Neue Rechtspartei in Berlin?

Für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr gibt es rechte Parteiplanungen, gehofft wird auf Zulauf von den etablierten Parteien

René Stadtkewitz wurde aus der CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses ausgeschlossen. Eigentlich wäre es eine Nachricht ohne große politische Bedeutung. Denn der Rechtsaußenpolitiker Stadtkewitz, der schon vor einigen Monaten nach großen Druck aus der CDU ausgetreten ist (Vor einem neuen Kulturkampf?), hatte bundespolitisch wenig Bedeutung. Auch in Berlin blieb er der Hinterbänkler, der immer wieder rechte Duftmarken setzte. So war er der führende Kopf einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee im Stadtteil Heinersdorf (Kulturkampf in Berlin-Pankow).
   

Die Moschee ist längst eröffnet. Doch Stadtkewitz blieb seinem Thema treu und lud zur Unterstützung und Vernetzung des Kampfes gegen den Islam den holländischen Populisten Geert Wilders nach Berlin ein (Keine Tea-Party-Bewegung in Deutschland). Weil er an diesem Vorhaben festhielt, musste er nun die CDU-Fraktion verlassen. Damit bekamen die Personalie Stadtkewitz und seine Ankündigung, eine eigene Partei gründen zu wollen, doch eine größere Bedeutung (Kommt die Rechtspartei?).

Europaweite Anti-Islambewegung

Denn anders als Henry Nitzsche oder Martin Hohmann, weitere Rechtsaußenpolitiker, die die CDU in den letzten Jahren verlassen mussten und in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwanden, ist Stadtkewitz nicht isoliert. Schließlich ist die Anti-Islambewegung mittlerweile ein Faktor nicht nur am rechten Rand und nicht nur in Deutschland.

Das kann an der Personalie Wilders gezeigt werden. Denn fast wäre er als Unterstützer der nächsten holländischen Regierung nach Berlin gekommen. Die Verhandlung zwischen seiner rechtspopulistischen Bewegung und den holländischen Konservativen und Christdemokraten waren weit fortgeschritten. Wilders hat die Verhandlungen abgebrochen, weil einige christdemokratische Abgeordnete Probleme hatten, diese Positionen hoffähig zu machen. Jetzt kann sich Wilders als Rebell gegen das politische Establishment feiern lassen und auf weitere Zustimmung hoffen.

Doch nicht nur in Holland existiert mittlerweile eine rechte Bewegung, die den Kampf gegen den Islam als politisches Vehikel entdeckt hat. Spätestens seit der erfolgreichen Volksabstimmung über das Verbot von Minaretten in der Schweiz (Kein Muezzin-Ruf aus der Toblerone) ist kein Land davon ausgenommen. In den meisten Ländern wollen die klassischen Rechtsparteien mit dem Moslembashing Aufmerksamkeit gewinnen. Dabei legen sie es bewusst auf einen Skandal an, um sich dann als Opfer eines linken oder liberalen Meinungsterrors zu gerieren.

So haben die ultrarechten Schwedendemokraten einen Wahlkampfspot kreiert, wo verschleierte Frauen zu sehen sind, die beim Run auf schwedische Sozialleistungen eine Rentnerin überholen. Im schwedischen Fernsehen wurde das Video nicht ausgestrahlt, die Zugriffe im Netz sind hoch. Die österreichische Rechtspartei FPÖ bzw. ihre Filiale in der Steiermark hatte ein Anti-Islam-Spiel ins Netz gestellt, in dem man Symbole, die für einen Imam oder eine Moschee stehen, wegklicken konnte. Kritiker wollten darin ein Abschießen erkennen. Die Aufregung war groß – und das ist ganz nach dem Geschmack der FPÖ. Das macht deutlich, dass die Rechten nicht ins Abseits geraten, wenn sie am Themenfeld Islam mit Provokationen und Skandalen arbeiten.

Suche nach einer Integrationsfigur

Auch in Deutschland hat das gesamte politische Lager rechts von der Union den Kampf gegen den Islamismus auf ihre Fahnen geschrieben. Die rechte Szene ist in Deutschland allerdings besonders zerstritten und der Streit um die Abgrenzung nach Rechtsaußen begleitet seit Jahren jede dieser Gruppierungen. So gab es lange Jahre Streit zwischen der Deutschen Volksunion und den Republikanern, beide Gruppierungen sind heute marginal.

Aktuell wird der innerrechte Machtkampf zwischen der Pro-Deutschland-Bewegung und der NPD ausgetragen. Die Pro-Deutschlandbewegung grenzt sich offiziell von dem neonazistischen Flügel der Rechten ab. Aber einige ihrer Spitzenpolitiker sind im innerparteilichen Flügelkampf der NPD unterlegen, bevor sie sich ein neues politisches Betätigungsfeld suchten. Deshalb steht für viele rechtskonservative Kräfte auch die Pro-Deutschlandbewegung zu stark im alten rechten Lager verankert.

Hier können Politiker wie Stadtkewitz mit ihrer Herkunft aus einer etablierten Partei eine größere Rolle für eine neue Rechtspartei spielen. Da dessen Zugkraft begrenzt ist, hoffen viele im rechten Lager auf einen Zulauf aus der SPD. Der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin wird seit Erscheinen seines Buches „Deutschlands schafft sich ab“ aus dem rechten Lager geradezu genötigt, eine eigene Partei zu gründen (NPD und pro Deutschland werben um Thilo Sarrazin).

Umfragen, die ihr ein zweistelliges Ergebnis prognostizieren, sollen den Entscheidungsprozess beschleunigen (18-Prozent-Potenzial für Sarrazin-Partei). Schließlich gibt es ein konkretes Datum: den 4. September 2011. Dann wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Die Rechten sehen hier gute Chancen für die erfolgreiche Kandidatur einer neuen Partei jenseits der Union. Die alten rechten Parteien sind in Berlin marginal, die NPD ist beispielsweise intern zerstritten, die Republikaner spielen kaum mehr eine Rolle. Diese Partei war in Westberlin Ende der 80er Jahre mit über 7 % ins Abgeordnetenhaus gewählt worden, was ein Indiz für die Existenz eines rechtes Potentials in der Stadt ist, das aktiviert werden kann. Zudem war die Westberliner Frontstadt-CDU immer ein Sammelbecken für rechte Strömungen, die sich in einer Hauptstadt-CDU, die die Modernisierung auf ihre Fahnen geschrieben hat und auch für die Grünen koalitionsfähig sein will, nicht mehr wohl fühlen. Zudem kann gerade in Berlin mit einer Anti-Islam-Kampagne das Bürgertum gegen Kreuzberger oder Neuköllner Verhältnisse mobilisiert werden.

Lafontaine von rechts?

Die Karten für eine rechte Kandidatur in Berlin werden in den nächsten Monaten gemischt. Die Pro-Bewegung hat sich als erste angemeldet, ein Büro in Berlin bezogen und hoffte auf finanzielle Unterstützung durch den rechten Multifunktionär Patrik Brinkmann (Libertäre als Tea-Party-Großsponsoren). Doch das ist mittlerweile fraglich. Denn Brinkmann will die Kreise um Stadtkewitz mit in die Parteigründungspläne einbeziehen, für die die Pro-Bewegung als notdürftig modernisierte alte Rechte bisher kein Bündnispartner ist.

Nun droht für die Rechte der Supergau, eine Kandidatur gleich mehrerer Parteien, die sich rechts von der Union profilieren wollen und unter der Fünfprozenthürde bleiben. In dieser Situation könnte eine Kandidatur von Sarrazin die Einigung beschleunigen. Was Lafontaine 2005 mit seiner Kandidatur bei den vorher zerstrittenen linkssozialdemokratischen Gruppen gelungen ist, könnte Sarrazin in Berlin von Rechts wiederholen, so das Kalkül der Rechten. Der hat sich bisher aber noch nicht zu solchen Plänen geäußert, weil sie eine Steilvorlage für das laufende SPD-Ausschlussverfahren wären. Da er aber auch solche Pläne nicht kategorisch ausschloss, hoffen die Rechten weiter.

Partei des aggressiven Bürgertums

Dass solche Parteibildungsspiele keine Kopfgeburten sind, zeigt ein Gastkommentar des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz im Tagesspiegel, wo er für eine neue rechte Partei auf bürgerlich-konservativer Linie eintritt. Dafür wäre Sarrazin der ideale Kandidat. Schließlich hat er als Senator in seiner Frontstellung gegen Hartz IV-Bezieher beispielsweise Politik für ein Bürgertum gemacht, das die sogenannten Unterklassen in die Schranken weisen will.

Sollte ein solches Parteiprojekt in Berlin erfolgreich sein, dürfte es auch Nachahmer aus anderen Bundesländern geben. Dann könnten vielleicht auch abgehalfterte Politiker wie Friedrich Merz noch einmal in den Ring steigen. Allerdings würde auch ein Überraschungserfolg in Berlin wenig über die Beständigkeit einer solchen Bewegung aussagen. Schließlich hatte die Schill-Partei in Hamburg mit einen ähnlichen Politikkonzept einen rasanten Aufstieg und einen ebenso fulminanten Absturz hingelegt.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33286/1.html

Peter Nowak