Berlin und die Phrase von der werteorientierten Außenpolitik

Viele Politiker, die Trumps Geschäftsreise nach Saudi-Arabien kritisieren, sind neidisch, dass Deutschland nicht zum Zug kam. Im Fall Indiens und Chinas soll ihnen das nicht passieren – Ein Kommentar

Die neu auferstandene Großmacht Deutschland ist schon längst über die Zeit hinaus, als sie nur auf Augenhöhe mit den USA stehen wollte. Mittlerweile hat sie die USA längs verbal zum Gegner erklärt.

Neu ist das nicht. Der SPD-Kanzler Schröder hat schließlich vor dem Irakkrieg gezeigt, wie man mit US-Schelte Zustimmung in Deutschland bekommt. Allerdings gelang es ihm nicht, sozialpolitische Probleme einfach durch einen Gegner im Ausland vergessen zu machen. Mit der Agenda 2010 leitete er seinen Sturz ein. Immer hat die SPD der Union und vor allem Merkel vorgeworfen, sie hätten US-Präsident Bush und den Irakkrieg unterstützt und deutsche Interessen vernachlässigt.

Jetzt gibt Merkel im Vorwahlkampf den Schröder und distanziert sich am Münchner Stammtisch von den USA. SPD und LINKE müssen also zuschauen, dass ihr Merkel auch noch das US-Bashing wegnimmt. Also muss Trump die Kanzlerin noch dabei übertreffen, Deutschland mit den USA in Stellung zu bringen. Wenn Schulz Trump zum „Zerstörer aller westlichen Werte“[1] anprangert, ist das natürlich erst einmal Wahlkampfrhetorik.

USA und Deutschland sind politische und wirtschaftliche Gegner

Wenn sein Parteikollege Oppermann von einer neuen Lage spricht, weil Trump in einem Tweet Deutschland zum Gegner erklärt, ist das schlicht und einfach falsch. Das EU-Deutschland und die USA waren wirtschaftliche und politische Konkurrenten lange vor Trump und sogar vor Bush. Seit 1989 hat sich Deutschland allerdings einen eigenen politischen Hinterhof geschaffen, um diese Konkurrenz auch offen auszutragen.

Man könnte eine Geschichte der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland seit 1989 schreiben und würde feststellen, wie die selbstbewusste Nation immer stärker deutlich gemacht hat, dass die Phrase von der deutsch-amerikanischen Freundschaft der Vergangenheit angehört. Im Kalten Krieg brauchte Westdeutschland die USA zum Wiederaufstieg. Doch bereits F.J. Strauß sprach der Mehrheit der „entnazten Nazis“ (B.Brecht)[2] aus dem Herzen, wenn er deutlich machte, dass Deutschland wieder stark genug werden sollte, damit es sich von niemand, schon gar nicht den Kriegsgegnern des 2. Weltkriegs, etwas sagen lassen will.

Man darf nicht vergessen, dass Strauß bereits 1969 eine Rede[3] hielt, die in der Diktion die historischen Ergüsse von AfD-Rechtsaußen Höcke in Dresden noch übertraf. Von Ausschlussanträgen von Seiten der Union war damals nichts zu hören. Nur hatte Strauß in seiner Wirkungszeit zum Glück noch nicht die Möglichkeiten, seine Wünsche umzusetzen. Das änderte sich nach 1989.

Die Entfremdung ist aber beidseitig. Daher verwundert auch nicht, dass Trump und sein Umfeld von Merkels Bierzelt-Rede begeistert[4] sein sollen. Wenn sie erklärt, die Europäer müssten ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen, konterte Trump, genau das habe er immer gefordert. Und nicht nur er, die Forderung, dass die EU und die USA wirtschaftlich und politisch getrennte Wege gehen sollen, wird in den USA seit Jahren von Politikern unterschiedlicher Couleur erhoben. Der Geschäftsmann Trump ist nüchtern genug, die Tatsache anzuerkennen, dass Staaten untereinander keine Freundschaften pflegen, sondern Interessen mal mit- und mal gegeneinander verteidigen. Und er formuliert das erfreulicherweise auch öffentlich.

Diese klaren Worte sind auf jeden Fall den Phrasen von der Wertegemeinschaft und einer wertebasierten Außenpolitik vorzuziehen, die vornehmlich aus dem Lager der Opposition in Deutschland zu hören sind. Nun war die künstliche Aufregung vor allem von SPD-Politikern in den letzten Tagen so deutlich als wahlkampfgesteuert erkennbar, dass selbst die Taz, die ja auch gerne viel von Werten redet, eine ihrer schlaueren Kommentatoren den Platz überlasst, „Merkels heimlichen Nationalismus“[5] offen anzusprechen. „Merkel kritisiert Trumps Abschottung, tatsächlich aber verbirgt sie ihr „Deutschland zuerst“ nur besser. Das zeigt sich an der Haltung zu Griechenland“, bringt Ulrike Herrmann treffend auf den Punkt, wie Deutschland in ihrem europäischen Hinterhof ihre Interessen durchsetzt.

Roter Teppich für den Hindunationalisten Modi

Der Umgang mit Griechenland ist nur eines von unzähligen Beispielen für Deutschlands Interessen in der Außenpolitik. Erst am Montag wurde dem indischen Ministerpräsidenten Modi in Berlin der rote Teppich ausgebreitet. Es wurden Elogen auf die deutsch-indische Kooperation gesungen, ohne zu erwähnen, dass bereits das NS-Regime dafür die Grundlage gelegt hat.

Die indischen Nationalisten[6] und die Nazis hatten einen gemeinsamen Feind[7]: Großbritannien. Aber gerade in hindunationalistischen Kreisen sah man sich auch historisch und mythologisch dem NS nahe. Nun regiert mit Modi ein Hindunationalist, dem nicht nur vorgeworfen wird, Nichtregierungsorganisationen zu verfolgen. Modi und sein Umfeld paktieren ganz offen mit Gruppen, die eine Art Hindufaschismus[8] verfolgen.

Vor Modis letzten Wahlsieg war davon auch in Deutschland noch öfter die Rede[9]. Doch seit er als Regierungschef das Land im wirtschaftsliberalen Sinne umbaut, ist die deutsche Politik voll des Lobes für den rechten Politiker. Schließlich will man den indischen Markt nicht den Konkurrenten aus den USA überlassen. Wenn nun viele deutsche Politiker sich über Trumps Geschäftsreise nach Saudi Arabien aufregen, spricht da bei vielen der Neid heraus, dass sie nicht das Geschäft gemacht haben.

Wenn nach Modi der chinesische Premierminister gestern seine Aufwartung in Berlin machte, wird in der Öffentlichkeit auch mal nach den Menschenrechten gefragt. Doch die Mehrheit der NGOs, die sich dafür stark machen[10], weint tibetanischen Feudalherren der Gelbmützen[11] und der obskuren Falung-Gong-Bewegung hinterher. Die wenigen Initiativen[12], die sich etwa mit Arbeiterrechten[13] in China auseinandersetzen, sind nicht so naiv zu meinen, dass die Bundesregierung dafür zuständig wäre. Für den Wirtschaftstandort Deutschland ist China auch deswegen ein so interessanter Markt, weil dort die Rechte der Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte minimal sind.
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Peter Nowak
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[1] http://www.deutschlandfunk.de/spd-chef-schulz-trump-ist-ein-zerstoerer-aller-westlichen.1939.de.html?drn:news_id=751068
[2] http://www.alfa1.de/az-ged.html
[3] http://www.zeit.de/1988/41/worte-von-franz-josef-strauss/seite-3
[4] http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/bierzelt-rede-von-angela-merkel-begeistert-donald-trump-15040105.html
[5] http://www.taz.de/!5409974/
[6] http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44396/bose-der-vergessene-freiheitsheld?p=all
[7] http://www.urmila.de/UDG/Biblio/legion.html
[8] http://www.taz.de/!5042611/
[9] http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44485/hindunationalisten
[10] http://www.deutschlandfunk.de/vor-lis-deutschland-besuch-menschenrechtler-kritisieren.1939.de.html?drn:news_id=751241
[11] https://thinktankboy.wordpress.com/f-rubriken/tibet-und-der-dalai-lama/
[12] http://www.gongchao.org/tag/ralf-ruckus/
[13] http://archiv.labournet.de/internationales/cn/schaumberg1.html