Ihr kommt hier nicht rein!


Die Blockade des Asylbewerberheims in Jena verhindert vorerst eine Abschiebung
Am Donnerstag haben Antirassisten in Jena die Abschiebung einer serbischen Ashkali-Familie nach Frankreich verhindert.

Etwa 100 Personen haben sich ab 6 Uhr vor den beiden Eingängen des Jenaer Flüchtlingsheims versammelt. In dem im Frühjahr 2012 eröffneten Gebäude leben etwa 70 Flüchtlinge. Als die Polizeibeamten mit zwei Bussen und Streifenwagen eintreffen, wird ihnen erklärt, dass sie nicht durchkommen. »Zunächst begutachteten sie die Transparente, und nach kurzer Zeit fuhren sie komplett wieder ab«, schildert die thüringische Landtagsabgeordnete Katharina König (LINKE) gegenüber »nd« den Ablauf der Blockade am frühen und winterlichen Donnerstagmorgen, mit der die Abschiebung einer serbischen Ashkali-Familie verhindert wurde.

Die Aktivisten blieben dann zunächst vor Ort, weil sie vermuteten, dass die Abschiebung einige Stunden später nachgeholt werden könnte und kontaktierten inzwischen verschiedene Landtagsabgeordnete. Am späten Vormittag ließ dann der thüringische SPD-Vorsitzende Christoph Matschie, der als Kultusminister einer Koalition mit der CDU in der Landesregierung sitzt, per SMS mitteilen, dass die Abschiebung der Familie bis März 2013 ausgesetzt wird. »Großen Jubel gab es bei den Flüchtlingen im Heim und den Unterstützern draußen«, beschrieb König die Reaktion auf den Erfolg.

König gehörte gemeinsam mit dem Studierendenrat (StuRa) der Friedrich-Schiller-Universität Jena, den Jusos sowie Flüchtlings- und Antifagruppen zu den Organisatoren des kurzfristigen Protests. Die Aktion musste tatsächlich in wenigen Stunden vorbereitet werden. Der Abschiebungstermin war erst am späten Mittwochabend bekannt geworden. Dann wurde per Telefon und SMS mobilisiert. Ohne die starke Beteiligung von Studierenden wäre der Erfolg nicht möglich gewesen, so die Einschätzung von König.

Dazu beigetragen hat sicher auch der geplante Abschiebungstermin kurz vor Weihnachten. Das Innenministerium von Thüringen hatte erst kürzlich einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien für die Winterzeit erlassen, der auch mit den katastrophalen Lebensbedingungen der Menschen besonders in der kalten Jahreszeit begründet wurde.

Für die Familie aus Jena sollte dieser Abschiebestopp aber nicht gelten, weil sie zwangsweise nach Frankreich zurückgeschickt werden sollte. Das Land ist nach der Drittstaatenregelung für das Asylverfahren zuständig, weil die Familie über Frankreich nach Deutschland geflohen ist. »Das Land macht es sich natürlich sehr einfach, wenn es sich damit rausredet, dass ja gar nicht in den Balkan, sondern nur nach Frankreich abgeschoben wird«, erklärt Janine Eppert vom StuRa-Vorstand. »Da die Abschiebung aus Frankreich feststeht, ist es moralisch dasselbe, als wenn die Abschiebung in den Balkan erfolgt. Es ist das erste Mal gewesen, dass der StuRa den Termin einer Abschiebung vorher erfahren hat«, betont Eppert gegenüber »nd«. Die große Bereitschaft der Kommilitonen, sich der Abschiebung entgegenzustellen, bewertet er sehr positiv.

Der Abschiebeversuch stieß auch deshalb auf große Empörung, weil der vierjährige Sohn der Familie von seinen Eltern getrennt werden sollte, die in Abschiebehaft gesteckt werden sollten. »Es liegen keine begangenen Straftaten vor und das vierjährige Kind der Familie ist gut in die Gemeinschaft integriert. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Grund die Familie abzuschieben«, heißt es in einer Pressemeldung des StuRa.

Antifa- und Flüchtlingsgruppen wie The Voice hingegen lehnen eine Abschiebung generell ab. Die Aktion zeigt auch, dass Formen des zivilen Ungehorsams in den sozialen Bewegungen Deutschlands in der letzten Zeit immer häufiger angewandt werden. Nachdem in Berlin in den letzten Monaten zum Teil erfolgreich versucht wurde, Zwangsräumungen durch Blockaden zu verhindern, könnte die Aktionsform nun auch im Widerstand gegen Abschiebungen öfter angewandt werden.

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Peter Nowak