„Solidarität hilft siegen“

ARBEITSKAMPF Die Auseinandersetzung mit BMW vor 30 Jahren sieht der damalige Betriebsrat Rainer Knirsch auch als Übung für heute

taz: Herr Knirsch, Mitte der achtziger Jahre standen Sie als BMW-Betriebsrat im Mittelpunkt heftiger Auseinandersetzungen, die jetzt in dem Buch „Macht und Recht im Betrieb“ dokumentiert sind. Warum wollte das BMW-Management Sie und Ihre beiden Betriebsratskollegen loswerden?

Rainer Knirsch: Weil wir unser Amt als Betriebsräte ernst nahmen: für höheres Urlaubsgeld, für Lohngruppenerhöhungen, gegen Krankheitskündigungen. Eine Rationalisierungsstudie haben wir abgelehnt und damit etwa 50 Arbeitsplätze gesichert. Wir waren Gewerkschafter, die auch als Betriebsräte ihr Recht auf Organisierung der Belegschaft und auf Teilnahme an Streiks ausübten.

Was hat Sie motiviert, den Kampf gegen die Entlassung über drei Jahre zu führen?

Unsere gewerkschaftliche Einstellung lautet: Wir wollen „Recht, Gerechtigkeit und Demokratie, die nicht am Werkstor endet!“ Die IG-Metall-Schulung für Betriebsräte haben wir umgesetzt, in der gewarnt wird vor Korrumpierbarkeit und Verrat an den abhängig Beschäftigten. Außerdem waren wir verbunden mit den Beschäftigten im Betrieb und unterstützt durch ein Solidaritätskomitee von zuletzt über 2.000 Menschen.

Welche Rolle spielte dieses Solidaritätskomitee bei Ihrem Erfolg, der Wiedereinstellung?

Es schuf Öffentlichkeit, verbreitete die Informationen an Medien, Einzelpersonen und die Leute im Werk. Es organisierte politische und finanzielle Solidarität außerhalb des Betriebes. Das war maßgeblich für unseren Erfolg.

Was ist nach 30 Jahren an Ihrem Fall noch interessant?

Das „Union Busting“ der achtziger Jahre war der Anfang: Die systematische Bekämpfung von uns aktiven Gewerkschaftern durch insgesamt 20 kettenartige Kündigungen; durch Inszenierung einer hetzerischen Betriebsversammlung zur Amtsenthebung, zuletzt durch Einsatz einer Detektei und Rufmord über Presse und Rundfunk. Ähnliche Methoden der Arbeitgeber erleben wir heute ständig, etwa gegen Betriebsräte bei Neupack oder Enercon.

Gibt es Parallelen zu dem Solidaritätskomitee, das die Entlassung der Kassiererin Emmely wegen angeblich nicht abgerechneter Kassenbons erfolgreich bekämpfte?

Auch diese Solidaritätsarbeit war beispielhaft, gerade für die Kollegin, die bestraft wurde, weil sie bis zuletzt an den Streiks ihrer Gewerkschaft teilgenommen hatte: Solidarität hilft siegen!

Rainer Knirsch

69, begann 1975 als Montagearbeiter im BMW-Motorradwerk und war seit 1978 Betriebsrat, von 1994 bis 2002 Betriebsratsvorsitzender. Heute ist er ehrenamtlicher Bildungsreferent der IG Metall.

Der „Fall BMW-Berlin“

Das Buch „Macht und Recht im Betrieb. Der Fall BMW-Berlin“ ist eine Dokumentation einer dreijährigen Auseinandersetzung um die Kündigung von drei unliebsamen IG-Metall-Betriebsräten des BMW-Motorradwerks in Spandau. Von 1984 bis 1987 kämpften die drei gegen ihre Entlassung – bis sie vor Gericht siegten und wieder eingestellt werden mussten.

Das im Verlag Die Buchmacherei erschienene Buch stellt den Fall auch als ein frühes Beispiel des „Union Busting“ vor, also der systematischen Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen. Heute am Montag präsentiert es Rainer Knirsch, einer der drei damaligen Betriebsräte, um 19 Uhr im Café Commune, Reichenbergerstr. 157.

INTERVIEW PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F16%2Fa0142&cHash=e0bc5fe5af503aba9b09251b3fcc0198

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Zurück in die Gegenwart

Von 1984 bis 1987 kämpften Rainer Knirsch, Hans Köbrich und Peter Vollmer gegen ihre Entlassung. Das Management des BMW-Motorradwerks in Berlin Spandau wollte die drei kämpferischen Betriebsräte loswerden, weil sie sich dem Kuschelkurs mit dem Unternehmen verweigerten. Zuvor hatte BMW die Betriebsratswahl in dem Werk massiv manipuliert und eine von ihnen gesponserte »Liste der Vernunft« installiert. Weil die drei abgewählten Betriebsräte dagegen klagten, wurden sie gekündigt. Wenn sie in einer Instanz gewannen, schoben die Manager gleich die nächste Kündigung nach. Gleichzeitig inszenierte die unternehmerfreundliche Betriebsratsgruppe Mitarbeiterversammlungen, bei denen die Entlassenen als rote Ideologen diffamiert wurden, die die Arbeitsplätze der Kollegen gefährden würden.

Drei Jahre konnten Knirsch, Köbrich und Vollmer das Werk nicht betreten, dann geschah das Unerwartete: Sie siegten vor Gericht und mussten wieder eingestellt werden. Andernfalls hätte dem BMW-Vorstandsvorsitzenden ein Zwangsgeld von 100 000 DM gedroht. Auch die manipulierte Betriebsratswahl musste wiederholt werden und die kämpferischen Betriebsräte gewannen mit großem Vorsprung. Entscheidend für den Erfolg war ein Solidaritätskomitee, das von dem Berliner Politologen Bodo Zeuner geleitet wurde. Es machte den Fall »BMW-Berlin« zu einem Thema, das die Öffentlichkeit interessierte. Spätestens nach ihrem Sieg gegen den Weltkonzern waren die drei Betriebsräte über Westberlin hinaus bekannt. Im Gegensatz zur IG Metall im Bund hielt sich die Berliner Gewerkschaftsgliederung damals mit der Unterstützung zurück. So schloss sie beispielsweise die unternehmerfreundlichen Betriebsräte nicht aus, die Unterschriften gegen die Wiedereinstellung der drei Kollegen sammelten und sogar mit Streiks drohten.

Jetzt hat der Verlag »Die Buchmacherei« diese außergewöhnliche Geschichte noch einmal dokumentiert. Die zwei von den Unterstützern einst erstellten Broschüren lesen sich dabei noch heute erstaunlich aktuell. Das Vorwort des Buches bringt auf den Punkt, warum: Die Geschichte markiere die Anfänge des »Union Busting« in Berlin, heißt es da, und sie zeige, dass und wie es möglich ist, sich dem mit Erfolg zu widersetzen.Peter Nowak

Frank Steger (Hg.): Macht und Recht im Betrieb. Der Fall BMW-Berlin, Die Buchmacherei 2014, 352 S., 14,95 Euro. Am 16.3. stellt einer der betroffenen Betriebsräte das Buch in Berlin-Kreuzberg vor

http://www.neues-deutschland.de/artikel/964653.mobbing-von-ganz-oben.html

Peter Nowak