Viel heiße Luft um die US-Klimapolitik


Moralische Sichtweisen dominieren in Berichten über Trumps Klimapläne. Aber es geht nicht um Moral oder ein umweltbewusstes Lebensgefühl, sondern um Interessen

Überraschend kam der neueste Vorstoß der Trump-Administration nicht. Er hat Teile von Obamas Umweltpolitik entschärft. Erklärtes Ziel von Trump ist es, die Kohlebranche von Reglementierungen durch die Umweltbehörden weitgehend freizuhalten. Damit setzt er ein Wahlversprechen um. Schließlich ist er auch von Menschen in diesem Sektor gewählt worden, die entweder schon arbeitslos sind oder fürchten, ihre Beschäftigung zu verlieren.

Trump hatte versprochen, die Deindustrialisierung der USA zu stoppen. Die Revitalisierung der Kohleindustrie gehört dazu. Mit dieser Maßnahme dürfte Trump bei einem Teil der fordistischen Arbeiter und ihrer Gewerkschaften auf Zustimmung stoßen.

Wie die fordistischen Arbeiter abgewertet werden

Dass Trump den Erlass medienwirksam vor applaudierenden Bergarbeitern unterzeichnet hat und in die Kamera hielt, ist Teil seiner Medienkampagne, sich als Protegé der hart arbeitenden männlichen fordistischen Arbeiter zu inszenieren. Dem wird in der medialen Öffentlichkeit das Silicon Valley als Zentrum der modernen postfordistischen Arbeit gegenübergestellt. Dass es auch ein Hort der Ausbeutung[1] wie in Zeiten des Frühkapitalismus ist, wird nicht so oft erwähnt.

Hier stehen sich zwei Akkumulationsmodelle des Kapitalismus gegenüber, die mit einer völlig konträren Kultur und auch differenten Subjektivität der Beschäftigten gelabelt werden. Der postfordistische Arbeiter wird mit umweltfreundlichem Verhalten, bewusster und gesunder Ernährung sowie mit Begriffen wie Offenheit, Toleranz, Diversität assoziiert. Den fordistischen Arbeitern werden die konträren Adjektive zugeschrieben: ignorant gegen Umwelt und Gesundheit, standortnationalistisch und rassistisch.

Dass diese Zuschreibungen keine objektiven Kriterien, sondern Wertungen von Medienvertretern sind, die schon durch ihre Lebens- und Arbeitsrealität mehr mit Silicon Valley als mit einem Kohlebergwerk verbunden sind, wird natürlich nicht erwähnt. Nun kommt aber noch eine weitere Komponente dazu. Die alten fordistischen Industrien sollen jetzt sogar mit dafür verantwortlich sein, dass die Menschheit insgesamt gefährdet ist.

Die eigenen Profite und das Klima retten

Diese moralische Sichtweise kann man in vielen Berichten über Trumps Klimapläne wiederfinden. Diesen Plänen wird unterstellt, dass sie zur Klimakatastrophe beitragen, während die von Obama verantworteten Maßnahmen Teil der Klimarettung seien. Solche in der Umweltbewegung verbreiteten Methapern tragen schon seit Jahrzehnten dazu bei, dass die Linke von Moral statt von Interessen redet.

Dass heute dort, wo besonders laut von Klima- und Errettung die Rede ist, die Lobby eines bestimmten kapitalistischen Akkumulationsmodells gegen ein anderes in Stellung gebracht wird, wird oft gar nicht wahrgenommen. Wo es um nichts weniger als die Klima- oder Erdrettung geht, haben Interessen wohl zu schweigen.

Wer heute mit dem Umweltlabel auftritt und die Welt retten will, wird oft gar nicht mehr als Lobbyorganisation wahrgenommen. Deshalb wird auch über die Sinnhaftigkeit und die Folgen bestimmter als ökologisch etikettierter Maßnahmen nicht mehr geredet. Wenn Menschen gegen Windräder und die Folgen auf die Straße gehen[2], haben sie heute mit so wenig Verständnis zu rechnen wie vor drei Jahrzehnten die AKW-Gegner.

Damals war das fordistische Akkumulationsmodell angekratzt, aber noch in großen Teilen der Bevölkerung hegemonial. Heute haben es Nachrichten schwer, die das neue Akkumulationsmodell genau so kritisch unter die Lupe nehmen. Dass die EU als angeblichen Beitrag zum Klimaschutz auf Holz setzt und dabei die Wälder im globalen Süden zerstört[3] ist eine wenig erwähnte Tatsache.

Nur bei der energetischen Sanierung in Deutschland zieht das Ökolabel nicht mehr. Die ist allgemein als ein Geschäftsmodell bekannt, mit dem Mieterrechte ausgehebelt[4] und massive Mieterhöhungen gerechtfertigt werden[5]. Wenn irgendjemand das Klima retten will, ist also zunächst einmal nach dem Profiten zu fragen, die bestimmte Branchen damit retten wollen.


Die moderne Pilgerfahrt oder die Logik des Verzichts

Die Kehrseite ist die Logik des Verzichts und des Entsagens, die vor allem für die Subalternen mit dem Welt- und Klimarettungsdiskurs geschaffen wird. Da lädt die Linksjugend Solid unter dem Motto Global denken und lokal handeln[6] mit Raphael Fellmer[7] einen Guru der Verzichtslogik ein, der vor über 100 vor allem jungen Menschen begeistert berichtet, wie er fünf Jahre ohne Geld durch die Welt gezogen ist[8].

Dass er nach der modernen Pilgerreise Geld doch nicht mehr ganz so sehr verabscheut und in die Startup-Branche gegangen ist, führte zumindest im Publikum nicht zu größeren Nachfragen. Wenn Fellmer dann bis ins Detail erklärte, wie man ohne Geld lebt und als Beispiel anführte, man könne statt Toilettenpapier die Papierservietten, die täglich in vielen Restaurants unbenutzt entsorgt werden, als Ersatz benutzen, hätte doch eigentlich auf der Veranstaltung eines Verbands, der sich Linksjugend nennt, mal die Frage kommen müssen, was die totalsanktionierten Hartz IV-Empfänger, die zwangsweise ohne Geld leben müssen, zu solchen Vorschlägen sagen.

Das Publikum hätten sich auch fragen können, ob nicht die Verzichtsideologie eines Teils des Bürgertums, das temporär freiwillig auf einen Teil des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes verzichtet, den Druck auf diejenigen erhöht, die nicht die Wahl haben und die schon heute zwangsweise zu einem Leben mit wenig Geld gezwungen sind. Theorie war aber in Fellmers Ausführungen nicht mal in Spurenelementen vorhanden.

Als jemand mehr zum Thema Staatsschulden wissen wollte, fragte Fellmer ins Publikum, ob jemand eine Zahl parat habe. Sonst müsste er selber ins Internet gehen. Dabei war es doch ein Erfolg, dass vor 170 Jahren andere vermögende Bürgerliche ihr Geld dafür verwandten, um wenn schon nicht die Welt besser zu machen, diese zumindest besser zu erkennen. In den auch mit Unterstützung des Fabrikantensohns Friedrich Engels ermöglichten Schriften von Karl Marx, gibt es wichtige Hinweise auf die Rolle des Geldes im Kapitalismus.

Lebensreform statt Gesellschaftsveränderung

Sie zeigen auf, dass eine reine Ablehnung des Geldes, ohne den Kapitalismus auch nur zu erwähnen, Menschen vielleicht ein gutes Gewissen verschafft, aber gesellschaftlich rein gar nichts bringt. Denn auch die Güter, die nach Fellmer eben ohne Geld besorgt werden sollen, müssen produziert werden und das ist im Kapitalismus ohne Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft nicht möglich.

Dass auf einer Solid-Veranstaltung diese moderne Pilgerreise beworben wird, zeigt auch den Zustand einer Linken, bei der es eher um Lebensreform als um Gesellschaftsveränderung geht. Dazu braucht es aber keine Linke, da kann man auch ein Gerät namens Amphiro[9] kaufen, das einen beim Warmduschen durch ein Bild mit einem Eisbären auf einer schrumpfenden Scholle immer an den ökologischen Fußabdruck erinnert[10].

Damit ist nicht das Klima sondern der eigene Gefühlshaushalt wieder in Ordnung gebracht. „Ich habe etwas für das ich kämpfen kann, meinen persönlichen Eisbär“, beendet die Deutschlandfunk-Journalistin ihren Beitrag.

So sichert man die Profite eines neuen kapitalistischen Akkumulationsmodells, während es gleichzeitig die ideologischen Vorarbeiten für neue Verzichtsideologien liefert. Dabei wäre beim gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte ein schönes Leben für Alle, das nicht gleichzusetzen ist mit Prunk und immer schnelleren Autos, aber auch nicht damit, um Servietten zu betteln, möglich.

Dazu müsste man sich aber vielleicht die Mühe machen, auch mal Bücher zur Hand zu nehmen, die nicht gleich das individuelle Lebensglück und die perfekte Balance im Gefühlshaushalt versprechen.


Kapitalistische Verwertungslogik müsste in der Kritik stehen

Dagegen haben es Ansätze schwer, die sich wirklich anstrengen, die Klima- und Umweltthematik durch die Brille von Marx zu betrachten. „Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen – Begründungen einer Postwachstumsökonomie“, heißt das Buch[11] des Sozialwissenschaftlers Athanasios Karathanassis[12], der überzeugend darlegt[13], dass die kapitalistische Verwertungslogik und nicht die individuelle Lebensführung im Fokus der Kritik stehen müsste, wenn es um Natur- und Klimaverhältnisse geht.

Dass davon die Lobbyisten des modernen Akkumulationsregimes nichts wissen wollen, ist verständlich. Es verstößt gegen ihre Interessen. Dass aber die vielen Menschen, die ihren persönlichen Eisbären retten und sich auf moderne Pilgerfahrten begeben wollen, auch nicht solche Fragen an sich heranlassen, liegt an ihrem Gefühlshaushalt.

Der könnte schließlich durcheinander geraten, wenn man erfährt, dass all die vielen Rettungsprogramme zur Klimarettung vor allem heiße Luft sind und dass der Unterschied zwischen Trump und Obama in zwei unterschiedlichen Akkumulationsmodellen des Kapitalismus besteht.

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/tp/features/Viel-heisse-Luft-um-die-US-Klimapolitik-3671893.html

http://www.heise.de/-3671893
Peter Nowak
Links in diesem Artikel:
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ausbeutung-2-0-die-coole-schinderei-der-zukunft-13027996.html
[2] http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/puettlingen/puettlingen/Puettlingen-Windenergie-Windparks-Windraeder;art446774,6414178
[3] http://jungle-world.com/artikel/2017/12/55955.html
[4] http://www.gleditschstrasse.de/mieter-demo-bundestag/
[5] https://pankowermieterprotest.jimdo.com/
[6] http://so36.de/events/global-denken-und-lokal-handeln/
[7] http://www.raphaelfellmer.de/
[8] http://www.raphaelfellmer.de/2016/02/25/warum-ich-fuenf-jahre-ohne-geld-lebte/
[9] https://www.amphiro.com
[10] http://www.ardmediathek.de/radio/Umwelt-und-Verbraucher-Deutschlandfunk/Energiesparen-bei-der-K%C3%B6rperpflege-Tech/Deutschlandfunk/Audio-Podcast?bcastId=21627714&documentId=41885470
[11] http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/kapitalistische-naturverhaeltnisse
[12] https://www.ish.uni-hannover.de/2043.html
[13] http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53406.html

„Der Kapitalismus muss weg“

Athanasios Karathanassis ist Lehrbeauftragter an der Universität Hannover. Im Jahr 2015 hat er im VSA-Verlag das Buch „Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen – Begründungen einer Postwachstumsökonomie“ herausgegeben. Der vorwärts sprach mit dem Soziologen über den Pariser Klimagipfel, Naturzerstörung und den Kapitalismus.

vorwärts: Der Pariser Klimagipfel ist Geschichte und hinterher gaben sich fast alle zufrieden. Wie würden Sie im zeitlichen Abstand einiger Wochen die Ergebnisse beschreiben?
Athanasios Karathanassis: Angesichts des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels musste es nach all den gescheiterten Verhandlungen das vordringlichste Ziel sein, Erfolge zu präsentieren. So wird ein Minimalkonsens auf Basis einer „freiwilligen Verbindlichkeit“
ohne Sanktionsmöglichkeiten als historischer Durchbruch interpretiert. Die Ergebnisse des Gipfels haben so den Charakter eines moralischen Imperativs. In der Praxis wird die Moral aufgrund mächtiger ökonomischer und politischer Interessen, die ihr entgegenstehen, aber in ihre Schranken verwiesen. Erfolg misst sich letztlich nicht daran, was ausgehandelt wird, sondern an konkreten praktischen Massnahmen. Und es sollte auch nicht – wie auf der COP 21 beschlossen – erst nach fünf Jahren überprüft werden, ob diese auch wirklich umgesetzt wurden. Wäre man vom Erfolg der Verhandlungen so überzeugt, wie es nach aussen scheint, wären Rücktrittsankündigungen verantwortlicher Politikerinnen und Unternehmensschliessungen nur konsequent, falls es in bestimmter Zeit nicht gelingt, klimarelevante Gase signifikant zu senken.
vorwärts: Was wäre für Sie der Massstab für einen Gipfelerfolg gewesen?
Athanasios Karathanassis: Eine wirklich historische Wende hin zu einer „Dekarbonisierung“ wäre etwas anderes gewesen: Das verbindliche Abschalten von Kohlekraftwerken, das sofortige Bereitstellen der erforderlichen finanziellen Mittel für den Aufbau regenerativer
Energiequellen, die ersetzend und nicht ergänzend zu fossilen eingesetzt werden und vieles mehr. Würden Dekarbonisierungsmassnahmen nicht umgesetzt, müssten spürbare und schnellstmögliche ökonomische Sanktionen folgen. Ein Grossteil der fossilen Energieträger musste also in der Erde bleiben; das bedeutete aber entgangene Profite. All das geschieht nicht oder nicht ausreichend, so dass sich auch hier mal wieder zeigt, wie mit zweierlei Mass gemessen wird. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise von 2008 war es äusserst schnell und unbürokratisch möglich, „Rettungsschirme“ in Milliardenhöhe für systemrelevante
Banken auf Kosten von Millionen von Menschen bereitzustellen. Die Menschen und die äussere Natur, die von der Klimakrise betroffen sind, scheinen nicht als systemrelevant zu gelten. Das System der Kapitalakkumulation hat also Priorität. Es scheint so, als müsse
man sich einer versachlichten, gottähnlichen Macht – der Macht der Kapitale – alternativlos beugen. Doch zumindest eines ist klar: Es gibt keine Alternativen zur Natur; es gibt auch keine Alternativen zur Ökonomie, aber es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der
Ökonomie.


vorwärts: In den Reihen der Klimabewegten wird auch der Kapitalismus kritisiert, zum Beispiel in dem Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ von Naomi Klein. Wie tief geht deren Kapitalismuskritik?

Athanasios Karathanassis: Die Qualität von „Kapitalismus vs. Klima“ liegt darin, ein Türöffner für einen kritischen Blick auf kapitalistische Naturverhältnisse sein zu können. Es weist also in die richtige Richtung, bleibt aber zumeist bei einer Kritik am Neoliberalismus,
was eine Verkürzung ist, die nur eine Variante des Kapitalismus in den Vordergrund stellt. Fragen nach den gesellschaftlich-ökonomischen Ursachen des Klimawandels und weiteren krisenhaften Naturveränderungen lassen sich aber nur durch tiefer gehende Kritik an kapitalistischen Grundprinzipien, die in allen kapitalistischen Phasen existieren und in verschiedenen historischen Varianten ihrer Umsetzung ihre praktische Wirkkraft entfalten, beantworten. Hierzu gehört zuallererst die allen Kapitalismen innewohnende Masslosigkeit in einer begrenzten Welt.


vorwärts: Sie haben im VSA-Verlag ein Buch mit dem Titel „Kapitalistische Naturverhältnisse“ veröffentlicht. Was verstehen Sie darunter und welche Rolle spielt die marxsche Ökonomiektitik dabei?

Athanasios Karathanassis: Zunächst einmal sollte man betonen, dass Marx mehr als einen Blick für den kapitalistischen Umgang mit der Natur hatte. Das liesse sich mit einer Reihe von Zitaten belegen. Aber insbesondere seine Kritik der Politischen Ökonomie ist geeignet,
über die Analyse ökonomischer Gesetzmässigkeiten Verhältnisse von Kapital und Natur zu entschlüsseln. Diese Kritik ist zwar nicht ausreichend aber unerlässlich. In „kapitalistische Naturverhältnisse“ geht es, verkürzt gesagt um die Fragen, wie der Kapitalismus
mit der Natur umgeht, was die Gründe dafür sind, welche Folgen das hat und welche Bedeutung das letztlich für die Entwicklung gesellschaftlich-ökonomischer Alternativen hat. Eine Abgrenzung vom marxschen Fortschrittsglauben, wie zum Beispiel im „Kommunistischen Manifest“ beschrieben, ist hierbei insbesondere für die Skizzierung dieser Alternativen wichtig, da – anknüpfend an Walter Benjamins kritischen Verweis auf das marxsche Revolutions- und Fortschrittsverständnis – nicht nur die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern vor allem die Richtung des Fortschritts in Frage gestellt werden muss.


vorwärts: Ein Kapitel Ihres Buches befasst sich mit postfordistischen Naturverhältnissen. Was sind deren besondere Kennzeichen?

Athanasios Karathanassis: Postfordistische Naturverhältnisse sind zunächst nicht dadurch gekennzeichnet, dass mit wesentlichen fordistischen Wachstumstreibern, wie zum Beispiel der Steigerung der Produktivkräfte oder des Massenkonsums, gebrochen wird. Im
Gegenteil: Sie werden auf entwickelterer Stufe, etwa durch Mikroprozessoren gesteuerte Produktionssysteme und elektronische Massenwaren, weitergeführt, so dass Märkte durch Informations- und Kommunikationstechnologien erweitert und vertieft werden. Der Einzug von „Biotechnologien“ in Produktionsprozesse und die Zunahme gentechnisch veränderter Waren kennzeichnen ebenfalls eine neue Qualität im Umgang mit der Natur. Diese wird nicht mehr nur von aussen, sondern nun auch von innen nach renditeorientierten Kriterien verändert. Kriterien der Kapitalverwertung werden so der Natur innerlich. Ähnlich wie es zunehmend von Lohnarbeitenden gefordert wird, die Interessen des Unternehmens zu verinnerlichen, sich mit diesem bis zur Unkenntlichkeit ihres Selbst zu identifizieren,
werden der Natur ihr fremde „Gesetze“ aufgezwungen. Diese globalen Überformungen sind nur einige neue Schritte der Gestaltung von Gesellschaften und Natur nach den Massgaben der Kapitalrentabilität. So sind wir auf dem Weg zu einer globalen „Kapitalgesellschaft“, in der sowohl die Menschen als auch die äussere Natur zunehmend als Mittel zum Zweck der Profitmaximierung instrumentalisiert werden.


vorwärts: In den letzten Kapiteln sprechen Sie von einer Postwachstumsökonomie. Was verstehen Sie darunter?

Athanasios Karathanassis: Um nur einige Schlagworte zu nennen: Ökonomische Prozesse würden nicht mehr auf maximalen Output abzielen, sondern müssten nach Kriterien der Bedarfsdeckungslogik umgestaltet werden. Das heisst, dass die Ökonomie nicht überall
schrumpft, sondern nur das Übermass an Produktion, Verkehr und Konsum verschwindet. Das hätte auch ein gänzlich anderes Krisenverständnis zur Folge. Möglich wäre das nur, wenn an Stelle von Kapitallogiken Logiken der Bedarfsdeckung zur Praxis werden. Problematisch ist hierbei aber nicht nur die Bedarfsbestimmung; was Mensch wirklich braucht, ist nur eine von vielen Fragen einer damit verbundenen Konsumkritik. Entscheidend ist in einer Postwachstumsökonomie, dass weniger stoffgebundene ökonomische
Prozesse stattfinden, denn die Entkopplung von Wachstum und Naturverbrauch und -Zerstörung ist trotz Fortschritten in der Energie- und Materialeffizienz nicht möglich. Man braucht also eine umfassende Wende, sozusagen eine positive Krise, die nicht nur einen
Wertewandel anstrebt und politische Machtverhältnisse in Frage stellt; es ist insbesondere  eine andere Ökonomie notwendig, die nicht mehr auf massloses Wachstum abzielt und vortäuscht, Massenkonsum sei für das Wohl der Menschheit unumgänglich. Das reicht selbstverständlich nicht aus, eine Postwachstumsökonomie zu umreissen. Es kann nur die Richtung andeuten, vieles ist noch unklar, muss beforscht und praktisch entwickelt werden.
vorwärts: In ihren 16 Thesen zur Leipziger Degrowth-Konferenz im Jahr 2014 schreibt die Interessengemeinschaft Roboterkommunismus: „Der Kardinalfehler der gesamten Bewegung besteht in ihrer Überhöhung des Wachstums zum Inbegriff aller Übel, zum scheinbar letzten Grund gesellschaftlicher Prozesse und somit auch zum Hebelpunkt einer qualitativen politischen Veränderung.“ Würden Sie dieser These zustimmen?
Athanasios Karathanassis: Ein Defizit des „Degrowth-Mainstreams“ ist die nicht ausreichende Verknüpfung von Wachstums- und Kapitalismuskritik. Gäbe es diese, wäre es klarer, dass Kapitalismus ohne Wachstum und somit auch ohne wachsenden Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen nicht möglich ist. Bisherige Effizienzfortschritte oder naturschonende Lebensweisen reichen nicht aus und werden von den kapitalistischen Wachstumsausmassen bei weitem überkompensiert. Eine Wachstumskritik, die auf halbem Weg verharrt, kann bestenfalls zur Entschleunigung aber nicht zur Verhinderung von Katastrophen beitragen.


vorwärts: Nach der Lektüre Ihres Buches muss man zu dem Fazit kommen: Im Kapitalismus ist ein Ende der Naturzerstörung nicht möglich. Wäre da eine Revolution nicht der beste Beitrag für den Umweltschutz?

Athanasios Karathanassis: Wenn Probleme letztlich nur dann gelöst werden können, wenn ihre Ursachen beseitigt werden, dann bedeutet das, dass gesellschaftliche Grosskrisen, wie die Ausmasse der Naturzerstörung oder Massenarmut nur dann gelöst werden können, wenn wesentliche Ursachen dieser beseitigt werden. Und damit ist klar: Der Kapitalismus muss weg und emanzipatorischer Widerstand ist im wahrsten Wortsinn notwendig. Offen ist jedoch, auf welchen Wegen das möglich sein wird, so dass die Postkapitalismen auch wirklich emanzipatorisch sein werden. Die Frage, inwieweit das realistisch ist, möchte ich mit Herbert Marcuse beantworten, der sagte: „Der unrealistische Klang dieser Behauptung deutet nicht auf ihren utopischen Charakter hin, sondern auf die Gewalt der Kräfte, die ihrer Verwirklichung im Wege stehen.“

Interview: Peter Nowak
Quelle:
vorwärts – die sozialistische Zeitung.
Nr. 05/06 – 72. Jahrgang – 12. Februar 2016, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch

Internet: www.vorwaerts.ch

»Man braucht eine positive Krise«

Der Politik- und Sozialwissenschaftler Athanasios Karathanassis lehrt an den Universitäten von Hannover und Hildesheim. Im vergangenen Jahr erschien im VSA-Verlag sein Buch »Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen – Begründungen einer Postwachstumsökonomie«. Die Jungle World sprach mit Karathanassis über seine ­Kritik am Kapitalismus, an marxistischen Wachstumsfetischisten sowie an der ­Umweltbewegung.

Nach dem Pariser Klimagipfel (COP 21) Ende vergangenen Jahres gaben sich hinterher fast alle Teilnehmer zufrieden. Wie würden Sie, mit einigen Wochen zeitlichem Abstand die Ergebnisse beschreiben?

Angesichts des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels musste es nach all den gescheiterten Verhandlungen das vordringlichste Ziel sein, Erfolge zu präsentieren. So wird ein Minimalkonsens auf der Basis einer »freiwilligen Verbindlichkeit« ohne Sanktionsmöglichkeiten als historischer Durchbruch interpretiert. Die Ergebnisse des Gipfels haben den Charakter eines moralischen Imperativs. In der Praxis wird die Moral aufgrund mächtiger ökonomischer und politischer Interessen, die ihr entgegenstehen, aber in ihre Schranken verwiesen.

Erfolg misst sich letztlich nicht daran, was ausgehandelt wird, sondern an konkreten praktischen Maßnahmen. Und es sollte auch nicht – wie auf der COP 21 beschlossen – erst nach fünf Jahren überprüft werden, ob diese auch wirklich umgesetzt wurden. Wäre man vom Erfolg der Verhandlungen so überzeugt, wie es nach außen scheint, wären Rücktrittsankündigungen verantwortlicher Politiker und Unternehmensschließungen nur konsequent, falls es in einer bestimmten Zeit nicht gelingt, den Ausstoß klima-relevanter Gase signifikant zu senken. Diese blieben bisher aus und der notwendige grundlegende Wandel wurde auch nicht beschlossen.

Was wäre für Sie der Maßstab für einen Gipfelerfolg gewesen?

Eine wirklich historische Wende hin zu einer »Dekarbonisierung« wäre etwas anderes gewesen: das verbindliche Abschalten von Kohlekraftwerken, das sofortige Bereitstellen der erforderlichen finanziellen Mittel für den Aufbau regenerativer Energiequellen, die ersetzend und nicht ergänzend zu fossilen eingesetzt werden, und vieles mehr. Würden Dekarbonisierungsmaßnahmen nicht umgesetzt, müssten spürbar und schnellstmöglich ökonomische Sanktionen folgen. Ein Großteil der fossilen Energieträger müsste also in der Erde bleiben; das würde aber entgangene Profite bedeuten. All das geschieht nicht oder nicht ausreichend, so dass sich auch hier wieder einmal zeigt, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise von 2008 war es äußerst schnell und unbürokratisch möglich, »Rettungsschirme« in Milliardenhöhe für systemrelevante Banken auf Kosten von Millionen von Menschen bereitzustellen. Die Menschen und die äußere Natur, die von der Klimakrise betroffen sind, scheinen nicht als systemrelevant zu gelten. Das System der Kapitalakkumulation hat also Priorität. Es scheint so, als müsse man sich einer versachlichten, gottähnlichen Macht – der Macht der Kapitale – alternativlos beugen. Doch zumindest eines ist klar: Es gibt keine Alternativen zur Natur; es gibt auch keine Alternativen zur Ökonomie, aber es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der Ökonomie.

Sie haben im VSA-Verlag ein Buch mit dem Titel »Kapitalistische Naturverhältnisse« veröffentlicht. Was verstehen Sie darunter und welche Rolle spielt die Marxsche Ökonomiekritik dabei? Insbesondere da in der Umweltbewegung Marx vorgeworfen wird, ein Anhänger des kapitalistischen Fortschrittsdenkens gewesen zu sein und keinen Blick für die Probleme der Umwelt gehabt zu haben.

Zunächst einmal sollte man betonen, dass Marx mehr als einen Blick für den kapitalistischen Umgang mit der Natur hatte. Das ließe sich mit einer Reihe von Zitaten belegen. Aber insbesondere seine Kritik der politischen Ökonomie ist geeignet, über die Analyse ökonomischer Gesetzmäßigkeiten das Verhältnis von Kapital und Natur zu entschlüsseln. Diese Kritik ist zwar nicht ausreichend, aber unerlässlich.

In »Kapitalistische Naturverhältnisse« geht es verkürzt gesagt um die Frage, wie der Kapitalismus mit der Natur umgeht, was die Gründe dafür sind, welche Folgen das hat und welche Bedeutung das letztlich für die Entwicklung gesellschaftlich-ökonomischer Alternativen hat.

Eine Abgrenzung vom Marxschen Fortschrittsglauben, wie beispielsweise im »Kommunistischen Manifest« beschrieben, ist insbesondere für die Skizzierung dieser Alternativen wichtig, da – anknüpfend an Walter Benjamins kritischen Verweis auf das Marxsche Revolutions- und Fortschrittsverständnis – nicht nur die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern vor allem die Richtung des Fortschritts in Frage gestellt werden muss.

Ein Kapitel Ihres Buches befasst sich mit postfordistischen Naturverhältnissen. Was kennzeichnet diese?

Postfordistische Naturverhältnisse sind zunächst nicht dadurch gekennzeichnet, dass mit wesentlichen fordistischen Wachstumstreibern gebrochen wird, zum Beispiel der Steigerung der Produktivkräfte oder dem Massenkonsum. Im Gegenteil, sie werden auf höherentwickelter Stufe weitergeführt, etwa durch von Mikroprozessoren gesteuerte Produktionssysteme und elektronische Massenwaren, so dass Märkte durch Informations- und Kommunikationstechnologien erweitert werden. Der Einzug von »Biotechnologien« in Produktionsprozesse und die Zunahme gentechnisch veränderter Waren kennzeichnen ebenfalls eine neue Qualität im Umgang mit der Natur. Diese wird nicht mehr nur von außen, sondern nun auch von innen nach renditeorientierten Kriterien verändert. Kriterien der Kapitalverwertung werden so der Natur innerlich. Ähnlich wie es zunehmend von Lohnarbeitenden gefordert wird, die Interessen des Unternehmens zu verinnerlichen, sich mit diesem bis zur Unkenntlichkeit ihres Selbst zu identifizieren, werden der Natur ihr fremde »Gesetze« aufgezwungen.

Diese globalen Überformungen sind nur einige neue Schritte der Gestaltung von Gesellschaften und Natur nach Maßgabe der Kapitalrentabilität. So sind wir auf dem Weg zu einer globalen »Kapitalgesellschaft«, in der sowohl Menschen als auch die äußere Natur immer mehr als Mittel zum Zweck der Profitmaximierung instrumentalisiert werden, was eine Verkehrung von Verhältnissen ist, in denen sich immer mehr den Interessen der Kapitale unterordnen soll und nicht die Ökonomie primär den Interessen der Menschen dient.

In den letzten Kapiteln sprechen Sie von einer Postwachstumsökonomie. Was verstehen Sie darunter?

Um nur einige Schlagworte zu nennen: Ökonomische Prozesse würden nicht mehr auf maximalen Output abzielen, sondern müssten nach Kriterien der Bedarfsdeckung umgestaltet werden. Das heißt, dass die Ökonomie nicht überall schrumpft, sondern nur das Übermaß an Produktion, Verkehr und Konsum verschwindet. Das hätte auch ein gänzlich anderes Krisenverständnis zur Folge. Möglich wäre das nur, wenn an Stelle der Kapitallogik die Logik der Bedarfsdeckung zur Praxis wird. Problematisch ist hierbei aber nicht nur die Bedarfsbestimmung; was Menschen wirklich brauchen, ist nur eine von vielen Fragen einer damit verbundenen Konsumkritik.

Entscheidend ist in einer Postwachstumsökonomie, dass weniger stoffgebundene ökonomische Prozesse stattfinden, denn die Entkopplung von Wachstum und Naturverbrauch und -zerstörung ist trotz Fortschritten in der Energie- und Materialeffizienz nicht möglich. Man braucht also eine umfassende Wende, sozusagen eine positive Krise, die nicht nur einen Wertewandel anstrebt und politische Machtverhältnisse in Frage stellt; es ist insbesondere eine andere Ökonomie notwendig, die nicht mehr auf maßloses Wachstum abzielt und vortäuscht, Massenkonsum sei für das Wohl der Menschheit unumgänglich. Das reicht selbstverständlich nicht aus, eine Postwachstumsökonomie zu umreißen. Es kann nur die Richtung andeuten, vieles ist noch unklar, muss erforscht und praktisch entwickelt werden.

Die Interessensgemeinschaft Roboterkommunismus in ihren 16 Thesen zur Leipziger Degrowth-Konferenz im Jahr 2014: »Der Kardinalfehler der gesamten Bewegung besteht in ihrer Überhöhung des ›Wachstums‹ zum Inbegriff aller Übel, zum scheinbar letzten Grund gesellschaftlicher Prozesse und somit auch zum Hebelpunkt einer qualitativen politischen Veränderung.« Stimmen Sie dieser These zu?

Ein Defizit des »Degrowth-Mainstream« ist die nicht ausreichende Verknüpfung von Wachstums- und Kapitalismuskritik. Gäbe es diese, wäre es klarer, dass Kapitalismus ohne Wachstum und somit auch ohne wachsenden Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen nicht möglich ist. Bisherige Effizienzfortschritte und die Natur schonende Lebensweisen reichen nicht aus und werden von den kapitalistischen Wachstumsausmaßen mehr als nur kompensiert. Eine Wachstumskritik, die auf halbem Weg verharrt, kann bestenfalls zur Entschleunigung, aber nicht zur Verhinderung von Katastrophen beitragen.

Nach der Lektüre Ihres Buches muss man zu dem Fazit kommen, im Kapitalismus sei ein Ende der Naturzerstörung nicht möglich. Wäre da eine Revolution nicht der beste Beitrag zum Umweltschutz?

Wenn Probleme letztlich nur gelöst werden können, wenn ihre Ursachen beseitigt werden, dann bedeutet das, dass gesellschaftliche Großkrisen, wie die Ausmaße der Naturzerstörung oder Massenarmut, nur gelöst werden können, wenn wesentliche Ursachen dieser Krisen beseitigt werden. Und damit ist klar: Der Kapitalismus muss weg und emanzipatorischer Widerstand ist im wahrsten Wortsinn notwendig. Offen ist jedoch, wie »gewährleistet« werden kann, dass die Postkapitalismen auch wirklich emanzipatorisch sein werden. Die Frage, inwieweit das realistisch ist, möchte ich mit Herbert Marcuse beantworten, der sagte: »Der unrealistische Klang dieser Behauptung deutet nicht auf ihren utopischen Charakter hin, sondern auf die Gewalt der Kräfte, die ihrer Verwirklichung im Wege stehen.«

http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53406.html

Interview: Peter Nowak

Kapitalismus killt Klima und Umwelt

Diskussion Athanasios Karathanassis zeigt, wie das Profitstreben den Raubbau an der Natur vorantreibt

Viel wurde im Vorfeld des Pariser Klimagipfels über die Umwelt und den Klimawandel geredet. »Was aber zumeist ausblieb, ist eine explizite Auseinandersetzung mit dem Konnex Kapitallogiken, Kapitalstrategien, Wachstum und Naturzerstörung«, schreibt der Politologe Athanasios Karathanassis im Vorwort zu seinem kürzlich im VSA-Verlag erschienenen Buches »Kapitalistische Naturverhältnisse«.

Leider erwähnt er die wenigen Ausnahmen nicht. Dabei sorgte die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein mit ihrem im letzten Jahr erschienenen Buch »Die Entscheidung Kapitalismus versus Klima« für heftige Diskussionen in der Umweltbewegung. Auch Klein kam wie Karathanassis zu dem Schluss, dass es mit und im Kapitalismus keine Lösung der Klimakrise geben kann.

Wir haben aber keine Zeit mehr für eine Debatte über die Veränderung der Gesellschaft, antworten viele Umweltgruppen. Damit begründen sie, warum sie die Umweltprobleme mit den kapitalistischen Instrumenten und den Großkonzernen bewältigen wollen. Dagegen richtet sich Karathanassis` Streitschrift. Der Autor verortet die Ursachen der Naturzerstörungen in der kapitalistischen Produktionsweise und zeigt auf, wie illusionär es ist, die Umwelt mit den kapitalistischen Strukturen retten zu wollen.

Im ersten Kapitel widmet sich Karathanassis den Naturverhältnissen, analysiert Ökosysteme und gibt einen Einblick in das Entropiegesetz; damit wird die Transformation von verfügbarer in nicht nutzbare Energie bezeichnet. So entsteht bei der Verbrennung von Kohle und Gas Rauch, der nicht mehr in den Ausgangsstoff zurück verwandelt, also nicht mehr in den Naturkreislauf eingespeist werden kann. Karathanassis zeigt dann auch auf, wie im Laufe der menschlichen Entwicklung diese Entropie immer mehr angewachsen ist. Schon durch die Sesshaftwerdung der Menschen stiegen der Energieverbrauch und auch die Entropie stark an. Doch erst die industrielle Revolution schuf Grundlagen für eine massive Ausbreitung der Entropie. Nicht nur das absolute Ausmaß der Energienutzung, auch der Energiedurchlauf je Arbeitszeiteinheit wuchs enorm an.

In einem eigenen Kapitel zeigt Karathanassis die extensive Ressourcen- und Stoffnutzung am Beispiel von Öl, Kohle und Gas, aber auch an der Überfischung der Meere. An vielen Einzelbeispielen weist er nach, dass es der Drang nach Profit ist, der den Raubbau an der Natur vorantreibt. »Der sich verwertende Wert und die Verknüpfung der Wertsteigerung mit der Steigerung der Stoffnutzung sind kapitalistische Wesenselemente, die der Natur bzw. ökologischen Prozessen widersprechen. Hierdurch werden sie zu Ursachen von Raubbau und Naturzerstörung«, schreibt er.

Dennoch endet sein Buch nicht fatalistisch. In den letzten Jahren sei das Bewusstsein über die Naturzerstörung weltweit gewachsen, schreibt Karathanassis und verweist auf die Vielzahl der Publikationen zum Thema. »Es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der Ökonomie«, schreibt er im letzten Kapitel. Wer ein komplexes Programm erwartet, wird allerdings enttäuscht. Die Alternativen müssten von Basisinitiativen ausprobiert werden, betont Karathanassis. Prägnant begründet er, warum man vom Kapitalismus nicht schweigen kann, wenn es um die Umwelt geht.

Athanasios Karathanassis: Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen, Begründungen einer Postwachstumsökonomie. VSA-Verlag, Hamburg 2015. 240 Seiten, 22,80 EUR.

analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 611 / 15.12.2015

https://www.akweb.de/

Von Peter Nowak