Alles für alle

Lexikon der Bewegungssprache

Auf dem rechtskonservativen Internetblog »Tychis Einblick« wird vor »der Phrase mit der großen Durchschlagkraft« gewarnt. Gemeint ist die Parole »Alles für alle«. Drei Worte, die sich in der außerparlamentarischen Linken seit jeher einer großen Beliebtheit erfreut. Der Ursprung der Parole reicht weit zurück in die Geschichte. Bereits im ausgehenden Mittelalter hatten sich sozialrevolutionäre Bewegungen, meistens häretische Christ*innen, das Motto »Omnia sunt communia« – »Alles gehört allen« auf ihre Fahnen geschrieben Es waren die Zapatist*innen aus Südmexiko, die mit ihren Aufstand 1994 dem alten sozialrevolutionären Motto zu neuer Popularität vor allem in der globalisierungskritischen Bewegung verholfen hatten. In den vergangenen Jahren wurde die Parole allerdings auch von der Werbeindustrie gekapert. »Alles für alle« soll Kund*innen in die bunte Warenwelt der Discounter locken. Der Zusatz »und zwar umsonst«, der auf linken Demonstrationen meistens auch skandiert wird, lässt man in der Werbung natürlich weg. Doch auch in linken Zusammenhängen hat man längst erkannt, dass die Parole vor allem einen Widerspruch – Verarmung in der Warenwelt – ausdrücken soll. Die Formulierung von Gegenkonzepten hingegen ist viel schwieriger. Sie lässt sich nicht mal eben in drei Worte fassen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1099465.lexikon-der-bewegungssprache-alles-fuer-alle.html

Peter Nowak

Das APO-Lexikon: Bündnistreffen


Lexikon der Bewegungssprache

Fast jede außerparlamentarische Gruppe kennt das Prozedere. Eine größere Aktion steht bevor, etwa eine überregionale Antifademo oder eine bundesweite Aktion von »Ende Gelände«. Welche Gruppe darf Redebeiträge halten? Welches Motto hat das Leittransparent? Und wer gestaltet Flyer und Plakate? Darüber wird auf Bündnistreffen diskutiert, und das ist harte Arbeit. Schließlich versucht dort jede Gruppe – verbindlich im Ton, aber hart in der Sache – die besten Bedingungen aushandeln. So sind Bündnistreffen gute Schulen für angehende Moderator_innen. Die radikale Linke übt sich dort auch in der hohen Kunst der Diplomatie. Die ist besonders dann gefragt, wenn auf solchen Treffen Parteienvertreter_innen und Anarchist_innen aufeinandertreffen. Doch manchmal versagt alles diplomatische Geschick. Die Frage »Wie hältst Du es mit Israel?« hat schon manches Bündnistreffen gesprengt. Dass sich Linke immer wieder den Stress machen und zu Bündnistreffen einladen, ist auch ein Zeichen ihrer Schwäche. Ohne Bündnisse könnten größere Aktionen oft nicht vorbereitet werden. Doch es gibt vor allen in der radikalen Linken entschiedene Gegner_innen der Bündnistreffen und ihrer Diplomatie. Sie sind der Auffassung, dass damit eine Bewegung verwaltet werden könnte. Revolten hingegen bräuchten praktische Bündnisse auf der Straße und keine Plena.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1088866.buendnistreffen.html

Peter Nowak

Das APO-Lexikon: Menschenrechte

Lexikon der Bewegungssprache

Menschenrechte

»Die Internationale erkämpft das Menschenrecht«, heißt es im Refrain des wohlbekannten Kampfliedes der Arbeiter*innenbewegung. Damals kämpften Proletarier*innen darum, überhaupt als Menschen, die eigene Rechte haben, anerkannt zu werden. Doch spätestens nach der Oktoberrevolution wurde die Frage relevant, wie es denn eine Linke mit den Menschenrechten hält, wenn sie Macht hat. Im Kalten Krieg wurden die Menschenrechte als Waffe gegen autoritäre Sozialismusmodelle benutzt und oft instrumentalisiert. Der Westen inszenierte sich als Hüter der Menschenrechte, hatte oft keine Probleme, mit Faschisten zu paktieren oder wie in Vietnam Krieg mit Napalm zu führen. Die außerparlamentarische Linke bleibt von der Debatte um die Menschenrechte nicht verschont. Feministinnen erinnerten nach 1968 daran, dass die Menschenrechte nicht geschlechtsblind sind. Antifaschist*innen müssen bei ihren Aktionen berücksichtigen, dass auch Neonazis Menschenrechte haben. Für innerlinke Konflikte sorgte in den vergangenen Jahren zunehmend die Positionierung zu Kriegen, die im Namen der Menschenrechte geführt werden. Während manche Linke angesichts von regressiven Ideologien wie den Islamismus ein bloßes Nein zu einfach finden, betonen andere Linke, dass jeder Krieg per se eine Menschenrechtsverletzung darstellt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1087708.menschenrechte.html

Peter Nowak

Lexikon der Bewegungssprache

Politische Korrektheit – das Apo-Lexikon

Anfang der 90er Jahre wurde der Begriff »political correctness« (PC - politische Korrektheit) einer größeren Öffentlichkeit durch Artikel in der »Zeit« bekannt, die über die US-amerikanische PC-Debatte und ihre Auswirkungen informierten.

Bald wurde PC von Kulturlinken wie dem Satiriker Wiglaf Droste verwendet, um eine verspießerte humorfreie Linke zu kritisieren. Doch nachdem die Rechten den Begriff gekapert hatten, traute sich in der Linken höchstens noch ein Monchi von Feine Sahne Fischfilet, politisch inkorrekt zu sprechen.

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