Mit Drohnen gegen die PKK?

Während türkische Medien von einem bevorstehenden türkisch-iranischen Angriff mit Unterstützung der USA auf PKK-Stellungen in Nordkurdistan schreiben, werden auch in Deutschland pro-kurdische Gruppen aktiv
Von einem Angriff auf die Pressefreiheit sprach Außenminister Westerwelle. Er verurteile die Besetzung des RTL-Fernsehstudios durch rund 30 prokurdische Aktivisten in Köln am vergangenen Mittwoch. Sie weigerten sich das Studio zu verlassen, bevor der Sender einen Beitrag zu den in der Türkei inhaftierten Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei PKK Abdullah Öcalan gesendet hat. Die gewaltfreie Aktion dauerte nur wenige Stunden und wurde durch die Polizei beendet.
  Auf der Internetseite des Senders findet sich darüber keine Notiz und auch sonst war das Medieninteresse sehr gering. Das war vor mehr als 12 Jahren noch anders, als Proteste von pro-kurdischen Aktivisten auf Autobahnen in Deutschland für Schlagzeilen sorgten. So wurde auch kaum erwähnt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union Deutschland erst vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit einem kurdischen Medium die Verletzung der Pressefreiheit bescheinigt hat.

Es geht um den Sender Roj TV, der von Dänemark aus Sendungen in kurdischer Sprache ausstrahlt. Deutschland kann die Weiterverbreitung der Sendeinhalte auf seinem Hoheitsgebiet nicht verhindern, hat das Gericht entschieden. Gegen das Verbot der den Sender betreibenden Vereine in Deutschland hatte das Gericht hingegen nichts einzuwenden. Diese juristische Auseinandersetzung macht deutlich, dass Deutschland innerhalb der EU bei der Bekämpfung der kurdischen Nationalbewegung eng mit der Türkei zusammenarbeitet.

Die Kooperation erstreckte sich auf die unterschiedlichen Regierungen. Die Aktivitäten der pro-kurdischen Aktivisten sind wiederum ein Seismograph für die Situation im Südosten der Türkei. Immer wenn die Auseinandersetzungen dort eskalieren, steigt auch in der Diaspora das Engagement. Ein Höhepunkt war zweifelsohne die Verhaftung von Öcalan 1999.

Unterstützung vom Irak und der USA?

Zwölf Jahre später könnte eine erneute Eskalation drohen. Türkische Medien unterschiedlicher politischer Couleur berichten übereinstimmend, dass die Armee eine Bodenoffensive gegen den Nordirak vorbereitet, um die dortigen PKK-Stellungen anzugreifen. Eine Offensive mit dem gleichen Ziel war im Jahre 2007 nicht sehr erfolgreich. In türkischen Medien wurde sogar von einer Niederlage geredet, nachdem PKK-Kämpfer türkische Soldaten gefangen genommen und den Medien präsentiert hatten.

Eine besondere Brisanz erhält der geplante Angriff durch die Unterstützung von zwei Ländern, die in der weltpolitischen Arena eigentlich als Antipoden wahrgenommen werden. Unterstützung sollen sowohl der Iran als auch die USA zugesagt haben. Am Rande einer UN-Konferenz in New York soll der türkische Ministerpräsident Erdogan sowohl mit US-Präsident Obama als auch mit den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad über eine größere Militäraktion gegen die PKK gesprochen und von beiden Unterstützung erhalten haben. Das iranische und das türkische Militär wollen sich bei der Aktion koordinieren und die USA Aufklärungsdrohnen und sogar unbemannte Kampfflugzeuge zum Kampf gegen die PKK beisteuern, wie sie bisher in Afghanistan und Pakistan im Kampf gegen Islamisten eingesetzt werden.

Indirekte Kooperation zwischen zwei Todfeinden

Die zumindest indirekte Kooperation zwischen den USA und Iran ist nur auf den ersten Blick paradox. Jenseits der weltpolitischen Feindschaft gibt es in konkreten Konflikten schon längere eine solche Kooperation beispielsweise in Afghanistan, aber auch im Irak. Der Iran, der vom Sturz Saddam-Husseins profitiert hat, sorgte über seine irakischen Bündnispartner dafür, dass sich das Land zumindest oberflächlich stabilisiert. Die gemeinsame Frontstellung gegen PKK-Stellungen würde auch das türkisch-iranische Bündnis festigen, das vor allem in den letzten Jahren erst Konturen bekommen hat.

Je mehr die türkische Regierung sich mit anti-israelischer Symbolpolitik zu profilieren sucht, desto mehr hat sie sich der iranischen Regierung angenähert, die wegen ihrer weltpolitischen Isolation und des Konflikts mit Saudi-Arabien auf jeden Bündnispartner angewiesen ist. Zumal Syrien, ein weiterer bisheriger Partner der Achse Istanbul-Teheran, durch die innenpolitische Situation ins Wanken geraten ist.

Erdogan hat sich schon deutlich vom Assad-Regime zu distanzieren versucht. Manche politischen Beobachter vermuten gar, die Türkei könnte sogar unter dem Mantel einer humanitären Intervention in dem Nachbarland militärisch eingreifen, wie es Frankreich in Libyen vorexerziert hat. Der Krieg gegen die kurdischen Militärbasen könnte auch dazu dienen, im Vorfeld eines solchen Konflikts mögliche Kontrahenten auszuschalten. Denn wie so oft in der Geschichte ist die kurdische Nationalbewegung auch jetzt wieder zum Spielball unterschiedlicher politischer Interessen geworden.

Bündnis Israel – Kurden?

Das wurde besonders deutlich, als sich die anti-israelische Politik Erdogans verschärft hat. Prompt wurden Planspiele israelischer Politiker bekannt, der kurdischen Bewegung in der Türkei Hilfestellung zu leisten. Besonders der israelische Außenminister Avigdor Lieberman dachte sogar laut über eine Militärhilfe für die PKK nach, wurde aber vom israelischen Ministerpräsidenten dafür gerügt.

Ob Netanjahu diese Pläne insgesamt ablehnte oder nur die öffentliche Präsentation durch seinen Außenminister, blieb dabei offen. Auch die Antwort der PKK auf die Avancen blieb nebulös. Von deren Führung wurde als Vorbedingung für eine Kooperation mit Israel eine Entschuldigung für die angebliche Beteiligung Israels an Öcalans Verhaftung gefordert. Nun könnte man das als Retourkutsche für Erdogans Forderung an Israel interpretieren, sich für den Angriff auf die Gazahilfsflotte zu entschuldigen.

Allerdings wird sich Israel wohl weder bei der türkischen Regierung noch bei der PKK entschuldigen. Ob damit eine Kooperation ausgeschlossen wird, ist dennoch offen. Unabhängig davon sorgt die angebliche PKK-Unterstützung durch Israel im Internet für viel Zuspruch bei Verschwörungstheoretikern aller Couleur.

Erdogan kann der Basis seiner islamischen Partei damit einen Angriff auf PKK-Stellungen jedenfalls gut plausibel machen. Der wiederaufgeflammte Guerillakrieg in der Türkei sorgt sowieso schon für nationalistische Aufwallungen. Das bekommen vor allem die erst vor wenigen Monaten gewählten Abgeordneten eines Bündnisses aus linken und pro-kurdischen Gruppierungen zu spüren. Wegen diverser Schikanen und ständiger Menschenrechtsverletzungen haben sie einen Parlamentsboykott beschlossen, was den Druck auf sie noch erhöht.

Zivilgesellschaft und die Rolle der irakischen Kurden

Dabei galt der überraschend hoch ausgefallenen Wahlerfolg der Partei für Frieden und Demokratie eines Bündnisses von prokurdischen und linken Kräften als Stärke der Zivilgesellschaft vor allem in den kurdischen Gebieten der Türkei, wie sie noch einmal beim kürzlich zu Ende gegangenen zweiten Mesopotamischen Sozialforum in Diyarbakir deutlich wurde. Diese Zivilgesellschaft dürfte das erste Opfer einer militärischen Eskalation gegen die PKK werden.

Dass es in dem Konflikt um politische und nicht um ethnische Konflikte handelt, zeigt sich auch daran, dass die türkische Regierung auch die kurdische Autonomieregierung im Nordirak für den Kampf gegen die PKK gewinnen will. Gespräche laufen schon länger.

Da führende Politiker dieser Regionalregierung mit einer Zivilgesellschaft konfrontiert sind, die gegen die Menschenrechtsverletzungen und Korruption in den Autonomiegebieten protestieren, sehen die Politiker in der PKK und ihren nordirakischen Bündnispartnern einen gefährlichen Konkurrenten. Daher haben sie durchaus ein Eigeninteresse, wenn sie sich an einer gegen die PKK gerichtete Militäraktion beteiligen oder diese zumindest stillschweigend dulden.

http://www.heise.de/tp/artikel/35/35597/1.html

Peter Nowak

Merkwürdige Bündnisse bei Befürwortern und Gegnern des Libyen-Einsatzes

Abgeordnete der Linken loben Westerwelle und die taz kritisiert, dass Deutschland nicht kampfbereit gegen Libyen ist

Der ehemalige kubanische Staatschef Fidel Castro kann sich bestätigt fühlen. Er hatte schon vor mehr als einen Monat vor einer kriegerischen Auseinandersetzung in und um Libyen gewarnt. Im Windschatten der japanischen Reaktorkrise wurde die Grundlage für diesen Einsatz geschaffen. Dazu wurde ein Bürgerkrieg, in dem auf beiden Seiten Bewaffnete kämpfen, so hingestellt, als stehe eine unbewaffnete Bevölkerung wehrlos einem blutrünstigen Regime gegenüber. Als dann die Opposition in Bedrängnis geriet, war es das Startsignal für den einseitigen Angriff im libyischen Bürgerkrieg.

Dass zur gleichen Zeit in Bahrain, im Jemen oder auch im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste eine unbewaffnete Bevölkerung Opfer von Militärs oder auch Milizen wurde, war kein Anlass, dort nach internationalen Militärinterventionen zu rufen. Doch im Fall Libyen ermöglichte eine heteregone Koalition von innenpolitisch angeschlagenen Politikern wie Berlusconi und Sarkozy, die sich mit außenpolitischen Themen profilieren wollen, und arabischen Staatschefs, die schon lange mit dem Gaddafi-Regime zerstritten sind, den Angriff.

„In Bahrain schießt das Militär ohne UN-Widerspruch mit Waffen, hergestellt in den Ländern des UN-Sicherheitsrates, auf friedliche Demonstranten. Die humanitäre Heuchelei ist kaum zu überbieten!“, weist der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner auf diese Doppelstandards hin. Mittlerweile haben sich auch einige europäische Antikriegsorganisationen in einem gemeinsamen Aufruf gegen den Angriff auf Libyen ausgesprochen.

Grüne für Angriff

Erstaunliche Bündnisse gibt es auch bei den Gegnern oder Skeptikern des Libyen-Einsatzes in Deutschland. Weil sich Deutschland bei der Abstimmung der Stimme enthalten hat, wird die Regierung nicht nur von dem Gaddafi-Regime, sondern auch vom Bundesausschuss Friedensratschlag gelobt. „Wir begrüßen ausdrücklich Deutschlands Enthaltung im Sicherheitsrat, die der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig mit den ‚großen Risiken‘ begründete, welche die Implementierung des Beschlusses birgt“, heißt es in der Pressemitteilung der Organisation.

Wie 2003, als die Schröder-Fischer-Regierung den Irakkrieg zumindest in Worten ablehnte, gibt es auch jetzt wieder bemerkenswerte innenpolitische Zweckbündnisse. Während der Bundestagsabgeordnete der Linken Jan van Aaken Bundesaußenminister Westerwelle für seine kriegsskeptische Politik lobte, kritisieren führende Grüne diese Entscheidung und fordern ein „klares Signal gegen Gaddafi“.

Schon einige Tage vor dem UN-Beschluss hat der grüne Vordenker Daniel Cohn-Bendit in der Taz für einen Militärschlag Libyen aus humanitären Gründen getrommelt, wofür er von der ehemaligen Parteikollegin Jutta Ditfurth kritisiert wurde. Die Taz kritisiert denn auch, dass Deutschland gegen Libyen nicht kampfbereit ist. „Einer muss den Job ja machen“, schreibt der Kommentar Deniz Yücel in dem einst alternativen Blatt nach der UN-Abstimmung und auf der Titelseite wird die UN-Resolution als „wichtiges Signal an die Bevölkerung Libyens“ gelobt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149505

Peter Nowak