Handlungskompetenz statt Rendite

 Zoff im DGB um die Schließung zweier Bildungszentren

Die DGB-Bildungszentren in Hamburg-Sasel und Starnberg schließen endgültig. 41 Stellen sollen wegfallen, der Betriebsrat ist sauer – der DGB-Vorsitzende »nicht zuständig«.

 Der Sensenmann trägt Brille und hat ein DGB-Symbol auf seinem schwarzen Umhang. Er ziert eine Todesanzeige des Förderkreises Sasel e.V., in der es heißt: »Der DGB schließt die Bildungszentren Sasel und Starnberg«. Schon als die Pläne zur Aufgabe dieser beiden Bildungsstätten bekannt wurden, regte sich schnell in sämtlichen Gewerkschaften Widerspruch. Innerhalb weniger Wochen unterschrieben mehr als 4000 Gewerkschafter eine Erklärung für den Erhalt dieser Einrichtungen.

Nachdem der Interessenausgleich zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsführung des DGB Bildungswerks am 17. Juni in Berlin endgültig scheiterte, ist die Enttäuschung bei Hans Mielke vom Förderkreis Sasel groß. »Eineinhalb Jahre habe ich mich für den Erhalt des Bildungswerkes eingesetzt. Jetzt stehe ich vor einer schwarzen Mauer«, erklärt er gegenüber ND. Im Dezember hatte Mielke noch in einen offenen Brief an den DGB-Bundesvorstand und die Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften appelliert, die Bildungswerke zu erhalten. »Dabei war die Schließung dort schon längst beschlossene Sache«, resümiert Mielke bitter.

»Der DGB Bundesvorstand in Person von Michael Sommer hat sich auf alle Schreiben, die wir geschickt haben, immer mit der Erklärung aus der Affäre gezogen, er sei nicht zuständig«, erklärt die Gesamtbetriebsrätin des Bildungswerks Ingrid Gohr-Anders. Sie bestätigt, dass die Betriebsräte in Sasel und Starnberg in der letzten Woche zu Anhörungen zu Kündigungen geladen wurden, denen sie widersprochen hatten. 41 Stellen im Servicebereich sollen wegfallen. Doch den Kritikern des Schließungsbeschlusses geht es auch um den Erhalt eines Stücks Arbeiterkultur. »Das Ziel gewerkschaftlicher Bildung ist nicht die Erwirtschaftung von Renditen, sondern die Vermittlung von Handlungskompetenz«, schreibt Gohr-Anders in der Gewerkschaftszeitung »Mitbestimmung«. Sie ist überzeugt, dass der »Lernort gewerkschaftliche Bildungseinrichtung« nicht durch Hotels ersetzt werden könne. Die Bildungsarbeit solle in den eigenen Häusern fortgesetzt werden, statt mit ihrer Zerschlagung Entwicklungspotenziale des Bildungswerks zu gefährden.

Den Einwand kann der Sprecher des Bildungswerkes Thomas Schulz nicht nachvollziehen. »Am Standort Hamburg wird das Bildungswerk aus einem gepachteten Haus am Stadtrand Hamburg-Sasel in das zentral gelegene DGB-Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof umziehen«, sagt er. Allerdings gibt es noch keinen Termin. Schulz betont, dass ein Erhalt der beiden Häuser angesichts der veränderten Nachfrage im Bildungsbereich und fälligen Millioneninvestitionen für das Bildungswerk schwer tragbar gewesen wäre. Im Gespräch mit ND bedauert er die Blockadehaltung des Betriebsrates. Für ihn als alten, erfahrenen Gewerkschafter sei es unbegreiflich, wie der Betriebsrat sich genau jenen gesetzlichen Möglichkeiten verweigere, für sich die Gewerkschaften jahrzehntelang eingesetzt haben, um betriebliche Veränderungen möglichst so zu gestalten, dass niemand in die Arbeitslosigkeit entlassen werden muss. Andere Gewerkschafter weisen darauf hin, dass das Ziel vieler Arbeitskämpfe die Verhinderung und nicht die sozialverträgliche Umsetzung von Kündigungen war und ist. Daran wolle man auch festhalten, wenn der Kontrahent der DGB ist.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201034.handlungskompetenz-statt-rendite.html

Peter Nowak