Ein Diktator des Westens zu Besuch in Berlin
Fast hätte der ägyptische Präsident mit seinen Besuch ein für Westberlin historisches Datum gestreift. Am 2. Juni 1967 sorgte der Besuch des persischen Schahs für Proteste und wurde zum Katalysator einer neuenLinken, die es allerdings auch ohne diesen besonderen Anlass gegeben hätte.
48 Jahre später dürfte der Besuch von Abdel Fattah al Sisi sicher keine neue linke Protestbewegung in Deutschland auslösen. Trotzdem gibt es inhaltich viele Parallelen zwischen den beiden Potentaten. Sie haben demokratisch gewählte, aber dem sogenannten Westen unliebsame Präsidenten gestürzt und dann einterroristisches System errichtet. Beim Schah war es der bürgerliche Präsident Mossadegh, der die Ölrente für die eigene Bourgeoisie nutzen wollte und sich zur Durchsetzung seiner Interessen auch der damals nicht einflusslosen Kommunistischen Partei des Irans bediente. Das aber war in Zeiten des Kalten Krieges für ihn zumindest politisch tödlich. Der Schah bot sich für den Westen als Statthalter ihrer Interessen an.
In Ägypten war der islamische Präsident Mursi mit großer Mehrheit gewählt worden. Er ging auch gleich dran, die Relikte der Mubarak-Ära zu beseitigen. Doch seine islamistische Agenda schreckte auch viele der Oppositionellen gegen Mubarak ab. Als er im Januar 2013 Berlin besuchte, stand vor allem seine regressive Israelkritik [1], aber auch die angebliche Christenverfolgung in Ägypten im Fokus der Kritik.
Sämtliche Fraktionen der Opposition vereint im Gefängnis
Mittlerweile sind sowohl die islamistisch-konservativen Moslembrüder als auch die säkulare Opposition gegen Islamisten und Mubarak vereint in den Gefängnissen. Todesurteile werden in Serie verhängt, oppositionelle Zeitungen, Gewerkschaften und überhaupt zivilgesellschaftliche Institutionen sind heute mehr geknebelt als zuZeiten des Mubarak-Regimes.
Für diesen Zustand sind auch die katastrophalen taktischen Fehler der säkularen Opposition verantwortlich, die in der Ära Mubarak teilweise eine Machtübernahme durch das Militär als das kleinere Übel sahen und sogar offen für einen Putsch mobilisierten. Dabei hätten sie doch die Herrschaft des politisch schwachen islamistischen Präsidenten nutzen könnten, um linke und zivilgesellschaftliche Kräfte zu stärken und so eine Alternative zu Militärdiktatur und Islam zu entwickeln.
In dieser politischen Orientierung eines Teil des liberalen Spektrums, eine Militärdiktatur als das kleinere Übel gegenüber einen schwachenislamistischen Präsidenten anzusehen, kommt auch ein Klassendünkel zum Vorschein. Mursi hatte seine Anhänger vor allem unter der armen Bevölkerung der ländlichen Region und der Kairoer Vorstädte. Doch von dort witterten viele Liberale eine große Gefahr.
In den auch in der Taz veröffentlichten Kolumnen der ägyptischen Religionswissenschaftlerin Sarah Eltantawi [2] kann die Position der zumindest temporären liberalen Diktaturbefürworter [3] gut verfolgt werden. Mag Al Sisi auch ein Diktator sein, so ist er doch für die wohlhabenden ägyptischen Kreise ein Bollwerk gegen die Wut der Armen.
Diktator des Westens
So wird der Diktatur auch vom sogenannten Westen gesehen. Er mag ein Diktator sein, aber er ist auf der Seite des Westens. Diese Haltung war im Kalten Krieg weit verbreitet, ist aber in der letzten Zeit stärker in die Kritik geraten. Das zeigt sich bei der Diskussion um den Al Sisi-Besuch.
Parlamentspräsident Lammert hat ihn nicht getroffen, was ihn auch nicht gestört haben dürfte. Die entscheidenden Verträge werden schließlich mit der Kanzlerin und dem Außenminister abgeschlossen. Zudem läuft die Kooperation zwischen Deutschland und Ägypten bei der Polizeiausbildung [4] auch ohne Staatsbesuche seit langem reibungslos. Dass sich daran nichts ändert wird, ist klar. Ägypten sei als Staat viel zu wichtig, als dass man Todesurteile am Fließband zur Grundlage der Kooperation machen könnte. Dieses Statement aus der Regierung in Berlin ist wenigstens ehrlich.
http://www.heise.de/tp/news/Ist-Al-Sisi-der-Schah-2015-2678765.html
Peter Nowak
Links:
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