»Geld für geraubtes Land«

Auf einem internationalen Kongress in Berlin forderten Nama und Herero Beteiligung an der Aufarbeitung des Völkermordes

Die Wahl des Ortes hatte Symbolcharakter. Mitten im afrikanischen Viertel in Berlin tagte am vergangenen Wochenende ein transnationaler Herero- und Nama-Kongress unter dem Motto »Restorative Justice after Genocide«.

Delegierte von Herero- und Namaorganisationen aus aller Welt bekräftigten, dass Verhandlungen über die Aufarbeitung und Aussöhnung des Genozids deutscher Kolonialtruppen an den Volksgruppen der Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908 ohne Beteiligung der Opfergruppen nicht möglich sind.

Bisher will die Bundesregierung nur mit der namibischen Regierung verhandeln und weigert sich, Reparationen an die Nachfahren der Opfer zu zahlen.

»Es ist nicht die Frage, ob Deutschland für den Völkermord bezahlen wird. Es geht nur darum, wann und wie viel sie zahlen müssen«, betonte ein in den USA lebender Delegierter. Er verwies darauf, dass in den USA Klagen gegen die Bundesrepublik vorbereitet werden, wenn die deutsche Regierung nicht über Reparationen verhandeln will.

Nach den von Deutschland unterzeichneten UN-Vereinbarungen müssen die Opfer und die Nachfahren von Völkermorden entschädigt werden. Daher hatten sich alle früheren Bundesregierungen strikt geweigert, das Wort Genozid im Zusammenhang mit den deutschen Verbrechen im heutigen Namibia zu verwenden.

Auch die damalige sozialdemokratische Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul vermied das Wort Genozid, als sie 2004 in Namibia für die Verbrechen um Entschuldigung bat. In einer Grußadresse an den Kongress sprach sie sich für Kompensationszahlungen an die Nachfahren der Opfer aus.

Auf dem Kongress in Berlin erfuhren die Teilnehmer, dass die Nachfahren der ehemaligen deutschen Siedler in den Kolonialgebieten von der Bundesregierung großzügige Entschädigungen erhielten, nachdem Deutschland die Kolonie verloren hatte.

»Sie haben Geld bekommen für geraubtes Landes. Die Opfer der deutschen Kolonialpolitik sollen kein Geld bekommen. Dafür gibt es einen Begriff, Rassismus«, erklärte ein Delegierter unter großen Applaus.

Mehrere Redner betonten unter großer Zustimmung, dass die Entschädigung nicht nur für die heute noch in Namibia lebenden Nachfahren der Opfer sondern auch für die Menschen in der Diaspora geleistet werden müsse.

Bereits nach dem Genozid flüchteten viele der Überlebenden in die Nachbarländer. Heute leben Nama und Herero in Botswana und Südafrika, aber auch in verschiedenen westlichen Ländern.

Der Kampf um die Entschädigung für die Verbrechen und die Beteiligung an den Verhandlungen mit der deutschen und namibischen Regierung sind zwei zentrale Forderungen, die für ein neues politisches Bewusstsein in der Diaspora der Herero und Nama sorgen könnten. Das zumindest ist die Hoffnung vieler Delegierter.

In Deutschland beginnt – wenn auch recht langsam – eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Kolonialismus. Lange Zeit sahen dazu auch große Teile der Linken keine Notwendigkeit, weil Deutschland die Kolonien bereits im 1. Weltkrieg abgeben musste. Dass unter Bismarck auf einer Konferenz in Berlin die Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilten, rückte erst in letzter Zeit wieder in das Bewusstsein.

»Zu einem Umdenken haben Schwarze Menschen beigetragen, die in Deutschland wohnen«, erklärt Christian Kopp vom zivilgesellschaftlichen Bündnis »Berlin-Postkolonial« gegenüber »nd«. Bei ihm steht ebenso wie bei der Initiative »No-Humboldt 21« die Fortdauer des deutschen Kolonialismus bis in die Gegenwart im Fokus der Kritik.

Erste Erfolge gibt es bereits. Im nächsten Jahr sollen im afrikanischen Viertel im Berliner Stadtbezirk Wedding mehrere Straßen nach afrikanischen Persönlichkeiten benannt werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1029148.geld-fuer-geraubtes-land.html

Peter  Nowak