Bedroht in Hoyerswerda

Antifa-Gruppen fordern Gedenkort und Entschädigung für Naziopfer von 1991
Am Wochenende wollen Antifa-Gruppen in Hoyerswerda an die rassistischen Ausschreitungen von 1991 erinnern. Diese bildeten den Auftakt einer Serie von Angriffen auf Ausländer in Deutschland nach der Vereinigung.

Der Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen in Rostock hat vor einigen Wochen für große Aktivitäten gesorgt, nicht nur seitens der antifaschistischen Bewegung, sondern auch der offiziellen Politik. Wenn für Sonnabend zwei linke Bündnisse zu einer Demonstration nach Hoyerswerda mobilisieren, wird die Teilnehmerzahl hingegen wohl im dreistelligen Bereich bleiben. Dabei war die sächsische Stadt der erste Ort in Deutschland, wo nach der Vereinigung Gewalt gegen Ausländer eskalierte. Unter dem Beifall Hunderter Schaulustiger griffen Neonazis im September 1991 ein Wohnheim von Vertragsarbeitern aus Vietnam und Mosambique an. Die Opfer wurden schließlich unter Polizeibegleitung in Bussen aus der Stadt gebracht.

Allerdings nicht in Sicherheit. »Viele mussten die Nacht in den Bussen verbringen und sind sofort abgeschoben worden«, erinnert sich Mathias Buchner an die unwürdige Behandlung der Opfer rechter Gewalt. Er ist Sprecher des Bündnisses »Pogrom 91«, in dem sich linke Aktivisten aus der Region zusammengeschlossen haben. Den Begriff rassistisches Pogrom haben sie bewusst gewählt, weil bei den Angriffen Tote bewusst in Kauf genommen worden seien, begründet Buchner die Wortwahl, die in Hoyerswerda nicht nur beim CDU-Bürgermeister, sondern auch bei Stadträten der LINKEN auf Ablehnung stieß. Die Demonstration am Sonnabend wird allerdings von LINKE-Politikern unterstützt, darunter die antifaschistische Sprecherin der Landtagsfraktion, Kerstin Köditz und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke.

Auch die Linksjugend Solid mobilisiert zur Demo und versuchte Unterstützung in Hoyerswerda zu finden. Dabei wurden Solid-Aktivisten an ihrem Infostand auf dem Marktplatz von Neonazis bedroht. Anschließend versammelten sich die Rechten vor dem Büro der Partei, wo die Jugendorganisation eine Veranstaltung geplant hatte. Auf Anraten der Polizei musste sie vorzeitig abgebrochen werden, was nach Augenzeugenberichten von der mit Reichskriegsflagge aufmarschierten Neonazigruppe mit Applaus und den Rufen »Hoyerswerda bleibt braun« quittiert wurde. Bereits im vergangenen Jahr waren Opfer der Ausschreitungen von 1991, die zum 20. Jahrestag nach Hoyerswerda gekommen waren, von Neonazis erneut angegriffen worden. Dies sei auch ein Grund gewesen, in diesem Jahr wieder bundesweit nach Hoyerswerda zu mobilisieren, erklärt Martin Peters vom Bündnis »Rassismus tötet« gegenüber »nd«.

Die Initiativen fordern einen angemessenen Gedenkort und eine Entschädigung der Opfer. Die Stele, die im vergangenen Jahr aufgestellt wurde, erfüllt diesen Anspruch nicht. Sie spricht ganz allgemein von »extremistischen Ausschreitungen«. »Von Rassismus ist dort ebenso wenig die Rede, wie von der Unterstützung durch große Teile der Bevölkerung«, kritisieren die Antifagruppen. Eine Woche nach der Demonstration wird es im Rahmen der Interkulturellen Woche in der Kulturfabrik Hoyerswerda eine Veranstaltung mit den Herausgebern der Anthologie »Kaltland« geben, die das rassistische Pogrom thematisiert.

Demo, 22. September, 14 Uhr, Bahnhof Hoyerswerda

http://www.neues-deutschland.de/artikel/239012.bedroht-in-hoyerswerda.html
Peter Nowak