Freispruch für Berliner Neonazi: Prozessbeobachter sehen Verharmlosung rechter Angriffe im "Neukölln-Komplex". Untersuchungsausschuss muss auf Akten warten.

„Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“

Ferat Kocak kommentierte den Freispruch mit einem Zitat der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarono: "Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen!" Er selbst hatte darum kämpfen müssen, als Opfer der rechten Gewaltserie als Nebenkläger zugelassen zu werden.

Im Prozess gegen die Neuköllner Neonazis Tilo P. und Sebastian T. ist das Amtsgericht Berlin-Tiergarten der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft nach dreieinhalb Jahren Haft für Tilo P. nicht gefolgt. P. wurde am späten Donnerstagnachmittag vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen und lediglich wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.500 Euro beziehungsweise 150 Tagessätzen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte den 39-Jährigen …

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Steckbriefe von Nazigegnern

Die Wortwahl ist eindeutig auf der Homepage des „Nationalen Widerstands Berlin/Brandenburg“. „Operative Feindaufklärung“ steht dort in roter Schrift. Darunter finden sich die Parteisymbole von Grünen und Linken sowie die Konterfeis zahlreicher Nazigegner. „Recherchen und Aktivitäten von Linkskriminellen in Berlin“ lautet die grammatikalisch falsche aber politisch eindeutige Unterzeile. Es handelt sich um Steckbriefe von Journalisten, Fotografen, Politikern, Rechtsanwälten und Aktivisten, die sich gegen rechte Umtriebe engagieren. Teilweise sind den oft detaillierten Kurzbiographien Fotos beigefügt.

Einige der dort aufgeführten Personen hatten in der Vergangenheit Personen aus der rechten Szene unter anderem wegen des Zeigens des Hitlergrußes oder des Skandierens verbotener neonazistischer Parolen angezeigt. Sie vermuten, dass ihre Dateien über die Akten in die braune Szene gelangten.

Homepage im Mai 2011 indiziert

Auch mehrere Berliner Hausprojekte Buchläden, politische Bildungseinrichtungen und Lokalitäten, die sich gegen rechts engagieren, werden auf der Homepage steckbriefartig aufgeführt. Einige waren Anfang Juni mit Hakenkreuzen, rechten Parolen und dem Kürzel NW-Berlin beschmiert worden. Kenner der rechten Szene sehen einen Zusammenhang mit der Internetseite, die erst seit wenigen Tagen wieder online ist.

Im Mai 2011 war die Homepage von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden und tauchte danach bei den großen Suchmaschinen wie Google und Yahoo nicht mehr auf. Später war die Seite längere Zeit überhaupt nicht mehr zu erreichen. Auch die Justiz versucht schon länger, die Urheber zu ermitteln. Beobachter der rechten Szene vermuten, dass der Berliner NPD-Vorsitzende mit guten Kontakten ins neonazistische Milieu, Sebastian Schmidtke, auch zu den Hintermännern von NW Berlin/Brandenburg gehört.

Im März 2012 erwirkte der Rechtsausschuss des Berliner Senats ein Rechtshilfeersuchen an die USA, um den Urheber der Internetseite zu ermitteln, deren Server der Firma Dreamhost steht in den USA.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/
steckbriefe-von-nazigegnern

Peter Nowak