Vorstoß von SPD-Politikerin zur Musterung: Gemeint sind diesmal alle Geschlechter. Warum das Dienen für Deutschland auch dann kein Fortschritt ist. Die

Niemand hat die Absicht, eine Wehrpflicht wiedereinzuführen

Dabei geht es vor allem um die Botschaft, dass in Kriegszeiten ein gesellschaftlicher Burgfrieden zu herrschen habe und jeder seinen Beitrag leisten müsse. Die zivilen Dienste gehören dazu. Und dass Deutschland zumindest indirekt am Ukraine-Krieg beteiligt ist. Selbst einst kritische Linke sind dagegen nicht immun.

Die Musterung war jahrzehntelang das Ritual, mit dem junge Männer auf die Bundeswehr vorbereitet werden sollten. Ganze Kohorten von jungen Männern haben sich schon lange vorher darüber Gedanken gemacht, was sie in den Tagen davor anstellen sollten, um beim Musterungstermin gesundheitlich angeschlagen genug zu sein, um ausgemustert werden. Nicht immer klappte das. Es gab natürlich auch den umgekehrten Fall, dass junge Männer unbedingt zum Militär wollten und zu ihrem Leidwesen ausgemustert wurden. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 gehörten auch die Musterungen zunächst der Vergangenheit an. Doch wie lange noch? …

„Niemand hat die Absicht, eine Wehrpflicht wiedereinzuführen“ weiterlesen
Unterdrückung, Krieg und Massenmord gibt es auch ohne Faschismus im politikwissenschaftlichen Sinn. Was Anhänger des woken Kapitalismus nicht wahrhaben wollen.

Putins bürgerlicher Racket-Staat und der Unterschied zum Faschismus

Torsten Fuchshuber und Matthias Wörsching zeigen, dass es tatsächlich sinnvoll sein kann, auch über faschistische Tendenzen in der russischen Gesellschaft zu reden, die durch die Kriegssituaton sehr verstärkt werden – wie auch in der Ukraine. Das bedeutet aber auch, weder Russland noch die Ukraine pauschal als faschistisch bezeichnet werden können.

„Das Wort ‚Putin‘ taucht im Stichwortverzeichnis meines Buchs ‚Faschismus. Und wie man ihn stoppt‘ nicht auf. Als ich im Dezember 2019 meinem Verlag die Idee dafür unterbreitete, konzentrierte ich mich auf das Phänomen rechtsextremer Bewegungen in demokratischen Staaten, nicht auf bereits etablierte Diktatoren“, schreibt der britische Sozialdemokrat Paul Mason in einem Beitrag der Wochenzeitung Freitag über sein im Suhrkamp-Verlag auf deutsch erschienenes Buch.Es soll wohl eine Werbung in eigener Sache sein. Auf jeden Fall ruiniert Mason aber jeden wissenschaftlichen Anspruch, weil er einen Faschismusbegriff hat, mit dem immer der gerade aktuelle Feind so deklariert wird. Dazu gehören Trump, Erdogan und natürlich seit dem Ukraine-Krieg auch Russlands Präsident Wladimir Putin, dem Mason vorwirft: …

„Putins bürgerlicher Racket-Staat und der Unterschied zum Faschismus“ weiterlesen
Linke Kritik der EU

Wider den europäischen Chauvinismus

Linke verteidigen derzeit leidenschaftlich die Europäische Union. Warum eigentlich? Es gibt für Linke keinen Grund, sich mit der EU gemein zu machen.


Arbeitgeber in der Europäischen Union müssen die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten künftig komplett erfassen. Dazu verpflichteten die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die Grundrechte­charta der Europäischen Union, befand der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg Mitte Mai. Geklagt hatte der spanische Gewerkschaftsbund Arbeiterkommissionen (CCOO). Die Gewerkschaften begrüßten die Entscheidung mit der Begründung, dass somit unbezahlte Lohnarbeit eingedämmt werden könnte. Das Unternehmerlager lief dagegen Sturm und verbreitete, dass nun die EU für die Rückkehr der Stechuhr sorge. Wirtschaftsnahe Juristen wollen nun mit einem Gutachten überprüfen lassen, ob die Entscheidung des EuGH überhaupt umgesetzt werden muss.

Wenn SPD, FDP und Union im Europawahlkampf ein »starkes Europa« beschwören, dann ist das nicht nur Wahl­propaganda, sondern eine Drohung.

Das wäre doch eine gute Gelegenheit für eine proeuropäische Linke, auf Basis des EuGH-Urteils gegen Überstunden und Dumpinglöhne in vielen Ländern zu protestieren. Gleichzeitig könnte deutlich gemacht werden, dass die Erfassung der Arbeitszeit nichts mit der Rückkehr der Stechuhr zu tun hat. Es handelt sich bei dieser um den Versuch des Kapitals, Lohnabhängige stärker zu reglementieren. Damit könnte auch an einer ganz konkreten Frage verdeutlicht werden, dass viele auf EU-Ebene getroffene politische oder juristische Entscheidungen auf sozialem Gebiet, aber auch im Bereich des Umweltschutzes zu begrüßen sind. Doch von einer solchen EU-weiten Kampagne ….

„Wider den europäischen Chauvinismus“ weiterlesen
Die Repression des Macronismus ist natürlich für die grünen Menschenrechtskrieger kein Thema

Grüne im Bündnis mit Macron

Was als Bollwerk gegen rechts gelabelt wird, ist der Versuch, die Liberalen auf europäischer Ebene zu einigen

In den späten 1980er Jahren gab es von der grünen Basis immer große Empörung, wenn Jutta Ditfurth, die damals eine wichtige Rolle im Parteivorstand spielte und aktuell mit einer ökolinken Liste zum Europaparlament kandiert, vor einer grünen FDP warnte.Kurz vor ihren Austritt bei den Grünen sah Ditfurth in dieser Prognose keine Warnung mehr, sondern eine Zustandsbeschreibung. Doch je realpolitischer die Grünen wurden, desto heftiger wehrten sich noch immer deren Protagonisten, mit der FDP verglichen zu werden. Auch die Lindner-Partei tat in Deutschland alles, um solche Beschreibungen als übertriebene Polemik erscheinen zu lassen. Schließlich führte die FDP scheinbar einen politischen Kampf gegen die Grünen. Dabei wurde auch übersehen, dass es dabei um einen vor allem…

„Grüne im Bündnis mit Macron“ weiterlesen

Was soll die Linke nach Chemnitz machen?

Wie die Angst vor der Rechten eine Merkel-Linke schafft. Eine Diskussion in Berlin zeigte viel Ratlosigkeit, aber auch ein paar Ansätze

Die Bundesregierung hat die Causa Maaßen vordergründig gelöst, doch der Streit geht unmittelbar weiter. Die SPD-Vorsitzende Nahles soll den jetzt getroffenen Vorschlag vor einigen Tagen noch abgelehnt haben, was Innenminister Seehofer behauptet und Nahles bestreitet. Doch auch die außerparlamentarische Linke ringt noch um eine Position.

Am vergangenen Samstag diskutierten Flüchtlingsaktivisten und Antifaschisten aus Chemnitz über die Frage der Solidarität [1]. Eingeladen hatte die Monatszeitschrift ak (analyse und kritik) [2], die vor mehr als vier Jahrzehnten gegründet wurde und die Veränderung der außerparlamentarischen Bewegungen seitdem kritisch begleitet.

Da hätte man sich doch eine gesellschaftliche Einordnung gewünscht. Schließlich können sich viele ak-Autoren an die Zeiten Anfang der 1990er Jahre erinnern, als Flüchtlingsunterkünfte wie in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Mannheim-Schönau von Neonazis angegriffen und in Brand gesetzt wurden, während „besorgte Bürger“ danebenstanden und applaudierten.

Die Angst vor der Rechten und die Merkel-Linke

Diese historischen Reminiszenzen sind schon deshalb wichtig, um vor einer Stimmung zu warnen, die „nach Chemnitz“ fast den Sieg des Faschismus an die Wand malt. Das ist nicht nur historisch falsch und lähmt die Gegenkräfte. So wird mit der Gefahr eines drohenden Faschismus der real existierende Kapitalismus beinahe schon als letzte Verteidigungslinie dargestellt.

Das ist der Grund für die wachsende Merkellinke, die es von SPD über Grüne bis zur Linkspartei und gelegentlich in der außerparlamentarischen Linken gibt. Selbst so schlaue Analytiker wie Rainer Trampert [3] sind davon nicht frei. Das Paradoxe dabei ist, dass das Erstarken der Merkel-Linke mit dazu führt, dass sich die Rechte als einzige Alternative zum Status Quo aufspielen kann.

So wird aus Angst vor der Rechten genau diese verstärkt. Eine weitere Paradoxie wurde auch auf der Berliner Veranstaltung nicht erwähnt, weil sie wenig bekannt ist. Die CDU/CSU unter Kohl hat einen großen Anteil daran, dass Sachsen zur rechten Ordnungszelle wurde. Ab Ende Oktober 1989 wurde die nationalistische Welle mit Deutschlandfahnen und entsprechenden Materialien aus dem Westen massiv angeheizt.

Es ging zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr um die schon geschlagene SED, sondern um die linke DDR-Opposition [4] die zu dem Zeitpunkt noch für eine eigenständige DDR agierte [5]. Im Kampf dagegen bedienten sich die Unionsparteien auch der Rechtspartei DSU, die durchaus als ein AfD-Vorläufer gelten kann. Seit Herbst 1989 war Sachsen eine rechte Ordnungszelle.

„Ich würde mein Bett nie an ein Fenster zur Straße stellen“

Wie sich auf das Alltagsleben für linksalternative Chemnitzer auswirkte, berichteten mehrere Aktive des Bündnisses Chemnitz Nazifrei [6]. So erzählten Bewohner von linken Chemnitzer Wohnprojekten, dass sie darauf achten, ihr Bett nicht an ein Fenster zur Straßenseite aufzustellen. Schließlich müsse immer damit gerechnet werden, dass es rechte Angriffe gebe.

Ein anderer Chemnitzer Linker sprach davon, dass es sich wie Urlaub anfühlt, wenn er mal nur die Stadt verlässt. Er muss nicht immer darauf achten, ob ihm Rechte auf der Straße entgegenkommen. Die jungen Chemnitzer betonen, dass diese Vorsichtsmaßnahmen bei ihnen seit Jahren Alltag gewesen seien.

Nur hatte lange eben niemand so genau hingeguckt. Mittlerweile guckt man auch wieder weg, obwohl erst vor wenigen Tagen wieder mehrere Tausend Menschen an einer Demonstration der rechten Partei Pro Chemnitz teilgenommen haben, wie die Chemnitzerin Ida Campe [7] informiert, die ausführlich über die rechte Szene in dieser Stadt berichtet, wenn die meisten auswärtigen Medienvertreter schon wieder abgereist sind.

Bild-Zeitung und AfD einig gegen „graswurzelrevolution“

Manche haben sie sich schon wieder auf die Linke eingeschossen, beispielsweise auf die Monatszeitung graswurzelrevolution [8], die sich als gewaltfrei-libertär versteht. Das hindert die Bild-Zeitung [9] aber nicht, gegen das „Anarchistenblatt“ zu hetzen.

Die Kampagne hatte die AfD-Thüringen [10] begonnen, die sich darüber echauffierte, dass der liberale Verfassungsschutzpräsident von Thüringen aus einem analytischen Artikel [11] des Sozialwissenschaftlers Andreas Kemper [12] über den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in der graswurzelrevolution zitierte.

Dass ein VS-Präsident aus einer linken Zeitung zitiert, geht gar nicht, da sind sich Bild und AfD einig. Pikant für die Rechtspartei: Der alte AfD-Bundesvorstand hatte mit Materialien von Andreas Kemper seinen mittlerweile gescheiterten Ausschlussantrag gegen Höcke begründet. Im Umgang mit der graswurzelrevolution wird der bürgerliche Normalfall deutlich, da sind sich Ultrarechte und Konservative einig im Kampf gegen links. Das wollen manche Merkellinke nicht wahrhaben.

Kampf für eine solidarische „Stadt für alle“ ist der beste Kampf gegen rechts

Bei der ak-Diskussion war diese Merkel-Linke nicht vertreten. Da hätte man sich mehr eigenständige linke Positionen gewünscht. Doch da gab es eher Ratlosigkeit und Vorschläge, die weniger durch eine Analyse als durch Endzeitstimmung geprägt sind. Da kamen Vorschläge für eine antifaschistische Belagerung von Städten mit rechten Aktivitäten. Ernster zu nehmen ist der Appell der Chemnitzer Linken, doch in ihre Stadt zu kommen.

„Da gibt es günstig Wohnungen und Häuser“, wollte einer von hohen Mieten geplagten Berlinern einen Umzug schmackhaft machen. Es ist aber nur sehr unwahrscheinlich, dass er damit viel Erfolg hat. Wünschenswert wäre ein solcher Zuzug durchaus, wenn es um die Stärkung von Alltagskämpfen und solidarischen Netzwerken für alle in der Stadt lebende Menschen ging.

Das könnten solidarische Begleitungen zum Jobcenter ebenso sein, wie Unterstützung bei Mietproblemen und Arbeitskämpfen. Wichtig ist, dass es dabei um die Kooperation von Menschen unterschiedlicher Herkunft geht. So könnte man ein solidarisches Klima in der Stadt erzeugen, das der AfD und ihrem Umfeld den Wind aus den Segeln nimmt.

Sie profitieren davon, dass Menschen Angst vor Migranten, vor Kriminalität etc. haben. Sie verlieren da, wo Menschen ihre Rechte als Mieter, Erwerbslose, Lohnabhängige wahrnehmen. Daher wäre ein Beitrag zum Kampf gegen Rechts nicht eine „Belagerung der Stadt“, sondern solidarische Aktionen an Jobcentern, gemeinsam mit Betroffenen, woher auch immer sie kommen, oder bei Unternehmen, die den Beschäftigten zu wenig Lohn zahlen.

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4171983
https://www.heise.de/tp/features/Was-soll-die-Linke-nach-Chemnitz-machen-4171983.html

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.taz.de/!be=c379903abb25e8b175/
[2] https://www.akweb.de/
[3] https://www.rainertrampert.de/artikel/kategorie/angela-merkel
[4] http://telegraph.cc/
[5] http://www.ddr89.de/vl/VL.html
[6] http://chemnitz-nazifrei.de/
[7] https://twitter.com/idacampe?lang=de
[8] https://www.graswurzel.net/431/hoecke.php
[9] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/verfassungsschutz-chef-wehrt-sich-gegen-afd-vorwuerfe-57413280.bild.html
[10] https://afd-thueringen.de/2018/09/henke-anschlag-auf-die-verfassung-durch-verfassungsschutzpraesident-kramer
[11] https://www.graswurzel.net/431/hoecke.php
[12] https://andreaskemper.org/tag/bjorn-hocke/