Zurück zur Politik

Der 22-jährige Christoph Schlingensief bläst im winterlichen Much im Rhein-Sieg-Kreis auf der Trompete eine Parodie des Deutschlandliedes, nachdem seine Bewerbung an der Münchner Filmhochschule abgelehnt worden ist. Dieser zweiminütige 16mm-Film von 1982 ist der älteste und kürzeste der zehn Kurzfilme, die auf der am Samstag erscheinenden DVD »Back to Politics« zu sehen sind. Das gemeinsame Projekt der Kurzfilmagentur Hamburg und des Labels good Movies wirft die Frage auf, was ein politischer Film ist, und beantwortet sie mit zehn bemerkenswerten Positionen.

 Der Kunsttheoretiker Georg Seesslen schreibt im Booklet zur DVD: »Politisch wird ein Film nicht durch das, was er behauptet, sondern durch das, was er sieht.« Seesslen bezieht sich bei seinen Ausführungen auf Bert Brechts »Gespräch über Bäume«. Die deutsche Romantik sah in der Natur noch das Sinnbild des Unpolitischen. Wie überholt diese Vorstellung ist, zeigt das Künstlerduo Korpys und Löffler in einem Film über die Proteste gegen den G8-Gipfel 2007. Immer wieder geraten Wälder und Felder ins Bild, Vogelnester und Regenwürmer werden von Polizeischeinwerfern erleuchtet. In dem Kurzfilm »Die Amerikanische Botschaft oder warum wir uns bewegen« werden die Zuschauer Zeugen, wie vier Kriegsgegner im Januar 2003 eine Mahnwache gegen den bevorstehenden Angriff auf den Irak abhalten wollen und sich über die Frage zerstreiten, wer Schuld an der geringen Resonanz des Aufrufs ist. Als die Initiatorin des Protests schließlich frustriert und allein vor der Botschaft eintrifft, haben die vermissten Kriegsgegner schon längst mit der Mahnwache begonnen.

»Wie ich ein freier Reisebegleiter wurde«, befasst sich satirisch mit den Versuchen prekär lebender Menschen, durch das Anbieten von Mitfahrten im Nahverkehr ihre Einkünfte aufzubessern. Dem Filmemacher Jan Peters gelingt auf amüsante Art der Nachweis, dass nicht nur die Anbieter, sondern auch die Nutzer der Bahnmitfahrgelegenheiten sowie das Bahnpersonal in prekären Arbeitsverhältnissen leben. Einer anderen Form der Lohnarbeit im öffentlichen Raum widmen sich Mischa Leinkauf und Matthias Wermke in dem Streifen »Trotzdem Danke«. Der junge Mann, der die Fensterscheiben von Bussen und Bahnen säubert, bekommt nur selten einen Obolus. Dafür erntet er öfter Flüche oder die Drohung mit der Polizei, der er sich am Ende nur durch eine schnelle Flucht und dem Verlust seines Arbeitsgeräts entziehen kann.

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Peter Nowak