Spät – aber nicht zu spät

Minijobber soll mehr als 60 Stunden in der Woche geschuftet haben

Unter dem Motto „Gegen Ausbeutung in Spätverkäufen“ organisiert ein Bündnis sozialer Gruppen am Dienstag um 18 Uhr eine Kundgebung an der Frankfurter Allee – Ecke Samariterstraße im Bezirk Friedrichshain.   Damit soll ein ehemaliger Mitarbeiter des Spätkaufs Mumbai-Corner in der Samariterstraße 3 unterstützt werden. Der Hartz IV-Empfänger war mit einem  Minijob-Vertrag in dem Laden angestellt. Nach seinen Angaben  habe er aber bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen und hätte oft nicht einmal Mittagspause gehabt.
Der Ladenbesitzer bestreitet diese Angaben. Der Mitarbeiter habe nur 20 Stunden im Monat in dem Laden gearbeitet, wie im Minijobvertrag vorgesehen.
Jetzt muss sich das Arbeitsgericht mit der Angelegenheit befassen. Dort will der ehemalige Verkäufer die ihm  seiner  Meinung nach zu stehende Löhne einklagen. Nach Angaben seines Anwalts Klaus Stähle stehen die Chancen für seinen Mandanten nicht schlecht. Er konnte mehrere Kunden des Ladens ausfindig machen, die bezeugen, dass der Kläger  häufig hinter der Ladentheke gestanden habe. Arbeit habe ich dort immerhin gegeben. Denn in dem Laden werden nicht nur Zeitungen, Getränke und Zigaretten, sondern auch die Dienstleistungen des Hermes-Paketdienstes  angeboten. Zu de gehört ein Internettreffpunkt zu den Laden.

Am kommenden Donnerstag hat das Berliner Arbeitsgericht am Magdeburger Platz 1 einen Gütetermin angesetzt. Dort soll ausgelotet werden, ob es in der Angelegenheit eine Einigung gibt.  Das Interesse an der öffentlichen Veranstaltung im Raum 209 dürfte groß sein. Denn der Kläger ist einer der wenigen Spätkauf-Angestellten, die sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren. Nicht nur Stähle sagt, dass sei sein erster Mandant aus dieser Branche. Auch Erika Ritter,  die bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für die Einzelhandelsbranche zuständig ist, erklärt  im Gespräch mit Neues Deutschland, ihr sei Fall, wo ein Spätkauf-Beschäftigter  sich an ihre Gewerkschaft gewandt hat um seine Rechte durchzusetzen. Auch für die kleine Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU), an die sich der Verkäufer aus Friedrichshain gewandt hatte, sieht in dem Fall Neuland.
Nicht selten wollen die Spätkauf-Besitzer  mit einem eigenen Laden aus der Arbeitslosigkeit fliehen wollen. “Eine  extrem hohe Wettbewerbsintensität wird durch schonungslose Selbstausbeutung oder die Verwendung billigster Arbeitskräfte kompensiert. Nicht wenige „Spätverkäufe  sind  von mithelfenden Familienangehörigen abhängig“, meint FAU-Pressesprecherin Julia Fehrle. Ihre Organisation bietet Beratung für Beschäftige dieser Branche an. Dafür soll auf der Kundgebung ebenso geworben, wie für Solidarität mit den Beschäftigten, der sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehrt. Mittlerweile haben sich auch Nachbarn des Spätkaufs mit den klagenden Beschäftigten solidarisch erklärt. Der Liedermacher Detlev K. hat unter dem Titel „Spätkauf aber nicht zu spät“, einen Solidaritätssong komponiert.

aus Neues Deutschland 18.10.2011
Peter Nowak