Neue Proteste in der Rigaer Straße

Bei einer Kundgebung fordern 150 AnwohnerInnen die Aufhebung der Vollsperrung und mehr Beteiligung

„Zutritt verboten“ steht auf dem Holzzaun, der seit dem 1. August die Rigaer Straße im Friedrichshainer Nordkiez teilt. Damit soll die Baustelle der CG-Gruppe und der KW-Development geschützt werden, die zwischen Samariter- und Vogtstraße Wohnungen und Gewerbeflächen neu entstehen lassen wollen (taz berichtete). Doch die Pro- teste halten an: Vor der Absperrung hatten sich am Samstagnachmittag rund 150 Menschen zu einer mehrstündigen Kundgebung versammelt.
Die Pläne zur Neubebauung, vor allem auch der Abriss historischer Gewerbegebäude, sorgen schon seit geraumer Zeit für Unmut in der Straße, die für ihre Wehrhaftigkeit in Sachen Gentrifizie- rung bekannt geworden ist. Die für anderthalb Jahre geplante Vollsperrung der Straße goss zu- sätzlich Öl ins Feuer. In der Vergangenheit wa- ren bereits Baustellen in der Straße angegriffen, vor Jahren auch ein Rohbau in Brand gesetzt wor- den. Vor einem Monat kündigte der Bezirk nun an, die Absperrung wegen geringer Bautätigkeiten zu-mindest für FußgängerInnen wieder aufheben zu wollen. Dazu kam es bislang nicht.
Ilona Weber von der Aktionsgruppe Rigaer Straße 71, die den Protest organisierte, benannte in ihrem Redebeitrag neben der Straßensperrung gleich mehrere „Aufreger“, die die AnwohnerInnen umtreiben: die mangelnde BürgerInnenbeteiligung bei der Planung der Neubauten, die Angst vor steigenden Mieten und Vertreibung ein- kommensarmer MieterInnen. Aber auch die fortdauernden Polizeikontrollen vor allem rund um das linke Hausprojekt Rigaer Straße 94 wurden in einem Redebeitrag kritisiert. Es habe sich durch den Wechsel von Innensenator Henkel (CDU) zu Geisel (SPD) nur wenig verändert. In den letzten Wochen würde die Polizei vor allem bei Veranstaltungen und Konzerten in der Rigaer Straße 94 BesucherInnen massiv kontrollieren.
In Sachen Straßensperrung beklagten meh- rere Gewerbetreibende in den letzten Wochen Einkommensverluste. Eine Nachbarin hat eine Unterschriftenliste an die kürzlich in den Bundestag gewählte Direktkandidatin von Friedrichshain-Kreuzberg Canan Bayram (Grüne) verfasst, in der sie sie aufforderte, sich für einen Fußgän- gerdurchgang einzusetzen. Andere RednerInnen forderten einen sofortigen Baustopp und Beteiligung der AnwohnerInnen an den Planungen.
Beendet wurde die Kundgebung um 19 Uhr mit einer 10-minütigen Schepperaktion. „Wir scheppern seit Mitte Januar fast täglich, aber so viele wie heute waren wir selten“, erklärte Anwohnerin Ilona Weber am Ende zufrieden.

aus Taz vom 23.10.2017

Peter Nowak

Baustopp statt Kungelrunden


Im Friedrichshainer wollen sich Anwohner/innen nicht vom Bezirk eingeleiteten Dialog-Prozess beteiligen, sondern setzen weiter auf Widerstand gegen Nobelprojekte.

„Zutritt verboten“ heißt es auf dem Holzzaun. Das wäre nichts Ungewöhnliches, wenn damit nur eine Baustelle abgesperrt würde. Doch der Bauzaun trennt die gesamte Rigaer Straße. Seit 1.August 2017 müssen Anwohner/innen einen Umweg nehmen, wenn sie zum Bäcker oder zum Späti gehen. Seit mehr als zwei Monaten ist die 1 Kilometer lange Straße in der Höhe der Rigaer Straße 71 – 73 durch die Bauzäune getrennt (MieterEcho-Online berichtete). Damit sollen zwei Nobelbauten geschützt werden, die von der CG-Gruppe und der KW-Development auf beiden Seiten der Rigaer Straße errichten wollen. Doch auf dem Gelände, auf dem die CG-Gruppe das sogenannte Carree Sama-Riga errichten will, ruhen die Bauarbeiten seit Monaten. Über die Gründe hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen.

CG-Gruppe will an die Börse gehen
Sind es finanzielle Probleme der CG-Gruppe, die gemeinsam mit der Gewerbe-AG Consul Commercial mit Sitz in Leipzig an die Börse gehen will? „Man wolle einen integrierten Immobilienkonzern schaffen, der sich über den Kapitalmarkt zusätzliche Finanzierungsquellen für neue Projekte erschließt. Es wäre der erste gewerbliche Projektentwickler mit Börsenpräsenz in Deutschland“, schreibt die Immobilienzeitung. Den Verantwortlichen passen kritische Presseartikel gar nicht, weil die Börse darauf sehr sensibel reagiert. Doch kritische Berichte über das Agieren der CG-Gruppe gab es in den letzten Monaten viele. Dazu trug auch der Arbeitskreis Rigaer Straße 71-73 bei, in dem sich Anwohner/innen des Friedrichshainer Nordkiezes gegen den Nobelbau wehren. Am kommenden Samstag wollen die Mieter/innen ihre Forderung nach einem Baustopp mit der Kundgebung und einem Konzert bekräftigen. Los geht es am 21.10. um 16 Uhr am Bauzaun der Rigaer Straße 71 – 73 mit Beiträgen von Mieter/innen und Gewerbetreibenden, die über höhere Mieten und Kundenrückgänge durch die Baustelle und die Straßensperrung berichten werden. Eingeladen sind auch Mieter/inneninitiativen aus anderen Stadtteilen. Schließlich lautet das Motto der Kundgebung „Gegen die Verdrängung im Friedrichshainer Nordkiez und Anderswo“. Die Kundgebung wird auch von dem linken Hausprojekt Rigaer Straße 94 unterstützt. Dort wird bereits am 20. Oktober um 19 Uhr darüber diskutiert, wie sich die AnwohnerInnen über die Fortdauer der Polizeikontrollen und – schikanen in der Rigaer Straße wehren sollen. Die gehen auch nach dem Wechsel des Berliner Innensenats von Henkel (CDU) zu Geisel (SPD) weiter. Teilweise stehen abends bis zu 10 Polizeiwannen in der unmittelbaren Nähe der linken Hausprojekte. Passant/innen werden willkürlich kontrolliert. Wenn es in der Rigaer Straße 94 Veranstaltungen gibt, baut die Polizei regelrechte Kontrollstellen auf. Davon waren auch die Aktivist/innen der Anwohner/inneninitiative Rigaer Straße 71-73 betroffen, deren Treffen von der Polizei mehrmals durch Kontrollen und Einkesselung massiv behindert wurden. Anfang November verletzte sich eine Aktivistin, als ihr die Polizei bei einer Kontrolle in den Fahrradlenker griff, dass sie stürzte und zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. „Sowohl die Polizeikontrollen als auch die Straßensperre sollen den Friedrichshainer Nordkiez fit für die Gentrifizierung machen“, erklärt Ilona Weber von der Aktionsgruppe Rigaer Straße 71-73 gegenüber MieterEcho online.

Sozialpädagogische Beforschung wird abgelehnt
Die Kundgebung ist auch eine indirekte Antwort auf dem von dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg angekündigten Dialogprozess im Nordkiez. Das Sozialpädagogische Institut (SPI) wurde beauftragt, die Probleme im Kiez und die Wünsche der Anwohner/innen zu eruieren. Für die Aktivist/innen, die seit Monaten ihre Forderungen auf die Straße tragen, ist es ein schlechter Witz, dass sie jetzt vom Bezirksamt sozialpädagogisch beforscht werden sollen. „Hier soll der Eindruck erweckt werden, dass Bezirksamt hat etwas zu sagen“, erklärte Ilona Weber. Dabei zeigt sich deren Machtlosigkeit, wenn es um Kapitalinteressen geht, an der fortdauernden Sperrung der Rigaer Straße. Anfang September hatte der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt noch erklärt, die Sperrung sei gegen den Willen seiner Behörde erfolgt und werde aufgehoben. Doch sowohl die Polizei als auch die Investoren waren damit nicht einverstanden und so bleibt die Straße weiter gesperrt.

https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/baustopp-statt-kungelrunden.html
MieterEcho online 19.10.2017

Peter Nowak

Anwohner/innen im Friedrichshainer Nordkiez machen deutlich, dass Luxusneubauten dort nicht erwünscht sind

Punkt elf begann das Scheppern. Ca. 15 AnwohnerInnen im Friedrichshainer Nordkiez schlugen am eisigen Wintervormittag vor dem Eingang der Rigaer Straße 71-73 kräftig auf Pfannen und Töpfe. Seit fast drei Wochen findet an diesem Ort täglich um 19 Uhr für 10 Minuten das von NachbarInnen organisierte Scheppern gegen die CG-Gruppe statt (MieterEcho berichtete). Am 10. Februar fand die Aktion ausnahmsweise vormittags im Rahmen einer Pressekonferenz statt,  auf der die Aktionsgruppe gegen die  CG-Gruppe, zu der sich die AnwohnerInnen zusammengeschlossen haben, in der Öffentlichkeit noch einmal die Gründe deutlich machte, warum sie gegen den Bau des sogenannten Carré Sama-Riga protestieren, das nach den Vorstellung des Investors CG-Gruppe dort errichtet werden soll. Gudrun Gut von der Aktionsgruppe zitierte dazu aus einer Publikation der CG-Gruppe, in der sie deutlich machte, dass ihr Ziel die Aufwertung ganzer Stadtteile ist. Die zahnlose Mietpreisbremse wird in der Broschüre als Eingriff in die Eigentümerrechte bezeichnet und abgelehnt. Gudrun Gut beschrieb auch die Folgen des CG-Projekts für die einkommensschwachen Menschen, die im Kiez wohnen. Die Mieten steigen auch in der Nachbarschaft. Schon häufen sich Kündigungen, bevor mit dem Bau überhaupt begonnen wird.

Wo einst der Lidl stand, sollen Eigentumswohnungen und ein Hotel errichtet werden

Welche Auswirkungen die Aufwertung des Stadtteils auf die Umgebung hat, konnten die PressevertreterInnen gut beobachten Auf dem Areal der Rigaer Straße 36-39 waren die Abrissarbeiten nicht zu überhören und zu übersehen. Dort stand bis zum 31. Dezember 2016 eine Lidl-Filiale. Jetzt sollen auf dem Areal Eigentumswohnungen und ein Hotel entstehen. Schon klagen kleine LadenbesitzerInnen über massive Einkommensrückgänge seit der Lidl-Schließung. Die AnwohnerInneninitiative betonte, dass es ihr nicht um die Verteidigung des Geschäftsmodells von Lidl gehe. Sie wolle aber darauf hinweisen, wie erst die soziale Infrastruktur für Menschen mit wenig Einkommen verschwindet und dann die MieterInnen selber verdrängt werden. Ein Mitglied der Friedrichshainer Bezirksgruppe der Berliner MieterInnengemeinschaft stellte die geplanten Nobelbauten in der Rigaer Straße in den Kontext einer Stadtpolitik, die  Wohnungen für Vermögende und nicht für die Mehrheit der  Bevölkerung baut. Doch im Friedrichshainer Nordkiez könnten die  Pläne der CG-Gruppe ins Stocken geraten. Noch hat die BVV-Friedrichshain-Kreuzberg die Baugenehmigung nicht erteilt. Der neue Baustadtrat des Bezirks Florian Schmidt hat in einem Tagesspiegel-Interview erstmals Zweifel geäußert, ob die Pläne überhaupt genehmigungsfähig seien und sich ausdrücklich auf die Proteste sowie die Einwendungen gegen  das Carré Sama Riga bezogen. Für die CG-Gruppe war das der Grund, erstmals zwei Mitarbeiter als Beobachter in die  BVV-Sitzung zu schicken. Die Position der Stadtteilinitiative hat Gudrun Gut auf der Pressekonferenz noch einmal deutlich gemacht. Sie fordert einen Stopp aller Bauarbeiten und den Beginn einer öffentlichen Diskussion mit den Anwohner/innen  über  die Perspektive des Grundstücks. Die Aktionsgruppe machte allerdings  auch deutlich, dass sie auf Protest vor Ort und nicht auf Politikberatung setzt. Auch davon konnten sich die PressevertreterInnen mit eigenen Augen überzeugen. „Wer hier kauft, kauft Ärger, „CG-Gruppe nicht erwünscht“ und „Versagen der Stadtpolitik“ lauteten die Parolen, die  sehr deutlich auf den Bauzäunen zu sehen sind.#
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/rigaer-str-71-73.html

MieterEcho online 10.02.2017

Peter Nowak

Wie kommen interne Polizeidaten auf Neonazi-Homepage?

Lautstark spazieren

AUFWERTUNG Friedrichshainer Nachbarschaft protestiert gegen Luxusbauten in ihrem Kiez
„Baustopp für neue Luxusbauten“ lautet eine Parole auf vielen Häuserwänden rund um die Rigaer Straße in Friedrichshain. Sie richtet sich gegen das Carré Sama Riga, das die CG-Gruppe auf dem Areal einer ehemaligen Möbelfabrik in der Rigaer Straße 70–73 errichten will (taz
berichtete). Etwa 120 Wohnungen und 4 Gewerbeeinheiten sollen dort entstehen. Das Projekt sorgt zunehmend für Protest in der Nachbarschaft. Das wurde am Samstag deutlich, als die GGGruppe die AnwohnerInnen zu einem Informationstag lud. Der Gesprächsführer des Unternehmens Christoph Gröner bezeichnete den geplanten Neubau als soziales Projekt. Doch war die große Mehrheit der circa 80 Gäste davon nicht zu überzeugen. Lautstark forderten sie einen Stopp der Planungen.Viele der Anwesenden trafen
sich dann auch am Sonntagnachmittag in der Rigaer Straße 71–73 zu einem von der Berliner Mietergemeinschaft, Bezirksgruppe Friedrichshain, vorbereiteten Kiezspaziergang gegen Verdrängung durch den Friedrichshainer Nordkiez. „In dem Stadtteil hat die Verdrängung von einkommensschwachen Menschen nicht erst mit dem Carré Sama Riga begonnen“, erklärt einer der Mitorganisatoren
des Spaziergangs. „Doch das Bauvorhaben hat bewirkt, dass MieterInnen sich dagegen zu wehren beginnen.“ Auf einer am kommenden
Sonntag um 15 Uhr beginnenden Kiezversammlung am Forckenbeckplatz soll die erneute Mobilisierung gegen das Carré Sama Riga Thema sein.
taz: 14.6.2016
Peter Nowak