MieterInnen wehren sich gegen energetische Kahlschlagsanierung

„Es ist ein Beispiel moderner Reformarchitektur von außergewöhnlich hoher architektonischer und handwerklicher  Qualität“. So qualifiziert  der Verein „Denk mal an Berlin“ das 1903 errichtete Gebäude  Kavalierstraße 18/19 in Berlin-Pankow.  Die MieterInnen sehen das  Haus mit seiner über hundertjähriger Geschichte durch die energetische Modernisierung gefährdet, die von dem Eigentümer Gesobau angekündigt wurde. Nach deren Plänen  würde die historische Fassade so gravierend verändert, dass das Baudenkmal nicht mehr wiederzuerkennen ist, befürchten die Bewohner/innen und führten auf einer Pressekonferenz vor einigen Tagen einige Bespiele an. So würden die Stuckelemente hinter einen sechs Zentimeter dicken Dämmputz verschwinden, die Stuckdecken in den Zimmern verschwinden und der historische Dienstboteneingang einem Fahrstuhl weichen. Sofort nachdem die Gesobau die energetische Modernisierung ankündigte,  protestierten die MieterInnen dagegen, gründeten den „Verein zur Bewahrung historisch-wohnkulturell bedeutender Gebäude in der Kavalierstraße, Berlin Pankow“ und warben um UnterstützerInnen.
Behutsame energetische Sanierung die Alternative?


Diese Bemühungen waren erfolgreich, wie auf der Pressekonferenz  deutlich wurde. Das Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts Empirica Harald Simons und der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Raumwesen und Raumordnung Florian Mausbach  solidarisierten sich dort  mit dem Anliegen der MieterInnen. So wie der Kahlschlagsanierung der 70er Jahre die behutsame Stadterneuerung folgte, müsse jetzt die notwendige energetische Sanierung in eine behutsame Sanierung umgewandelt werden“, forderte Mausbach. Mittlerweile hat sich auch eine Initiative „Gegen die Zerstörung historischer Fassaden durch die Wärmedämmung“ gegründet, die in ihrem Selbstverständnis  schreibt:  „Niemand in unserer Initiative hat etwas gegen energetische Sanierungen von Wohngebäuden einzuwenden, die nicht die Fassaden betreffen. Doch leider wird in den  derzeitigen Diskussionen ästhetischen, städtebaulichen und denkmalpflegerischen Belangen viel zu wenig Beachtung geschenkt,“ heißt es in ihrem Selbstverständnis.

Energetische Gentrifizierung ausgeklammert

Diese Engführung der Problematik auf dem ästhetischen Bereich  ist nicht ganz verständlich und erschwert größere Bündnisse, die auch die MieterInnen  einbezieht, die nicht im Baudenkmal wohnen und  sich gegen die energetische Gentrifizierung wenden.   Schließlich hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass unter dem Schlagwort der energetischen Sanierung  MieterInnenrechte ausgehebelt oder eingeschränkt und Mieterhöhungen0 einfacher durchgesetzt werden können. Das ist ein wichtiger Grund für den schlechten Ruf, den die energetische Sanierung bei  vielen Menschen mit wenig Einkommen bis heute hat.  Ein Unterstützer der Kavalierstraße bringt diesen Sachverhalt  in seinem Statement auf  dem Blog der HaubewohnerInnen  www.kavalierstrasse.de/  prägnant auf dem Punkt:   „Ich unterstütze Ihr Vorhaben, weil die Märchen vom Klimaschutz und ausgehenden Energien und dem darauf aufgebauten Energiesparzwang nur dem Ausbeuten und Verdrängen der sozial Schwächeren …. dienen und sonst niemandem“,  begründet Konrad Fischer sein Engagement.    Andere KritikerInnen der energetischen Modernisierung weisen auf die ungeklärten gesundheitlichen Folgen der verwendeten Materialen für die MieterInnen hin. Die Kritik der energetischen Sanierung aus ästhetischen Gründen ist also ein weiterer Aspekt.  Es wäre also sinnvoll, dass auch die Breite der Gründe für den Widerstand gegen die hierzulande praktizierte Methode der energetischen Sanierung deutlich wird.

MieterEcho online 22.03.2015

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/kavalierstr-1819.html

Peter Nowak