Die Rechte gehört zur EU wie die Nazis zu Deutschland

Die Rechte gehört zur EU seit deren Gründung

Die Gegenüberstellung liberales gegen illiberales Europa ist propagandistisch und nützt den Parteien des Status quo - Ein Kommentar

In den letzten Wochen brachten zwei Wahlen in den EU-Staaten Spanien und Finnland rechten Parteien Erfolge. In Spanien kam erstmals die neue Rechtspartei Vox in das Parlament. EU-Gremien wie auch viele Medien sprachen davon, dass seit dem Ende der Franco-Ära erstmals ultrarechte Parlamentarier in das spanische Parlament einziehen. Doch die mediale Darstellung, dass mit Vox erstmals in der Nachfranco-Ära Ultrarechte im spanischen Parlament vertreten sind, ist falsch. Richtig ist vielmehr,…

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Unteilbar und der progressive Neoliberalismus

Was ist mit einer Großdemo gemeinsam mit SPD und Grünen für eine offene Gesellschaft gewonnen? Einiges, wenn man nicht nur auf die Aufrufer, sondern auf die Menschen blickt, die die Demo gestalten

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Am Tag nach der Großdemonstration [1] Unteilbar [2] ist der Deutungsstreit ausgebrochen. Dabei schreibt [3] die bürgerliche Wochenzeitung Die Zeit, bisher nicht gerade als Vorreiterin von sozialen Bewegungen von unten bekannt geworden, unter der Überschrift „Die Sammlungsbewegung ist da“ „Unteilbar gegen rechts – darauf können sich fast alle einigen – nur CDU und Die LINKE nicht“.

Nun hat auch die FDP wie viele andere aus dem bürgerlichen Spektrum die Demonstration ebenfalls nicht unterstützt.

Wagenknechts Intervention – Taktik oder Fehleinschätzung

Dass der Eindruck entstanden ist, dass es in der Linken Streit um die Demonstration gibt, liegt an einer Äußerung in einem Gespräch mit Sahra Wagenknecht, die dem Aufruf von Unteilbar vorwarf, zu stark auf offene Grenzen zu setzen und damit Menschen auszuschließen, die gegen den Rassismus, aber nicht für offene Grenzen seien.

Sehr verkürzt wurde diese Aussage dann auch von Wagenknechts Konkurrenten in der Linken als Absage an das ganze Konzept von Unteilbar und gar als Grenzüberschreitung gewertet [4]. Nun ist diese Reaktion so erwartbar wie heuchlerisch.

Linke Realpolitiker, die dort mitgehen, geben sich auf einmal als Gralshüter der offenen Grenzen, die sie natürlich überall dort negieren müssen, wo sie auch nur eine Regierung anstreben. Aber sie machen es dann eben so wie ein Großteil der Demounterstützer, die von Grünen über die SPD bis zur Berliner Taxiinnung reichte. Niemand von ihnen ist bisher dadurch aufgefallen, dass sie für „Offene Grenzen“ kämpfen und sie werden es auch in Zukunft nicht tun.

Nun stellt sich die Frage: Warum können alle die politischen Kräfte problemlos die Unteilbar-Demo unterstützen und Sahra Wagenknecht hat Einwände? Haben all diese Kräfte den Demoaufruf missverstanden oder Sahra Wagenknecht? Oder war es nicht so, dass der Aufruf bewusst so gehalten war, dass dort sowohl Befürworter als auch Kritiker der offenen Grenzen mitmachen konnten.

Daher war auch das Schlagwort „Offene Gesellschaft“ dort viel mehr der zentrale Begriff. Der aber ist im Gegensatz von offenen Grenzen so vage und nichtssagend, dass sich wirklich fast alle dahinter stellen können. Die Taxi-Innung versteht darunter etwas ganz anders als eine Flüchtlingsinitiative.

Wenn Wagenknecht darauf hingewiesen und die Heuchelei von Politikern aus SPD und Grünen aufgespießt hätte, die eine Demonstration für die „Offenen Grenzen“ unterstützen und gleichzeitig die Flüchtlingsabwehr real verschärfen, wäre das auch in linken Kreisen sehr vermittelbar gewesen.

Doch das hat Wagenknecht nicht gemacht, sondern eben der Demonstration die Forderung nach offenen Grenzen untergeschoben, die dort bewusst so nicht formuliert wurde. So konnte es scheinen, als stünde sie mit ihrer Kritik rechts von SPD und Grünen und bekam dann dafür von AfD-Politikern Beifall. Die medienerfahrene Politikerin dürften diese Reaktionen nicht überrascht haben. Daher stellt sich die Frage, war es eine politische Fehleinschätzung oder eine bewusste Taktik und welche wäre das.

Aufstehen – wohin geht’s?

Dabei muss an ihre paradoxe Doppelrolle als wichtige Stimme von „Aufstehen“ und Fraktionsvorsitzende der Linken erinnert werden, einer Partei die im Vorstand mehrheitlich die neue Bewegung nicht mitträgt. Dabei muss es zu Querelen kommen. Wenn dann noch persönliche Animositäten und Machtkämpfe dazukommen und darum geht es in jeder Partei, kann es schnell zu Brüchen kommen.

Nun hat Wagenknecht ihre kritische Haltung zu Unteilbar als eine zentrale Sprecherin von Aufstehen und nicht als Fraktionsvorsitzende der Linken gemacht. Doch diese Funktion sind nun mal nicht so einfach zu trennen, worauf ihre parteiinternen Kritiker immer hinweisen werden. Eigentlich wäre eine Trennung beider Funktionen die plausible Lösung.

Doch Wagenknecht hat bisher jeden Vorstoß aus der Linken in dieser Richtung als Angriff auf sie und den ihr nahestehenden Flügel verstanden und entsprechend reagiert. Da stellt sich schon die Frage, ob sie mit ihrem jüngsten Vorstoß den Streit weiter zuspitzen will, so dass sie dann gezwungen wird, den Fraktionsvorsitz aufzugeben und womöglich doch die von vielen befürchtete von manchen erhoffte Eigenkandidatur in welcher Form auch immer realisiert.

Der Publizist Rainer Balcerowiak, der kürzlich ein Buch zur Perspektive von Aufstehen unter dem Titel „Aufstehen und wohin geht’s?“ veröffentlichte [5], hält eine solche Trennung für sehr wahrscheinlich. Sie stünde zumindest in der Logik von solchen Organisationen, bei denen inhaltliche und persönliche Spannungen derart verwoben sind, dass es selten zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommt.

Das zeigte sich bereits vor einigen Monaten, als Wagenknecht nach einem Interview zur „Ehe für Alle“ sogar Homophobie vorgeworfen wurde [6], weil sie sie als Wohlfühllabel bezeichnete.

In einem längeren Interview [7] mit dem Berliner Schwulenmagazin Siegessäule hat sie die Vorwürfe größtenteils entkräftet und einige kluge Gedanken zum Zusammenhang von Konzepten der Offenen Gesellschaft und dem modernen Kapitalismus beigetragen, die auch für das Unteilbar-Bündnis von Bedeutung sein können.

Die amerikanische Feministin Nancy Fraser hat den Begriff „progressiver Neoliberalismus“ geprägt. Er beschreibt Politiker, die die sozialen Bedürfnisse breiter Bevölkerungsschichten mit Füßen treten und den Sozialstaat zerstören, zugleich aber für progressive liberale Forderungen eintreten – in den USA ist Hillary Clinton ein Beispiel dafür.

Sie verkörpert einerseits eine korrupte, von der Wall Street gekaufte Politikerin, der das Schicksal der Ärmeren gleichgültig ist, damit natürlich auch das Schicksal der armen Homosexuellen oder der armen Latinos und Farbigen in den USA. Andererseits gibt sie sich als Vorkämpferin von Gleichstellung und Antidiskriminierung.

Diese Kombination hat Trump mit seinen rassistischen Ausfällen und seiner zur Schau gestellten political incorrectness zu einem für viele attraktiven Gegenmodell gemacht. Wer die Trumps dieser Welt nicht stärken will, darf kein Bündnis mit dem Neoliberalismus eingehen, der die sozialen Voraussetzungen einer offenen, toleranten Gesellschaft zerstört.

Darum geht es mir. Homosexuelle sind genauso von Hartz 4, Niedriglöhnen und Altersarmut betroffen wie alle anderen auch. Auch für sie hat sich die Ungleichheit vergrößert. Wem an Gleichstellung gelegen ist, der kann keine Politik stützen, die die sozialökonomischen Voraussetzungen echter Chancengleichheit zerstört.

Sahra Wagenkencht, Siegessäule

Hier könnte Clinton auch gegen Politikerinnen und Politiker von Grünen und SPD ausgetauscht werden und wir wären dann bei der Großdemonstration vom gestrigen Samstag. Doch das wäre nur ein Blick von oben, auf den Aufruferkreis.

Wie immer bei solchen Großaktionen kommen unterschiedliche Menschen zusammen, die auch bereits vorher politisch organisiert waren. Sie machen eigene Erfahrungen und sind eben nicht einfach Marionetten, die von den illustren Aufrufern irgendwo hin mobilisiert werden. Die Politologin Detlef Georgia Schulze beschrieb ihre Eindrücke von der gestrigen Demonstration so:

Von den Redebeiträgen, die ich hörte, war keiner auf der Linie von kapitalistischem diversity management; mehrere Redebeiträge sprachen sich explizit gegen Neoliberalismus und Hartz IV-Gesetzgebung aus; die Ryanair-Kolleginnen und -kollegen redeten sowohl bei der Auftakt- als auch der Abschlusskundgebung und betonten dabei auch die Gemeinsamkeit von Flugbegleitern und begleiterinnen und -kapitänen. In mindestens einem Redebeitrag kam „kapitalistische Verwertungslogik“ kritisch vor; mehrere Redebeiträge thematisierten europäischen Kolonialismus und Waffenexporte als Fluchtursachen.

Detlef Georgia Schulze

Kampf gegen Kapitalismus und Rassismus unteilbar

Hier zeigt sich, dass sich eine Großdemonstration wie „Unteilbar“ eben nicht allein über die Aufrufer kritisieren lässt. Man muss dann die Motivationen der unterschiedlichen Akteure mit einbeziehen. Dass die Streikenden von Ryanair eine wichtige Rolle auf der Demonstration spielten, ist nicht zu unterschätzen.

Handelt es sich doch bei dem Arbeitskampf um ein bisher erfolgreiches Beispiel eines transnationalen Arbeitskampfes [8]. Es wäre dann eigentlich die Aufgabe von Linken, die sich gegen das Bündnis mit dem progressiven Neoliberalismus wenden, hier eigene Organisationsvorschläge einzubringen.

So hat es Karl Marx vor ca. 150 Jahre gemacht, als er sich vehement für die Trennung der damals neu entstehenden Arbeiterbewegung vom Linksliberalismus stark gemacht hat. Auch aus diesen Gesichtspunkt war Wagenknechts Kommentierung überflüssig und kontraproduktiv.

Sie trägt eben nicht dazu bei, deutlich zu machen, dass der Kampf gegen Rassismus und der Kampf gegen kapitalistische Verwertung unteilbar ist. Das aber wäre die Aufgabe einer linken Kritik. Auch die weniger beachtete Kritik an einer angeblichen Querfront mit islamistischen Verbänden gegen Teile des Demobündnisses [9] orientiert sich nur an den Aufrufern und hat mit der Dynamik der Demonstration, in der bestimmt nicht für eine islamistische Gesellschaft geworben wurde, wenig zu tun.

„Man muss die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen, gerade wenn man eine offene, tolerante Gesellschaft verteidigen will“, sagte Wagenknecht im Interview mit der Siegessäule.

Doch dazu können wohl weder Politiker der SPD noch der Grünen noch Funktionäre von Organisationen beitragen, die „Aufstehen“ vor allem als eine Organisationsaufgabe sehen. Beitragen dazu könnten aber sehr wohl Menschen, die von ihren Streiks und Alltagskämpfen berichten.

Das kann der Kampf gegen Rassismus ebenso sein, wie der Kampf um mehr Lohn oder gegen Jobcenter. Eine Sammlungsbewegung auf dieser Basis hätte längerfristige Perspektiven. Die Demonstration vom Wochenende war hingegen ein temporäres Ereignis, das schnell verpufft, wenn diese Alltagskämpfe nicht geführt oder nicht in den Mittelpunkt gestellt werden.

Peter Nowak

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[2] https://www.unteilbar.org
[3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-10/unteilbar-demonstration-berlin-gegen-rechts
[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-distanzierung-von-unteilbar-demo-in-der-kritik-a-1232811.html
[5] https://www.eulenspiegel.com/termine/veranstaltung/4669-aufstehen-und-wohin-gehts.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/Ehe-fuer-Alle-nur-glitzernde-Huelle-4107161.html
[7] https://www.siegessaeule.de/no_cache/newscomments/article/4043-ist-die-ehe-fuer-alle-nur-ein-wohlfuehllabel-sahra-wagenknecht-im-interview.html?PHPSESSID=583255f306abde7e6cd4269df9f78a8f
[8] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1096996.streik-bei-ryanair-internationalismus-als-selbstverteidigung.html
[9] https://jungle.world/artikel/2018/41/unteilbar-oder-gespalten