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Mehr Prämien, mehr Streikgeld, mehr Rücksendungen?
Im Amazon-Tarifstreit ist das Weihnachtsgeschäft ein wichtiges Schlachtfeld – nun ruft ein Solidaritätskreis zum »Konsumentenstreik« auf
»Ver.di will Amazon das Weihnachtsgeschäft verderben«, titelte das Handelsblatt am 30. November. Das mag die Strategie der Gewerkschaft durchaus treffen. Nun, da die jährliche Verkaufssaison so richtig in Fahrt zu geraten beginnt, häufen sich auch wieder die Ausstände in der Dauerauseinandersetzung um die Einführung Tarifverträge bei dem Giganten des Onlinehandels.
Bestreikt wurden jüngst wieder die Versandzentren Koblenz, Leipzig, Bad Hersfeld in Hessen, Graben in Bayern, Rheinberg und Werne in Nordrhein-Westfalen sowie der DVD-Verleiher und Video-Streaming-Dienstes Amazon Prime Instant Video Germany GmbH im schleswig-holsteinischen Elmshorn. Im polnischen Wroclaw gab es eine Kundgebung und eine Pressekonferenz gegen schlechte Arbeitsbedingungen bei Amazon in Polen und aus Solidarität mit den Arbeitsniederlegungen in Deutschland. Die Aktionen sollen fortgesetzt werden.
Nun tragen Konzern und Gewerkschaft den Kampf um das Weihnachtsgeschäft auf monetärer Ebene aus. In den nächsten beiden Kalenderwochen zahle Amazon ein Antrittsgeld von je 100 Euro, um Arbeitende bei Laune zu halten, so die »Sächsische Zeitung« am Donnerstag unter Berufung auf ver.di. Gewerkschaftsfachsekretär Thomas Schneider kündigte an, die Gewerkschaft wolle ihrerseits »beim Streikgeld nachlegen«.
Zudem bestätigte die Deutschlandzentrale von Amazon in München dem Blatt, man werde in den Logistikzentren einen »Bonus in der Weihnachtszeit« anbieten. Für jede voll gearbeitete Schicht soll es »eine Prämie von zehn bis 20 Euro« geben. Hintergrund dürfte sein, dass sich die Gewerkschaft zunehmend darauf verlegt, mit Ausständen inmitten laufender Schichten zu beginnen, damit sich die Arbeitgeber schlechter auf die Streiks einstellen können.
Wird das Amazon-Management sein Versprechen, Kunden pünktlich zu beliefern, halten können? Ein bundesweites Seminar der Amazon-Streiksolidarität am vergangenen Wochenende in Bad Hersfeld rief nun die Konsumenten dazu auf, sich mit kreativen Methoden am Arbeitskampf zu beteiligen.
Funktionieren soll der »Konsumentenstreik« folgendermaßen: Zunächst wird bei Amazon Ware für mindestens 40 Euro bestellt. Anschließend sollen die kritischen Kunden von der großzügigen Umtauschregelung bei Amazon Gebrauch machen: Ware kann innerhalb zweier Wochen nach Empfang auf Firmenkosten zurückgeschickt werden. Auf das Retourpaket sollen Grußbotschaften oder Aufkleber angebracht werden, die sich mit den Streiks solidarisieren. Zudem ruft das Solibündnis dazu auf, Fotos von solchen Rücksendungen einzuschicken, die dann von der Soliaktion auf Facebook veröffentlicht werden sollen.
Die Initiative, die streikenden Amazon-Beschäftigten helfen, bei DHL-Beschäftigten freilich auf weniger Begeisterung treffen dürfte, geht von einem Leipziger Solidaritätskreis aus. Seit gut drei Jahren unterstützt die mehrheitlich studentische Gruppe den Streik. »Hier geht es um mehr als einen innerbetrieblichen Arbeitskampf. Es handelt sich um eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten und leben wollen«, sagt ein Mitglied der Gruppe zu »nd«. Es habe sich ein enger Kontakt zwischen Aktiven und Solikreis ergeben.
Die Initiatoren betonen, die Soliaktion sei kein Boykottaufruf: »Beschäftigte haben uns gesagt, wenn das Wort Boykott auftaucht, würden sich viele Beschäftigte persönlich angegriffen fühlen. Damit könnte das Management von Amazon einen Teil der Belegschaft gegen die Streikenden aufhetzen,« erklärt ein Mitglied des Leipziger Unterstützerkreises. Eine kritische Konsumentenaktion hingegen könnte ein Signal sein, dass die Forderungen nach einem Tarifvertrag beim Onlinehändler gesellschaftliche Unterstützung findet.
Bereits während jüngerer Arbeitskämpfe im Einzelhandel hatten sich kritische Kunden mit Streikenden solidarisiert. So wurde etwa im Juni 2008 für mehrere Stunden ein Discountmarkt in Berlin blockiert. Und als 2012 die schlechten Arbeitsbedingungen beim Internetschuhversand Zalando bekannt wurden, schnellten dort ebenfalls die Retoursendungen in die Höhe. In manchen Paketen lagen solidarische Grüße.
Zalando ist direkter Nachbar von Amazon im brandenburgischen Brieselang. Seit einiger Zeit versucht die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, auch hier in beiden Unternehmen mehr Mitglieder zu gewinnen.
Peter Nowak
Aktivisten kritisieren Justiz als parteiisch
MIETER-PROTESTE GEGEN RICHTERINNEN-VORTRAG
„Zwangsräumung beginnt hier“ steht auf dem Transparent, mit dem rund 20 MieteraktivistInnen am Mittwochnachmittag an aufgeregten Angestellten vorbei das Hotel Esplanade betraten. In einem Konferenzraum veranstaltet der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V. (BfW) am Mittwochnachmittag ein Seminar zum neuen Mietrecht, auf dem „praktische Hinweise für die tägliche Arbeit“ vermittelt werden sollen.
Hauptreferentin ist die Vorsitzende Richterin des Landgerichts, Regine Paschke. Gerade als sie den neuen Kündigungsgrund „Mietverzug der Kaution“ erläutert, unterbrechen die BesucherInnen von der Berliner Kampagne gegen Zwangsräumungen das Seminar. Eine Sprecherin erklärt, dass in dem Seminar vermittelt werden soll, wie Kündigungen möglichst problemlos ablaufen sollen. Das neue Mietrecht sei eine Waffe in den Händen der Hausbesitzer gegen Millionen MieterInnen.
Prozess um Calvinstraße
Auch gegenüber der taz äußert Bündnis-Aktivistin Sarah Walter später Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz. So sei Richterin Paschke in den letzten Jahren mehrmals bei Seminaren der BfW und als Autorin der Zeitschrift Grundeigentum hervorgetreten. Für Walter ist es deshalb nur folgerichtig, dass Paschke in Mietrechtsprozessen eigentümerInnenfreundliche Urteile gefällt habe. So habe sie in einem Prozess von MieterInnen der Calvinstraße 21 Mietminderungen während der Sanierungsarbeiten für unzulässig erklärt. Selbst eine Mieterin, deren Fenster durch einen ungenehmigten Anbau verdeckt wurde, sei kein Recht auf Mietminderung zugestanden worden. Die Richterin wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F05%2F31%2Fa0133&cHash=14d44b7b200fe2464f93517f20aea6eb
Peter Nowak