Mindestlohn als Dumpingbremse

Ver.di: Postmindestlohnverordnung hatte positive Effekte

Fast anderthalb Jahre gab es einen allgemein verbindlichen Mindestlohn für die Briefdienstebranche. Ob und wie er gewirkt hat, ließ ver.di nun untersuchen.

Im Januar hatte das Bundesverwaltungsgericht eine erste Mindestlohnverordnung für die Briefbranche wegen Formfehlern gekippt. Darin war die zwischen dem von der Deutschen Post AG dominierten Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di vereinbarte Lohnuntergrenze von 9,80 Euro im Westen und 9,00 Euro im Osten als verbindlich für die gesamte Branche festgelegt worden. Die Unternehmen in der Branche mauern seitdem  und  verweisen  auf negative Auswirkungen auf die  Arbeitsplätze. In großen Teilen der Medien wird diese Argumentation übernommen und selbst bei manchen Mitarbeitern in der Branche stoßen sie auf offene Ohren,  wie Demonstrationen von Beschäftigten der PIN-AG gegen den Mindestlohn zeigten. Am 21. September hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin eine von ihr in Auftrag gegebene und von der der Input-Consulting GmbH erarbeitete Studie zu den Auswirkungen der Postmindestlohnverordnung, die vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2010 in Kraft war,  vorgestellt.       

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der allgemeinverbindlich erklärte Postmindestlohn nur von wenigen Firmen außerhalb der Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbands Postdienste e.V. tatsächlich bezahlt wurde.  Trotz der  begrenzten Anwendung konstatierte Claus Zanker von der Input-Consulting GmbH positive Auswirkungen auf die Lohnentwicklung durch die Mindestlohnverordnung.  Selbst die Unternehmen, die den Mindestlohn durch konkurrierende Tarifverträge umgangen haben, hätten damit Lohnuntergrenzen festgeschrieben, die über dem bislang in der Branche gezahlten Lohnniveau lagen. Positiv habe sich auch ausgewirkt, dass die Briefdienstleister und ihre Beschäftigungsbedingungen mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Mindestlöhne unter einer erhöhten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und ihrer Kunden lagen, erläuterte Zanker. Er kam zu dem Fazit, dass der Postmindestlohn trotz seiner nur sehr eingeschränkten direkten Anwendung eine stabilisierende Wirkung auf die Beschäftigung in der Branche hatte und als „Dumpingbremse“ gewirkt hat.

Kollateralschaden PIN-AG

Zanker ging auch auf die Pleite der PIN-AG ein, die von den Unternehmern als Paradebeispiel für den negativen Einfluss des Mindestlohns auf die Branche angeführt wird. Ein Mindestlohn, der nicht gezahlt wurde, kann dafür nicht verantwortlich sein, wies Zanker diesen Vorwurf zurück. „Nachweislich wurde der Zusammenbruch der PIN-Group durch Missmanagement, strategische Fehleinschätzungen der Eigentümer und eine prekäre wirtschaftliche Situation vieler PIN-Unternehmen bereits vor Einführung des Postmindestlohns ausgelöst“, erklärte er. Auf Grundlage der Daten lasse  sich ein vom Postmindestlohn angeblich verursachter umfassender Beschäftigungsrückgang nicht nachweisen, fasste Zanker die Ergebnisse zusammen.

Neuer Anlauf für einen Postmindestlohn

Die Stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis bezeichnete die Studie als Beitrag zu einer sachgerechten Auseinandersetzung mit dem Thema Postmindestlohn. „Unser Ziel ist nicht mehr und nicht weniger, als einen neuen Anlauf für einen über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemein verbindlich zu erklärenden Post-Mindestlohn zu nehmen“, benannte sie  das Vorhaben von ver.di. Dazu werde man das Gespräch mit den beiden Arbeitgeberverbänden in der Branche suchen.

 https://www.neues-deutschland.de/artikel/180124.mindestlohn-als-dumpingbremse.html

Peter Nowak