Was macht die Friedensbewegung, wenn Russland in Syrien mit bombt?

Am kommenden Sonntag geht ein Teil der deutschen Friedensbewegung 100 Jahre zurück in die Geschichte. Sie nehmen das Jubiläum der Zimmerwalder Konferenz, als sich vor 100 Jahren in den kleinen Schweizer Ort die versprengten Reste der europäischen Sozialdemokratie trafen, die den Kurs des Burgfriedens ablehnten, zum Anlass, um über die Probleme der heutigen Friedensbewegung zu sprechen[1].

Seit einigen Tagen ist die Situation für die abermals versprengen Reste der aktuellen Friedensbewegung noch schwerer geworden. Seit Russland genau wie die USA und Frankreich ebenfalls in Syrien Ziele bombardiert, müsste zumindest der Teil der Friedensbewegung in Argumentationsschwierigkeiten geraten, der Putin und seine Politik immer als friedlich darstellte und dagegen die kriegerische USA bzw. den US-Imperialismus stellten.

Ein Paradebeispiel war in diesen Kreisen die diplomatische Initiative Russlands, das syrische Giftgas ohne kriegerischen Einsatz zu beseitigen. So sei in letzter Minute ein schon geplantes Eingreifen der USA und anderer Natostaaten in Syrien verhindert worden, so die Sichtweise der Fraktion in der Friedensbewegung, die vielleicht etwas verkürzt als prorussisch bezeichnet werden können. Es ist tatsächlich schwer, einen Begriff für diese Strömung zu finden, die in Teilen der traditionellen Linken ebenso anzutreffen ist wie in der diffusen Mahnwachenbewegung, aber auch in offen rechten Kreisen.

Rückkehr der Geopolitik

Der Begriff der Putinversteher, der sich für diese Strömung eingebürgert hat, ist schon deshalb untauglich, weil er schon die Tatsache, dass jemand die Interessenlage und Beweggründe eines Landes verstehen will, mit einer negativen Konnotation versieht. Am ehesten könnte diese russlandfreundliche Strömung als Neuauflage einer Geopolitik[2] begreifen, die geografische Gegebenheiten zum Gegenstand der Politik machen will. Da wird zum Beispiel eine Verständigung mit Russland mit der notwendigen Kooperation der europäischen Mächte begründet. Die USA wird als nichteuropäische Macht als potentieller Aggressor betrachtet, der eine Kooperation zwischen der EU und Russland hintreiben könnte.

Auch das Konzept der Eurasischen Union, ein Bündnis zwischen europäischen und asiatischen Ländern, zu denen Russland den Schlüssel bieten soll, ist in geopolitischen Kreisen populär. Das Konzept kommt ursprünglich aus der politischen Rechten. Heute beziehen sich auch Menschen und Initiativen darauf, die sich als links verstehen. Doch mit dem emanzipatorischen Anspruch hat es auch heute nichts zu tun. Es geht um Staaten und ihre Regenten und die überhistorischen geografischen Gegebenheiten, die angeblich die Geschichte bestimmen. Kein Platz ist in einem solchen Geopolitikkonzept für die Bewohner der Länder, ihre Wünsche und ihre Kämpfe.

Es ist kein Zufall, dass anlässlich des Geburtstags von Otto von Bismarck, der sich in diesem Jahr am 1. April zum 200. Mal jährte, viel über vermeintlich löbliche Seiten des erzreaktionären Politikers sinniert wird. Dabei wird besonders betont, dass Bismarck nach zahlreichen, von ihm provozierten Kriegen einen Ausgleich mit Russland suchte, woraus Handlungsmöglichkeiten für den gegenwärtigen Ukraine-Konflikt abgeleitet werden.

Hier wird versucht, eine geopolitische Tradition zu kreieren. Auch heute wird sie hauptsächlich in rechtspopulistischen Kreisen gepflegt. So wird auf einer Konferenz des Magazins Compact der französische Geopolitiker Thierry Meyssan auftreten[3], der erst kürzlich aufrief, IS und Moslembürger gemeinsam mit Putin zu bekämpfen. Meyssan ist mit seiner Veröffentlichung zum 11. September zum Star der Verschwörungstheoretiker geworden. Ihm wird aber auch von seinen Kritikern[4] bescheinigt, dass er lange Zeit in Frankreich als Wissenschaftler der Aufklärung galt. Gerade darin aber dürfte sein Erfolg liegen.

Den Anhängern eines solchen Bündnisses geht es nicht um eine Welt ohne Krieg. Ihnen geht es um ein starkes Deutschland bzw. einer deutschbeherrschten EU-Zone, die sich im Bündnis mit Russland gute Voraussetzungen für den Kampf um Bodenschätze und Wasser erobern soll und dazu natürlich bei Bedarf auch Krieg führen können. Nur sollen es nach den Vorstellungen der Geopolitiker eben Kriege sein, die im deutschen Interesse sind.

Die Intervention Russlands in Syrien hingegen wird dann als weltweiter Beitrag im Kampf gegen den Islamismus interpretiert, wie es der russische Präsident in seiner Rede auf der UN-Vollversammlung[5] kundtat und dazu sogar Verbindungen zur Anti-Hitler-Koalition zog, um auch die Traditionslinke zufrieden zu stellen.

Vom kalten und heißen Krieg

Tatsächlich ist die syrische Intervention für die russische Regierung vor allem eine gute Gelegenheit, um der Welt und auch der Bevölkerung zu signalisieren, wir sind wieder zurück in der Weltpolitik. Russland hat keineswegs vor, nach der Pfeife und unter dem Oberbefehl der USA oder Frankreich zu handeln. Wenn nun der französische Präsident Hollande von Putin fordert, er solle an den westlichen Vorgaben richten und nur die Islamistenfraktion bombardieren, die weltweit als zum Abschuss freigegeben angesehen wird, nämlich den IS, wird damit in Moskau auf wenig Gehör stoßen.

Dort hat man vielmehr deutlich gemacht, dass es Gespräche mit Vertretern westlicher Staaten nur in technischen Fragen geben soll. Man will so vermeiden, dass man sich, wie kurzzeitig im Kosovo passiert, plötzlich bewaffnet gegenübersteht, bzw. dass man gar aufeinander schießt. Man ist also dann wieder auf der Höhe des Kalten Krieges, als es den Verantwortlichen auch darum ging zu verhindern, dass daraus ein heißer Krieg wird.

Aber schon das Vokabular war zynisch. Denn der Krieg fand in den drei Kontinenten statt. Dort starben die Menschen, dort wurden die Städte und Dörfer verwüstet, die Felder vermint und eine unbekannte Zahl von Menschen dem Tod oder der Verelendung ausgeliefert. Heiß wäre der Krieg aber nur nach dieser Definition nur dann geworden, wenn dabei auch in den Zentren, also in den USA, in Russland, Frankreich oder Deutschland, Bomben eingeschlagen hätten und Menschen ums Leben gekommen wären. So wurden die Menschen also sortiert nach Metropolenbewohnern und den anderen.

Wenn nun Russland die Ergebnisse der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg rückgängig machen will und sich nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland als Macht, mit der man rechnen muss, präsentiert, bedeutet das für die große Mehrheit der Weltbevölkerung ein Zurück zu diesen Zuständen. Wer von den russischen Bomben getroffen wird, ist für die meisten Medien hierzulande nicht interessant. Genau so wenig wie die Opfer der anderen Mächte, die mit Bomben und Drohnen dort aktiv sind.

Nur die Initiative Adopt the revolution[6], die weiterhin beharrlich daran erinnert, dass der Aufstand in Syrien damit begann, dass sich Menschen gegen eine autoritäre Herrschaft auflehnten, bevor die völlig legitime Revolte durch Nachbarstaaten militarisiert wurde, macht sich die Mühe, Menschen aus Orten zu Wort kommen[7] zu lassen, die unter russischen Bomben[8] lagen.

Solche Initiativen stehen damit in der Tradition einer Antimilitarismusbewegung, die wie der linke Flügel der Sozialdemokratie vor 1914 die Opfer unter den Menschen aller Länder ebenso in den Mittelpunkt stellte, wie die ökonomischen und politischen Interessen der Kriegsbeteiligten aller Allianzen. Sie kamen gerade nicht auf die Idee, sich dabei auf eine Seite zu stellen. Wenn schon nicht von dem Standpunkt eines linken Antimilitarismus kritisiert[9] der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich das russische Eingreifen in Syrien immerhin als weitere Untergrabung der Autorität der Vereinten Nationen.

Radikale Humanisten und der Krieg

Doch es sind nicht nur prorussische Geopolitiker, die die Bombe zumindest zeitweilig lieben lernen. Auch Philipp Ruch vom Kunstprojekt Zentrum für politische Schönheit[10]hat sich in einem Gespräch[11] mit dem Herausgeber des Freitag Jakob Augstein für eine militärischen Einsatz in Syrien ausgesprochen, natürlich nur zur Verteidigung der Menschen und ihrer Rechte.

Dass dieses Argument nicht nur von der rot-grünen Bundesregierung, sondern auch der Nato schon längst entdeckt wurde, um militärische Interventionen besser vermitteln zu können, scheint dem selbsternannten radikalen Humanisten Ruch entgangen zu sein. Es fällt ihm auch gar nicht auf, wie stark er die Ursachen des Syrienkonflikts vereinfachen muss, um seine Forderung nach einem Militäreinsatz gegen Assad zu legitimieren. Während es für die prorussischen Geopolitiker nur die Islamisten und ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Unterstützer als Kriegstreiber gibt und Assad als legitime Regierung gilt, wird er für Ruch zum Betreiber einer „genozidalen Kriegsführung“ und die Islamisten und ihre Förderer kommen gar nicht vor.

So müssen alle, die sich für Kriege aussprechen, immer zuerst die Realität so zurechtbiegen, damit dann das Feindbild auch stimmt. In der Realität stirbt aber nicht die Wahrheit, wie ein gerne verwendetes Bonmot sagt. Es sind reale Menschen, die sterben – und je mehr Kräfte beim Bomben mitmachen, desto größer wird ihre Zahl.

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.kriegsberichterstattung.com/id/4706/100-Jahre-Zimmerwalder-Konferenz-Imperialismus-heute–Differenzen-verstehen–Spaltungen-ueberwinden/

[2]

http://www.spektrum.de/lexikon/geographie/geopolitik/2976

[3]

http://juergenelsaesser.wordpress.com/2015/09/29/gemeinsam-mit-russland-is-und-muslimbruederschaft-bekaempfen/).

[4]

http://jungle-world.com/artikel/2002/15/24145.html

[5]

http://www.kremlin.ru/events/president/news/50385

[6]

https://www.adoptrevolution.org

[7]

http://www.adoptrevolution.org/fakten-talbiseh/

[8]

https://www.adoptrevolution.org/weitere-angriffe-des-russischen-militaers-interview-mit-aktivisten-aus-kafranbel/

[9]

http://www.stefan-liebich.de/de/article/4541.auch-russland-untergr%C3%A4bt-autorit%C3%A4t-der-uno.html

[10]

http://www.politicalbeauty.de/

[11]

https://digital.freitag.de/#/artikel/die-zugbruecke-geht-schon-wieder-hoch

[12]

http://www.heise.de/tp/ebook/ebook_21.html

Gysi und der Fahrplan zur Mitverantwortung

Der Parteitag der Linken und Machtfragen

Der Kampagnenrat für einen gesetzlichen Mindestlohn von 10. Euro [1] hat sofort reagiert. Wenige Minuten nachdem der Parteitag „Der Linken“ in Bielefeld [2] den entsprechenden Beschluss gefasst hatte, verschickte er eine Pressemitteilung: „Gratulation: DIE LINKE fordert die Steuerfreiheit jedes gesetzlichen Mindestlohns.“ Das Mitglied des Kampagnenrats, Edgar Schu, begründete das Lob:

Das Gemeinwesen, die öffentlichen Aufgaben und auch die Kosten der Erwerbsarbeitslosigkeit müssen von denen bezahlt werden, die sie durch ihre Unternehmenspolitik verursacht und von Entlassungen profitiert haben. Diese Kosten dürfen nicht mehr auf diejenigen abgewälzt werden, die durch Steuerzahlung unter ihr eigenes Existenzminimum gedrückt werden und dann selber Hartz IV beantragen müssen. Das Existenzminimum muss steuerfrei sein. Endlich hat eine erste Partei in Deutschland die erste Weichenstellung hierfür vorgenommen. Das ist ein großer Tag für die Steuergerechtigkeit.

Diese Frage ist für viele Menschen im Niedriglohnsektor existentiell. Doch darüber wird in den meisten Medien nicht berichtet, wenn über den Parteitag der Linken in Bielefeld geschrieben wird. Dabei sollte es dort mal um Inhalte gehen, weil Wahlen und Personalentscheidungen nicht anstanden.

Alleinunterhalter Gregor Gysi dominierte Parteitag

Doch sofort konterkarierte der Mann dieses Konzept, der seit vielen Jahren mit seiner Egomanie die Partei bestimmt. Gregor Gysi hält sich für so unersetzlich, dass er jahrelang einen Parteibeschluss, der eine Quotierung auch an der Fraktionsspitze vorsieht, einfach ignorierte. Dass die Partei mehrheitlich solche Allüren von einem Politiker duldete, der immer betont, aus dem Scheitern des Nominalsozialimus gelernt zu haben, dass autoritäre Führungs- und Herrschaftsmethoden in der Linken bekämpft werden müssen, ist schon ein Armutszeugnis.

Dass aber auch ein Großteil der Medien, die sonst den Linksparteipolitikern nicht die kleinsten Peinlichkeiten auf ihren Facebook-Auftritten durchgehen lässt, das Hohelied auf Gregor Gysi singen, ist natürlich Berechnung. Er ist immerhin ein erklärter Befürworter einer Koalition mit der SPD und den Grünen auch auf Bundesebene und versucht schon mal seine Parteibasis darauf einzustimmen, dass man das eigene Programm dann eben sehr konstruktiv auslegen muss.

Gysis Fahrplan für das Mitregieren

In einem Taz-Interview [3] gab Gysi die Leitlinien vor: „Wir haben nächstes Jahr fünf Landtagswahlen. In Berlin könnten wir wieder in eine Koalition kommen. In Mecklenburg-Vorpommern vielleicht auch, und wenn wir in Sachsen-Anhalt stärker werden als die SPD, haben wir 2016 vielleicht schon zwei Ministerpräsidenten. Dann drängt auch die Gesamtpartei, diesen Weg auf der Bundesebene ebenfalls zu gehen.“ Das ganze läuft unter dem Stichwort „Verantwortung übernehmen“.

Auf die Frage der Taz-Journalisten nach seinen Fahrplan antwortete Gysi:

Eine Partei merkt es, wenn der Stillstand beginnt. Dann werden die Mitglieder unruhig, und es entsteht ein Druck von unten. Deshalb wird der letzte Parteitag vor der Bundestagswahl beschließen, dass wir für eine Regierung zur Verfügung stehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Zusätzlich wird er aber überflüssige rote Linien für Koalitionsverhandlungen ziehen wollen, obwohl das Wahlprogramm reicht. Überflüssig deshalb, weil man seiner eigenen Verhandlungsdelegation trauen sollte.

Nun ist es schon für einen Streiter gegen autoritäre Parteimanieren merkwürdig, dass er sich so sicher ist, was ein künftiger Parteitag beschließen wird. Dass er dann aber selbst die roten Linien, die dort vielleicht noch zur Besänftigung des linken Parteiflügels einbezogen werden, und die im Ernstfall sowieso sehr kreativ ausgelegt werden, für überflüssig erklärte, hätte eigentlich auf dem Parteitag mit einer herben Rüge beantwortet werden müssen.

Doch Gregor Gysi weiß, dass er sich solche Allüren leisten kann. Dass er einen Parteitag, bei dem es um Inhalte und nicht um Personalien gehen soll, seine eigene Personaldebatte aufdrückt, ist nur ein weiterer Affront mehr, der hingenommen wird. Dabei hätte Gysi noch genügend Zeit gefunden zu erklären, dass er im Herbst nicht mehr für den Fraktionssitz kandidieren wird. Dass er gleichzeitig beteuert, die Fraktion nicht indirekt leiten zu wollen, ist unerheblich.

Für einen Großteil der Medienöffentlichkeit wird er weiterhin als wichtige Stimme des vernünftigen, weil koalitionsbereiten Teils der Linkspartei gelten. Er wird interviewt werden und wer wird sich dem kaum verweigern.

Schließlich haben vor ca. 30 Jahren auch bei den Grünen Politiker wie Joseph Fischer, die damals längst nicht so bekannt waren, die Parteilinke um Thomas Ebermann oder Jutta Ditfurth erfolgreich zu Hoffnungsträgern hochgeschrieben. Am Ende waren die Linken draußen und Fischer Außenminister.

Ein solcher Prozess funktioniert natürlich nur, wenn es in der Partei relevante Strömungen und Flügel gibt, die Verantwortung für eine Regierung übernehmen wollen. Die gab es bei den Grünen und die gibt es auch in der Linkspartei. Ob Gysi selber noch ein Ministeramt übernimmt, ist offen. Schließlich hat er es als Berliner Wirtschaftssenator nicht lange ausgehalten und ein Außenministerposten dürfte für ihn kaum erreichbar sein.

Wie schnell eine Partei, wenn sie irgendwo mitverwaltet, mit ihren hehren Grundsätzen in Widerspruch gerät, zeigte sich in diesen Tagen in der Kommunalpolitik. Während die Linke den Kitastreik mit warmen Worten unterstützte, beschwerten [4] sich Erzieherinnen und Gewerkschafter über einige Bürgermeister der Linkspartei, die nicht einmal mit den Streikenden reden wollten. Solche Probleme potenzieren sich, wenn die Linke noch mehr Posten in Bundesländern und am Ende gar in der Bundesregierung besetzen sollte.

Dass diese Problematik den Delegierten der Linkspartei bewusst ist, zeigte sich in Beiträgen des Vorstandsduos Katja Kipping und Bernd Riexinger. Die Linke ist nach den Worten Riexingers nicht bereit, für ein Bündnis mit SPD und Grünen ihre „Haltelinien“ aufzugeben.

„Kein Sozialabbau, keine Tarifflucht und keine Kampfeinsätze sind selbstverständliche Teile linker Politik“, rief Riexinger unter dem Beifall der Delegierten. Ko-Parteichefin Katja Kipping hatte bereits am Samstag vor den Delegierten gesagt, es werde kein Ja zu Kriegseinsätzen oder Sozialkürzungen geben. Allerdings erklärte sie auch kryptisch: „Wir wollen die Machtfrage stellen, aber wir wollen sie wirklich stellen.“

Dass sie der Illusion erliegt, ein Mitregieren bedeute auch an der Macht sein, ist nicht unwahrscheinlich.

Ausführlich wurde auf dem Parteitag über das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert, das parteiintern stark umstritten ist. Der Gewerkschaftsflügel fürchtet, dass damit der Sozialstaat noch mehr abgebaut werden soll.

Dass es aber unterschiedliche Grundeinkommensmodelle gibt und dass man sich auf die Formel einigen könnte, mit Lohnarbeit soll man leben können – ohne aber auch – , zeigt, dass es möglich ist, sich mit kontroversen Fragen zu beschäftigten und auch zu Ergebnissen zu kommen, wenn man sich nicht das Damoklesschwert des Mitregierenwollens selber über seinen Köpfen aufhängt.

Ersetzt das Duo Wagenknecht-Bartsch Gysi?

Nun muss sich zeigen, wer an Gysis Stelle den Fraktionsvorsitz übernimmt. Der Realo Dietmar Bartsch hat schon seine Kandidatur angekündigt. Er wäre aber parteiintern nur durchzusetzen, wenn eine Frau vom anderen Parteiflügel mit ihm kandidiert.

Lange Zeit schien alles auf das Duo Wagenknecht-Bartsch hinauszulaufen. Zwischenzeitlich hatte Wagenknecht schon mal erklärt, dass sie dafür nicht zur Verfügung steht. Diese Aussage scheint aber durchaus nicht in Stein gemeißelt [5].

Bliebe Wagenknecht bei ihren Nein würden der Partei wohl auch wieder Flügelkämpfe drohen. Wie fragil der innerparteiliche Frieden ist, zeigte sich bei einem Antrag, mit dem einige in der Linkspartei Weltpolitik machen und gleichzeitig parteiinterne Signale setzen wollten.

Überschrieben ist der Antrag mit „Frieden statt Nato- Für eine Weltfriedenskonferenz“ [6]. Damit soll der letzte sowjetische Präsident Gorbatschow für eine Konferenz zur Ukraine gewonnen werden. Es ist schon erstaunlich, dass sich alle auf Gorbatschow einigen konnten, dem manche Traditionalisten das Ende der Sowjetunion persönlich übel nehmen.

Doch für Streit sorgte eine Passage in dem Antrag, in der eine Mitgliedschaft in der Atlantikbrücke [7] für unvereinbar mit einem Mandat der Linkspartei erklärt wurde. Das zielte [8] auf den Realpolitiker Stefan Liebich, der bisher das einzige Linksparteimitglied in dieser Organisation [9] ist. Gysi erklärte, er persönlich habe ihn dazu geraten.

Schließlich wurde der Antrag gegen den Widerstand [10] der Kommunistischen Plattform als Tagungsmaterial behandelt, über den nicht abgestimmt wurde. So wurde ein Angriff auf den Fahrplan zur Mitverwaltung abgewendet.

http://www.heise.de/tp/news/Gysi-und-der-Fahrplan-zur-Mitverantwortung-2681122.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.mindestlohn-10-euro.de/

[2]

http://www.dielinke-bielefeld.de/

[3]

http://www.taz.de/!5201637/

[4]

http://www.neues-deutschland.de/artikel/973192.hoch-die-paedagogische-solidaritaet.html

[5]

http://dietmar-bartsch.de/doppelspitze-bartschwagenknecht-moeglich

[6]

http://www.weltfriedenskonferenz.org/

[7]

http://www.atlantik-bruecke.org/

[8]

http://www.berliner-zeitung.de/politik/atlantik-bruecke-linker-fluegel-will-stefan-liebich-aus-der-partei-draengen,10808018,30652810.html

[9]

http://www.stefan-liebich.de/de/topic/131.mitgliedschaften.html

[10]http://www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform-der-partei-die-linke/dokumente/4-tagung-der-17-bundeskonferenz/1736-menschen-unterstuetzen-offenen-brief-an-michail-s-gorbatschow

Schwaben im Zeichen des Krieges

Aktivisten protestieren gegen Königsbronner Treffen

Auch in diesem Jahr hat die Friedensbewegung gegen die Königsbronner Gespräche protestiert. In der Kritik steht auch ein Politiker der LINKEN.

»Für den Frieden und die internationale Solidarität – Gegen die Königsbronner Gespräche!« lautete das Motto einer Demonstration, zu der antimilitaristische Gruppen am vergangenen Samstag in die schwäbische Gemeinde Königsbronn mobilisierten. Der Grund war die vierte Auflage eines Treffens von Militär, Politik und Wirtschaft, das von dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU) initiiert wird. Zu den einladenden Organisationen gehören der Deutsche Reservistenverband, das Bildungswerk des Bundeswehrverbandes und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, wie sich Deutschland mit seiner »gewachsenen Verantwortung« an der »Befriedung von Konfliktherden weltweit« beteiligen kann.

Für Marcel Kallwass vom Protestbündnis sind die Gespräche ein militaristisches Treffen, das mit der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz vergleichbar ist. Auch personell gibt es Überschneidungen. So organisierte der langjährige Verantwortliche der Sicherheitskonferenz, Günther Ischinger, in diesem Jahr das Treffen in Königsbronn. Kritik äußerten die Antimilitaristen an der Teilnahme des linken Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich an der Podiumsdiskussion zum Abschluss der Runde. Dort plädierte Liebich für eine Außenpolitik, die keinen Militäreinsatz mehr nötig mache.

Die Heilbronnerin Kerstin Schmidtke findet das nicht überzeugend: »Mit ihrer Teilnahme legitimieren linke Politiker diese Treffen.« Liebich hätte seine Meinung nicht beim Reservistenverband, sondern bei den Friedensgesprächen vortragen sollen, so Schmidtke. Das Treffen hatte das Bündnis organisiert; es fand bereits am 12. März im Köngisbronner Gemeindehaus statt. Neben dem Friedensaktivisten Tobias Pflüger beteiligten sich ebenfalls DGB-Vertreter an der Diskussion, wie Konflikte ohne Kriege gelöst und wie das Geld, das für die Rüstung und die Kriegsvorbereitungen ausgegeben wird, sinnvoller genutzt werden könne.

Peter Nowak