K.I.E.Z. To Go

Auf den Spuren des Widerstands
Wem an diesem Wochenende am späten Nachmittag im südlichen Teil des Berliner Stadtteils Friedrichshain Menschen mit altmodischer Kleidung begegnen, denen eine Menschenmenge folgt, der ist in ein Theaterstück der besonderen Art geraten. »Wege und Widerstand« lautet der Titel des Stücks, das auf den Straßen von Friedrichshain und Lichtenberg von der Künstlerinitiative K.I.E.Z. To Go aufgeführt wird. Sie besteht aus Künstlern, die in den letzten 20 Jahren nach Friedrichshain gezogen sind. Vor einigen Jahren hat die Truppe bereits die Geschichte der Gladowbande auf den Straßen von Friedrichshain inszeniert.

 Treffpunkt für ihr aktuelles Stück ist der Club Lovelite in der Simplonstraße. Dort muss sich jeder Besucher an der Kasse für eines der bereitliegenden verschiedenfarbigen Bändchen entscheiden. Sie markieren die Gruppe, mit der er in den nächsten drei Stunden die Darstellungen unterschiedlicher Schicksale aus der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt.

Die Gruppe mit dem blauen Band erlebt das Wirken der jungen Frieda Lang, deren Eltern als Widerstandskämpfer verfolgt wurden. Sehr sensibel fühlt sich die junge Schauspielerin Antje Lea Schmidt in diese Figur ein. Die erste Station ist der Helenenhof im Friedrichshainer Südkiez. Dort werden die Bewohner zu Zuschauern und manchmal auch zu Akteuren. So übertönte ein Mieter mit lauter Popmusik die Arien, die die junge Frieda im Hof zum Besten gab. Einige Ecken weiter auf einem Spielplatz verfolgten Kinder die Darbietungen hingegen mit Aufmerksamkeit. In dieser Szene kommt Frieda erstmals in Loyalitätskonflikte zwischen ihren von der Nazipropaganda beeinflussten Schulfreunden und Lehrern und ihren Eltern. Einer der Höhepunkte des Stücks ist die Auseinandersetzung zwischen Frieda und ihrer Mutter, als sie ihren Mann im Gefängnis besuchen will. Frieda, die fürchtet, dass auch die Mutter wieder verhaftet wird, will sie daran hindern.

Während sie zunächst mit ihren Eltern hadert, weil diese ihr kein Familienleben bieten können, beschließt Frieda später, sich nicht unterkriegen zu lassen. Dafür wird die Entfremdung zu ihren Freunden und Mitschülern, die die NS-Propaganda nicht in Frage stellen, immer größer. Zu einer Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Schulfreund kommt es auf einem Wäschehof in Lichtenberg, als sie den bei der Hitlerjugend aufgestiegenen Johann vergeblich dazu bewegen will, eine Jüdin zu verstecken.

Auf der Tour durch den Stadtteil kreuzen sich immer wieder die Routen der verschiedenen Theatergruppen, die die Lebenswege anderer Figuren verfolgen. Nach drei Stunden kommen alle Besucher auf einem Ateliergelände in der Nähe des S-Bahnhofs Nöldnerplatz wieder zusammen. In der bewegenden Abschlussszene werden Zitate aus den letzten Briefen von politischen Gefangenen vor ihrer Hinrichtung in Plötzensee vorgelesen. Ein besonderes Theatererlebnis ist zu Ende gegangen. Am Wochenende gibt es noch einmal die Gelegenheit, sich schauspielerisch Geschichte anzueignen.

Aufführungen am 24., 25., 26. September, 17 Uhr, Treffpunkt: Lovelite, Simplonstr. 38-40, weitere Informationen gibt es unter www.kieztogo.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/180280.k-i-e-z-to-go.html

Peter Nowak