Lässt sich die Occupy-Bewegung reaktivieren?

Im Gegensatz zur neuen spanischen Empörungswelle zeichneten sich die gestrigen Demonstrationen in Berlin dadurch aus, dass ein Großteil bald wieder nachhause ging

Mit Trommeln, bunten Regenschirmen und Anticapitalista-Sprechchören hat sich gestern die Occupy-Bewegung in Berlin mit einem Sternmarsch zurück gemeldet. Die Aktion in Berlin war Teil eines europäischen Aktionstages. Wie schon im vergangenen Jahr zeigten sich auch beim Neustartversuch länderspezifische Unterschiede.

Während in Spanien wie im vergangenen Jahr wieder Tausende auf die öffentlichen Plätze zurückgekehrt sind und sich auch durch staatliche Repression nicht einschüchtern ließen, war in Berlin ein Großteil der nach Veranstalterangaben knapp 5.000 Demonstranten schon vor Ende der Abschlusskundgebung verschwunden.

Polizei, Kunst und Occupy

Die Polizei hatte bereits im Vorfeld angekündigt, wie auch im letzten Jahr keine Zelte in der Innenstadt zu dulden. Im Gegensatz zum letzten Jahr hat die Occupy-Bewegung allerdings einen Rückzugsort in den Berliner Kunstwerken gefunden, wo in der großen Halle im Erdgeschoss auch Zelte aufgestellt werden können. Im Rahmen der 7.Biennale wurde auch die Occupy-Bewegung zu einer Kunstform erklärt. Es gibt dort auch regelmäßige Veranstaltungen und Filmvorführungen. Allerdings ist die Kooperation zwischen Kunst und Occupy von beiden Seiten umstritten.

Einen Effekt hat sie aber schon gehabt. Sie wird auch von Künstlern mittlerweile als Protestform benutzt. Als in der letzten Woche Studierende der Schauspielschule Ernst Buch um den ihnen zugesagten, dann aus finanziellen Gründen wieder gestrichenen neuen Standort in Berlin-Mitte kämpften, kopierten sie von Occupy die Aktionsformen und zelteten einige Tage und Nächte auf einer Wiese. In diesem Fall ließen sich die Träger von konkreten Alltagskämpfen durch Occupy inspirieren. Was in Spanien in den letzten Monaten Alltag geworden ist, wird in Deutschland zumindest gelegentlich ausprobiert. .

Occupycamp in Frankfurt soll geräumt werden

In der nächsten Woche werden allerdings die monatelang geplanten europaweiten Krisenprotesttage (Nachgetreten!) in Frankfurt/Main im Mittelpunkt der Protestbewegung stehen. Dafür wurde am Samstag kräftig geworben. Der konkrete Ablauf ist noch sehr unklar, weil das Frankfurter Ordnungsamt einen Großteil der vom Veranstalter angemeldeten Plätze und Straßen frei von Protesten halten will. Davon ist auch das Occupy-Camp betroffen, das seit Herbst vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ausharrt.

Während der Protesttage soll der Platz geräumt werden. In der Verfügung wird auch ausdrücklich untersagt, eine Versammlung an einem Platz in Frankfurt während dieses Zeitraums zu organisieren. In der Verbotsverfügung wird auch darauf hingewiesen, dass die geplanten Aktionen „die europarechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragspartnern und der EZB“ beeinträchtigten würde.

Gefährderansprachen

Mittlerweile hat die Polizei ein Instrumentarium wieder belebt, das in der Hochphase der globalisierungskritischen Bewegung öfter zum Einsatz kam und von Juristen scharf kritisiert wurde, die sogenannte Gefährderansprachen. So sollen mehrere hundert Menschen aus ganz Deutschland Verfügungen erhalten, die ihnen den Aufenthalt während der Protesttage in Frankfurt untersagen.

Medien bereiteten harte Maßnahmen mit vor

Die Maßnahmen wurden schon vor Wochen von konservativen Medien wie der FAZ („Warum suchen linksextreme Demonstranten immer wieder ausgerechnet diese Großstadt heim?“) nahegelegt. Gleichzeitig war in den Medien unterschiedlicher politischen Richtungen in Zusammenhang mit den Protesten pauschal von Randalierern und Gewalttätern die Rede. Damit wurden die juristischen Grundlagen geschaffen, mit denen jetzt ein Verbot der Aktionen begründet wird.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151990
Peter Nowak