Arbeiterpaläste zu Eigentumswohnungen

Mieter aus der Frankfurter Allee wehren sich gegen drohende Vertreibung

»Ich habe in Sonderschichten geholfen, diese Häuser mit aufzubauen und kann nicht verstehen, dass sie jetzt an Kapitalisten verkauft werden«, erklärte Erika Eberlein unter Applaus am Dienstagabend in der Galiläakirche in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain. Der Einladung des Stadtteilladens Friedrichshain und des vor kurzem gegründeten Mieterrates waren zahlreiche Bewohner der noch unsanierten Gebäude Frankfurter Allee 5 bis 27 gefolgt. Das Motto des Abends lautete »Arbeiterpaläste zu Eigentumswohnungen«. Daran hängt für viele die Frage, ob sie in Zukunft noch in den Häusern leben können, die wie bei Erika Eberlein oft seit Jahrzehnten ihr Lebensmittelpunkt sind.

Im ersten Teil des Abends wurde eine Mängelliste erstellt und an den für die aktuellen Baumaßnahmen verantwortlichen Architekten weitergeleitet. Da war von nicht funktionierenden Aufzügen die Rede, die es älteren Mietern unmöglich machten, ihre Wohnungen in den oberen Etagen zu verlassen. Auch Feuchtigkeitsflecken und Schwammbildung wurden genannt. Immer wieder wurde von den Mietern moniert, dass sie diese Mängel erfolglos dem Hausmeister gemeldet hatten.

»Als wir daraufhin nach Beratung mit Mieterverbänden eine Mietminderung durchführten, bekamen wir sofort einen Brief des Eigentümers, in dem uns mit juristischen Folgen gedroht wurde, wenn wir nicht die Abzüge ausgleichen würden«, sagte ein empörter Mieter. Ein anderer Bewohner hat nach einer Mietminderung eine Kündigung erhalten, über die am Donnerstag vor Gericht verhandelt wird. Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), betonte, dass es die aktuelle Gesetzlage schwer mache, Mieterrechte zu verteidigen.

»Durch die Privatisierung der Häuser in den 90er Jahren sind sie den hier geltenden Marktmechanismen ausgeliefert«, so Schulz. Geändert werden könne das im Berliner Abgeordnetenhaus und im Bundestag, doch dort sind die Mehrheiten dafür derzeit nicht vorhanden.

Rainer Wahls vom Stadtteilbüro Friedrichshain brachte optimistischere Töne in die Debatte. »Der Eigentümer stößt dort an die Grenzen, wo sich Mieter organisieren und nicht spalten lassen«, betonte er und verwies auf die großen »Wir bleiben alle« -Demonstrationen, die vor knapp 20 Jahren von Ostberliner Initiativen organisiert wurden. »Auch wir werden bleiben«, betonte Wolfgang Grabowski vom Mieterrat, der vor einigen Wochen in den Häusern gegründet wurde.

Ein Hoffest ist in der Diskussion, eine Webseite wird gerade erstellt. Rico Prauss, der im Büro der Bundestagsabgeordneten der LINKEN Halina Wawzyniak arbeitet, bekam viel Zustimmung als er monierte, dass die Eigentümer der Häuser, die »Home Center Liegenschaften«, bisher jeden Dialog mit den Mietern verweigert hätten.

Auch am Dienstagabend war trotz Einladung kein Vertreter erschienen. Bürgermeister Schulz erklärte, er habe auf ein Schreiben die Zusage zu einem Treffen in nächster Zeit erhalten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/801660.arbeiterpalaeste-zu-eigentumswohnungen.html
Peter Nowak