US-Botschafter unterstützt Europas Rechte

Die Orbanisierung Europas schreitet voran. Richard Grenell, der neue US-Botschafter in Deutschland, will das „Wiederaufleben des Konservatismus“ unterstützen

Welche Fortschritte die „Orbanisierung Europas“ macht, zeigen schon einige beliebige Schlaglichter der letzten Tage. In Deutschland wird eben gemeldet, dass das OLG Dresden[1] Pegida erlaubt, die Seenotretter von Lifeline als Schlepper zu bezeichnen[2].

Da kommt schon aus Italien die Meldung, dass der gerade ernannte Innenminister Matteo Salvini von der ultrarechten Lega Nord Migranten und ihre Unterstützer attackiert[3]. Er werde dafür sorgen, dass sich das Geschäft der Schlepper und Hilfsschlepper nicht mehr lohne, drohte Salvini.

„Packt Eure Koffer“, rief Salvini den Migranten in Italien zu, die meistens nichts lieber täten als das. Die wenigsten haben sich Italien als Zielland ausgesucht und viele Migranten, die es bis nach Deutschland geschafft haben, wehren sich mit Händen und Füssen, wenn sie wieder nach Italien zurückgeschickt werden sollen, weil dort schon unter den diversen Vorgängerregierungen die Situation für Geflüchtete desaströs war.

Mit seinen rechten Sprüchen hat sich Salvini, kaum im Amt, schon zum Idol der Rechten in Deutschland[4] entwickelt. Aber auch die Rechte in den USA sieht die Orbanisierung Europas mit Sympathie.

Steve Bannon kann nach seiner Entlassung durch Trump umso unbeschwerter die Rechten in allen Ländern umschwärmen[5]. Voll des Lobes war der ehemalige Chef von Breitbart für die italienische Rechte, die er in einem Interview mit La Stampa[6] lobte, sie habe sich an die Spitze des Wandels in Europa gestellt.

La Stampa: Was bedeutet es für Italien, von der ersten europäischen Regierung geleitet zu werden, die aus „systemfeindlichen“ Kräften besteht?

Bannon: Italien mit seiner Regierung der nationalen Einheit wird der Führer der populistischen Anti-Establishment-Bewegung in Europa werden. Zum ersten Mal wird Brüssel gezwungen sein, sich mit einer Anti-System-Regierung in einem Gründungsland der Union zu befassen. Eine Regierung, die die überwältigende Unterstützung ihrer Bevölkerung genießt…

La Stampa: Auf welche Themen sollte sich die M5S-Lega-Regierung konzentrieren?
Bannon: Die Priorität sollte die sofortige Wiedereroberung der italienischen Souveränität über ihr Land mit der Lösung des Einwanderungsnotstandes sein. Auf eine solche Wiederherstellung der Souveränität sollte ein ernsthafter Plan zur Freisetzung von Italiens großem Potenzial für Innovation und Talent zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen folgen.

La Stampa: Aber wie wird sich diese Regierung auf die Europäische Union auswirken?
Bannon: Die Regierung der nationalen Einheit, wie ich sie gerne nenne, wird große Auswirkungen auf Brüssel haben. Zusammen mit dem überwältigenden Sieg Victor Orbans in Ungarn ist die Botschaft klar: Bürger wollen ihre Länder zurück, und sie wollen sie jetzt zurück.

La Stampa: EU-Kommissare, europäische Politiker und internationale Medien äußern bereits Skepsis und Kritik. Glauben Sie, dass Italien isoliert sein wird?
Bannon: Italien, glauben Sie mir, wird nicht isoliert sein, sondern hat sich gerade an die Spitze des Wandels in Europa gestellt. Darüber hinaus kann sich die Europäische Union, selbst wenn sie es wünscht, nicht erlauben, eines ihrer Gründungsmitglieder zu isolieren, insbesondere angesichts der Auswirkungen, die dies auf die Frage der Grenzen haben würde.

La Stampa: Wie wird die amerikanische Regierung auf die Bildung dieser Regierung reagieren? Denken Sie nicht, dass es Spannungen zwischen Washington und Rom geben kann, angesichts der engen Beziehungen zwischen Russland und der Lega mit Salvini?
Bannon: Ich bin ein Privatmann und ich drücke nur meine persönliche Meinung aus, aber ich glaube, dass die Regierung der Vereinigten Staaten und das amerikanische Volk alles unterstützt, was ihrer Ansicht nach im besten Interesse Italiens und seiner Bürger liegt.

Steve Bannon, La Stampa

Bannon diplomatischer als Grenell

So diplomatisch wie Bannon bei der letzten Frage drückt sich Richard Grenell, der erst kürzlich ernannte US-Botschafter in Deutschland, nicht aus. Ausgerechnet auf Breitbart gab er ein Interview[7], das seither die Öffentlichkeit beschäftigt. Denn dort machte Grenell keinen Hehl daraus, dass er Europas Rechte unterstützt.

Es gibt eine Menge Konservativer in ganz Europa, die mich kontaktiert haben, um mir zu sagen, dass sie das Gefühl haben, dass ein Wiederaufleben stattfindet. Ich will absolut andere Konservative in ganz Europa und andere Leader unterstützen. Ich denke, es gibt eine ansteigende Welle konservativer Politik, die nun bestimmend wird, weil die Linke mit ihrer Politik gescheitert ist.

Grenell auf Breitbart

Besonders Österreichs Premierminister Kurz lobte Grenell als „Rockstar“. Dass er gerade ihn erwähnte, ist sicher auch Taktik. Schließlich ist Kurz ein Rechtskonservativer, der auch in der sogenannten Mitte noch sehr angesehen ist. Gleichzeitig hat er keine Probleme, mit der Ultrarechten in Gestalt der FPÖ gut zusammenzuarbeiten.

Hätte Grenell statt Kurz Orban oder gar einen Lega Nord-Politiker namentlich gelobt, wäre die Empörung noch größer. Aber auch mit der Nennung von Kurz macht Grenell klar: Der Feind steht für ihn links. Und das ist für ihn wie auch für Bannon schon jeder Liberale oder Sozialdemokrat.

Tradition: Der Feind ist klar links

Damit steht Grenell in einer Tradition. Schon kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs machten US-Botschafter in Europa deutlich, dass sie ein Bündnis mit den gerade entmachteten Nazis und ihren Freunden gegen die Ausbreitung des Kommunismus, bzw. das, was sie dafür hielten, favorisierten. Auch in den Zeiten der Entspannung, als der Kalte Krieg etwas in den Hintergrund rückte, stand der Feind für alle europäischen US-Botschafter weiter klar links.

Das wurde nach der Nelkenrevolution in Portugal deutlich. Nachdem in dem Land eine Linksentwicklung einsetzte, kamen unmissverständliche Drohungen von den USA und anderen Natostaaten. Als in Italien die Kommunistische Partei Wahlerfolge zu verzeichnen hatte und sogar stark genug wurde, dass sie die Regierung hätten stellen können, kamen klare Drohungen nicht nur aus den USA, sondern auch aus der BRD.

Linke in Italien befürchteten bei einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten in Italien ein Szenario wie in Chile, also einen blutigen Militärputsch gegen eine demokratisch legitimierte linke Regierung. Das hatte klare politische Folgen.

Die Angst vor einer chilenischen Lösung war ein Grund dafür, dass die italienische Kommunistische Partei auf einen historischen Kompromiss mit den Christdemokraten setzte, also auf ein Bündnis mit der stärksten bürgerlichen Partei. So steht also Grenell mit seiner Aversion gegen Linke durchaus in einer bestimmten Tradition.

Deshalb ist auch die Empörung in Europa und den USA vor allem parteitaktisch motiviert. Die Empörung über Grenell gehört zum parteipolitischen Spiel. Auch die US-Demokraten, die sich jetzt auch über Grenell echauffieren, haben immer wieder Bündnistreue von den europäischen Regierungen gefordert und auch ganz klar gemacht, dass der Feind links steht.

Vor allem die Demokraten haben einen starken interventionistischen Flügel und sind immer wieder zu Kriegen bereit. Auch unter Clinton hätten US-Diplomaten Politik gemacht, vielleicht etwas dezenter als Grenell. Aber auch bei ihnen würde der Feind links stehen. Nur würde bei ihnen wahrscheinlich die europäische Sozialdemokratie nicht dazu gehören, weil die traditionell ein enger Bündnispartner der US-Demokraten sind.

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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.lto.de/gerichte/aktuelle-urteile-und-adresse/oberlandesgericht-dresden/
[2] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-dresden-urteile-aufgehoben-pegida-seenotretter-schlepper/
[3] https://www.tagesspiegel.de/politik/italiens-innenminister-matteo-salvini-der-neue-harte-hund-in-rom/22637884.html
[4] https://www.compact-online.de/matteo-salvini-packt-eure-koffer-in-bella-italia-weht-jetzt-ein-anderer-wind-der-rechte-rollback-nach-jahrzehnten-der-linksverschiebung/
[5] https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-05/stephen-bannon-rechtspopulismus-usa-europa-interview
[6] http://www.lastampa.it/2018/05/23/italia/ora-bruxelles-deve-trattare-con-un-governo-antisistema-WKBBRUWwED8MEzcfWOZ6IK/pagina.html
[7] http://www.breitbart.com/london/2018/06/03/trumps-right-hand-man-in-europe-wants-to-empower-european-anti-establishment-conservatives/