Voneinander lernen!

Regisseur Matthias Coers spricht über Wohnkämpfe und seinen neuen Film »Das Gegenteil von Grau«

Zur Person

In dem Film »Das Gegenteil von Grau«, der am 5. Mai (19 Uhr) im Kino Moviemento und am 7. Mai (19 Uhr) im Lichtblickkino gezeigt wird, stellt der Berliner Filmemacher Matthias Coers Initiativen zum Wohnkampf im Ruhrgebiet vor. Mit dem Regisseur sprach Peter Nowak.

Wie haben Sie den Kontakt mit den Initiativen im Ruhrgebiet hergestellt?

Mit dem Film »Mietrebellen« habe ich Filmveranstaltungen im Ruhrgebiet gemacht. Dort bin ich in Kontakt gekommen mit Aktiven von »Recht auf Stadt Ruhr«, die vom Film sehr angetan waren. Gemeinsam haben wir überlegt, wie man für das Ruhrgebiet eine Art Bewegungsfilm für das Recht auf Stadt machen kann. 2015 haben wir mit den Dreharbeiten begonnen und der Kontakt zu den verschiedenen Gruppen ist dann über die Stadtaktiven vor Ort entstanden. Es gab zwar schon Verbindungen zu den Mietern vom Zinkhüttenplatz, aber so kam dann auch die Zusammenarbeit mit Freiraum- und Transition-Town-Initiativen zustande. Meine Idee vom dokumentarischen Filmen ist, Filme nicht über andere zu machen, sondern mit ihnen. Und das ist bei diesem Projekt gut gelungen, denn die Fähigkeiten und Talente liegen ja besonders vor Ort.

Der Film »Mietrebellen« handelte von Berlin, wo Sie selber in der Mieterbewegung aktiv sind. War es schwierig, in einer Region einen Film zu drehen, in der Sie nicht leben?

Da ich das Ruhrgebiet gut kenne, auch selber dort schon gearbeitet habe, und dort zudem eine offenherzige Mentalität herrscht, war es eher einfach, in einen kommunikativen und filmischen Prozess einzutreten. Es geht ja auch darum, Initiativen, die in den Nischen der Städte ihre Arbeit tun, zu sammeln und in einem Film vorzustellen. Voraussetzung dafür ist natürlich auch die Lust der Aktiven, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Schließlich ist es das Thema des Films, wie jenseits des marktwirtschaftlichen Interesses verstetigt organisiert und gearbeitet werden kann.

Wo sind die Gemeinsamkeiten der im Film vorgestellten Projekte?

Die 20 vorgestellten Projekte engagieren sich im Ruhrgebiet zwischen Freiraum- und Wohnkämpfen, in nachbarschaftlichen Gärten und Solidarischer Landwirtschaft. Sie alle leisten Pionierarbeit in einer Region mit starkem Strukturwandel. Das Ruhrgebiet ist entstanden als eine Industriegesellschaft und ist heute eine krisenhafte Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft. In den so entstandenen Stadtstrukturen herrscht eine gewisse Agonie, der von den Städten mit Eventkultur begegnet werden soll.

Welches Projekt hat Sie besonders beeindruckt?

Persönlich halte ich die Initiative kitev oder Refugees’ Kitchen für beispielhaft, da sie es kontinuierlich und mit Sichtbarkeit schaffen, zusammen mit Geflüchteten und Menschen aus ganz Europa auf lokaler Ebene temporäre wie dauerhafte Residence- und Arbeitsformen zu entwickeln.


Was können die Zuschauer in Berlin von der Arbeit der Initiativen im Ruhrgebiet mitnehmen?

Auf den ersten Blick mangelt es hier nicht an emanzipativen Orten und engagierten Menschen. Aufgrund aber des großen Raum- und Flächenbedarfs sowie der ordnungspolitischen Durchsetzung als Hauptstadt und Ort kapitalistischer Macht und Normalität erhält auch Berlin eine restriktivere Seite. Es muss voneinander gelernt werden, um auf Dauer gemeinschaftliche Raumnutzung wie Urban Gardening, Wohnformen wie Genossenschaften und Wagenplätze oder emanzipatives Zusammenleben mit geflüchteten Menschen konkret zu realisieren.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1050033.voneinander-lernen.html
Interview: Peter Nowak

Klassenkampf im Kino

Filmreihe über Streiks in Berlin

Der Name der neuen Filmreihe im Berliner Kino Moviemento ist Programm: »Cinéma Klassenkampf« widmet sich aktuellen Arbeitskämpfen in Berlin. Bei der Auftaktveranstaltung Anfang März stand die Ausbeutung an der Technischen Universität im Fokus. Die zweite Ausgabe am 24. April um 19 Uhr trägt das Motto »Charité und Vivantes – Kämpfe im Gesundheitsbereich in Berlin«.

Zunächst werden aktuelle Videos dieser Arbeitskämpfe gezeigt. Im Anschluss kommen einige ProtagonistInnen zu Wort. Kati Ziemer, beschäftigt beim Charité Facility Management, Mario Kunze von der Vivantes Service Group und Dana Lützkendorf von der Charité werden über Erfolge und Schwachstellen des bisherigen Arbeitskampfes berichten. »Seit 2011 sammeln wir Filme aus der ArbeiterInnenbewegung und stellen sie auf der Seite labournet.tv kostenlos und mit Untertiteln zur Verfügung«, sagt die Mitbegründerin Bärbel Schönafinger vom Kollektiv labournet.tv dem »nd«.

Immer wieder drehen AktivistInnen gemeinsam mit KollegInnen eigene Videos. Der für manche etwas altmodisch klingende Titel wurde bewusst gewählt: »Wir hätten die Reihe auch augenzwinkernd ›Them Or Us‹ nennen können. Doch es ist vielleicht an der Zeit, den Mut aufzubringen und umkämpfte Begriffe wieder zu verwenden, damit die Kids auch mal was anderes hören als den antikommunistischen Mainstream«, so Schönafinger.

In den nächsten Monaten sollen im Rahmen von »Cinéma Klassenkampf« Film- und Diskussionsveranstaltungen zu Organisierungsansätzen im Niedriglohnsektor Gastronomie und bei den Kurierdiensten in Berlin folgen. Auch ein Rückblick auf die Bewegung »Nuit Debout«, die von Frankreich ausging und im vorigen Jahr für einige Wochen für Aufsehen sorgte, ist in Vorbereitung. »Zu den Veranstaltungen wollen wir immer Menschen einladen, die aktiv an den Kämpfen beteiligt waren«, betont Schönafinger. Sie wünscht sich, dass die Filmreihe ZuschauerInnen ermutigt, sich an ihren Arbeitsplätzen nicht alles gefallen zu lassen.

Am Ende des Gesprächs erwähnt Schönafinger, dass es auch um die Perspektive ihres Projekts geht. »Mit der Veranstaltungsreihe hoffen wir, neue Fördermitglieder für labournet.tv zu gewinnen, da dessen Finanzierung nur noch bis zum Jahresende gesichert ist.«
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1048622.klassenkampf-im-kino.html

Peter Nowak