Makhdoumin oder die Dienstbotengesellschaft

Makhdoumin (A Maid for Each), Libanon/Frankreich/Norwegen 2016, Regie: Maher Abi Samra

Eine Familie des gehobenen Mittelstands sitzt in einem Büro und blättert in Katalogen. Mal nimmt die Frau einen Zettel aus einer Klarsichtfolie und liest ihn genauer. Mal tuschelt die Frau mit ihrer Tochter und lacht. Man könnte denken, die Familie plant ihren Urlaub und sucht das passende Hotel. Doch auf dem Foto sind junge Frauen abgebildet und die Familie unterhält sich über ihre Gesichtszüge und stellt Mutmaßungen an, welche Frau freundlich und welche streng ist. Es ist eine Agentur für Arbeit in Beirut und die Familie sucht sich gerade ein neues Dienstmädchen aus. In diesem Büro wird der Film Makhdoumin (A Maid for Each) zum größten Teil spielen. Die Protagonisten sind der Leiter der Agentur und seine Mitarbeiterin.
Der Regisseur Maher Abi Samra wurde 1965 in Beirut geboren, war mehrere Jahre Mitglied der Kommunistischen Partei des Libanon und hat in den letzten Jahren mehrere Filme gedreht, die sich mit der politischen Situation im Libanon beschäftigen. Allerdings sind seine auf verschiedenen Festivals gezeigten Filme Women of Hezbollah (2000) und Chronicles of Return (1995) in Deutschland kaum bekannt. Schließlich wurden sie auch nie ins Deutsche übersetzt.
Mit Makhdoumin könnte Maher Abi Samra in Deutschland einem größeren Publikum bekannt werden. Im Februar 2016 lief er auf der Berlinale und wurde mit dem Friedensfilmpreis ausgezeichnet. Dieser Preis geht auf eine Initiative friedensbewegter Berliner im Jahr 1986 zurück. Seitdem verleiht der Trägerkreis diese Auszeichnung alljährlich am Ende der Berlinale.
Mit der Wahl des diesjährigen Films hat man sich für eine Erweiterung des Friedensbegriffs entschieden. Es geht nicht allein um den Kampf gegen Kriege und ihre Profiteure. In der Laudatio stellt ein Mitglied des Trägerkreises die Frage: «Was ist ein Friedensfilmpreis? Beschreibt er die Grausamkeiten des Krieges lediglich? Oder legt er die Zwänge einer zutiefst ungerechten Weltordnung offen?»
Die siebenköpfige Jury hat sich in diesem Jahr dafür entschieden, dass es Frieden nicht geben kann, solang es Ausbeutung und Unterdrückung gibt. In der Jury saßen Matthias Coers, der Regisseur des in vielen Ländern erfolgreichen Films Mietrebellen, sowie die Pressereferentin der Organisation «Reporter ohne Grenzen», Ulrike Gruska.
Die Jury begründet ihre Entscheidung, den Preis an Makhdoumin zu geben, so: «Der Film öffnet die Türen zu einer Agentur, die im Libanon weibliche Hausangestellte vom internationalen Markt vermittelt. Ein Film, der zeigt, wie Menschen als Ware gehandelt werden. Er schärft auf subtile Weise den Blick für ein System der Entrechtung, in dem Frauen rund um die Uhr folgsam und unsichtbar ihren Dienst verrichten müssen. Makhdoumin mahnt, ein System in Frage zu stellen, das den einen Vorteile bringt, während es anderen ihre Würde und Freiheit nimmt.»
Das ist ganz wörtlich zu verstehen. In der Agentur gibt es einen Raum, in dem die Frauen eingesperrt werden, bevor sie an Familien der libanesischen Oberschicht oder Mittelstands vermittelt werden. Die meisten Frauen kommen aus asiatischen Ländern und müssen sich verschulden, um in den Libanon zu gelangen. Wenn sie dort angekommen sind, werden ihre Pässe eingesammelt und sie verlieren den Status einer freien Person.
Selbst wenn sie von Familienangehörigen geschlagen werden, dürfen sie sich nicht beschweren. Sie leben mit im Haushalt der Familie, meist in einer kleinen Kammer, innerhalb der komfortablen Lofts, die im Film gezeigt werden. Die Frauen sind dort nicht zu sehen. Es gibt lediglich einige Szenen, wo sie als Schatten im Fenster beim Bettenmachen vorbeihuschen. Zu sehen sind im Film allerdings die allgegenwärtige Reklameschilder und Plakate, die sich an vermögende Einwohner richten und Dienstbotinnen in verschiedenen Preislagen anpreisen.
Maher Abi Samra betonte im Gespräch, dass diese Werbung sowohl in dem von der islamistischen Hezbollah dominierten Stadtteil Ostbeirut wie im christlich dominierten Westen zu sehen ist.
Auch in Deutschland boomt in den letzten Jahren verstärkt die Werbung für Putz- und Haushaltsgehilfinnen aller Art. Sie kommen auch hier oft aus Asien und Südamerika. Nicht selten bekommen sie die Pässe abgenommen und werden mit niedrigen Einkommen abgespeist. Mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di haben einige der Frauen Prozesse gewonnen, der ihnen vorenthaltene Lohn musste ihnen nachgezahlt werden.
In Zeiten der Renaissance der Dienstbotengesellschaft ist Makhdoumin schnell ein Verleih in Deutschland zu wünschen.

aus Sozialistische Zeitung (SoZ) 3/2016

Makhdoumin oder die Dienstbotengesellschaft

von Peter Nowak