Die Rede des Präsidenten des EU-Parlaments in der Knesset sorgt noch immer für Aufregung. In Israel wird aber auch das Verhalten seiner rechtskonservativen Gegner kritisiert
„Klare Worte vom Präsidenten des EU-Parlaments“, hieß es in einem Spiegel-Bericht, der auf der Homepage des sozialdemokratischen Europaabgeordneten Martin Schulz dokumentiert ist. „Ungewöhnlich deutliche Töne hat Martin Schulz bei seiner Visite in Israel angeschlagen. Der Präsident des EU-Parlaments beklagte eine übergroße Empfindlichkeit, sobald einmal Kritik aus Europa komme“, heißt es im Spiegel-Artikel.
Nur wenige Stunden später endete der Besuch des Mannes mit den klaren Worten in einem Eklat. Während einer Rede in der Knesset, dem israelischen Parlament, verließen mehrere Abgeordnete rechter politischer Parteien wütend den Saal. Aber auch Regierungsmitglieder, einschließend des Ministerpräsidenten Netanyahu, haben die Rede von Schulz kritisiert und verlangen eine Entschuldigung.
Was ein palästinensischer Junge erzählte
Die Kritik an der Rede Schulz‘ entzündete sich vor allem an einer Passage, in welcher der Europaabgeordnete über den unterschiedlichen Wasserverbrauch von Israelis und Palästinensern referierte und sich bei den Zahlen vergaloppierte. Der Abgeordnete berichtete, ein Jugendlicher in Ramallah habe ihm erzählt, Israelis hätten pro Kopf 70 Liter Wasser am Tag zur Verfügung, Palästinenser hingegen nur 17. Tatsächlich ist der Unterschied im Wasserverbrauch längst nicht so groß.
Zudem stellt sich die Frage, was der unterschiedliche Wasserverbrauch aussagt. Der langjährige SPD-Politiker und deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dreßler, warf Schulz in einem Interview mit dem Deutschlandfunk mangelnde Professionalität vor:
„Unprofessionell ist für mich, wenn der Präsident eines Parlaments erklärt, die Israelis verbrauchen 70, die Palästinenser 17 Liter, hat mir ein Jugendlicher erzählt, ich habe das nicht verifiziert und ich frage sie, die israelischen Abgeordneten, stimmt das oder stimmt das nicht. Das ist nicht professionell, wenn man Gast in einem solchen Parlament ist und dann noch eine deutsche Staatsangehörigkeit hat.“
„Eine sehr gute Rede“
Hingegen hat der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland Avi Primor die Rede von Schulz im gleichen Sender verteidigt. „Insgesamt war das eine sehr schöne, eine sehr gute Rede. Der Ton war auch sehr richtig“, erklärte Primor. Er bedauerte nur, dass Schulz es seinen Kritikern durch die Nennung falscher Zahlen zum Wasserverbrauch einfach gemacht habe. Für Primor handelt es sich dabei wesentlich um die extreme Rechte in Israel, die von der EU sowieso eine schlechte Meinung haben.
Auch in Israel wird die Rede von Schulz völlig gegensätzlich bewertet. Während konservative Medien von Schulz eine Entschuldigung fordern, kritisieren linke Politiker und Medien das Verhalten der konservativen Abgeordneten. So schrieb die Online-Zeitung Times of Israel, dass Schulz sich zwar mit dem Wasser-Zitat einen kleinen diplomatischen Fauxpas geleistet habe, man einen Freund und Verbündeten allerdings nicht so behandeln dürfe.
Statt Schulz, schlug ein Autor vor, sollen sich die israelischen Politiker, die bei seiner Rede die Knesset verließen „beim gesamten jüdischen Volk dafür entschuldigen“. In einen ausführlichen Artikel weist die Zeitung auf die lange, mit sehr unterschiedlichen Angaben geführte Auseinandersetzung zwischen Israels und Palästinensern über Wasser hin.
Auch die linksliberale israelische Haaretz kritisierte die Politiker, die während der Schulz-Rede das Parlament verlassen haben als hinterwäldlerisch. Schulz ist SPD-Spitzenkandidat bei den Europawahlen. Der Streit dürfte ihm kaum schaden. Denn klare Worte an die Adresse Israels sind in den meisten europäischen Ländern, auch in Deutschland mehrheitsfähig.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155861
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.martin-schulz.info/index.php?link=4&bereich=1&details=1&id=1253
[2]
http://www.timesofisrael.com/full-text-of-european-parliament-presidents-speech-to-knesset/
[3]
http://www.deutschlandfunk.de/eklat-in-der-knesset-frueherer-israel-botschafter-dressler.694.de.html?dram:article_id=277388
[4]
http://www.deutschlandfunk.de/avi-primor-ueber-martin-schulz-eine-sehr-gute-rede.694.de.html?dram:article_id=277332
[5]
http://www.timesofisrael.com/testing-the-water-did-eu-visitor-get-his-numbers-right/
[6]
http://www.timesofisrael.com/testing-the-water-did-eu-visitor-get-his-numbers-right/
[7]
http://www.haaretz.com
[8]
http://www.haaretz.com/news/national/.premium-1.573877