Jerusalem-Entscheidung: Neue Ziele ansteuern

Die antisemitischen Tendenzen bei den Reaktionen verwundern nicht. Das Diktat der Hamas und unhaltbare Zustände – „Trump macht was richtig“

Donald Trump macht was richtig, hieß es am vergangenen Samstag in einer Taz-Kolumne. Gemeint war seine Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt. Ausgerechnet das linksliberale Blatt, dass Deutschland nach der Trump-Wahl zum Leuchtturm der freien Welt ausrief, hat mal gute Worte für den US-Präsidenten. Und das noch bei einer Entscheidung, wo es in den letzen Tagen schien, als stehe Trump gegen den Rest der Welt.

Noch mehr als Trumps per Mail erklärten Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen schien die veröffentlichte Meinung der Widerstand gegen dessen Jerusalem-Entscheidung zu einigen. Nun zeigte sich schnell, dass da auch wieder einmal viel Aufregung und Furor im Spiel war.

Die deutschen Medien und der Zorn der arabischen Straße

Da wurde seit Tag der Zorn der arabischen Straße bemüht. Als es aber in den arabischen Städten noch weitgehend ruhig blieb, wurde schon gefragt, wann denn nun dieser Zorn ausbreche. Nach den Freitagsgebeten orakelten die Nahostbeobachter Mitte letzter Woche.

Dann wurde jede Menschenansammlung zur neuen Intifada erklärt und gar nicht berücksichtigt, dass hier islamistische Gruppen wie die Hamas zu den Aufrufern gehörten. Nachher war man dann entsetzt, dass in vielen europäischen Städten eindeutig antisemitische Tendenzen bei den Aktionen zu sehen und hören waren. Nur kann das niemand verwundern.

Wenn die Hamas aufruft, sind regressive Antizionisten und auch offene Antisemiten nicht weit. Als dann am Wochenende die Unruhen wieder abflauten, setzte fast Enttäuschung in manchen Medien ein. Dabei haben Beobachter des Geschehens im Nahen Osten schon länger eine neue Intifada für unwahrscheinlich gehalten. Das hat viele Gründe. Viele erkennen, dass sie ihre konkrete Situation damit eher verschlechtert.

Es gab auch im Gazastreifen Statements, die ein Leben unter dem Diktat der Hamas als ein größeres Übel als unter israelischer Besatzung halten. Dabei spielt sicher eine Rolle, dass der islamistische Tugendterror im Gaza auf viel Widerstand stößt. Aber auch ökonomische Argumente finden Gehör.

Das wirtschaftlich prosperierende Israel könnte für die Palästinenser eine bessere Lebensgrundlage bieten, als eine Armutsregion Westbank, vom Gazastreifen gar nicht zu reden. Hier könnte eine Debatte über einen einheitlichen Staat Israel-Palästina beginnen. Genau darauf kommt der Taz-Kommentator zu sprechen, wenn er Trump für seine Jerusalem-Entscheidung lobt.

Wer Trumps Schritt nun irrational findet und gefährlich, muss nur einmal die Logik deutscher und amerikanischer Nahostpolitik der letzten 15 Jahre nüchtern betrachten. Man hielt an einer illusionären Zweistaatenlösung fest, obwohl diese durch israelische Siedlungspolitik verunmöglicht wurde, rügte zwar immer mal wieder, subventionierte aber weiterhin Israels Militär.

Gleichzeitig finanzierte man eine korrupte und undemokratische Palästinensische Autonomiebehörde, um die israelische Besatzung nicht zu einer humanitären Katastrophe werden zu lassen. Dass dieser unhaltbare Zustand nun enden könnte, ist eine gute Nachricht. Denn der israelischen Regierung und der rechten Mehrheit im Land kann Donald Trumps Schritt langfristig nicht recht sein.

Für sie ist der Status quo bequem: Faktisch gibt es nur einen Staat zwischen Mittelmeer und Jordan, Millionen Palästinenser leben dort unter israelischer Kontrolle. Israel braucht das Fernziel Zweistaatenlösung, und sei sie noch so unrealistisch, dringender als die Palästinenser. Denn wenn das Ziel – zwei Staaten für zwei Völker – offiziell erledigt ist, stellen sich für Israel unangenehme Fragen.

Was ist mit den Millionen Palästinensern, die dann auch offiziell unter israelischer Herrschaft leben, aber keine Staatsbürgerrechte haben?

Wird Israel dann ein Apartheidstaat (Shitstorm in 3, 2, 1 …)?

Es ist Zeit, über Alternativen zur Zweistaatenlösung zu sprechen. Donald Trump hat dazu den ersten Schritt gemacht.

Taz

Die Logik hinter der Argumentation ist einleuchtend. Mit der Trump-Entscheidung wird dem Kräfteverhältnis in der Region Rechnung getragen und das ist nicht aufseiten der Palästinenser. Ein eigener Staat wird für sie immer mehr zu einer Schimäre. Also gilt es neue Ziele anzusteuern. Da wäre ein Staat mit gleichen Rechten für alle Bürger ein Ziel.

Das wäre nur möglich, wenn die antisemitischen und islamistischen Kräfte in der Region an Bedeutung verlieren. Mit ihren ständigen Versuchen, einen neuen Aufstand gegen Israel anzuzetteln, versuchen sie immer wieder jede Überlegung in Richtung Kooperation zu verunmöglichen.

Dass die vielzitierte arabische Straße sich längst nicht mehr beliebig mobilisieren lässt, kann als gute Nachricht verstanden werden, auch und gerade für die Palästinenser. Die haben wahrlich eine bessere Zukunft verdient, als sich für einen islamistischen Staat zu opfern.

Könnte Israel aus einer Position der Stärke auf Palästinenser zugehen?

Auch erklärte Verteidiger der israelischen Politik sehen in der Jerusalem-Entscheidung von Trump positive Momente.

„Und Israel wäre gut beraten, aus einer Position der Stärke heraus aktiv auf die Palästinenser zuzugehen und konstruktive Konzepte zu entwickeln. Eines ist jedenfalls sicher: Frieden schließt man nicht mit seinen Freunden, sondern durch Dialog und Begegnung mit dem Feind“, schreibt Louis Lewitan[4] in der Jüdischen Allgemeinen[5]. Zuvor hat er die UN und die EU scharf kritisiert:

Wie wäre es, wenn die Weltgemeinschaft, anstatt die USA und Israel anzuprangern, die arabischen Staaten und die muslimische Glaubensgemeinschaft in die Pflicht nehmen würde, den Staat Israel und die unauflösliche Bindung des jüdischen Volkes an Jerusalem endlich anzuerkennen? Das wäre eine glatte Abkehr von einer unglaubwürdigen Appeasement-Politik westlicher Demokratien gegenüber arabischen Despoten und morschen Monarchen.

Louis Lewitan, Jüdische Allgemeine Zeitung

Kein Bündnis mit Saudi Arabien

Letzteres müsste allerdings auch eine Forderung an die israelische Regierung sein. Denn deren sich anbahnende taktische Allianz mit Saudi-Arabien gegen Iran ist ebenfalls ein Bündnis mit einer arabischen Monarchie, einem Hort des Islamismus und Islamismusexports. Dass wussten israelisolidarische Linke noch vor 15 Jahren, als sie schrieben, dass nach den islamischen Anschlägen vom 11.9. eher Saudi-Arabien als der Irak das Ziel von US-Militärschlägen hätte sein müssen.

Immerhin waren Islamisten aus Saudi-Arabien für die Anschläge mitverantwortlich, was vom Irak nicht nachgewiesen ist. Nun sehen auch manche israel-solidarische Linke in Saudi Arabien positive Momente[6]. Da wird es schon als großer Erfolg gewertet, dass der neue starke Mann in Saudi Arabien Mohammed Bin Salman den Frauen gestattet, ohne männliche Begleitung Auto zu fahren.

Danach müsste ja der Iran der Hort der islamischen Moderne sein. Denn dort war das schon länger möglich. Nachdem der Autor einräumt, dass die Reformen in Saudi-Arabien nicht mit den Beginn einer Modernisierung verwechselt werden sollen, kommt er auf die außenpolitischen Implikationen des neuen Herrschers von Saudi Arabien zu sprechen.

Die Isolation Katars hat vor allem dazu geführt, das Emirat in Richtung Iran zu treiben, aber bisher keine Zugeständnisse erwirkt. Im Jemen würde eine militärische Lösung Kapazitäten erfordern, die Saudi-Arabien nicht hat. Und in Syrien haben die Saudis praktisch keinen bewaffneten Ansprechpartner mehr. Es bleibt Israel als Verbündeter, mit dem man die Besorgnis über den Iran teilt. Womöglich bereitet bin Salman auch hier eine Sensation vor, Gerüchte über ein Abkommen machen bereits die Runde. Der Nahe Osten ist in einem Zustand angelangt, in dem man nichts mehr völlig ausschließen möchte.

Oliver M. Piecha, Jungle World
Das wäre allerdings ein neues Bündnis mit einem autoritären islamischen Herrscherhauses und würde nicht unbedingt die Bereitschaft der israelischen Regierung fördern, aus einer Position der Stärke auf die Palästinenser zuzugehen.

Peter Nowak

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[3] http://www.taz.de/!5464508/
[4] http://www.lewitan.de/
[5] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30324
[6] https://jungle.world/artikel/2017/47/ueberraschung-vom-kronprinzen