Hausprojekt Linienstraße 206 unter Druck

Kündigungsdrohungen: Bewohner wollen Haus kaufen

Das bunte Gebäude in der Linienstraße 206 in Berlin-Mitte fällt in der sterilen Umgebung der Lofts und Bungalows auf. Das Haus war 1990 besetzt worden. Anfang der 90er Jahe wurde es legalisiert. Die Mietverträge garantieren den Bewohnern das Leben in einem alternativen Wohnprojekt, in dem die Küchen gemeinsam benutzt werden und nicht alle Türen verschlossen werden. Doch jetzt geraten die Bewohner unter Druck. Mit juristischen Drohungen erzwang der neue Eigentümer Bernd-Ullrich Lippert von den Mietern die Herausgabe eines Haustürschlüssels. Damit aber hätte er sofort Zutritt zu dem Privatbereich der Bewohner, die bisher ihre Wohnungstüren offen ließen. Sie sehen daher in der erzwungenen Schlüsselherausgabe eine Bedrohung ihres Projekts. „Wenn ich morgens aus meinem Zimmer in die Küche oder ins Bad will, möchte ich doch nicht den unangemeldeten Vermietern oder irgendwelchen Bauarbeitern über den Weg laufen.“ sagte Linienstraßenbewohnerin Anne Bonhoff. Zumal die Bewohner auch befürchten, dass der Streit mit dem Eigentümer weitergehen wird. Schon gab es Kündigungsdrohungen. Die bisher gültigen Mietverträge werden in Frage gestellt. „So begann auch der Konflikt in der Liebigstraße 14. Zuerst wurde die Herausgabe des Haustürschlüssels verlangt. Am Ende stand die Räumung“, meinte Bonhoff mit Verweis auf das im Februar 2011 mit einem großen Polizeiaufgebot geräumte Wohnprojekt in Friedrichshain. So weit wollen es die Mieter der Linienstraße nicht kommen lassen. Sie wollen das Haus kaufen und haben dabei die Unterstützung von Initiativen, die sich in Mitte gegen die weitere Vertreibung alternativer Wohn- und Kulturprojekt engagieren.
Erst vor wenigen Monaten musste der Linienhof, der sich direkt neben dem Haus befindet, einen Neubau von Eigentumswohnungen weichen. Auf dem Platz hatte jahrelang ein selbstverwaltetes Handwerkerkollektiv gearbeitet. Ihr Haus soll nicht so schnell verschwinden, betont Bonhoff. „Wir wollen die Linienstrasse 206 dauerhaft als selbstverwaltetes Projekt dem Immobilienmarkt entziehen und sichern. Wir sind bereit dafür für das Haus einen fairen Preis zu bezahlen“, betont die Bewohnerin. Dafür haben wollen sie sich auch mit anderen Mieterprojekten in Berlin vernetzen. Der Eigentümer ist weder gegenüber der Presse noch den Hausbewohnern zu einer Stellungnahme bereit.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/801900.hausprojekt-linienstrasse-206-unter-druck.html
Peter Nowak

Kampf um Mitte

Auf dem Linienhof soll ein Baugruppen-Projekt entstehen

Lange Zeit hat der Linienhof in der Kleinen Rosenthaler Straße 9 in Berlin-Mitte kaum Schlagzeilen gemacht. Seit 1991 schrauben Anwohner/innen mit Einwilligung des damaligen Besitzers auf dem Grundstück an ihren Autos und Fahrrädern. Auch Kulturprojekte proben dort. Doch seit eine Baugruppe auf dem Gelände ein Mehrgenerationenhaus errichten will, ist es mit der Ruhe vorbei. Die Nutzer/innen des Linienhofs wollten das Domizil nicht räumen, verkündeten sie auf Transparenten.

Nach Ansicht von Linienhofnutzer Jürgen Leineweber müssten zumindest einige Mitglieder der Baugruppe dieses Anliegen verstehen.
Denn zu ihnen gehört etwa der Publizist Mathias Greffrath, der sich mit seinen globalisierungskritischen Texten im Umfeld der Organisation attac positioniert hat. Doch dieser weist jede Kritik zurück. Als die Baugruppe
2007 das Gelände kaufte, hätten dort lediglich einige alte Autos herumgestanden und man habe den Nutzer/innen finanzielle Umzugshilfen angeboten. Zudem moniert Greffrath, dass sich niemand namentlich
zu erkennen gegeben habe.
Rechtsanwalt Moritz Heusinger erklärte dem MieterEcho, er habe sowohl Herrn Greffrath als auch der zuständigen Polizeidienststelle mitgeteilt, dass er die Nutzer/innen juristisch vertritt. „Es handelt sich um ein Nutzungsverhältnis, das regulär gekündigt werden muss“, beschreibt Heusinger die rechtliche Situation. Schließlich seien die Nutzer/innen
Anfang der 90er Jahre von damaligen Eigentümer zur Nutzung des Grundstücks ermuntert werden, damit es nicht brach liege.
Bei einer formellen Kündigung müsste auch die Baugruppe die Namen aller Mitglieder benennen, was bisher nicht geschehen sei,betont Heusinger.

 Baugruppen in der Kritik

Der Konflikt um den Linienhof hat die Rolle der Baugruppen stärker in den Mittelpunkt gerückt. „Sie werden in den letzten Jahren vom Berliner Senat zunehmend zumindest ideell gefördert, um eine finanzkräftige Mittelschicht in den zentral gelegenen Stadtteilen zu etablieren“, erklärt ein Teilnehmer einer Protestveranstaltung auf dem Linienhof.
„Während Mitglieder von Baugruppen von der Aufwertung eines Stadtteils wegen der Wertsteigerung ihres Eigentums profitieren,wird für Mieter das Wohnen teurer.“
Und eine Aktivistin der Alt-Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel ergänzt: „Die Folge sind oft Mieterhöhungen in der Nachbarschaft und damit verbunden eine Verdrängung von Bewohnern mit geringen Einkommen.“
In Treptow haben sich mehrere Baugruppen angesiedelt. Es sei durchaus keine
Seltenheit, dass Mitglieder von Baugruppen früher Hausbesetzer/innen waren oder wie Greffrath in sozialen Bewegungen aktiv sind, stellte die Aktivistin fest. Deshalb würden viele Baugruppen mit Begriffen wie „kollektives Wohnen“ hantieren, die im Umfeld von sozialen Bewegungen entstanden seien. Damals sei es um Aneignung gegangen, heute gehe es um Eigentumsbildung.

 http://www.mieterecho.de/mieterecho/mepdf/me343heft.pdf

Peter Nowak

aus:  ME 343 / November 2010

Debatte ohne Baugruppen

Linke Strukturen beklagten drohende Verdrängung
Noch immer ist die Zukunft des Linienhofes offen. Das Gelände in der Linienstraße in Mitte wird von unkommerziellen Handwerkern und Künstlern für ihre Arbeiten genutzt. Nun will eine Baugruppe, die das Gelände gekauft hat, mit der Errichtung eines Mehrfamilienhauses beginnen. Anfang August sollten die Bauarbeiten starten und die Nutzer des Linienhofes mobilisierten ihre Unterstützer. Doch die Bagger sind bisher nicht angerollt.

Seitdem herrscht Funkstille zwischen Platznutzern und Baugruppe. Bei der Diskussionsveranstaltung unter dem Motto »Baugruppen und gewachsene linke Strukturen im Interessenkonflikt« am Montagabend in dem Berliner Cafe Morgenrot war kein Baugruppenmitglied anwesend. Ob fehlende Bereitschaft oder Kommunikationsprobleme der Grund waren, ist unklar. Das Baugruppenmitglied Mathias Greffrath erklärte der ehemaligen Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, die die Veranstaltung moderierte, er habe die per Mail verschickte Einladung zu spät erhalten.

Wäre Greffrath anwesend gewesen, hätte er sich manche Kritik anhören müssen. »Baugruppen sind eine Form der Eigentumsbildung, die denen verschlossen bleibt, die nicht das nötige Eigenkapital zum Einstieg mitbringen. Ihre Mitglieder kommen aus kreditfähigen Mittelklassehaushalten«, erklärte ein Vertreter des Bündnisses »Steigende Mieten stoppen«. Weil die Grundstücke, auf denen Baugruppen ihre Häuser errichten, für einen sozialen Wohnungsbau nicht mehr zur Verfügung stehen und sich durch das Konsumverhalten der Baugruppenmitglieder teure Läden und Restaurants in der Umgebung ansiedeln, tragen sie auch zur Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen bei.

Das bestätigte Karla Pappel, eine Aktivistin der Alt-Treptower Stadtteilinitiative, wo sich mehrere Baugruppen angesiedelt haben. Sie trügen zu Mietsteigerungen in der Umgebung bei. Die Stadtteilaktivistin kritisierte zudem, dass die Baugruppen Begrifflichkeiten verwenden, die in sozialen Bewegungen entwickelt worden sind. So sei das Schlagwort vom kollektiven Wohnen oder die Parole »Die Häuser denen, die drin wohnen«, in den 80er Jahren von der Hausbesetzerbewegung kreiert worden. »Damals ist es aber um Aneignung und nicht um Eigentumsbildung gegangen«, betonte sie. Die Nutzung der Begriffe sei aber nicht zufällig. Nicht wenige der Baugruppenmitglieder waren in ihrer Jugend Hausbesetzer oder sind noch heute in sozialen Bewegungen aktiv. So hat sich Mathias Greffrath publizistisch im Umfeld von Attac gegen eine unsoziale Globalisierung positioniert.

Dass es bei dem Konflikt um die Baugruppen um unterschiedliche Interessen geht, machte der Stadtsoziologe Andrej Holm deutlich. »Mitglieder von Baugruppen profitieren von der Aufwertung eines Stadtteils, weil der Wert des Eigentums steigt. Für Mieter hingegen wird dadurch das Wohnen teurer.« Dieser reale Interessenkonflikt bestehe auch dann, wenn sich die Mitglieder der Baugruppe als politisch links definieren und sich sogar, wie in Alt-Treptow geschehen, als Gegner der Gentrifizierung bezeichnen. Der Grund der vor allem ideellen Förderung der Baugruppen durch den Berliner Senat liegt für Holm in dem Interesse, eine wohlhabende Mittelschicht in den Stadtteilen zu etablieren. Die Diskussion soll fortgesetzt werden. Eine größere Veranstaltung auch mit Mitgliedern der Baugruppen ist in Planung. Dann wird sich vielleicht auch die Perspektive für den Linienhof geklärt haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/179203.debatte-ohne-baugruppen.html?sstr=Linienhof|Baugruppen

Peter Nowak

Aus für den Linienhof?

Baugruppe drängt auf sofortigen Wegzug
Geschäftiges Treiben herrscht im Linienhof in der Kleinen Rosenthaler Straße 9 in Berlin-Mitte. Noch wird auf dem Areal und in den beiden Garagen gehämmert, geschmiedet und gelötet. Seit 1991 wird das Gelände als offenes Kulturprojekt, aber auch selbst organisierter Handwerkshof genutzt. »Bis zu 30 Menschen arbeiten im Linienhof an verschiedenen Projekten. Manche reparieren Autos, andere gestalten künstlerische Arbeiten«, sagt Jürgen Leinweber gegenüber ND. Er ist Mitglied im Verein Kathedral, der für den Linienhof zuständig ist. Mit regelmäßigen »Tagen der Offenen Tür« wird die Nachbarschaft in die Arbeit einbezogen.

Doch wenn die Nutzer des Linienhofs am kommenden Dienstag um 9 Uhr Freunde und Nachbarn einladen, hat es einen ernsten Hintergrund. Denn die schattige Idylle soll einem Mehrfamilienhaus Platz machen. Die Mitglieder einer Baugruppe, die das Grundstück vor drei Jahren gekauft hat, haben für den 3. August eine Begehung des Geländes angekündigt. Schon am 5.August soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der Publizist Mathias Greffrath, der unter anderem als regelmäßiger Autor der globalisierungskritischen Monatszeitung Le Monde Diplomatique bekannt ist, gehört zu den Mitgliedern der Baugruppe.

Leinweber ist sauer. »Hier werden die letzten Freiräume in Mitte von Menschen zerstört, die sich eigentlich für deren Erhalt einsetzen müssten«. Mathias Greffrath weist diese Vorwürfe gegenüber ND zurück. Es habe immer wieder Kontakte mit den Nutzern des Hofes gegeben und man habe ihnen auch Umzugshilfen angeboten. »Die Nutzer wussten, dass mit dem Bau demnächst begonnen wird«, betont Greffrath. Er kritisiert zudem, dass sich die Nutzer nicht namentlich zu erkennen gegeben hätten. Dies kann Leinweber wiederum nicht verstehen. »Über unseren Verein Kathedral sind wir für die Baugruppe ansprechbar«.

Die Fronten sind mittlerweile verhärtet. »Unsere Kompromissbereitschaft ist erschöpft. Der Baubeginn wird definitiv in der nächsten Woche erfolgen«, betont Greffrath. Das sei auch deshalb nötig, weil bestimmte Fördermittel vom Senat einen baldigen Baubeginn erforderlich machen. »Wir lassen uns nicht von hier verdrängen«, erklärt Leinweber. Es seien in den letzten Jahren schon zu viele Projekte an den Stadtrand vertrieben worden. Es sei auch nicht das erste Mal, dass sich nichtkommerzielle, alternative Projekte und Baugruppen um die letzten begehrten Grundstücke in angesagten Berliner Stadtteilen streiten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/176465.aus-fuer-den-linienhof.html

Peter Nowak