Baskischer Aktivist nach Spanien ausgeliefert


Trotz Berichten über Folter für angebliche ETA-Mitglieder wurde Iñigo Gulina an die spanischen Behörden überstellt

Nun also doch: Iñigo Gulina ist von Berlin nach Spanien ausgeliefert worden. Am 21. Dezember hat das Berliner Kammergericht grünes Licht für die Überstellung des 37-Jährigen gegeben. Einige Tage zuvor war bereits der 29-jährige Mikel Barrios nach Frankreich ausgeliefert worden. Die beiden baskischen Aktivisten waren Ende Oktober in Berlin verhaftet worden. An dem Zugriff waren neben der Berliner Polizei und dem BKA auch eine Sondereinheit der spanischen Polizei Guardia Civil beteiligt. Sie wirft Gulina und Barrio vor, in der baskischen Untergrundbewegung ETA aktiv gewesen zu sein. Sie führte über längere Zeit einen bewaffneten Kampf gegen den spanischen Staat, den sie im Jahr 2011 allerdings eingestellt hat.

Die Auslieferung von Gulina nach Spanien stößt auf starke Kritik von Rechtshilfeorganisationen und JuristInnen. So verweist der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff auf zahlreiche Berichte der UN-Antifolterkommission. Dort wurde festgestellt, dass in Spanien besonders baskische Häftlinge gefoltert würden. Aufgrund dieser Daten wurde in mehreren EU-Ländern, beispielsweise in Belgien, die Auslieferung von Personen, die von der spanischen Justiz der ETA-Mitgliedschaft beschuldigt werden, abgelehnt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die angeblichen Beweise unter Folter zustande gekommene Aussagen Dritter sind, lautet die Begründung.

Das Berliner Kammergericht hingegen hat darauf verwiesen, dass Spanien EU-Mitglied ist und die Foltervorwürfe nicht belegt seien. Auf die in den Berichten der UN-Kommission genannten Beispiele von Folterungen, die die belgische Justiz veranlassten, Abschiebungen baskischer AktivistInnen nach Spanien abzulehnen, ist die Berliner Justiz hingegen nicht eingegangen.

Gerloff weist auch im Fall von Iñigo Gulina auf Ungereimtheiten hin. Als die spanischen Behörden um Mithilfe bei seiner Auffindung und Festnahme baten, sei er noch beschuldigt gewesen, an drei Anschlägen der ETA beteiligt gewesen zu sein. Im Europäischen Haftbefehl, der zu seiner Inhaftierung führte, sei von Sprengstoffanschlägen keine Rede mehr. Dort werden ihm sechs Anschläge auf Banken und Bahnanlagen vorgeworfen. Auch über die Beweise gebe es laut Gerloff Unklarheiten. Die spanischen Behörden hätten lediglich mitgeteilt, dass bei einer Hausdurchsuchung Propagandamaterial der baskischen Jugendorganisation Segi gefunden wurde. Segi wurde im Jahr 2007 vom spanischen Staat verboten. Die spanische Justiz behauptet, dass einige ihrer AktivistInnen später zur ETA gegangen seien. Auch Mikel Barrios war bei Segi aktiv.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1074475.baskenland-baskischer-aktivist-nach-spanien-ausgeliefert.html

Peter Nowak

Zu Weihnachten im spanischen Gefängnis

Vor Heiligabend ist ein mutmaßlicher ETA­Aktivist aus Berlin nach Spanien ausgeliefert worden. Sein Anwalt sieht Ungereimtheiten

Am 22. Dezember 2017 ist der Baske Iñigo Gulina von Berlin nach Spanien ausgeliefert worden. Einen Tag zuvor hat das Berliner Kammergericht grünes Licht für die Überstellung des 37-Jährigen an Spanien gegeben. Einige Tage früher war bereits der 29-jährige Mikel Barrios nach Frankreich ausgeliefert worden.
Beide Männer waren Ende Oktober in Berlin verhaftet worden. An dem Zugriff war neben der Berliner Polizei und dem BKA auch eine Sondereinheit der spanischen Polizei Guardia Civil beteiligt. Die spanische Justiz wirft den beiden vor, in der baskischen Untergrundbewegung ETA aktiv gewesen zu sein. Sie hat über einen längeren Zeitraum einen bewaffneten Kampf gegen den spanischen Staat für die Unabhängigkeit des Baskenlands geführt, den sie im Jahr 2011 einstellte.

UNO vermutet Folter
Die Auslieferung von Gulina nach Spanien stößt auf starke Kritik von Rechtshilfeorganisationen und JuristInnen. So verweist der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der Gulina vertritt, auf zahlreiche Berichte der UN-Antifolterkommission. Die hatte festgestellt, dass in Spanien besonders baskische Häftlinge gefoltert würden. Aufgrund dieser Berichte wurden in mehreren EU-Ländern, unter
anderem in Belgien, die Auslieferungen von Menschen, die die spanische Justiz der ETA-Mitgliedschaft beschuldigt, abgelehnt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass angebliche Beweise unter Folter zustande gekommene Aussagen Dritter seien, so die Begründung. Das Berliner Kammergericht hingegen verwies darauf, dass die Foltervorwürfe nicht belegt seien und Spanien EU-Mitglied ist. Gerloff weist im Fall von Iñigo Gulina auch auf zahlreiche Ungereimtheiten hin. Als die spanischen Behörden um Mithilfe bei seiner Auffindung und Festnahme baten, sei er noch beschuldigt gewesen, an drei Anschlägen der ETA beteiligt gewesen zu sein. Im europäischen Haftbefehl, der zu seiner Inhaftierung führte, sei von Sprengstoffanschlägen jedoch keine Rede mehr. Dort werden ihm sechs Anschläge auf Bänken und Bahnanlagen vorgeworfen. Auch über die Beweise gibt es laut Gerloff Unklarheiten. Die spanischen Behörden hätten lediglich mitgeteilt, dass bei einer Hausdurchsuchung Propagandamaterial der baskischen Jugendorganisation Segi gefunden wurde, das ihn belaste. Die Jugendorganisation wurde 2007 vom spanischen Staat verboten. Die spanische Justiz behauptet, dass einige ihrer AktivistInnen später zur ETA gegangen seien.

aus Taz-Berlin, 27.12.2017

Peter Nowak