Aktivisten demonstrieren rund um den 18. März für Antifaschisten, die sich in Haft befinden

Politische Gefangene gibt es auch im Westen

In Berlin protestiert am Donnerstag ab 18 Uhr ein linkes Bündnis mit einer Musikkundgebung vor dem Spanischen Kulturinstitut Cervantes gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hasel. Er wurde kürzlich wegen seiner kritischen Texte in Spanien verhaftet. Die Behörden werfen ihm Majestätsbeleidigung und Verherrlichung des »Terrorismus« vor. In vielen Städten finden zudem Kundgebungen und kleinere Demonstrationen statt, um gegen politische Repressionen zu protestieren.

Nach Einschätzung von nahezu allen Spitzenpolitiker*innen der Europäischen Union gibt es politische Häftlinge nur außerhalb ihres Staatenverbunds und der westlichen Welt. Aktivist*innen widersprechen ihnen. Anlass hierfür ist am 18. März der alljährlich begangene »Tag der politischen Gefangenen«. In Berlin protestiert am Donnerstag ab 18 Uhr ein linkes Bündnis mit einer Musikkundgebung vor dem Spanischen Kulturinstitut Cervantes gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hasel. Er wurde kürzlich wegen seiner kritischen Texte in Spanien verhaftet. Die Behörden werfen ihm Majestätsbeleidigung und Verherrlichung des »Terrorismus« vor. In vielen Städten finden zudem …

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Hohe Strafe gegen Musa Asoglu

Das Hamburger Oberlandesgericht verurteilte 6. Februar Musa Asoglu wegen leitender Funktionen in der türkischen Gruppe DHKP-C zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten.

Der Staatsschutzsenat wirft Asoglu vor, Europaverantwortlicher der in Deutschland und der Türkei verbotenen marxistischen Organisation gewesen zu sein. Asoglu hat in dem mehr als einjährigen Prozess in Hamburg  in Erklärungen den Vorwurf  erhoben, in dem Verfahren würden linke politische Aktivitäten mit dem § 129b als Terrorismus kriminalisiert. Diese Kritik teilt auch Wolfgang Lettow, der für die Zeitschrift Gefangeneninfo den Prozess beobachtete und vom höchsten Urteil in einem 129b-Verfahren in Deutschland sprach. Die Richterin sei in ihrem Plädoyer sehr feindselig gegen Asoglu aufgetreten und habe ihm vorgeworfen, mit seiner politischen Verteidigung das Verfahren unnötig in die Länge gezogen zu haben.  Während konservative Medien schon bei der Verhaftung Asoglu als Terrorfürsten vorverurteilten, ignorierten linke Medien das Urteil weitgehend oder druckten lediglich eine Meldung aus Presseagenturen, in denen der Verurteilte nicht einmal namentlich genannt wurde.   

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Türkischer Aktivist verurteilt

Das Hamburger Oberlandesgericht hat am Mittwoch Musa Aşoğlu wegen leitender Funktionen in der türkischen Gruppe DHKP-C zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Staatsschutzsenat wirft Aşoğlu vor, Europaverantwortlicher der in Deutschland und der Türkei verbotenen Organisation gewesen zu sein. Aşoğlu hat in dem mehr als einjährigen Prozess in zahlreichen Erklärungen den Vorwurf erhoben, in dem Verfahren würde linke Politik als Terrorismus kriminalisiert.

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Gerichtsprozess nach türkischem Geschmack


Musa Asoglu ist in Deutschland angeklagt, weil er Mitglied der kommunistischen DHKP/C sein soll

In Hamburg steht ein Mann wegen der angeblichen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor Gericht. Linke halten das für politisch motiviert.

»Freiheit für Musa Aşoğlu«, lautete die Parole, unter der diesen Samstag in Hamburg rund 130 Menschen demonstrierten. Gegen den in der Türkei geborenen Mann mit niederländischer Staatsangehörigkeit läuft seit Januar 2018 ein Verfahren vor dem Hamburger Oberlandesgericht. Angeklagt ist Aşoğlu nach Paragraf 129b Strafgesetzbuch wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation. Ihm wird eine führende Rolle in der »Revolutionären Volksbefreiungspartei/Front« (DHKP/C) vorgeworfen. Die Kommunisten leisten Stadtteilarbeit in den Armenvierteln türkischer Großstädte und übernehmen auch immer wieder Verantwortung für bewaffnete Aktionen.

Vom Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP/C war Aşoğlu bereits im Jahr 2007 durch ein belgisches Gericht frei gesprochen worden. Für die Hamburger Boulevardmedien war er schon vor der Urteilsverkündung schuldig. »Was wird jetzt aus dem Terrorfürsten?«, titelte die »Hamburger Morgenpost« im Dezember 2016, als Aşoğlu in der Hansestadt verhaftet worden war.

Damit übernahm die Zeitung die Diktion des türkischen Innenministeriums und der türkischen Justiz, die ein Kopfgeld in Höhe von 1,2 Millionen Euro auf Aşoğlu ausgesetzt hatten. Die US-amerikanische Justiz bot für den Mann sogar drei Millionen. Dort will man ihn vor Gericht stellen, weil die DHKP/C sich auch zu Anschlägen auf die US-Botschaft in Istanbul und das US-Konsulat in Ankara 2013 bekannte. In türkischen Medien wurde Aşoğlus Verhaftung als »großer Schlag« gegen die »linken Terrororganisationen« gefeiert.

Nicht nur bei der radikalen Linken sondern auch bei Bürgerrechtsgruppen steht diese Passage des Strafgesetzbuchs seit Langem in der Kritik. Er kommt häufig in Verfahren gegen linke Gruppen zum Einsatz. Gegen ausländische rechtsextreme Organisationen wie etwa die Grauen Wölfe ist der Paragraf bisher indes nicht angewandt worden; sie sind in Deutschland offiziell nicht verboten. Bei den Ermittlungen wegen linken Terrors scheint auch die Kooperation zwischen der türkischen und deutschen Justiz reibungslos zu laufen, und das, obwohl die Bundesregierung immer wieder die mangelnde Rechtsstaatlichkeit der Türkei beklagt.

Vor einem deutschen Gericht kam der Paragraf gegen linken Widerstand zum ersten Mal im Jahr 2008 zum Einsatz. Damals wurden fünf vermeintliche Mitglieder der DHKP/C vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht verurteilt. Seit diesem Präzedenzfall werden auf dieser Grundlage auch andere Linke aus der Türkei angeklagt. Seit Juni 2016 läuft in München ein Verfahren gegen elf mutmaßliche Mitglieder der türkischen kommunistischen Partei TKP/ML. 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass auch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK nach dem Paragrafen 129b angeklagt werden können. Davon wird seitdem reichlich Gebrauch gemacht.

Die Rechtsanwältinnen Gabriele Heinecke und Fatma Sayın, die Aşoğlu verteidigen, betonen, dass für ein Verfahren nach 129b eine Ermächtigung des Bundesministeriums erforderlich ist. Der Vorstand der Solidaritätsorganisation »Rote Hilfe« verwies auf die Verantwortung der Bundesregierung. »Die Entscheidung, ob Unterstützer*innen der kurdischen Befreiungsbewegung oder türkische Kommunist*innen einen legitimen Kampf führen oder ›Terroristen‹ sind, wird auf politischer Ebene getroffen.«

In den nächsten Wochen soll im Fall Aşoğlu in Hamburg das Urteil gesprochen werden. Unterstützer rechnen mit einer Haftstrafe. Danach könnte ihm eine Auslieferung an die USA oder die Türkei bevorstehen. In Deutschland könnten bald neue 129b-Verfahren beginnen. Am Samstag wurde der in Belgien lebende İnan Doğan auf dem Weg zur Demonstration in Hamburg verhaftet – für ihn lag ein internationaler Haftbefehl vor.

aus: Neues Deutschland,
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108118.dhkp-c-gerichtsprozess-nach-tuerkischem-geschmack.html

Peter Nowak

Prozess gegen Musa Asoglu

Demnächst geht der 129b-Verfahren gegen den türkischen Linken Musa Asoglu in Hamburg zu Ende. Er war im Januar 2016 unter dem Vorwurf verhaftet worden, Mitglied der in Deutschland und der Türkei verbotenen kommunistischen DHKP-C zu sein. Die Hamburger Justiz unterstellt ihm eine führende Rolle in der DHKP-C, obwohl ihn ein belgisches Gericht im Jahr 2007 von eben diesem Vorwurf frei gesprochen hat.

Schon bei seiner Verhaftung wurde Asoglu als „Terrorfürst“ von der Hamburger Boulevardpresse vorverurteilt. Seit über 20 Monaten befindet er sich in Hamburg in Isolationshaft. Seit über 20 Monaten befindet er sich Isolationshaft. Der Urteilsspruch gegen ihn wird demnächst erwartetet. Das Solidaritätskomitee befürchtet neben einer langen Haftstrafe eine Auslieferung in die USA. Sowohl die Türkei als auch die USA haben ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Vor dem Prozessende ruft das Solidaritätskomitee zu einer Demonstration unter dem Motto „Freiheit für Musa Asoglu auf: 15.12.18 um 12:00 Uhr ,Beginn vor der Roten Flora.

http://political-prisoners.net/item/6590-hh-demo-freiheit-fuer-musa-asoglu-am-151218.html


aus: ak 644 vom 11.12.2018

https://www.akweb.de
Peter Nowak

Klammheimliche Bilderverbote und andere Formen der Repression in Deutschland

Die Verschärfung von Gesetzen geht in Deutschland oft schleichend voran. Ein Kommentar

„Die PKK gehört zu Deutschland.“ Diese Botschaft [1] vermittelte eine bundesweite Demonstration am vergangenen Samstag in Berlin, die sich gegen die fortdauernde Kriminalisierung von Symbolen, Fahnen und Transparenten der kurdischen Nationalbewegung wendete.

Dabei zeigte der Verlauf der Demonstration, welche Folgen diese Kriminalisierung hat. Bei dem friedlichen Umzug, an dem viele Frauen und Kinder teilnahmen, griff die Polizei mehrmals ein, beschlagnahmte Transparente und nahm kurzzeitig Personen fest. In der Demo-Nachbetrachtung [2] der Veranstalter wurde nicht erwähnt, dass Objekte der Polizeimaßnahmen neben Symbolen der kurdischen Nationalbewegung auch Öcalan-Bilder waren.

Das in aller Stille eingeführte Konterfei-Verbot

Damit wurde erneut in Erinnerung gerufen, dass seit März 2017 in Deutschland das Zeigen von Bildern des Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland verboten ist. Diese Verschärfung wurde vorher weder im Parlament noch von Gerichten diskutiert.

Der Spiegel berichtete [3] seinerzeit, dass die Grundlage des Konterfei-Verbots ein fünfseitiges Schreiben vom 3. März 2017 des Bundesinnenministeriums, damals unter Leitung de Maizières, an die Innenminister der Länder und die Sicherheitsbehörden war.

In einem Land, in dem Gerichte jahrelang geplante Großprojekte wie den Hambacher Forst unter anderem wegen des Tierwohls stoppen, gehen gleichzeitig Verschärfungen von Gesetzen ohne große öffentliche Diskussion über die Bühne, die eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts und viele Strafverfahren zur Folge haben.

Das zeigte sich nicht nur bei der Demonstration am vergangenen Samstag. Immer wieder führt das Konterfei-Verbot zu Polizeieinsätzen und Strafverfahren. Dabei bleibt es nicht beim Öcalan-Bann. Eine Solidaritätsgruppe für den in Hamburg angeklagten türkischen Linken Musa Asoglu [4] bekam die Auflage, auf einer Demonstration keine Fotos des Mannes zu zeigen.

Wenn man bedenkt, dass selbst in der Hochphase des Deutschen Herbstes 1977 nicht ausdrücklich verboten war, Fotos von RAF-Mitgliedern zu zeigen, wird die Gesetzesverschärfung des Konterfeiverbotes deutlich, dessen Grundlage ein Schreiben des Bundesinnenministeriums ist.

Wenn ein vorläufiges Verbot einer Internetplattform schon über ein Jahr andauert

Auch die massiven Einschränkungen gegen die linke türkische Band Grup Yorum hatte ein Schreiben des Innenministeriums zur Grundlage. Für die Band bedeutete das Auftrittsverbote. Wo sie noch auftreten konnte, durfte kein Eintritt verlangt und keine Spenden gesammelt werden [5]. Diskutiert wurde im Bundestag erst darüber als die Linkspartei eine kleine Anfrage [6] stellte.

Nun könnte man noch denken, die öffentliche Kritik an den Konterfei- und Auftrittsverboten sei so gering, weil es sich um politische Bewegungen bzw. Bands aus der Türkei bzw. aus Kurdistan handelt. Doch auch beim nun schon seit mehr als ein Jahr gültigen Verbot der Plattform Indymedia Linksunten [7] hält sich die zivilgesellschaftliche Kritik in Grenzen, obwohl selbst Die Zeit als Problem herausstellte [8], dass hier ein Medium nach dem Vereinsgesetz verboten wurde und politische Gründe dafür nicht ausgeschlossen wurden.

Selbst liberale Rechtsstaatsverteidiger müssten sich daran stoßen, dass bisher kein Gericht über die das Indymedia-Verbot entschieden hat. Das Verbot ist trotzdem vorläufig vollstreckt worden und die Vorläufigkeit dauert nun schon über ein Jahr.

Droht auch Verbot der Roten Hilfe e.V.?

Nun wird seit Tagen über ein Verbot der Gefangenensolidaritätsorganisation Rote Hilfe e.V. [9] diskutiert [10]. Zumindest erfährt die Öffentlichkeit davon nicht erst nachträglich aus dem Spiegel.

Aber auch die gezielte Spekulation über ein mögliches Verbot verfolgt einen Zweck. Sie soll abschrecken. Vor allem Mitglieder der SPD und der Grünen, die es auch in der Roten Hilfe gibt, sollen zum Austritt motiviert werden.

Nun wird sich zeigen, ob im Fall der Roten Hilfe eine Solidaritätskampagne [11] ein Verbot verhindern kann. Schließlich sind die Gesetzesverschärfungen der letzten Zeit durchaus ein öffentliches Thema in Deutschland.

In verschiedenen Bundesländern wie Bayern, NRW und Brandenburg gab es in den letzten Monaten große Demonstrationen gegen die Verschärfungen des Polizeigesetzes. Auch anlässlich der Bundesinnenministerkonferenz gingen im Magdeburg am 24. November über tausend Leute auf die Straße [12].

Das Bündnis Unheimlich sicher [13] umfasste neben verschiedenen Gruppierungen der außerparlamentarischen Linken auch Gewerkschafter und studentische Initiativen, die auch mit eigenen Blöcken vertreten waren.

Was also in Deutschland fehlt, sind nicht Initiativen gegen Gesetzesverschärfungen, sondern die Zuspitzung auf einige klare Forderungen.

Repressive Staatsorgane kein Partner im Kampf gegen rechts

Dazu sollte beispielsweise die Aufhebung des Verbots von Indymedia Linksunten und „Kein Verbot der Roten Hilfe“ ebenso gehören wie die Zurückweisung jedes Bilderverbots. Dahinter steckt auch die Klärung des Verhältnisses zu den repressiven Staatsorganen.

Man kann schlecht Repression gegen Linke anprangern und eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz feiern. Für Linke sollten die repressive Staatsorgane kein Partner im Kampf gegen rechts sein.

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4239357
https://www.heise.de/tp/features/Klammheimliche-Bilderverbote-und-andere-Formen-der-Repression-in-Deutschland-4239357.html

Links in diesem Artikel:
[1] https://anfdeutsch.com/frauen/die-pkk-gehoert-zu-deutschland-8104
[2] https://anfdeutsch.com/aktuelles/positive-bilanz-der-berliner-demonstration-gegen-das-pkk-verbot-8108
[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/thomas-de-maiziere-verbietet-portraets-von-pkk-anfuehrer-abdullah-oecalan-a-1138207.html
[4] http://www.gefangenen.info/tag/musa-asoglu/
[5] https://www.heise.de/tp/features/Grup-Yorum-Verbote-Schikanen-finanzielle-Verluste-3744759.html
[6] https://www.bundestag.de/presse/hib/2018_06/-/561952
[7] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/08/vereinsverbot.html
[8] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/indymedia-linksunten-verbot-34c3
[9] https://www.rote-hilfe.de/
[10] https://www.rote-hilfe.de/rote-hilfe-news/919-rote-hilfe-e-v-ist-politische-akteur-in-und-leistet-legitime-solidaritaetsarbeit
[11] https://www.rote-hilfe.de/rote-hilfe-news/920-ulla-jelpke-mdb-die-linke-finger-weg-von-der-roten-hilfe
[12] https://unheimlichsicher.org/
[13] https://unheimlichsicher.org/unterstuetzerinnen

Repression gegen linke Band

Repression gegen linke Band

Die Musiker_innen der türkischen Band singen gegen Rassismus und Nazis und werden dennoch wie eine Terrorgruppe behandelt. Auf der letzten Bundesinnenministerkonferenz wurde sogar ein Verbot Band diskutiert. Die 1985 gegründete Musikgruppe, die aus ihrer linken politischen Gesinnung nie ein Geheimnis machte, wird von den Ermittlungsbehörden als Bestandteil der linken türkischen DHKP-C betrachtet, die in Deutschland und der Türkei verboten ist. Doch auch ohne formelles Verbot werden Auftritte der Band in Deutschland seit Jahren massiv behindert. Bei einem Konzert Ende September in Frankfurt/Main gab es massive Auflagen durch di Polizei. So durfte die Band mehrere Songs nicht spielen. Es durften keine Spenden gesammelt und auch keine T-Shirts oder CDs der Band verkauft werden. Zu den Auflagen gehörte auch, das Verbot Bilder und Fotos des nach dem §129b in Hamburg inhaftierten Musa Asoglu auf dem Konzert zu zeigen. Auch in der Türkei hat am 3.10. ein Prozess gegen 10 Yorum-Musiker*innen begonnen. Rechtsrockbands hatten in Deutschland bisher kaum Probleme mit dem Auftritt, dürften hohe Eintrittspreise nehmen und Spenden sammeln.

ak 642 vom 16.10.2018

Peter Nowak

Im Sinne Erdoğans

Justiz In München läu ein Terrorverfahren gegen türkische Oppositionelle

Freundlich lächelt Dilay Banu Büyükavci in die Kamera, lockige Haare, gemustertes Halstuch. Es ist eines der wenigen Fotos, die die Öffentlichkeit von ihr kennt. Bis vor kurzem saß die 46-jährige Ärztin noch im Hochsicherheitstrakt München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Sie wird beschuldigt, die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) unterstützt zu haben. In einem Café in der Nähe des Klinikums Nürnberg hatte sie sich am 15. April 2015 nach der Arbeit mit Kollegen getroffen, bis dort eine schwer bewaffnete Antiterroreinheit einrückte und sie verhaftete. Am 18. Februar 2018 wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Die Ärztin Susanne Kaiser freut sich, dass ihre Kollegin wieder in der Klinik arbeiten kann. Die Stelle war für Büyükavci frei gehalten worden. Viele Beschäftigte des Klinikums haben sich für Banu eingesetzt. So nennen sie ihre in der Türkei geborene Kollegin, die 2005 für die psychiatrische Facharztausbildung nach Deutschland kam. Kaiser gehört zu denen, die Briefe an Landes- und Bundespolitiker geschrieben haben. „Ich habe
sofort gesagt, Banu und Terrorismus, das passt nicht zusammen“, schildert Kaiserihre erste Reaktion auf die Verhaftung. Daran hat sie bis heute keinen Zweifel.

 Strafe ohne Straftat 

Dabei bedeutet die Freilassung nicht, dass Büyükavci freigesprochen ist. Zusammen mit neun weiteren türkischen Oppositionellen steht sie wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor dem Münchner Oberlandesgericht. „Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt, weil das Gericht die Fluchtgefahr als nicht mehr so hoch ansieht“, erklärt Rechtsanwalt Alexander Hoffmann. Der Kieler Strafrechtsexperte vertritt im Prozess einen der Angeklagten. Dass die Ärztin ein eigenes Haus besitzt und eine feste Stelle hat, dürfte bei der Einschätzung des Gerichts eine Rolle gespielt haben. Auch in den kommenden Monaten wird Büyükavci im Wochentakt vor Gericht erscheinen müssen, begonnen hat der Prozess im Juni 2016, inzwischen haben mehr als 100 Verhandlungstage stattgefunden. Vorgeworfen wird den zehn türkischen Oppositionellen, die in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich verhaftet wurden, die Organisation von Solidaritätskonzerten oder das Sammeln von Spenden. Das sind eigentlich legale Tätigkeiten, sie sollen damit aber eine terroristische Organisation unterstützt haben. Allerdings ist die TKP/ML in Deutschland nicht verboten, sie steht auch nicht auf internationalen Terrorlisten, allein die Türkei deklariert sie als Terrororganisation. Grundlage des Verfahrens ist Paragraf 129b des Strafgesetzbuchs. Geschaffen wurde er nach den Anschlägen vom 11. September 2001, er stellt die Mitgliedschaft, die Unterstützung und das Werben für eine „kriminelle oder terroristische Vereinigung im Ausland“ unter Strafe. Konkrete Taten müssen den Beschuldigten nicht nachgewiesen werden, Nachdem der Bundesgerichtshof 2010 entschieden hat, dass auch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK nach Paragraf 129b angeklagt werden können, stand den 21 kurdische Aktivisten vor Gericht, 19 von ihnen wurden zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Am Freitag voriger Woche kam ein weiterer hinzu, das Oberlandesgericht Celle verurteilte Yunus O. zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren ohne Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die in Deutschland verbotene PKK unterstützt hat. Der Verurteilte hatte den gesamten Prozess über bestritten, für die PKK tätig gewesen zu sein, seine Aktivitäten würden als terroristisch abgestempelt, obwohl er sich nur als Kurde artikulieren wolle, sagte er. Sein Anwalt kündigte nach der Urteilsverkündung an, in Revision zu gehen, und wies auf die aktuelle Situation von Kurden in der Türkei, in Syrien und im Irak hin. Kritiker sprechen davon, dass mittels des Paragrafen 129b die Verfolgung von türkischen und kurdischen Oppositionellen in Deutschland fortgesetzt wird. Bisher sind die Anwälte der 129b-Angeklagten mit dem Versuch gescheitert, die Menschenrechtslage in der Türkei zu thematisieren. „Wir haben mehrfach die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil immer deutlicher wird, dass sich die Türkei zum autoritären Willkürstaat entwickelt und als solcher kein taugliches Schutzgut des Paragrafen 129b ist. Der Senat lehnt die Anträge regelmäßig ab“, erklärt der Nürnberger Anwalt Yunus Ziyal. Er ist einer der beiden Strafverteidiger von Büyükavci.

Regierung versus Demokratie

Das Bundesjustizministerium muss in jedem 129b-Verfahren die Verfolgungenermächtigung für die Bundesanwaltschaft erteilen. Nicht nur die Verteidiger im Münchner Prozess, sondern auch die Medien haben immer wieder kritisiert, dass sich die Anklage in großen Teilen auf Ermittlungen türkischer Behörden stützt. Bei einem Kongress in Hamburg, der anlässlich des dort laufenden Verfahrens gegen Musa Aşoğlu wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der auch in Deutschland verbotenen linksradikalen, militanten DHKP-C stattfand, war die Menschenrechtssituation in der Türkei ebenfalls Thema. Dort beschrieben mehrere Linke, die sowohl in der Türkei als auch in Deutschland im Gefängnis gesessen hatten, die Unterschiede im Haftalltag. Alle berichteten, dass in der Türkei Folter keine Seltenheit ist. In Deutschland erschwere die Isolation die Haft. 23 Stunden des Tages war auch Büyükavci in den ersten viereinhalb Monaten der Untersuchungshaft allein in der Zelle. Für 129b-Verfahren gelten verschärfte Haftbedingungen, auch die Arbeit der Verteidiger unterliegt erheblichen Einschränkungen. Die Generalanwaltschaft spricht im Hinblick auf den Münchner Prozess von einem Pilotverfahren, in dem geklärt werden soll, ob die TKP/ML eine terroristische Organisation ist. Angesichts des Gutachtens, das der vom Gericht beauftragte Türkei-Experte der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, Christoph K. Neumann, Mitte März im Prozess präsentierte, müsste nicht nur sie, sondern auch die Bundesregierung in Erklärungsnöte geraten. Der Gutachter zweifelte an der politischen Wirksamkeit der TKP/ML. Als wesentlich größere Gefahr für die Demokratie in der Türkei wertete der Experte hingegen die Aktivitäten des radikal-sunnitischen ISIS, die der türkischen Regierung und die ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. In München läuft ein Terrorverfahren gegen türkische Oppositionelle. Drei Konzerne, die global agieren, haben Kontrolle darüber, was wir essen. In der Türkei herrscht Willkür, für deutsche Gerichte ist das kein Thema.

In der Türkei herrscht Willkür, für deutsche Gerichte ist das kein Thema
aus: der Freitag | Nr. 13 | 29. März

Peter Nowak

Chance für Solidarität


Deutschland Seine Verhaftung wurde in der Türkei gefeiert: In Hamburg steht Musa Aşoğlu vor Gericht

Die Repression gegen die G20-Proteste hat in der letzten Zeit das Thema Knast und Justiz wieder stärker in den Fokus der außerparlamentarischen Linken gerückt. Doch oft wird vergessen, dass ein Großteil der politischen Gefangenen in Deutschland heute migrantische Linke aus der Türkei und Kurdistan sind. Gegen sie wird mit dem Paragraphen 129b ermittelt, der die »Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland« unter Strafe stellt.
2008 wurde das erste Mal mit diesen Paragraphen linker Widerstand im Ausland vor deutschen Gerichten abgeurteilt. Fünf vermeintliche Mitglieder der türkischen kommunistischen DHKP-C wurden vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht angeklagt und verurteilt – ein Pilotverfahren. 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass auch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK nach dem Paragraphen 129b angeklagt werden können. Davon wird seitdem reichlich Gebrauch gemacht. Die Aktivitäten der kurdischen Bewegung, die ihre bisherigen traditionsmarxistisch-leninistischen Positionen in den letzten 20 Jahren einer gründlichen Revision unterzog, sich dem Demokratischen Konföderalismus zuwandte und den Kämpfen der Frauen einen großen Stellenwert zuschreibt, werden von der deutschen Justiz mit dem Terrorismusvorwurf belegt. Seit Juni 2016 läuft in München ein Verfahren gegen elf mutmaßliche Mitglieder der türkischen Kommunistischen Partei TKP/ML. Alle lebten und arbeiteten seit Jahren legal in Deutschland, als sie durch ihre Verhaftung im Jahr 2015 aus ihrem Alltag herausgerissen wurden.

Mediale Vorverurteilung als »Terror-Fürst«

Zurzeit läuft in Hamburg ein Verfahren gegen den türkischen Linken Musa Aşoğlu. Am 25. Januar hat der Prozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht begonnen. Bis Anfang August 2018 sind schon Termine anberaumt. Aşoğlus Anwältinnen Gabriele Heinecke und Fatma Sayın zufolge weist das Verfahren gegen ihn einige Besonderheiten auf. Ihr Mandant wurde in deutschen und türkischen Medien als einer der »meistgesuchten Terroristen der Welt« und als »Terror-Fürst« vorverurteilt. Die türkischen Medien feierten Aşoğlus Verhaftung. Sie hatten ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, ebenso wie die USA. Dort hat man großes Interesse daran, vermeintliche Mitglieder der DHKP-C zu verurteilen, weil die Organisation, die politisch in der Tradition des Guevarismus steht und Stadtteilarbeit in Armenvierteln mit dem bewaffneten Kampf kombiniert, für Angriffe auf US-Einrichtungen in Istanbul und Ankara die Verantwortung übernommen hat. So könnte nach einer Verurteilung in Deutschland Aşoğlu die Auslieferung in die USA oder gar in die Türkei drohen. Eine solche Auslieferung ist möglich, wenn die betreffenden Länder zusichern, dass der Gefangene in der Haft nicht gefoltert wird und dass ihm nicht die Todesstrafe droht. Dann steht der Auslieferung von Deutschland aus nichts mehr im Wege.
Die Politik spielt bei sämtlichen 129b-Verfahren in Deutschland eine zentrale Rolle. Das Gesetz kann nur angewendet werden, wenn das Bundesjustizministerium die Bundesanwaltschaft dazu ermächtigt, gegen kurdische und türkische Linke in Deutschland zu ermitteln. Der Bundesvorstand der Roten Hilfe hat das Prinzip gut zusammengefasst: »Die Entscheidung, ob Unterstützer der kurdischen Befreiungsbewegung oder türkische Kommunisten einen legitimen Kampf führen oder ›Terroristen‹ sind, wird auf politischer Ebene getroffen. Ob verfolgt wird oder nicht, hängt nicht vom Tatvorwurf ab, sondern wird letztlich von einem Bundesministerium festgelegt«. Genau hier bieten sich auch politische Interventionsmöglichkeiten über die Begleitung der Prozesse hinaus. »Keine Ermächtigung zur Verfolgung kurdischer und türkischer Linker in Deutschland« müsste eine zentrale politische Forderung werden. Dabei geht es nicht darum, ob jemand die politischen Inhalte der jeweiligen Gruppierungen unterstützt oder nicht. Es geht darum, dass diese Inhalte in Deutschland nicht kriminalisiert werden dürfen und damit die Kooperation zwischen deutscher und türkischer Justiz beendet wird. Die ist nämlich ungestört weitergelaufen, während sich führende Politiker_innen Deutschlands und der Türkei gegenseitig bekämpft haben. Es ist keine Gefälligkeit für das türkische Regime, sondern eigenes Interesse deutscher Staatsapparate, Linke aus Kurdistan und der Türkei und sicher demnächst auch anderen Regionen in der Welt abzurteilen. Daher muss ein Kampf gegen diese Repression auch die Repressionsorgane beider Staaten und ihre Kooperation in den Fokus rücken.

Wenig Interesse in der außerparlamentarischen Linken

Das Interesse der außerparlamentarischen Linken an dem Verfahren ist sehr begrenzt. Das zeigte sich auch bei der internationalen Konferenz »Freiheit für Musa Aşoğlu«, die am 10. und 11. Februar im Centro Sociale in Hamburg stattfand. Ziel der Veranstalter_innen vom Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen« war es, unterschiedliche von Repression betroffene Spektren zusammenzubringen. So berichteten Aktivist_innen des Bündnisses »United We Stand« auch über die Repression gegen G20-Gegner_innen und den wachsenden Widerstand dagegen. Eine gemeinsame Diskussion kam jedoch nur in Ansätzen zustande.

aus: ak 635 vom 20.2.2018

https://www.akweb.de
Peter Nowak

Angeklagte in TKP-Prozess freigelassen

129b-Haftbefehl gegen vier Beschuldigte aufgehoben

Für Susanne Kaiser war der 19. Februar ein Freudentag. Schließlich konnte die Nürnberger Ärztin ihre Freundin und Kollegin Dilay Banu Büyükavci wieder in die Arme schließen. Büyükavci war Ende April 2015 von einer schwer bewaffneten Anti-Terror-Einheit festgenommen worden, als sie sich nach ihrer Arbeit an einer Nürnberger Klinik mit Kolleg_innen getroffen hatte. Seitdem saß die 46-Jährige im Hochsicherheitstrakt München-Stadelheim in Untersuchungshaft. 

Mit Büyükavci sind neun weitere türkische Linke verhaftet worden, darunter der Lebensgefährte der Ärztin. Sie alle werden beschuldigt, die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch Leninistisch (TKP/ML) unterstützt zu haben. Diese kämpft in der Türkei auch mit Waffengewalt gegen das türkische Militär. 

Laut eigener Aussage haben die Angeklagten nie eine Waffe in der Hand gehabt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen dagegen die Organisierung von Solidaritätskonzerten und das Sammeln von Spenden für eine terroristische Organisation vor. Nur ist die inkriminierte TKP/ML in Deutschland nicht verboten. Grundlage der Anklage ist der Paragraf 129b, nach dem legale Tätigkeiten kriminalisiert werden können, wenn damit eine als terroristisch klassifizierte Organisation unterstützt worden sein soll. Das Bundesjustizministerium muss in jeden einzelnen 129b-Fall die Verfolgungsermächtigung geben.

Die Haftbefehle gegen Büyükavci und ihre drei Mitangeklagten wurden jüngst außer Vollzug gesetzt. Sie konnten unter Auflagen das Gefängnis verlassen. Büyükavcis Anwälte Yunus Ziyal und Peer Stolle werten die Freilassung als Erfolg. 

Banu Büyükavci kann in der Nürnberger Klinik, an der sie vor ihrer Verhaftung angestellt war, nun weiterarbeiten. Einige ihrer Kolleg_innen hatten sie die ganze Zeit unterstützt. Dazu gehörte Susanne Kaiser. Mit einem kleinen Kreis weiterer Kolleginnen hatte sie sich für die Freilassung Büyükavcis eingesetzt. Sie schrieben unter anderem an verschiedene Landes- und Bundespolitiker. Die meisten Adressat_innen reagierten nicht einmal. Lediglich der Bund der Steuerzahler antworte mit einem Brief. Ihn hatten sie angeschrieben, um auf die Kosten des Münchner Mammutprozesses hinzuweisen. Der geht auch nach der bedingten Freilassung der vier Angeklagten in München weiter. Seit einem Jahr wird im Münchner Strafjustizzentrum verhandelt. 

Erst vor Kurzen begann in Hamburg der Prozess gegen den türkischen Linken Musa Asoglu. Anfang Februar forderten auf einen Kongress in Hamburg Anwält_innen und Solidaritätsgruppen seine Freilassung. Als »Auftragsarbeit für Erdogan« bezeichnen auch die Anwälte Stolle und Ziyal das Münchner TKP-ML-Verfahren. Dieses sei nur durch eine Kooperation der deutschen und türkischen Justiz möglich.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1080133.angeklagte-in-tkp-prozess-freigelassen.html

Peter Nowak

Mit dem 129b gegen kurdische und türkische Oppositionelle


Die deutsche Politik ermächtigt die Kriminalisierung von Oppositionellen, die auch in der Türkei verfolgt werden

Der 14. Februar stand ganz im Zeichen der Solidarität mit Deniz Yücel, dem Journalisten, der nunein Jahr in der Türkei im Gefängnis ist. Zum Jahrestag erschien einBuchmit Texten, die Yücel im Gefängnis geschrieben hat. Viele Zeitungen berichteten über den Fall.

Im Fall Deniz Yücel gibt s in Deutschland längst das ganz große Bündnis. Die Parole „Free Deniz“ blinkt täglich am Springerhochhaus und auch einige hundert Meter finden wir sie im Schaufenster der linksliberalen Tageszeitung taz. Für beide Zeitungen hat Yücel geschrieben. Begonnen hat er seine journalistische Laufbahn bei der linken Wochenzeitung Jungle World. Damals waren seine zentralen Themen die Kritik an den deutschen Verhältnissen. Viele derer, die sich heute für Yücel einsetzen, hätten ihn damals bekämpft.

Nun kann man Deniz Yücel nur wünschen, dass er, der längst zum Spielball politischer Interessen der Machthaber in der Türkei geworden ist, bald freigelassen wird. Dann hätte auch die Heuchelei der Medien ein Ende, die sich im Fall Yücel über die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei echauffieren können und nichts dabei finden, dass Deutschland seit Jahren mit dafür sorgt, das kurdische und türkische Oppositionelle verfolgt werden.

Das Justizministerium muss in jedem Fall die Justiz zum Ermitteln ermächtigen

Darauf haben am vergangenen Wochenende auf der de Internationalen Konferenz“Freiheit für Musa Asoglu”hingewiesen. Musa Asoglu ist vor der Hamburger Justiz seit Ende Januar 2018 wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach dem Paragraph 129b angeklagt. Die beiden Rechtsanwältinnen Anwältinnen Gabriele Heinecke und Fatma Sayin wiesen auf einen Satz in dem Paragraphen hin, der oft übersehen wird. “

In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

2008 wurde das erste Mal mit den Paragraphen 129b linker Widerstand im Ausland vor deutschen Gerichten abgeurteilt. Fünf vermeintliche Mitglieder der türkischen kommunistischen DHKP/C wurden vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht angeklagt und verurteilt. Das war ein Pilotverfahren. Seit Juni 2016 läuft in München einVerfahren gegen elf mutmaßliche Mitglieder der türkischen Kommunistischen Partei TKP/ML. Alle haben sie seit Jahren legal in Deutschland gelebt und gearbeitet, bis sie durch ihre Verhaftung im Jahr 2015 aus ihrem Alltag herausgerissen worden sind.

2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass auch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK nach dem Paragraphen 129 b angeklagt werden können. Davon wird seitdem reichlich Gebrauch gemacht. Die Aktivitäten der kurdischen Bewegung, die sich in den letzten 20 Jahren eine gründliche Revision ihrer bisherigen traditionsmarxistisch-leninistischen Positionen vorgenommen hat, die sich dem Demokratischen Konföderalismus zugewandt hat und die den Kämpfen der Frauen einen großen Stellenwert zuschreibt, werden von der deutschen Justiz mit dem Terrorismusparagraphen abgeurteilt.

Dabei ist es Kennzeichen dieses Paragraphen, dass in Deutschland völlig legale Tätigkeiten, wie das Sammeln von Spenden und das Organisieren von Solidaritätskonzerten mit Gefängnisstrafen geahndet werden kann, wenn das Gericht der Meinung ist, dass es sich dabei um Aktivitäten für eine terroristische Organisation im Ausland geschieht.

Jubel bei der türkischen Presse und Politik

Dass nun der Paragraph 129b den Schlüssel dafür bietet, dass türkische und kurdische Oppositionelle auch in Deutschland juristisch verfolgt werden können, freut natürlich die türkische regierungsnahe Presse und die Politik. Die Medien berichten daher auch ausführlich über solche Verfahren und fordern die deutsche Regierung auf, mit der Anwendung des Paragraphen noch großzügiger umzugehen.

Es ist allerdings keine Gefälligkeit der deutschen Politik und Justiz für ihre türkischen Kollegen und auch nicht die oft prognostizierte lange Hand Erdogans, die bei den 129b-Verfahren in Deutschland maßgeblich ist. Es gibt vielmehr bei den deutschen und türkischen Staatsapparaten ein Verfolgungsinteresse. Darin liegt auch der Grund, dass ein Großteil der Medien, die im Fall Yücel die Situation der Menschenrechte in der Türkei beklagen, keine Einwände haben, wenn die deutsche Politik die Ermittlung gegen Menschen erlaubt, die bereits in der Türkei verfolgt wurden.

https://www.heise.de/tp/features/Mit-dem-129b-gegen-kurdische-und-tuerkische-Oppositionelle-3970067.html

Peter Nowak
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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.dw.com/de/deniz-y%C3%BCcel-365-tage-eingesperrt/a-42470693
[2] http://www.edition-nautilus.de/programm/Flugschriften/buch-978-3-96054-073-1.html
[3] http://political-prisoners.net/item/5652-internationale-konferenz-zum-s-129b-prozess-gegen-musa-aolu-am-1011-2-2018-in-hamburg.html
[4] http://dejure.org/gesetze/StGB/129b.html
[5] https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/
[6] http://demokratischeautonomie.blogsport.eu/?page_id=12
[7] https://www.heise.de/tp/features/Grup-Yorum-Verbote-Schikanen-finanzielle-Verluste-3744759.html
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Ditib als Bauernopfer

Während die deutsch-türkische Partnerschaft bei der Flüchtlingsabwehr und gegen Linke reibungslos läuft, streitet man sich über einen Moscheeverein

Seit Monaten fordern Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen, dass die Bundesregierung das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei aussetzen soll. Es entspricht schon im Allgemeinen nicht den menschenrechtlichen Standards und droht das Asylrecht auszuhebeln. Dass nun in der Türkei der Weg in eine islamistische Präsidialdemokratur fortgesetzt wird, ist ein weiterer Grund für die Forderung, das Abkommen, das nie hätte geschlossen werden dürfen, aufzukündigen.

Doch in der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien stoßen diese Forderungen auf taube Ohren. Dort ist Flüchtlingsabwehr gerade im Wahljahr oberster Grundsatz und dafür taugt auch ein Erdogan noch genug. Dafür werden Ersatzdiskussionen geführt. Dazu gehört die wochenlange Auseinandersetzung über den türkischen Moscheeverband Ditib[1].

Keine Frage, für Anhänger einer säkularen Gesellschaft ist ein solcher Verband ein Anachronismus und es wäre eigentlich begrüßenswert, wenn sein Einfluss reduziert würde. Besser noch, es würden gesellschaftliche Verhältnisse entstehen, in denen ein solcher Verband wie alle religiösen Institutionen mangels Nachfrage absterben würden. Das wäre ein Zustand, in dem die Menschen nicht mehr Religion als „Opium des Volkes“ benötigten, wie es Karl Marx mal ausdrückte.

Doch wir leben heute in Zeiten, in denen die Subalternen mehr Betäubungsmittel denn je brauchen und der Islam ist nur eines davon. Das liegt auch daran, dass emanzipatorische Auswege aus den herrschenden Verhältnissen scheinbar nicht bestehen. Dann betäuben sich die Menschen besonders oft mit allen möglichen Opiaten, die nicht immer religiöser Natur sein müssen. Wenn die Diskussion um die Ditib in einem solchen Kontext stehen würde, würde sie in eine emanzipatorische Richtung laufen.

Aber die aktuelle Dauerdebatte ist in Wirklichkeit ein Ablenkungsmanöver. Auf die Ditib wird eingeprügelt, weil man so den konservativen Wählern suggerieren kann, dass man starke Worte gegen die Türkei findet. Als Hauptsache bleibt, dass der Flüchtlingsdeal mit der Türkei weitergeht. Auch viele der schärfsten Türkei-Kritiker finden es ganz in Ordnung, dass die Türkei mit dafür sorgt, dass Migranten gar nicht erst in den EU-Raum gelangen.

Aktuell regt man sich darüber auf, dass Ditib-Mitglieder angeblich Informationen über Gülen-Mitglieder an die türkischen Behörden geschickt haben. Hat Ditib diese Informationsweitergabe zugegeben, wie es deutsche Medien berichteten,[2] oder hat ein Ditib-Vertreter die Vorwürfe nur ernst genommen, wie es der Moscheeverein selber behauptet[3]?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Vorwürfe stimmen. Nach dem Putschversuch in der Türkei galt Gülen als Staatsfeind Nummer eins. Da es lange Zeit eine Kooperation mit den herrschenden Islamisten gab, ist auch sehr wahrscheinlich, dass die Moscheen die Orte waren, an denen sich die nun verfeindeten Glaubensbrüder noch regelmäßig trafen. Es wäre da nur logisch im Sinne der türkischen Staatsraison, dass dort nach Gülen-Mitgliedern gefahndet wurde.

Es ist aber unverständlich, warum das so auf besonders große Aufregung stößt. Bis heute ist unklar, wie groß die Rolle der Gülen-Bewegung beim gescheiterten Putschversuch war. Selbst erklärte Erdogan-Gegner betonen in der Regel, dass die Gülen-Bewegung einen wichtigen Anteil daran hatte. Natürlich wird diese Bewegung jetzt vom Erdogan-Regime zum omnipräsenten Hauptfeind aufgeblasen.

Damit soll auch vergessen gemacht werden, dass die Gülenbewegung und die Islamisten um Erdogan jahrelang gemeinsam Oppositionelle verfolgt und mit Kampagnen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt haben. Die Massenprozesse im letzten Jahrzehnt, als Oppositionelle beschuldigt wurden, einem tiefen Staat anzugehören und für Jahre in Gefängnissen verschwanden, wären ohne die Kooperation zwischen der Gülen-Bewegung und den erdogantreuen Islamisten nicht möglich gewesen.

Nun haben die sich die brothers in crime verkracht und die Gülenbewegung ist unterlegen. Das ist doch eigentlich kein Grund, sich darüber besonders aufzuregen.

Wenn nun die CDU-Vorstandsmitglieder Julia Klöckner und Jens Spahn erklären, dass Ditib kein Partner mehr sein kann und erst ihre Kooperation mit der Türkei lösen müssen, dann wird hier die eigene konservative Agenda bedient. Wie schon bei der Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft wird auch bei der Ditib-Diskussion vorausgesetzt, man könne nur einem Staat gegenüber loyal sein.

Wer noch politisch, kulturell oder religiös mit der Türkei verbunden ist, macht sich da schon mal verdächtig. Hier wird gegen einen islamistischen Nationalismus ein eigener Nationalismus in Anschlag gebracht. Das soll der Union, aber auch der SPD konservative Wähler bringen.

Auch Linkspolitiker wie Sevim Dagdelen[4] bedienen hier Klischees, wenn in verschiedenen Presseerklärungen der Eindruck erweckt wird[5], als stünde Erdogan via Ditib schon in den deutschen Klassenzimmern. Statt den notwendigen Kampf gegen reaktionäre Organisationen wie Ditib in den Kontext einer emanzipatorischen Islamkritik einzuordnen, wird hier das Klischee vom Türken bedient, der diesmal nicht mehr nur vor Wien, sondern schon in deutschen Klassenzimmern steht.

Dabei läuft auf anderem Gebiet die Kooperation zwischen der türkischen und der deutschen Justiz reibungslos. Gegen türkische und kurdische Linke, die oft bereits in ihrer Heimat gefoltert wurden und Jahre in Gefängnissen verbrachten, werden regelmäßig auch Erkenntnisse der türkischen Justiz verwendet.

Aktuelles Beispiel ist der vor einigen Wochen verhaftete Musa Aşoğlu[6], dem sogar die Auslieferung in die Türkei droht. In den Medien wird er zum Terrorfürsten[7] aufgebaut, weil er Mitglied einer linken Organisation ist, die bereits vom türkischen Faschismus gesprochen hat, als viele in Erdogan noch den Garanten einer islamischen Demokratie wähnten.

Die regimenahen türkischen Medien feierten die Verhaftung des Mannes in Hamburg als gelungene Kooperation. Auch die Prozesse gegen vermeintliche Mitglieder einer kleinen türkischen kommunistischen Partei[8] wären ohne die reibungslose deutsch-türkische Kooperation nicht möglich gewesen. Diese deutsch-türkische Partnerschaft will die Bundesregierung genau sowenig beenden wie den Flüchtlingsdeal. Ditib ist da nur ein Bauernopfer.

https://www.heise.de/tp/features/Ditib-als-Bauernopfer-3604641.html

Peter Nowak


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[1] http://www.ditib.de
[2] http://www.tagesspiegel.de/politik/tuerkei-moscheeverband-ditib-bestaetigt-spitzelei-fuer-tuerkischen-staat/19242942.html
[3] http://www.ditib.de/detail1.php?id=560&lang=de
[4] https://www.sevimdagdelen.de/tag/erdogan/
[5] https://www.sevimdagdelen.de/erdogans-ditib-agenten-ausweisen/
[6] http://political-prisoners.net/item/4786-woechentliche-kundgebung-vor-dem-untersuchungsgefaengnis-ug-in-hamburg-fuer-musa-aolun.html
[7] http://www.mopo.de/hamburg/polizei/musa-asoglu-verhaftet-was-wird-jetzt-aus-dem-terror-fuersten–25249036
[8] https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/