Meier zufrieden.

Einen langen Atem werden die Streikenden brauchen. Denn auch Johanna Kalex bekommt Unterstützung. Schließlich ist sie als DDR-Oppositionelle und langjährige Friedensaktivistin über Dresden hinaus bekannt. Anfang der 90er Jahre war sie von Neonazis überfallen worden und ging danach für mehrere Jahre ins Ausland, bevor sie im Jahr 2000 die Kneipe eröffnete.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F02%2F06%2Fa0110&cHash=16b9b047f98c88d868863303ce05072d

Peter Nowak