Linke wollen Amazon blockieren

Aktionswoche rund um die Schnäppchentage am Standort Berlin geplant

Der Countdown läuft. Am 24. November 2017 ist Black-Friday beim Online-Riesen Amazon. Auf der Homepage werden schon die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden gezählt. Angelehnt an das US-Erntedankfest offeriert Amazon an diesem Tag besonders günstige Produkte. Doch nicht nur Schnäppchenjäger bereiten sich vor. Unter dem Motto »Make Amazon Pay« planen linke Gruppen vom 20. bis 26. November eine Aktionswoche, in der der Umgang des Onlinekonzerns mit den Beschäftigten thematisiert werden soll. Als Höhepunkt am 24. November kündigen sie an, das Amazon-Verteilzentrum in Berlin zu blockieren. Damit soll der ausdauernde Kampf von Amazon-Beschäftigten verschiedener deutscher Standorte für einen Tarifvertrag nach den Bestimmungen des Einzelhandels unterstützt werden. 

Seit fast vier Jahren legen Beschäftigte an verschiedenen Amazon-Standorten immer wieder die Arbeit nieder – auch in der Adventszeit. Außerparlamentarische linke Gruppen versuchen, den Streikenden den Rücken zu stärken. Von ihnen stammt auch der Vorschlag, den Schwarzen Freitag zum Anlass für eine neue Kampagne zu nehmen. Der Vorschlag wurde vom Ums-Ganze-Bündnis in die Diskussion gebracht, das Teil der postautonomen Linken ist. Schon im Rahmen der Proteste gegen den G 20-Gipfel in Hamburg war es an der Hafenblockade beteiligt, mit der die Beschäftigten im Logistiksektor unterstützt werden sollten. »Wir wollen mit der Aktionswoche rund um den Schwarzen Freitag die Wirkung der vorweihnachtlichen Streiks verstärken«, meinte Jonathan Schneider von der Vorbereitungsgruppe. Beteiligt sind auch Gewerkschafter aus dem polnischen Amazon-Standort Poznan. Sie sind in der Basisgewerkschaft IP organisiert und haben sich bereits mehrmals mit dem Kampf der Amazon-Beschäftigten in Deutschland solidarisiert. Bei einem Planungstreffen in Berlin kritisierten sie genauso wie Amazon-Beschäftigte aus dem Brandenburger Brieselang »die Methode Heuern und Feuern«, die in dem Unternehmen üblich sei. Agnieszka Mroz von der IP-Poznan sieht in der Black-Friday-Kampagne eine Möglichkeit, den Druck auf den Konzern zu erhöhen. Es geht ihnen nicht nur um zu wenig Lohn, auch die ständige Überwachung wird als Problem benannt. Die finde nicht nur vor Ort am Arbeitsplatz statt, sondern reiche weit ins Privatleben hinein. So würden Beschäftigte sogar zu Hause von Amazon aufgesucht, wenn sie häufiger krank sind, wie polnische Gewerkschafter berichten. Bei der Aktionswoche soll Amazon deshalb auch als Vorreiter von Kontrolle und Überwachung am Arbeitsplatz kritisiert werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1065212.linke-wollen-amazon-blockieren.html

Peter Nowak


ZUR HOMEPAGE DER KAMPAGN
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blackfriday.blackblogs.org

Solidarität über die Oder

Am Donnerstag hat die Krankenschwester Barbara Rosołowska im westpolnischen Gorzow ihren Arbeitsprozess. Sie kämpft für einen regulären Arbeitsvertrag mit vollen Arbeitnehmerrechten. Auch Unterstützer aus Deutschland werden vor Gericht anwesend sein. Sie wollen der klagenden Krankenschwester damit den Rücken stärken. Norbert Kollenda, Gründer der Initiative zur transnationalen Prozessbegleitung, hat vor einigen Wochen einen Aufruf in verschiedenen sozialen Netzwerken lanciert. »Wer kommt am 24.11. mit auf die andere Oderseite?« lautete seine Frage. Norbert Kollenda ist bei Attac aktiv, wo er seit mehreren Jahren Kontakte zu sozialen Bewegungen in Polen geknüpft hat. Die daraus entstandenen Bekanntschaften auch zu aktiven polnischen Gewerkschaftern nutzt er für den Ausbau der grenzenübergreifenden Kooperation und Solidarität.

Barbara Rosołowska wird in ihrem Arbeitskampf von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Arbeiterinitiative (IP) unterstützt. Auch für ihre KollegInnen ist der Prozess von großem Interesse. Viele der Soloselbständigen müssen in Schichten bis zu 12 Stunden täglich arbeiten und verdienen monatlich 500 bis 800 Euro. Die Auseinandersetzung um die Arbeiterrechte und die Ausstattung der Kliniken dauert bereits mehrere Jahre an. »Es gibt keine einheitlichen Löhne. Fast jede Klinik verhandelt selbst und die verschiedenen Gewerkschaften sind sich über ihre Strategie uneins« beschreibt Kollenda die schwierige arbeitsrechtliche Situation für die Beschäftigten. Die Abwanderung ist daher groß. »Da warten vor den Türen Vermittler aus Westeuropa auf die Absolventen der Pflegeschulen und zwei Drittel der 5000 Studierenden nehmen den Beruf in Polen nicht auf«, berichtet der Attac-Aktivist.

Die Klinik in Kostrzyń an der Oder, in der Rosołowska beschäftigt ist, wurde vor einigen Jahren privatisiert, erklärt Kollenda die Vorgeschichte der juristischen Auseinandersetzung. Damals seien viele Beschäftigte entlassen worden. Diese hätten sieben Jahre auf die ausstehenden Löhne gewartet. Viele Protestaktionen seien durchgeführt worden an denen sich auch Attac-Mitglieder aus Berlin und Umgebung beteiligten. Die polnischen GewerkschafterInnen sehen in der internationalen Beobachtung durch Aktivisten den Grund, warum den Beschäftigten vor sechs Monaten schließlich die ausstehenden Löhne gezahlt wurden. »Ich habe selbst erlebt, dass ausländische Beobachter immer Beachtung der polnischen Medien finden«, begründet Kollenda seine Initiative einer grenzübergreifenden Prozessbeobachtung.

Es ist nicht die einzige transnationale Unterstützung für mehr Arbeiterrechte zwischen Deutschland und Polen. Seit zwei Jahren unterstützt das Amazon-Solidaritätswerk, das Beschäftigte im Arbeitskampf unterstützen will, auch Kolleginnen und Kollegen vom Amazon-Standort Poznan.

Peter Nowak

Transnational streiken – Arbeitskampf bei Amazon

striketogether

Ende März traten erneut Beschäftigte in mehreren deutschen Amazon-Standorten in den Ausstand. Hauptforderung ist die Bezahlung nach dem Flächentarif für den Einzelhandel. Doch der Amazon-Konzern bleibt bei seiner bekannten Linie und lehnt die Forderungen ab. Für das Management ist es eine Machtfrage, die Forderungen der Beschäftigten abzuwehren. In der Dienstleistungsgewerkschaft gab es bereits im letzten Jahr Überlegungen, den Kampf bei Amazon auslaufen zu lassen. Doch längst ist der Kampf bei Amazon über eine Auseinandersetzung zwischen Konzern und Verdi hinausgewachsen.

Solidarität an der Basis

Beschäftigte, die sich in den Streikauseinandersetzungen politisiert haben, sind in den Standorten ein wichtiger Faktor an der Basis. Seit mehr als zwei Jahren hat sich zudem eine außerbetriebliche Amazon-Streiksolidarität gegründet, die mit den Beschäftigten kooperiert. Ein weiterer zentraler Pluspunkt des Amazon-Streiks ist die transnationale Dimension. Seit mehr als einem Jahr sind im Amazon-Logistikzentrum Poznan Kolleg_innen in  der anarchosyndikalistischen Workers Initiative (IP) organisiert. Gemeinsam mit den Beschäftigten organisierte sie in den letzten Monaten zwei Solidaritätsaktionen mit den Streikenden in Deutschland. Vom Verdi-Apparat gab es dabei keinerlei Unterstützung, schließlich ist die polnische Partnergewerkschaft von Verdi im Amazon-Werk in Poznan kaum vertreten. Trotzdem ist eine Kooperation der Kolleg_innen aus Deutschland und Polen gelungen. Mit Unterstützung des Solidaritätskomitees wurden die Kontakte angebahnt. „Als  wir uns das erste Mal getroffen haben, merkten wir schnell, es ist die gleiche Arbeitshetze, die gleichen Methoden der Ausbeutung“, beschreibt ein Amazon-Kollege aus Bad Hersfeld die schnelle Verständigung unter den Kolleg_innen. „Als wir uns mit dem Arbeitskampf der Kolleg_innen in Deutschland solidarisieren, spielte die Frage der Gewerkschaft überhaupt keine Rolle. Wir unterstützen die streikenden Kolleg_innen“, erklärte auch eine Amazon-Beschäftige aus Poznan. Mittlerweile hat es mehrere Treffen gegeben, bei denen aktive Kolleg_innen aus beiden Ländern sich austauschten und auch überlegten, den Arbeitskampf über die Landesgrenzen auszuweiten.

Probleme benennen

Die IP hat dabei in einer Erklärung einige Aspekte, die für die Ausweitung des Arbeitskampfes von Bedeutung sind, benannt und dabei die Probleme nicht verschwiegen. So wird das Amazon-Modell des Heuern und Feuern als hinderlich für eine Organisierung benannt.

Die Spaltung in Fest- und Zeitarbeit schwächt die Arbeiter_innen deutlich. Sie erhöht den Druck auf alle, auch auf die Festangestellten, und beschränkt die Möglichkeiten zur Selbstorganisierung. Amazon stellt zu besonderen Stoßzeiten, beispielsweise vor den Weihnachts- oder Osterfeiertagen, viele Mitarbeiter_innen ein, die danach entlassen werden. Die Arbeiter_innen leben in täglicher Angst, ihre Einkommensquelle zu verlieren oder sogar abgeschoben zu werden. Die IP hat eine Kampagne gegen die Leiharbeit gestartet, um auch die Kurzzeitbeschäftigten mit einzubeziehen. Am 1. März 2016 hat sie anlässlich des europäischen Aktionstages gegen Grenzregime und prekäre Arbeit vor mehreren Zeitarbeitsfirmen in Polen Kundgebungen organisiert. Wie in den Wochen zuvor, nahmen an den Protesten neben Beschäftigten Unterstützer_innengruppen teil. Die IP hat in ihrer Erklärung alles Nötige gesagt: „Wir sollten von dem ausgehen, was uns verbindet, und so lernen, wie wir uns gemeinsam organisieren und für höhere Löhne und angemessene Arbeitsbedingungen ohne prekäre Verträge kämpfen können. Nur wenn wir zusammenhalten, können wir bekommen, was wir alle wollen: den ganzen Kuchen statt ein paar Krümel vom Tisch unserer Herren.“

Peter NowakDer Autor ist freier Journalist (peter-nowak-journalist.de) und Herausgeber des Buches „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“

Link zur Streik-Solidarität Leipzig: streiksoli.blogsport.de

Link zur Streik-Solidarität Berlin: www.facebook.com/SolidaritaetMitDenAmazonStreiks

https://www.direkteaktion.org/verteilzeitung-mai/transnational-streiken

aus: Sonderausgabe der Direkten Aktion zum 1. Mai 2016

von Peter Nowak 

Auf dem Weg zum transnationalen sozialen Streik?

Ein Konferenzbericht von Peter Nowak*

Bereits Mitte  September hatten sich rund  30 Amazon-Beschäftigte zu einem grenzüberschreitenden Austausch  in Poznan, Sitz eines neueröffneten Amazon-Lagers in Polen getroffen, um über Auswege aus der verfahrenen Situation im Kampf um Handels–Tarife  für die Beschäftigten des Logistikriesen zu beraten. Am ersten Oktotober-Wochenende fand dort ein weiteres Treffen statt, das aus dem Blockupy-Arbeitskreis zum Thema „transnationale Streiks“ heraus entstanden war. Das sieht nach Aktivität aus –  selbst von Poznan nach Poznan scheint es allerdings ein weiter Weg, wenn noch nicht einmal vor Ort Begegnungen stattfinden und die Vernetzung schon an Grundsatzfragen wie „Was ist und wozu dient gewerkschaftliche Organisierung?“ scheitert. Paralell zu den im Folgenden beschriebenen Treffen fand ebenfalls am 3.4.Oktober auf Initiative von RLS/Die Linke ein Treffen zum Thema „Solidarität über Grenzen hinweg“ in Berlin statt, auf dem VertreterInnen von Amazon-Belegschaften aus Spanien, Frankreich und Polen zusammen mit rund 50 deutschen Amazon-KollegInnen über gemeinsame Strategien diskutierten. Schade eigentlich….

Die westpolnische Stadt Poznan hat sich in der letzten Zeit zu einem Ort des Aktivismus in Sachen Arbeitskampf und soziale Bewegungen entwickelt. . Mitte September hatten sich ca. 30 Amazon-Beschäftigte vor allem aus Polen und Deutschland in Poznan über die bessere Koordinierung transnationaler Arbeitskampfstrategien ausgetauscht. Eingeladen wurden sie von der anarchosyndikalistischen polnischen Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP, Arbeiterinitiative). Ihr ist es in wenigen Monaten gelungen, KollegInnen im Amazon-Werk in Poznan zu organisieren, das im Winter 2014 von dem Amazon-Management auch mit dem Ziel errichtet wurde, eine Alternative zu haben, wenn in Deutschland gestreikt wird. Doch die Spaltungsversuche sind bisher nicht aufgegangen. Im Juni 2015 hatte die IP erstmals eine Solidaritätsaktion mit den streikenden Amazon-Beschäftigten in Deutschland organisiert. Als das Management durch den ver.di-Streik bedingte Ausfälle im Werk von Poznan ausgleichen wollte, traten hunderte Beschäftigte in einen mehrstündigen Bummelstreik.

Genau diese Amazon-Beschäftigen beim transnationalen Strike-Meeting kaum vertreten, das am ersten Oktoberwochenende ebenfalls in Poznan stattfand. „Block Austerity“ stand auf dem Transparent im großen Saal des Stadtteilzentrums Amarant, in dem die ca. 150 TeilnehmerInnen aus ganz Europa tagten. Zu den MitorganisatorInnen gehörten Initiativen wie die Angry Workers aus Großbritannien sowie AktivistInnen sozialer Zentren Italiens. Aus Deutschland wurde vor allem von der Interventionistischen Linken und dem Blockupy-Netzwerk zur Konferenz geworben. Dominiert wurde das Treffen von Gruppen der außerparlamentarischen Linken, die sich positiv auf Arbeitskämpfe beziehen.

Mit oder ohne Gewerkschaften?

Bei den Diskussionen in den Arbeitsgruppen zeigten sich schnell die unterschiedlichen Bezüge der Konferenzbeteiligten zu Streiks und Arbeitskämpfen. So stellten Mitglieder der operaistisch orientierten Angry Workers ihre Arbeit in Warenhäusern im Londoner Osten vor. Ein Mitglied berichtete von seinem Arbeitsalltag im Betrieb. Dabei machte er seine Differenz zu gewerkschaftlichen Ansätzen deutlich. Den Angry Workers geht es darum, die Probleme der Beschäftigten und deren Umgang damit kennen zu lernen und Konflikte zuzuspitzen. Sie geben eine Zeitung heraus, in der über die Situation an verschiedenen Arbeitsstellen berichtet wird und die für Kooperation wirbt. Gewerkschaftliche Repräsentation aber lehnen die Angry Workers ab.

Heiner Köhnen vom basisgewerkschaftlichen TIE-Netzwerk orientiert sich in der Gewerkschaftsfrage an den Interessen und Wünschen der KollegInnen. In seinem Input berichtete er über Erfahrungen, die das TIE-Netzwerk bei der Stärkung basisgewerkschaftlicher Ansätze in multinationalen Konzernen gemacht hat. Zu den Grundsätzen des Netzwerkes gehört die Förderung von Selbstorganisation auch gegen die Gewerkschaftsapparate. Köhnen benannte allerdings auch die Probleme bei der Organisation, deren Ursachen nicht bei Gewerkschaftsapparaten und Parteien, sondern in der Umstrukturierung der Arbeitsprozesse liegen. Oft seien für die Kontrollen im Arbeitsprozess nicht mehr die Bosse oder irgendwelche VorarbeiterInnen, sondern scheinbar unabhängige Marktmechanismen verantwortlich. Da fehle dann der Gegner, an dem sich Konflikte entzünden und radikalisieren können. Das habe auch Einfluss auf die Haltung linker Gewerkschaftsaktivisten: „Es scheint heute attraktiv, sich als Teil eines Teams oder einer Betriebsfamilie zu verstehen. Vor diesem Druck zum Korporatismus können sich auch Kollegen nicht freimachen, die als linke Gewerkschafter genau dagegen angetreten sind.“ Mit Blick auf Brasilien berichtet Köhnen, dass aus einem kämpferischen, von mehr als 11000 Beschäftigten geführtem Streik eine korporatistische Lösung als Ergebnis herausgekommen ist. „Es wäre zu einfach, Co-Management nur als Problem der traditionalistischen Gewerkschaftspolitik zu sehen. Das Problem liegt in der Änderung der Arbeitsorganisation, wo scheinbar nur noch objektive Marktgesetze walten“, so Köhnen zu einem zentralen Problem linker Gewerkschaftspolitik.

Streik als Teil des Kampfes gegen die Austeritätspolitik

Zahlreiche KonferenzteilnehmerInnen aus Deutschland sind durch die Blockupyproteste für die Arbeitskämpfe sensibilisiert worden. „Die wesentlich von Deutschland ausgehende Austeritätspolitik kann nicht nur mit Blockaden und Großdemonstrationen bekämpft werden. Kämpfe am Arbeitsplatz ebenso wie der Widerstand gegen Zwangsräumungen und Vertreibung aus den Stadtteilen sind die wichtigen Alltagskämpfe, die Menschen politisieren und mobilisieren“, erklärte ein Berliner Blockupy-Aktivist. Am 31. Mai 2014 wurde im Rahmen der europäischen Blockupy-Aktionstage der Geschäftsbetrieb von Bekleidungsläden auf der Frankfurter Zeil für einen Tag lahmgelegt. Dabei wurden die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso thematisiert wie die internationalen Ausbeutungsverhältnisse der Bekleidungsindustrie. An diesem Tag kooperierten die Aktivisten auch mit der Belegschaft einer Filiale, die zeitgleich für höhere Löhne streikte. Doch die Kontakte mit den Beschäftigten waren temporär. Ein längerfristiger Kontakt ist meistens nicht entstanden. Ein weiterer Versuch, Arbeitskämpfe und radikale Linke zu verbinden, wurde auf der Konferenz gar nicht mehr angesprochen: der Aufruf zur Unterstützung eines europäischen Generalstreiks, der im Jahr 2013 aus dem linksradikalen Mobilisierungsnetzwerk M31 zur Diskussion gestellt wurde. Die Initiative war unter dem Eindruck eines großen Streiks in verschiedenen südeuropäischen Ländern im November 2012 entstanden. Eine kritische Reflexion über die Gründe des Scheiterns wäre durchaus auch in Poznan sinnvoll gewesen. Dabei wäre man sicher auf Probleme gestoßen, die auch auf der Konferenz deutlich wurden.

Auf der Suche nach den sozialen Streiks

In den Diskussionen auf der Konferenz spielt die Definition des sozialen Streiks eine wichtige Rolle: Ein zentrales Merkmal ist die Selbstorganisation der Beschäftigten, die von Gewerkschaften unterstützt, aber nicht angeleitet werden sollen. Außerdem soll der soziale Streik neben dem Arbeitskampf im Betrieb auch die Auseinandersetzung um die Miete und den Wohnraum umfassen. Ein sozialer Streik ist also ein Arbeitskampf, der auf die Gesellschaft ausstrahlt. Ein gutes Beispiel gab in einem Workshop in Poznan Paul L., ein vor einigen Wochen gekündigter Mitarbeiter der Lebenshilfe Frankfurt/Main. Seit Monaten kämpfen dort Beschäftigte für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. An einer Protestkundgebung während eines Gartenfests der Lebenshilfe waren Symbole der DGB-Gewerkschaften GEW und ver.di ebenso zu sehen wie die schwarzroten Fahnen der Freien Arbeiter Union. Im Anschluss an die Protestkundgebung formierte sich eine Demonstration, die durch den Stadtteil Bornheim zog, wo auf den Zusammenhang zwischen Hartz IV, Niedriglohn, Mietschulden und Zwangsräumungen hingewiesen wurde.

Die Debatte über den transnationalen Streik, wie sie in Poznan angeschnitten wurde, ist sehr wichtig. Doch wird es  eine Fortsetzung geben? Das blieb bisher offen. Dann sollte ein wesentliches Versäumnis aus Poznan nicht wiederholt werden.  Auf der Konferenz  wurde nicht versucht, mit Initiativen zu kooperieren, die bereits seit vielen Jahren einen transnationalen Widerstand gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse zu organisieren versuchen. Dazu gehört das europäische Euromarsch-Netzwerk, das bereits seit fast 20 Jahren europaweit gegen Prekarisierung aktiv ist. Es wäre sicher interessant gewesen, sich mit VertreterInnen dieses Netzwerks über ihre Erfahrungen auszutauschen.

Viele Fragen wurden in Poznan angesprochen und kontrovers diskutiert. Dazu gehörte der Vorschlag einer Plattform mit den vier Forderungen nach einem europäischen Mindestlohn, europäischem Grundeinkommen, europäischen Sozialleistungen und einer Mindestaufenthaltserlaubnis für Geflüchtete.

Schlussendlich bleibt natürlich die Frage: Wird über transnationalen Streik nur debattiert oder wird er auch praktiziert? Einige konkrete Aktionen für länderübergreifende Arbeitskampfaktivitäten wurden in Poznan ebenfalls vorgestellt. So wird in  mehreren europäischen  Ländern für einen koordinierten Streik von MigrantInnen am 1. März 2016  mobilisiert.  In mehreren Ländern ist der 1. März bereits seit einigen Jahren ein Aktionstag für migrantische Rechte. Österreichische Initiativen   haben dazu eine informative Homepage erstellt (http://www.1maerz-streik.net/index.php). Für die länderübergreifende Amazon-Karawane steht bisher ebenso wenig ein Termin fest wie für die nächsten europaweiten Blockupy-Aktionstage.

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

Ausgabe: Heft 11/2015

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Auf dem Weg zum transnationalen sozialen Streik?

Bericht vom Treffen in Poznan

Am ersten Oktober-Wochenende hatte die anarchosyndikalistische polnische Gewerkschaft  Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative) zum transnationales Streikmeeting nach Poznan eingeladen. Zu den etwa 150 Teilnehmenden gehörten Aktivisten sozialer Zentren Italiens und die Gruppe Angry Workers aus Großbritannien. Aus Deutschland waren vor allem Vertreter der Interventionistischen Linken und des Blockupy-Netzwerk gekommen.
Bei den Diskussionen in den Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass die Teilnehmenden vor allem in der Gewerkschaftsfrage Differenzen haben. Mitglieder der Angry Workers stellten ihre Arbeit in Warenhäusern im Londoner Osten vor. Ihnen gehe es darum, die Probleme der Beschäftigten und deren Umgang damit kennenzulernen und Konflikte zuzuspitzen. Gewerkschaftliche Vertretung aber lehnen die Angry Workers ab. Heiner Köhnen vom Netzwerk TIE dagegen orientiert sich in der Gewerkschaftsfrage an den Wünschen der Kollegen. Zu den Grundsätzen des Netzwerks gehört die Förderung von Selbstorganisation, auch gegen die Gewerkschaftsapparate. Köhnen benannte allerdings auch Organisationsprobleme, deren Ursachen nicht bei Gewerkschaftsapparaten und Parteien, sondern in der Umstrukturierung der Arbeitsprozesse liegen. Oft seien für die Kontrollen im Arbeitsprozess nicht mehr die Bosse oder irgendwelche Vorarbeiter, sondern scheinbar unabhängige Marktmechanismen verantwortlich. Da fehle dann der Gegner, an dem sich Konflikte entzünden und radikalisieren könnten: «Es scheint heute attraktiv, sich als Teil eines Teams oder einer Betriebsfamilie zu verstehen. Von diesem Druck zum Korporatismus können sich auch Kollegen nicht freimachen, die als linke Gewerkschafter genau dagegen angetreten sind.»
Zahlreiche Konferenzteilnehmer aus Deutschland wurden durch die Blockupyproteste für Arbeitskämpfe sensibilisiert. «Am 31.5.2014 wurde im Rahmen der europäischen Blockupy-Aktionstage der Geschäftsbetrieb von Bekleidungsläden auf der Frankfurter Zeil für einen Tag lahmgelegt. Dabei wurden die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso thematisiert, wie die internationalen Ausbeutungsverhältnisse der Bekleidungsindustrie. An diesen Tag kooperierten die Aktivisten auch mit der Belegschaft einer Filiale, die an diesem Tag für höhere Löhne streikte. Doch die Kontakte mit den Beschäftigten waren temporär.»
In den Diskussionen auf der Konferenz spielte die Definition des sozialen Streiks eine wichtige Rolle. Ein zentrales Merkmal wird in der Selbstorganisation der Beschäftigten gesehen, die von Gewerkschaften unterstützt, aber nicht angeleitet werden sollen. Außerdem soll der soziale Streik neben dem Arbeitskampf im Betrieb auch Auseinandersetzungen um Miete und Wohnraum umfassen. Ein sozialer Streik ist also ein Arbeitskampf, der auf die Gesellschaft ausstrahlt.
In Poznan wurde auch über künftige Aktionen gesprochen So soll für den transnationalen Migrantenstreik am 1.3.2016 mobilisiert werden. Es soll eine länderübergreifende Amazon-Karawane geben, dafür steht bisher jedoch ebensowenig ein Termin fest wie für die nächsten europaweiten Blockupy-Aktionstage. Auf einem Folgetreffen soll auch die Kooperation mit dem Euromarschnetzwerk gesucht werden, das seit 20 Jahren einen transnationalen Widerstand gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse organisiert. Schade war, dass sich kaum Amazon-Beschäftigte an dem Meeting beteiligten. Dabei ist es IP in wenigen Monaten gelungen, Kollegen im Amazon-Werk in Poznan zu organisieren und eine Solidaritätsaktion mit den streikenden Kollegen in Deutschland zu organisieren (siehe SoZ 6/2015).

Auf dem Weg zum transnationalen sozialen Streik?

von Peter Nowak

Verschieden und vereint

Wirtschaft & Soziales: Im polnischen Poznan trafen sich Aktivist_innen zu einer internationalen Streikkonferenz

Die westpolnische Stadt Poznan geriet im Sommer in die Schlagzeilen, weil dort Beschäftigte eines Amazon-Werks für das Angleichen von Löhnen und Arbeitsbedingungen an die Verträge in anderen europäischen Ländern protestierten und sich zugleich mit den Streiks bei Amazon in Deutschland solidarisierten. (ak 607) Am ersten Oktoberwochenende trafen sich in Poznan etwa 150 Aktivist_innen aus ganz Europa, um sich über die Möglichkeiten eines transnationalen sozialen Streiks auszutauschen. Hintergrund des Treffens ist die Einschätzung, dass der wesentlich von Deutschland ausgehenden Austeritätspolitik nicht nur mit Blockaden und Großdemonstrationen begegnet werden kann. Kämpfe am Arbeitsplatz ebenso wie der Widerstand gegen Zwangsräumungen und die Vertreibung aus den Stadtteilen sind wichtige Alltagskämpfe, die Menschen fern von Events politisieren und mobilisieren. Ein Ansatz, der bereits Schule gemacht hat. So wurde am 31. Mai 2014 im Rahmen der europäischen Blockupy-Aktionstage der Geschäftsbetrieb von Bekleidungsläden auf der Frankfurter Zeil lahmgelegt. Dabei sollten die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso thematisiert werden wie die internationalen Ausbeutungsverhältnisse der Bekleidungsindustrie. An diesem Tag kooperierten die Aktivist_innen auch mit der Belegschaft einer Filiale, die für höhere Löhne streikte. Am Rande der Blockupy-Demonstration in diesem Jahr in Frankfurt am Main und auf einem Nachbereitungstreffen in Berlin tagte die AG Arbeitskämpfe des Blockupy-Bündnisses. Mit dem Treffen in Poznan weiteten die Aktivist_innen die Diskussion über Ländergrenzen hinaus aus und legten einen Schwerpunkt auf die Verhältnisse ins Osteuropa.
In den Arbeitsgruppen standen die Aspekte des sozialen Streiks im Mittelpunkt. Ein wichtiges Merkmal ist die Selbstorganisation der Beschäftigten, die Gewerkschaften zwar unterstützen, aber nicht anleiten sollen. Das Konzept des sozialen Streiks umfasst, dass der Arbeitskampf nicht auf den Betrieb begrenzt bleibt. Ein Beispiel gab ein vor einigen Wochen entlassener Mitarbeiter der Lebenshilfe Frankfurt am Main, wo Beschäftigte für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kämpften. An einer Protestkundgebung während eines Gartenfests der Lebenshilfe beteiligten sich neben den DGB-Gewerkschaften GEW und ver.di auch die Freie Arbeiter Union (FAU). Im Anschluss gab es eine Demonstration durch den Stadtteil Bornheim, wo auch der Zusammenhang von Hartz IV, Niedriglohn, Mietschulden und Zwangsräumungen thematisiert wurde. Solche Beispiele von sozialen Streiks häufen sich.

Hoffnung auf einen transnationalen Sozialstreik
Die Kämpfe von Migrant_innen prägten die Konferenz. Den Anfang machte ein aktueller Bericht von der kroatisch-ungarischen Grenze. In einem Akt staatlich organisierter Fluchthilfe öffneten sich für unzählige Migrant_innen die Grenze, teilweise wurden sie bis nach Österreich oder Deutschland gefahren. Angesichts dieser Erfolge diskutierten die Teilnehmer_innen die Frage, ob die Migrationsbewegungen den Kämpfen gegen Austerität neuen Schwung geben können. Doch nicht nur an den territorialen Grenzen der EU sind migrantische Kämpfe zentral: Die Streiks in der Logistikbranche Norditaliens trugen Migrant_innen und auch die zu ihrer Unterstützung besetzten Häuser werden insbesondere von Arbeitsmigrant_innen und ihren Familien bewohnt. In Frankreich besetzten Migrant_innen diesen Sommer Leiharbeitsfirmen wie Adecco, Randstad und Manpower und die spanische 15-M Bewegung gründete bereits in fünf europäischen Städten sogenannte Oficinas Precarias. Hier finden prekarisierte Arbeiter_innen Unterstützung, um sich gegen Überausbeutung und die zunehmende Verwehrung sozialer Rechte zu wehren. »Wo zuvor die Grundrechte der Freizügigkeit bestanden, ist nun die Rede von Privilegien, von Rechten auf der Basis von Verdiensten am Arbeitsmarkt, welche zur Bedingung für den längerfristigen Aufenthalt und den Zugang zu sozialen Leistungen gemacht werden«, so Nicola von den Berlin Migrant Strikers.
Am Ende des Treffens stand fest, dass ein transnationaler Streik nicht ohne die Kämpfe der Migration denkbar ist, nicht zuletzt weil die derzeitigen kapitalistischen Verhältnisse auf die Regulation von Mobilität angewiesen sind.
Der Versucheines transnationalen Streiks muss sicherlich von dem Paradox ausgehen, dass wir alle von Prekarisierung und Ausbeutung betroffen sind, dennoch unterschiedliche Probleme und Forderungen haben. »Gerade die Frage der sozialen Leistungen wird heute genutzt, um Hierarchien zwischen Migranten und Staatsbürgern, zwischen neuen und alten Migranten, zwischen EU-externen und internen Migranten zu schaffen«, so Paola von der Gruppe Precarious (Dis)Connections aus Bologna. Daraus ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen: Es könne nicht nur um die Arbeiter_innen gehen, die eine Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche haben, betonte Paola. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, nicht nur Arbeitskämpfe, sondern das Soziale insgesamt zu repolitisieren, damit Streiks unter den neoliberalen Verhältnissen wieder eine gesellschaftliche Kraft entwickeln, wie Tomas von der Interventionistischen Linken bemerkte.
Schon im Vorfeld des Treffens stand der Vorschlag im Raum, den Prozess des transnationalen sozialen Streiks um eine gemeinsame politische Plattform von vier Forderungen herum aufzubauen: europäischer Mindestlohn, europäisches Grundeinkommen, europäische Sozialleistungen und Mindestaufenthaltserlaubnis für Migrant_innen in der EU. Diese Forderungen blieben umstritten: Manchen erschienen sie zu reformistisch, anderen zu utopisch, einigen zu eurozentrisch. Dennoch vereinbarten die Aktivist_innen, zum 1. März 2016 mit vereinten Kräften zu einem europaweiten Migrant_innen-Streik zu mobilisieren. Zudem soll die Karawane von Amazon-Arbeiter_innen zwischen Standorten in Italien, Frankreich, Deutschland und Polen unterstützt werden, falls sich die Arbeiter_innen im Februar für diese Aktion entscheiden. Für nächstes Jahr ist ein weiteres transnationales Sozialstreiktreffen geplant.
Peter Nowak ist freier Journalist und Aktivist aus Berlin.
Lisa Riedner ist Migrationsforscherin und betreibt mit der
Initiative Zivilcourage ein temporäres workers center in München.

ak 609 vom 20.10.2015

https://www.akweb.de/

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Italienische Übersetzung des Artikels:

Differenziato e connesso. Sul meeting transnazionale di Poznan

di PETER NOWAK e LISA RIEDNER

Nowak Rieder PoznanPubblichiamo la traduzione italiana dell’articolo di Peter Nowakgiornalista freelance e attivista di Berlino – e Lisa Riedner – ricercatrice nel campo delle migrazioni e attivista presso un temporary workers center della Initiative Zivilcourage di Monaco. L’articolo è comparso sul n. 609 della rivista «Analyse & Kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis» il 20 ottobre 2015.

La scorsa estate la città polacca di Poznan è salita alla ribalta per la protesta dei lavoratori di Amazon, che hanno rivendicato un adeguamento dei propri salari e delle proprie condizioni di lavoro ai contratti esistenti negli altri paesi europei, esprimendo solidarietà con gli scioperi dei lavoratori di Amazon in Germania.

Nel primo week-end di ottobre circa 150 attivisti/e provenienti da tutta l’Europa, si sono incontrati a Poznan per confrontarsi sulle possibilità di uno sciopero sociale transnazionale. Alla base dell’incontro c’è la considerazione che non sia possibile fronteggiare la politica di austerità intrapresa dalla Germania solo attraverso blocchi e grandi manifestazioni. Lotte importanti sono anche le battaglie che quotidianamente si svolgono sul posto di lavoro o le resistenze contro gli sfratti e le espulsioni dai quartieri. Queste lotte, infatti, riescono a mobilitare e politicizzare le persone che le grandi manifestazioni non riescono ad attrarre. Si tratta di un approccio che ha già fatto scuola. Già il 31 maggio 2014, durante le Blockupy-Aktionstage, fu bloccata l’attività di tutti i negozi di abbigliamento nella Frankfurter Zeile [la via commerciale] a Francoforte. Ciò serviva a denunciare le pessime condizioni di lavoro dei dipendenti e i rapporti di sfruttamento nell’industria tessile. Durante questa giornata, attivisti e attiviste hanno cooperato con i lavoratori di un negozio che scioperavano per l’aumento di salario. Quest’anno, poi, nel corso della tre giorni di Blockupy a Francoforte e durante un incontro di preparazione a Berlino si è riunito il gruppo di lavoro «Lotte del lavoro» della coalizione di Blockupy. Durante l’incontro a Poznan, inoltre, attivisti e attiviste hanno allargato la prospettiva della discussione, andando oltre i confini dei propri Stati e mettendo l’accento sui rapporti con l’Europa dell’Est.

Tema centrale dei gruppi di lavoro sono stati i diversi aspetti dello sciopero sociale. Un aspetto molto importante è quello dell’auto-organizzazione dei lavoratori, che dovrebbe essere sostenuta, ma non guidata, dai sindacati. L’idea dello sciopero sociale è che le lotte del lavoro non devono rimanere confinate nelle singole aziende. Un esempio è rappresentato dal licenziamento, qualche settimana fa, di un dipendente della Lebenshilfe di Francoforte, i cui lavoratori stavano lottando per un salario più alto e migliori condizioni di lavoro. In una manifestazione di protesta, svoltasi durante una festa della Lebenshilfe, si è vista la partecipazione della Freie Arbeiter Union (FAU), accanto ai sindacati DGB – Gewerschaften dei GEW e Ver.di. Alla fine dell’evento, si è svolta una manifestazione nel quartiere di Bornheim, in cui è stata tematizzata la relazione tra Hartz IV, bassi salari, affitti arretrati e sfratti. Queste forme di sciopero sociale sono in aumento.

La speranza di uno sciopero sociale transnazionale

L’incontro di Poznan è stato caratterizzato dalle lotte dei migranti. Uno degli interventi di apertura ha raccontato quanto avvenuto di recente sul confine croato-ungherese. Attraverso un’azione della Fluchthilfe –  organizzata a livello statale – si sono aperte le frontiere per molti migranti, che sono in parte riusciti a raggiungere l’Austria e la Germania. A partire dalla capacità dei migranti di mettere in questione i confini, i partecipanti al meeting di Poznan si sono chiesti se i movimenti dei migranti possano dare un nuovo impulso alle lotte contro l’austerità. Le lotte dei migranti, infatti, non sono rilevanti solo ai confini dell’Europa. Nell’Italia settentrionale sono stati i migranti che hanno portato avanti gli scioperi nel settore della logistica e preso parte insieme alle famiglie all’occupazione delle case in supporto agli scioperi. In Francia quest’estate i migranti hanno occupato gli immobili delle società di lavoro interinale come Adecco, Randstad e Manpower e il movimento spagnolo 15M ha fondato già in 5 città europee le cosiddette Oficinas Precarias. Qui i lavoratori precari trovano sostegno nella lotta contro l’intensificazione dello sfruttamento e la crescente sottrazione di diritti sociali. «Dove prima c’erano diritti fondamentali di libera circolazione, ora si parla di privilegi, di diritti basati sui guadagni nel mercato del lavoro, diritti che diventano la condizione per un soggiorno a lungo termine e per l’entrata nel welfare sociale», come dice Nicola dei Berlin Migrant Strikers.

Al termine dell’incontro è risultato chiaro che uno sciopero transnazionale non è pensabile senza le lotte dei migranti, non da ultimo per il fatto che il capitalismo contemporaneo dipende dal governo della mobilità. L’esperimento di uno sciopero transnazionale deve sicuramente partire dal paradosso che tutti siamo colpiti dalla precarizzazione e dallo sfruttamento e che, allo stesso tempo, abbiamo problemi e rivendicazioni diversi. «Le prestazioni sociali sono oggi utilizzate per creare gerarchie tra migranti e cittadini, tra nuovi e vecchi migranti, tra migranti esterni e interni all’Europa», dice Paola del gruppo ∫connessioni Precarie di Bologna. Da ciò derivano due sfide fondamentali: non si tratta solo di far riferimento ai lavoratori con un permesso di soggiorno in tasca, dice Paola. Un’altra sfida è ripoliticizzare, oltre alle lotte del lavoro, anche il sociale nel suo complesso, in modo che gli scioperi sviluppino nuovamente una forza sociale per contrastare il neoliberalismo, come nota Thomas di Interventionistische Linke.

Già prima del meeting era stata presentata la proposta di costruire il processo dello sciopero sociale transnazionale attorno a una piattaforma politica comune con quattro rivendicazioni: salario minimo europeo, reddito di base europeo, welfare sociale e permesso di soggiorno minimo europei per migranti nella EU. Queste rivendicazioni restano ancora controverse: ad alcuni sembrano eccessivamente riformiste, ad altri troppo utopiche, ad altri ancora troppo eurocentriche. Ciononostante gli attivisti hanno concordato una mobilitazione che, unendo le forze, possa portare a uno sciopero europeo attorno alla questione del lavoro migrante il primo marzo 2016. Dovrebbe inoltre essere sostenuta la carovana dei lavoratori e delle lavoratrici di Amazon nelle diverse sedi in Italia, Francia, Germania e Polonia, se questi decidessero una mobilitazione per febbraio. Un altro meeting per lo sciopero sociale transnazionale è stato pianificato per il prossimo anno.

Differenziato e connesso. Sul meeting transnazionale di Poznan

Von Amazon bis Zwangsräumung

Im polnischen Poznań diskutierten Linke, Basisgewerkschafter und Operaisten Anfang Oktober über transnationale Streiks und gemeinsame Strategien.

»Block Austerity« steht auf dem Transparent im großen Saal des Stadtteilzentrums Amarant in der westpolnischen Stadt Poznań. Etwa 150 Menschen diskutierten hier unter dem Motto »Dem transnationalen Streik entgegen« neue Ansätze der Vernetzung. Das Ziel der Konferenz ist es, über bestehende Grenzen und Regionen hinweg den Austausch zwischen Arbeits- und sozialen Kämpfen zu vertiefen. Neben klassischen Arbeitskämpfen im Betrieb soll der soziale Streik zudem die Auseinandersetzung um Miete und Wohnraum umfassen.

Zu den Organisatoren gehörten Initiativen wie die Angry Workers aus Großbritannien und Aktivisten sozialer Zentren Italiens. In Deutschland hatten vor allem die Interventionistische Linke und das Blockupy-Netzwerk für die Teilnahme an der Konferenz geworben.

Dass Poznań in letzter Zeit in den Fokus sozialer Initiativen aus ganz Europa gerückt war, ist vor allem der Inicjatywa Pracownicza (IP, Arbeiterinitiative) zu verdanken. Die polnische anarchosyndikalistische Gewerkschaft hatte im Spätherbst vergangenen Jahres zahlreiche Beschäftigte des am Rande der Stadt eröffneten Zentrums des Internethändlers Amazon organisiert. Im Juni initiierte die IP erstmals eine gemeinsame Solidaritätsaktion mit den streikenden Amazon-Beschäftigten in Deutschland und Mitte September tauschten sich etwa 30 Amazon-Beschäftigte, vor allem aus Polen und Deutschland, in Poznań über die Koordinierung transnationaler Arbeitskampfstrategien aus. Bei vergangenen Streiks in Deutschland wurden Bestellungen häufig an polnische Versandzentren weitergeleitet.

Mitglieder der operaistischen Angry Workers berichteten von ihrer Arbeit in Warenhäusern im Londoner Osten. Im Unterschied zu gewerkschaftlichen Ansätzen geht es den Angry Workers vor allem darum, von den Problemen der Beschäftigten und ihrem Umgang damit zu erfahren und Konflikte auch zuzuspitzen. Eine gewerkschaftliche Repräsentation lehnt die Gruppe aber ab. In ihrer Zeitung Workers Wild West berichten sie regelmäßig über lokale Konflikte an Arbeitsplätzen und werben für Kooperation.

Heiner Köhnen vom deutschen Zweig des basisgewerkschaftlichen Netzwerkes TIE betont im Gespräch mit der Jungle World, man habe in den vergangenen 15 Jahren gute Erfahrungen bei der Stärkung basisgewerkschaftlicher Ansätze gerade in multinationalen Konzernen gemacht. Das weltweite Netzwerk beschäftigt sich unter anderem mit Forschung zu sozialen Bewegungen, Arbeitsorganisation und -kämpfen und bietet Schulungen für Betriebsräte an. Es orientiere sich in der Gewerkschaftsfrage an den Interessen der Beschäftigten, doch zu seinen Grundsätzen gehöre die Förderung von Selbstorganisation, auch gegen Gewerkschaftsapparate, so Köhnen.

Mit Blick auf Brasilien berichtet er, dass ein von mehr als 11 000 Beschäftigten geführter kämpferischer Streik mit einer korporatistischen Lösung beendet wurde. Comanagement sei aber nicht nur ein Problem der traditionalistischen Gewerkschaftspolitik. Probleme der Organisierung seien auch auf die Umstrukturierung der Arbeitsprozesse zurückzuführen. So seien für die Kontrolle im Arbeitsprozess oft nicht mehr Chefs oder Vorarbeiter, sondern scheinbar unabhängige Marktmechanismen verantwortlich. Da fehle der Gegner, an dem sich Konflikte entzünden und radikalisieren könnten. »Es ist attraktiv, sich als Teil eines Teams oder einer Betriebsfamilie zu verstehen. Von diesem Druck zum Korporatismus können sich auch Kollegen nicht freimachen, die als linke Gewerkschafter dagegen angetreten sind«, sagt Köhnen. Es geht um die Frage, inwieweit durch die Änderungen der Arbeitsorganisation forcierte Bedingungen dem Handeln basisorientierter und hierarchiefreier Gewerkschaften Grenzen setzen.

Zahlreiche Konferenzteilnehmer aus Deutschland sind durch die Blockupy-Proteste für Arbeitskämpfe und gewerkschaftliche Themen sensibilisiert worden. Ein Berliner Blockupy-Mitglied betont: »Die wesentlich von Deutschland ausgehende Austeritätspolitik kann nicht nur mit Blockaden und Großdemonstrationen bekämpft werden.« Politisiert und mobilisiert werden die Menschen durch »wichtige Alltagskämpfe«, wie etwa Konflikte am Arbeitsplatz und Widerstand gegen Zwangsräumungen und Vertreibung aus Stadtteilen.

Am 31. Mai vergangenen Jahres wurde im Rahmen der europäischen Blockupy-Aktionstage der Geschäftsbetrieb von Bekleidungsläden auf der Frankfurter Zeil einen Tag lang lahmgelegt, dabei wurden die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso thematisiert wie die internationalen Ausbeutungsverhältnisse in der Bekleidungsindustrie. Damals kooperierten die Protestierenden auch mit der Belegschaft einer Filiale, die an jenem Tag für höhere Löhne streikte. Doch die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten war zeitlich begrenzt, ein längerfristiger Kontakt entstand nicht.

Der Aufruf zum europäischen Generalstreik, der 2013 vom außerparlamentarischen M31-Netzwerk initiiert worden war, sollte genau diese Vernetzung auf transnationaler Ebene weiter vorantreiben. Die Initiative war unter dem Eindruck eines großen Streiks in verschiedenen südeuropäischen Ländern entstanden und dann wieder versandet. Das mag vor allem daran gelegen haben, dass die Kontakte zu potentiell kämpferischen Belegschaften bei den Initiatoren des Aufrufs zu wenig ausgeprägt waren.

Ein zentrales Merkmal vieler derzeitiger Kämpfe ist die Selbstorganisation der Beschäftigten, die von Gewerkschaften teilweise unterstützt, aber nicht angeleitet wird. Ein Beispiel für diese neuen Kämpfe ist der Konflikt der Beschäftigten mit der Lebenshilfe Frankfurt/Main. Seit Sommer vergangenen Jahres kämpfen sie für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen bei der Pflege und Betreuung behinderter Menschen. Vor einigen Wochen wurde Paul L., ein gewerkschaftlich aktiver Mitarbeiter, entlassen. In einer der Arbeitsgruppen berichtete er in Poznań über den Arbeitskampf bei der Lebenshilfe als Beispiel für einen sozialen Streik. Bei einer Protestkundgebung Mitte September während eines Fests der Lebenshilfe waren Symbole der DGB-Gewerkschaften GEW und Verdi ebenso vertreten wie die schwarzroten Fahnen der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU). Anschließend gab es eine Demonstration durch den Stadtteil Bornheim, wo außerdem auf den Zusammenhang von Hartz IV, Niedriglohn, Mietschulden und Zwangsräumungen hingewiesen wurde. Das Beispiel zeigt, dass in kleineren Betrieben oder Belegschaften soziale Streiks oft einfacher möglich und schneller realisierbar sind als in Großbetrieben.

Doch gerade kleinere Streiks sind schwieriger auf ein internationales Niveau zu heben. Initiativen wie das Euromarsch-Netzwerk, das bereits seit fast 20 Jahren europaweit gegen Prekarisierung aktiv ist, nehmen sich dieses Problems an.

Die Schaffung einer politischen Plattform wurde in Poznań kontrovers diskutiert. Vier Grundforderungen – nach einem europäischen Mindestlohn, einem europäischen Grundeinkommen, europäischen Sozialleistungen und einer Mindestaufenthaltserlaubnis für Geflüchtete – sind die inhaltliche Basis des Bündnisses. Konkrete Pläne gibt es bereits für einen transnationalen Migrantenstreik am 1. März 2016 und eine noch nicht länderübergreifende Amazon-Karawane, für die bisher kein Termin feststeht. Unklar sind auch noch Ort und Datum der nächsten europaweiten Blockupy-Aktionstage.

http://jungle-world.com/artikel/2015/42/52833.html

Peter Nowak

Grenzenloser Streik

Auch am Amazon-Standort im polnischen Poznan wurde gestreikt.

Transparente hingen in der letzten Junihälfte rund um das Amazon-Werk im polnischen Poznań.»Wir unterstützen die Streiks bei Amazon in Deutschland«, war auf den Bannern zu lesen.  Es blieb nicht bei Bekenntnissen. Die Nachtschicht bei Amazon in Poznań solidarisierte sich Vom 24. auf den 25. Juni  solidarisierte sich die Nachtscickt durch demonstratives Bummelstreiken mit dem Arbeitskampf bei Amazon-Deutschland. Andere Beschäftigte stellten kurzfristig Urlaubsanträge, um keine Streikbrecher_innen  zu werden. Tage vorher hatten Mitglieder der anarchosyndikalistischen Inicjatywa Pracownicza (IP) in dem Werk Flugblätter über den Verdi-Streik in Deutschland verteilt. Als Dezember 2014 die Werke in Poznań und Wrocław eröffent wurden,  erklärte der Logistikchef von Amazon Europe, Tim Collins, dass die polnische Dependance für pünktliche Lieferungen an Amazon-Kunden sorgen werde, auch wenn Verdi in Deutschland zum Arbeitskampf aufrufe  „Amazon-Pakete kommen jetzt aus Polen“, titelte das Handelsblatt am 15. Dezember 2014.  Damals  brachten an verschiedenen Amazon-Standorten in Deutschland   Beschäftigte  das Weihnachtsgeschäft des Online-Magazins  durch Streiks ins Stocken.    Anfang Juli 2015 musste denn auch das Handelsblatt melden, dass die Beschäftigten bei Amazon-Poznan ebenfalls für höhere Löhne  und der Angleichung von Löhnen und  Arbeitsbedingungen  an die Verträge in anderen europäischen Ländern kämpfen. In einer Reportage für die Welt vom 18.7. wurde gar ein besonders negatives Bild von den Arbeitsbedingungen bei Amazon-Poznan gezeichnet:„13 Zloty pro Stunde verdienen die Arbeiter: drei Euro. Stühle gibt es nicht, dafür unbezahlte Überstunden. In Polen bekommt Amazon jetzt Ärger mit staatlichen Prüfern – und den eigenen Angestellten.“ Damit soll suggeriert werden, dass es die besonders schlechten Arbeitsbedingungen in Poznan sind, die zu der Kampfbereitschaft führten. Damit soll die transnationale Dimension des Arbeitskampfs ausgeblendet werden. Auffällig ist auch, dass die Gewerkschaft IP, die die Kämpfe bei Amazon-Poznan führt, in dem  Welt-Artikel  nicht erwähnt wird. Damit bleibt das Blatt aus dem Hause Springer seiner Linie treu, linke Basisgewerkschaften entweder zu verschweigen oder  wie die Freie Arbeiter_innen Union  (FAU) als linksextremistisch zu diffamieren. Mittlerweile hat das Amazon-Management eine Lohnerhöhung für die ca. 2000 Beschäftigten von Amazon-Poznan  zugestimmt. Für die IP ist dieser erste Erfolg  ein Ergebnis der Kampfbereitschaft der Beschäftigten und kein Grund,  die Auseinandersetzungen zu beenden oder die transnationale  Ebene zu vernachlässigen.
Mitte Mai organisierte die Gewerkschaft unter der Parole »My Prekariat« (Wir Prekären) eine erste Warschauer Mayday-Parade mit knapp 350 Teilnehmer_innen. Neben Beschäftigten von Universitäten, Bauarbeiter_innen, Theaterleuten und Erzieher_innen  beteiligten sich auch Arbeiter_innen  von Amazon aus  Polen und Deutschland an der Aktion. Vom 2. bis zum 4. Oktober 2015  wird  unter dem Motto „Dem transnationalen Streik entgegen“   zu einer Tagung  nach Poznan eingeladen.  In Arbeitsgruppen soll erörtert werden, wie man sich kollektiv gegen die Fragmentierung und Individualisierung der Arbeit wehrt. Es geht um die Vernetzung fester und befristeter Angestellter und die Frage, wie die kapitalistische Ausbeutung länderübergreifend angegriffen werden kann. „Wir treffen uns in Poznan, um die Beteiligung aus den osteuropäischen Ländern zu erhöhen, denn diese stehen im Mittelpunkt des heutigen Ausbeutungsregimes. Ziel ist es auch, den Austausch zwischen Arbeits- und sozialen Kämpfen zu vertiefen, über bestehende Grenzen und Regionen hinweg“, wird die Ortswahl begründet Die  polnischen Kolleg_innen haben schon  in den letzten Monaten deutlich  gemacht haben, dass es ihnen um die Mobilisierung der Basis und nicht um einen Austausch unter Gewerkschaftsfunktionär_innen geht.  Auch die Solidarisierung mit den Amazon-Streiks in Deutschland ging von der Belegschaft aus.  Eine IP-Aktivistin erklärte  in einem Interview mit der jungen Welt, wie es zu der Aktion kam, als die Geschäftsleitung von Amazon von den Beschäftigten in Poznan angesichts des Streiks in Deutschland Mehrarbeit verlangt hätten:
„Wir sollten also Streikbrecherarbeit machen. Das machten wir den Kollegen auf Flugblättern deutlich. Wir waren auch mit Streik-T-Shirts im Betrieb und machten den Arbeitskampf in Deutschland zum Gesprächsthema. In dieser Situation ist ein sogenannter wilder Streik ausgebrochen – den haben nicht wir organisiert, was wir als Gewerkschaft auch gar nicht dürfen. Es war eine spontane Aktion aus Wut über die angeordneten Überstunden, während die deutschen Kollegen im Ausstand waren. Sie zeugte von der großen Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen bei Amazon in Polen. Und der Gedanke der Solidarität war ganz wichtig, denn als früher Überstunden angeordnet wurden, hat es keinen derartigen Protest gegeben“.
Die Pressesprecherin des Verdi-Bundesvorstandes Eva Völpel erklärte, dass  ihre Gewerkschaft bisher nicht mit der IP  sondern mit der sozialpartnerschaftlich ausgerichteten polnischen   Gewerkschaft Solidarnosc kooperierte. Die Kooperation mit der IP wurde bisher vor allem von der außerbetrieblichen Amazon-Solidarität vorangetrieben.
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Transnationale Streikkonferenz in Poznań

Unter dem Motto „Dem transnationalen Streik entgegen“ wird zu einer Konferenz aufgerufen, die vom2. Oktober bis 4. Oktober stattfindet. Vor allem prekär Beschäftigte und prekär Lebende sowie Aktivist_innen sind aufgerufen, ins polnische Poznań zu kommen, um gemeinsam über Perspektiven nachzudenken und Handlungsoptionen zu entwickeln. Angesichts der „neuen Realitäten in Europa“ müsse sich auch gegen die Austerität und ihre Auswüchse gerichtet werden, heißt es im Aufruf. Die Zusammenkunft will einen Prozess zur Bewältigung von Hierarchien unter, zwischen und innerhalb Europas     und eine Sortierung in Festangestellte, Zeitarbeiter_innen und Erwerbslose, Migrant_innen und Einheimische sowie zwischen formellem und informellem Sektor weiter anstoßen. Grundlegende Streitfragen stehen auf der Agenda für das Wochenende. So wird besprochen, weshalb  sich die transnationalen Fabrikations- und Versorgungsketten der Produktion verändert haben, wie Grenzen überwunden werden können oder warum traditionelle Formen der Arbeitskämpfe und Streiks überdacht werden sollten. Zugleich sind die  Rolle von Arbeitsmigrant_innen und Mobilität, die sozialen Bedingungen der Ausbeutung sowie neue Formen kollektiver, lokaler Organisierung Themen der geplanten Arbeitsgruppen.  Ziel der in englischer Sprache stattfindenen Konferenz ist es, Taktiken und Forderungen zu entwickeln, die sich als Werkzeuge für transnationale Organisierung und Kommunikation eignen.

ak 607 vom 18.8.2015

https://www.akweb.de/

Peter Nowak

Transnational streiken

»Wir unterstützen die Streiks bei Amazon in Deutschland« – Transparente mit diesem Motto hingen in der letzten Junihälfte rund um das Amazon-Werk in Poznań (Polen). Es blieb nicht bei Bekenntnissen. Die Nachtschicht bei Amazon in Poznań solidarisierte sich vom 24. auf den 25. Juni durch demonstratives Bummelstreiken mit dem Streik bei Amazon-Deutschland. Andere Beschäftigte stellten kurzfristig Urlaubsanträge, um keine Streikbrecher zu werden. Tage vorher hatten Mitglieder der anarchosyndikalistischen Inicjatywa Pracownicza (IP) in dem Werk Flugblätter über den Verdi-Streik in Deutschland verteilt und dabei T-Shirts mit dem Slogan »Pro Amazon mit Tarifvertrag« getragen. Noch im Dezember 2014 bei der Eröffnung der Werke in Poznań und Wrocław erklärte der Logistikchef von Amazon Europe, Tim Collins, dass die polnische Dependance für pünktliche Lieferungen an Amazon-Kunden sorgen werde, auch wenn Verdi in Deutschland zum Arbeitskampf aufrufe. Doch schon vor Weihnachten 2014 hatte sich ein Teil der Belegschaft an die IP gewandt, weil sie mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden war. Mitte Mai organisierte die Gewerkschaft unter der Parole »My Prekariat« (Wir Prekären) eine erste Warschauer Mayday-Parade mit knapp 350 Teilnehmern. Neben Beschäftigten von Universitäten, Bauarbeitern, Theaterleuten und Erziehern beteiligten sich auch Arbeiter von Amazon daran. Vom 2. bis zum 4. Oktober 2015 haben auch die Amazon-Beschäftigten Gelegenheit, Kontakt zu den polnischen Kollegen aufzunehmen. Am ersten Oktoberwochenende wird zu einer Tagung mit dem Thema transnationaler sozialer Streik in Poznań aufgerufen. In Arbeitsgruppen soll erörtert werden, wie man sich kollektiv gegen die Fragmentierung und Individualisierung der Arbeit wehrt. Es geht um die Vernetzung fester und befristeter Angestellter und die Frage, wie die kapitalistische Ausbeutung länderübergreifend angegriffen werden kann.

http://jungle-world.com/artikel/2015/31/52416.html
Peter Nowak

Keine Geschenke

Deutschland: Bei Amazon wurde wieder gestreikt

An mehreren deutschen Standorten des Online-Handlers  Amazon wurde im März wieder gestreikt.   Wie schon in den Wochen vor Weihnachten sah die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di  auch vor dem   Ostergeschäft  eine gute Gelegenheit, um  den Druck auf den Konzern zu erhöhen. Die  Beschäftigten kämpfen  für einen Tarifvertrag nach den Bestimmungen des Onlinehandels. Amazon orientiert sich bisher am Logistiktarifvertrag, der für die Mitarbeiter_innen mit geringerem Lohn verbunden ist.

Der neue Streikzyklus bei  Amazon begann am 13. März als  sich  Amazon auf der Buchmesse  in Leipzig  als  erfolgreicher Global Player präsentieren wollte. Mit diesem   Streikauftakt  bekam der Arbeitskampf eine  maximale Aufmerksamkeit.  Im Anschluss wurde auch an den  Amazon-Standorten Bad Hersfeld in Osthessen und Graben in Bayern  gestreikt.  Das Amazon-Management reagierte  mit der lapidaren Erklärung, alle Aufträge würden termingerecht erfüllt. Allerdings wird  dabei nicht erwähnt, dass Amazon sowohl vor dem Weihnachts- wie dem Ostergeschäft zusätzliche Beschäftigte eingestellt hat, um  die Streikfolgen aufzufangen. Zudem hat Amazon im letzten Jahr in Polen zwei neue Niederlassungen eröffnet, um den Versandhandel  von dort abzuwickeln, wenn in Deutschland   gestreikt wird.

Während diese Zusammenhänge  in einen  Großteil der Medien  nicht  vermittelt wurden, bieb die Erklärung des Managements, es gäbe keine Behinderungen beim Versandhandel.   So verstärkt sich in der Öffentlichkeit der Eindruck,  Ver.di kann gegen einen global agierenden   Konzern wie Amazon nicht gewinnen. Dass die Bilanz von ver.di  nach den beiden Streikrunden nicht optimal  ist, bestätigte auch  verdi-Sekretärin Mechthild Middeke im Interview mit der  „Zeitung für sozialistische   Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“  express: „Der wirtschaftliche Druck ist da, wenn auch nicht in ausreichender Dimension“.  Einen zentralen Grund  sieht sie in den vielen befristeten Arbeitsverhältnissen. „Nicht alle, doch einige Befristete hatten auch während der vorweihnachtlichen Streiks mitgemacht und die sind nun einfach nicht mehr da.“

Was den Amazon-Streik von anderen Arbeitskämpfen heraushebt, sind kontinuierlich arbeitende außerbetriebliche Solidaritätsgruppen.  Die Initiative dazu ging im letzten Jahr von Studierenden in Leipzig aus. Mittlerweile sind auch in Berlin, Hamburg und Frankfurt/Main örtliche Solidaritätsgruppen entstanden. Es  gab bereits zwei bundesweite Treffen der Amazon-Solidarität.   Beschäftigte und Solidaritätsgruppen trugen   am 18.3.  in Frankfurt/Main ein Transparent mit der Aufschrift „Amazon  Strikers meet Blockupy“ was deutlich macht, dass die Kooperation nicht nur vor dem Werkstoren stattfindet.   Diese Solidaritätsgruppen versuchen auch verschiedene Arbeitskämpfe   zu koordinieren. So beteiligten  sich die streikenden Amazon-Beschäftigten in Leipzig am 30. März an einer Demonstration von Kita-Mitarbeiter_innen, die an diesem Tag ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen sind.  An diesen Tag nahm auch eine Delegation  der  kämpferischen italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas an der Demonstration in Leipzig teil.  Die Gewerkschaft hat in Italien in den letzen Jahren einige Erfolge bei der Organisierung von Beschäftigten  in der Onlinehandels- und Logistikbranche zu verzeichnen.   Der Mailänder SI-Cobas-Gewerkschafter Roberto Luzzi betonte  bei einer Veranstaltung in Berlin die Bedeutung  einer transnationalen Kooperation im Arbeitskampf. Die  Notwendigkeit ergäbe sich schon aus der Tatsache, dass der Versandhandel in kurzer Zeit in ein anderes Land, beispielsweise  von Leipzig nach Poznan,  verlagert werden kann.   Ein solcher schneller Wechsel  ist in dieser Branche auch deshalb so einfach, weil es dort keine Hochöfen oder komplexe Maschinenparks gibt, die nicht so einfach verlegt werden können. Würde damit nicht auch die materielle Grundlage für das Standortdenken bei großen Teilen der Belegschaft wegfallen, das  transnationale Arbeitskämpfe massiv erschwert, diese Frage stellten sich Teilnehmer_innen  Veranstaltung in Berlin. Schließlich hat dieses Standortdenken seine materielle  Grundlage oft in der Überzeugung, dass  der     „eigene“ Betrieb nicht so leicht verlagert werden kann.

Wenn Arbeitskämpfe gegen einen Konzern wie Amazon nicht in einem Land gewonnen werden können, ist ein Agieren  über Ländergrenzen   existentiell. Einige Beispiele wurden in Berlin  genannt.   So streikten kurz vor Weihnachten 2014  Amazon- Beschäftigte in   Frankreich und bezogen sich dabei  auf die Arbeitskämpfe in Deutschland.  Auch im Amazon-Werk in Poznan ist bei der Belegschaft der Unmut über die Arbeitsbedingungen gewachsen.

https://www.akweb.de/

ak analyse und kritik, 604/2015ak Banner

Peter Nowak

Solidarität in Logistik und Onlinehandel

Italienische Arbeiter zu Besuch beim Amazon-Streik

bekam am 30. März viel Applaus im Streikzelt der Amazon-Beschäftigten in Leipzig. Er hat im Rahmen einer Delegation der italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas den Streikenden einen Solidaritätsbesuch abgestattet und Grüße überbracht. Bei einer Veranstaltung und einem Workshop in Berlin berichteten die SI-Cobas-Gewerkschafter, wie sie in den letzten Monaten im italienischen Logistikbereich erfolgreich Beschäftigte organisieren und Tarifverschläge abschließen konnten, die ihnen Lohnerhöhungen und weniger Arbeitshetze garantieren.

Die großen italienischen Gewerkschaftsverbände haben sich in einem Brief an die Logistikunternehmer beschwert, dass diese mit der kleinen Basisgewerkschaft bessere Tarifverträge als mit ihnen abschließen. »Die haben nicht begriffen, dass diese Verträge kein Geschenk der Unternehmen sondern ein Ergebnis der kämpferischen Gewerkschaftspolitik ist«, meint Luzzi. Dass sich die Amazon-Beschäftigten und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit ihren Arbeitskampf gegen ihre Einstufung als Logistiker wehren und für den einen Tarifvertrag nach den deutlich besseren Konditionen des Einzel- und Versandhandels kämpfen, verstehen die italienischen Kollegen. »Über die Feinheiten des deutschen Tarifrechts wissen die Amazon-Kollegen am besten Bescheid. Doch wichtig ist uns, die spezifischen Kampfbedingungen herauszuarbeiten, der in der Logistik und im Onlinehandel unabhängig von der tariflichen Einordnung gilt«, erklären sie auf dem Workshop.

So haben die Streikenden im italienischen Logistikbereich in den letzten Monaten die Tore der Unternehmen blockiert und sie damit an einem neuralgischen Punkt getroffen. Wenn es Verzögerungen bei der Warenauslieferung gibt, drohen hohe Verluste.

Amazon hatte seine Filiale im polnischen Poznan errichtet, um die Waren von dort auszuliefern, wenn in Deutschland gestreikt wird. Die Gewerkschafter betonten in Berlin, dass das Fehlen eines großen Maschinenparks in dieser Branche eine länderübergreifende Solidarität erleichtern könnte. Schließlich habe das Standortdenken bei Beschäftigten der fordistischen Schwerindustrie, das länderübergreifende Kämpfe erschwert, ihre Grundlage eben in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern ist. Doch wie sieht es mit der länderübergreifenden Solidarität bei Amazon aus? Ermutigende Beispiele wurden auf der Veranstaltung genannt. So streikten vor Weihnachten 2014 auch in Frankreich Amazon-Beschäftigte und bezogen sich auf den Arbeitskampf in Deutschland. Auch im Standort Poznan wächst die Unzufriedenheit. Ein Beschäftigter beschrieb die Stimmung im Werk Ende 2014 so: »Im Dezember drang die Unzufriedenheit der Leiharbeiter bei Amazon an die Öffentlichkeit: Sie fingen an, sich wegen nicht pünktlich gezahlter Löhne, Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Löhne und überfüllter Kantinen an die lokalen Medien zu wenden.« Mittlerweile sind zahlreiche Beschäftige von Poznan in die kämpferische Basisgewerkschaft Workers Initiative eingetreten.

Peter Nowak

Amazonstreik – keine Chancen für die Gewerkschaften?