Mit Steckbriefen gegen Islamismus?

Eine Plakatserie gegen jugendlichen Islamismus sorgt für Diskussionen

„Vermisst“ steht fettgedruckt über dem Foto des jungen Mannes. Darunter in kleinerer Schrift: „Das ist unser Sohn Tom. Wir erkennen ihn nicht mehr. Er zieht sich immer mehr zurück und wird immer radikaler.“ Auf einem anderen Foto ist eine freundliche junge Frau mit Kopftuch zu sehen.

Solche Plakate werden in den nächsten Wochen in verschiedenen Großstädten in Deutschland in deutscher und türkischer Sprache zu sehen sein. Sie sind Teil einer Kampagne des Bundesinnenministeriums gegen die Radikalisierung junger Moslems.

Die „Beratungsstelle Radikalisierung“ wurde im Rahmen der gemeinsam mit muslimischen Verbänden vom Innenministerium gestarteten Initiative Sicherheitspartnerschaft im Januar gegründet. Dort können sich Eltern, Angehörige, Freunde oder Lehrer telefonisch oder per E-Mail melden, wenn sie bei jungen Menschen Veränderungen bemerken, die auf eine islamistische Radikalisierung hindeuten. Die Anzeigen sollen demnächst auch in deutschen und türkischen Zeitungen geschaltet werden.

Misslungene Plakatserie?

Wie bei einen solch hochemotionalen Thema zu erwarten, geriet die Plakatserie sofort in den Meinungsstreit. Islamische Blogger sehen sie inhaltlich als misslungen an. Sie würden zudem die Zielgruppe gar nicht ansprechen. Einige Migrantenverbände sprechen gar von einer Stigmatisierung von Moslem.

„Die Bilder von nett aussehenden Muslimen im Zusammenhang mit dieser Kampagne suggerieren, dass jeder ein Fanatiker oder sogar Terrorist sein kann“, sagte die Integrationsbeauftragte und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Aydan Özoguz. Allerdings müsste man sich dann fragen, ob es nicht noch kritikwürdiger wäre, wenn Bilder von grimmig dreinblickenden bärtigen Männern gezeigt werden. Könnte man dann nicht eher von Klischees sprechen?

Der Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, wirft dem Bundesinnenministerium vor, mit der Kampagne von den eigentlichen Problemen in Deutschland abzulenken. Für ihn ist der Rassismus in der Gesellschaft in Deutschland das Hauptproblem. Er moniert zudem, dass die an der Sicherheitspartnerschaft beteiligten islamischen Verbände vom Innenministerium nicht über die Plakatkampagane informiert worden ist. Auch hier bleiben Fragen offen. Warum kann man den Gedanken nicht zulassen, dass sowohl Rassismus in der deutschen Gesellschaft als auch islamistische Tendenzen ein Problem sein können?

Zudem hat sich längst gezeigt, dass nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund in islamistische Kreise geraten können. Es gibt genügend Beispiele von deutschen Jugendlichen, die zum Islam konvertierten und sich dann dschihaddistischen Gruppen anschlossen. Aufgabe eines nichtrassistischen und nicht diskriminierenden Umgangs mit dem Islamismus wäre es, auf die Tatsachen immer wieder hinzuweisen. Organisationen wie Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage haben durch ihre jahrelange Praxis deutlich gemacht, dass es sehr wohl möglich ist, gegen den deutschen Alltagsrassismus aktiv zu werden und gleichzeitig islamistischen Tendenzen entgegenzutreten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152679
Peter Nowak