Soll das Linksbündnis in Wiesbaden ausprobiert werden? Schäfer-Gümbel: eine Regierung jenseits der Union noch nicht vom Tisch
Gerade hat die SPD auf ihren Parteitag die Hürden für ein Bündnis mit der Linkspartei gesenkt, da wird in der Presse diskutiert, ob eine solche Kooperation vielleicht in Hessen schon das erste Mal ausprobiert werden könnte. Schließlich spräche aus Sicht beider Parteien einiges dafür: Sollte es jemals eine rosa-rote Kooperation geben, müsste sie in einigen westlichen Bundesländern ausprobiert werden.
In mehreren östlichen Bundesländern und in Berlin gab es bereits solche Bündnisse, im Westen noch nicht. Hessen würde sich hier schon wegen der Wahlergebnisse anbieten. Zudem könnte die SPD damit vor einer bei Teilen der Basis unbeliebten großen Koalition in Berlin deutlich machen, dass sie auch andere Optionen vorbereitet. Ein nicht unwesentlicher Grund für ein solches Bündnis in Hessen wäre die Einbindung der Grünen, die schließlich in diesem Bundesland einem Bündnis mit der Union nicht abgeneigt sind, ein für die SPD unerfreuliches Szenario.
Soll die Linke auf Regierungslinie gebracht werden?
Gerade die hessischen Grünen, die als dritter Partner für eine Koalition ohne die Union gebraucht würden, haben sich von Anfang sehr reserviert gezeigt und immer wieder den Linken vorgeworfen, nicht regierungsfähig zu sein. Das heißt eigentlich nur, die Partei hat sich in ihren Augen noch nicht genug, den vermeintlichen Sachzwängen gebeugt, die in Wirklichkeit Folgen einer wirtschaftsliberalen Politik sind.
Die Linke soll die von ihr bekämpfte Schuldenbremse in der hessischen Verfassung nicht nur als zurzeit gegeben hinnehmen, sondern sie nachträglich noch lobpreisen. Würde sie sich darauf einlassen, würde sie Mitglieder verlieren und bei den nächsten Wahlen aus dem Parlament fliegen, was SPD und Grüne natürlich freuen würde. Bereits mehrmals haben die Grünen im Laufe der hessischen Sondierungsgespräche ihren Unwillen darüber ausgedrückt, dass die Linken ihre Wahlversprechen noch nicht ganz vergessen haben.
Die Ablehnung von Personalkürzungen im Bildungsbereich spielte dabei eine zentrale Rolle. Doch gerade an dieser Frage waren weder Grüne noch SPD zu den geringsten Zugeständnissen bereit. Diese Situation führte in den letzten Tagen zu einer widersprüchlichen Nachrichtenlage über den Stand der hessischen Koalitionsgespräche.
„Kein Linksbündnis“ titelte die FAZ vor einigen Tagen und viele andere Zeitungen übernahmen diese Version.
Doch der am Wochenende in das SPD-Präsidium gewählte sozialdemokratische Verhandlungsleiter Thorsten Schäfer-Gümbel ließ erklären, es sei noch alles offen und eine Regierung jenseits der Union noch nicht vom Tisch. Damit soll der Druck auf die Linke erhöht werden, sich doch noch von den letzten Wahlversprechen zu entfernen und endlich regierungsfähig zu werden.
Zudem hat Schäfer-Gümbel in einem Interview daran erinnert, dass es für seine Partei neben einer großen Koalition und einem Bündnis mit Grünen und Linkspartei theoretisch noch andere Optionen gäbe, darunter eine Minderheitenregierung mit den Grünen oder einen Gang in die Opposition. Den müsste die SPD freilich auch unfreiwillig antreten, wenn die Union einem Bündnis mit den Grünen den Vorrang geben würde.
Gespräche zur großen Koalition können auch scheitern
Wie es in Hessen weitergeht, wird sicherlich nicht nur in diesem Bundesland, sondern auch durch die bundespolitischen Trends entschieden. Doch noch immer scheint eine große Koalition aus SPD und Union am wahrscheinlichsten. Darüber kann das Geplänkel zwischen den beiden Parteien nicht hinwegtäuschen.
So wurde die auf dem SPD-Parteitag beschlossene vorsichtige Öffnung hin zur Linken von den Christdemokraten als Drohung aufgefasst. Dass erklärte Befürworter einer großen Koalition bei den SPD-internen Wahlen teilweise schlechte Ergebnisse hatten, wurde als Beweis für das geringe Vertrauen zwischen den beiden Parteien gesehen. In verschiedenen Zeitungen heißt es, die SPD habe auf dem Parteitag die Koalitionsgespräche belastet.
Hannelore Kraft gibt sich wieder als Warnerin und erinnert in Interviews daran, dass die Gespräche für eine große Koalition auch scheitern können. Andere SPD-Politiker weisen auf den großen Widerstand bei der SPD-Basis gegen ein Bündnis mit der Union hin. Das gehört alles zum Nervenkrieg, um Zugeständnisse zu erreichen.
Dass die Koalitionsgespräche auch scheitern können, ist eine Binsenweisheit. Sollte die SPD aber tatsächlich nach dem Parteitag selbstbewusster gegenüber der Union auftreten und womöglich auch darauf spekulieren, dass bei Neuwahlen die Totalabgrenzung zur Linkspartei nicht mehr gilt, dürften bald ganz andere Töne in die Auseinandersetzung kommen.
Einen Vorgeschmack darauf gab bereits ein ehemaliger sozialdemokratischer Ostpolitiker namens Gunther Weißgerber, der vor allem durch seine Verteidigung des wirtschaftsliberalen Ex-Sozialdemokraten Wolfgang Clement aufgefallen ist.
In einem Offenen Brief an SPD-Chef Gabriel warnte er vor den „schädlichen Kurs“, Angela Merkel „in die Opposition zu SPD-SED-Grün zu verbannen“. Das könnten nur Leute wollen, die „wie Lenin und Konsorten aus einer Minderheit verbal eine Mehrheit“ sich zurecht bastelten. Hier klingt ein Kalter-Kriegs-Ton an, der lauter würde, wenn die SPD tatsächlich selbstbewusster gegenüber der Union auftreten würde.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155344
Peter Nowak
Links
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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wahl-in-hessen/hessen-kein-linksbuendnis-bouffier-bleibt-ministerpraesident-12663325.html
[2]
http://www.sueddeutsche.de/politik/regierungbildung-in-wiesbaden-rot-rot-gruen-in-hessen-wohl-gescheitert-1.1818233
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http://www.fnp.de/rhein-main/rhein-mainhessen/Wir-lassen-uns-nicht-hetzen;art801,677354
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http://www.lvz-online.de/nachrichten/aktuell_themen/spd-parteitag-in-leipzig/schaendlich-leipziger-spd-politiker-weissgerber-warnt-gabriel-vor-neuem-linkskurs/r-spd-parteitag-in-leipzig-a-215345.html
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http://www.gunter-weissgerber.de/
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http://www.spiegel.de/politik/deutschland/reaktionen-fdp-lockt-clement-a-569276.html