Der Berliner Verfassungsschutz kann Auskünfte an Bespitzelte auch nach 10 Jahren verweigern, mit dem Schutz der Quellen begründen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 18. Juni. Geklagt hatte Wolfgang F., der Mitglied der Initiative für ein Sozialforums war. Das mittlerweile aufgelöste globalisierungskritische Sozialbündnis wurde seit seiner Gründung im Jahr 2003 bis zum Sommer 2006 von mindestens fünf V-Leute des Bundes- und des Landesamtes für Verfassungsschutz ausgeforscht (taz berichtete). Der Kläger und andere im Sozialforum Aktive wollten nach Bekanntwerden der Überwachung von dem Berliner VS Informationen über die gesammelten Daten. Doch er bekam nur wenige geschwärzte Auskünfte. Seit 2008 versuche er daher auf juristischem Wege an die Daten zu kommen und beruft sich das Auskunftsrecht nach dem Berliner Verfassungsschutzgesetz. Der Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, der die Klage eingereicht hat, spricht von einem Rückschlag für die informationelle Selbstbestimmung. „Die Entscheidung der OVG konterkariert den Willen des Gesetzgebers und gibt sich im Ergebnis mit einigen Sprechblasen des Berliner Verfassungsschutzes zufrieden“, erklärt Hilbrans gegenüber der Taz.
Auch eine Prozessbesucherin übt scharfe Kritik an der Entscheidung und bezweifelt, ob sich der VS kontrollieren lasse. „Noch nach 10 Jahren verweigert das OVG mit dem Argument des Quellenschutzes einem von Überwachung Betroffenen die gesammelten Daten. Ich hätte mir nach den NSU-Skandal ein anderes Signal gewünscht“, erklärt sie gegenüber der Taz. Das OVG hat keine Revision zugelassen. Ob der Kläger dagegen Beschwerde einlegt, wird er erst entscheiden, wenn er die Urteilsbegründung kennt, die bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag.
aus taz vom 19.6.2015
Peter Nowak