Hat die Bundesregierung zu stark auf den Dialog mit dem Islam gesetzt?

Unionspolitiker zielt mit seiner Kritik auch auf die Obama-Regierung

Wie gewohnt gibt es in der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien die unterschiedlichsten Signale auch zum Umgang mit der gegenwärtigen Auseinandersetzung um den islamfeindlichen Mohammad Movie Trailer. Genau diese Signale sind zumindest von Angela Merkel gewollt, kann sie sich doch, wie heute wieder auf der Bundespressekonferenz als Pragmatikerin präsentieren.

Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl spricht sich dagegen für ein Verbot des Trailers aus und argumentiert mit außenpolitischen Rücksichten. Doch gleichzeitig können konservative Christen im Subtext auch in Uhls Erklärung heraushören, dass es keine grenzenlose Freiheit gäbe und dass die Grenzen der Religionskritik auch bei der nächsten Papstkarikatur aufgezeigt werden könnten.

Wer ist der Adressat der Kritik?

Ganz andere Akzente setzte der außenpolitische Sprecher der Union Philipp Mißfelder (http://www.philipp-missfelder.de/) in einem Deutschlandfunk-Interview. Dort wird scheinbar selbstkritisch eingeräumt, die radikalislamistischen Positionen in den arabischen Ländern unterschätzt zu haben. Doch schnell stellt sich die Frage nach dem Adressaten der Kritik. Seiner Partei stellt er selbstverständlich gute Noten aus: „Eins ist auf jeden Fall auch klar, wenn man den Arabischen Frühling sich anschaut, und da hat unsere Fraktion von Anfang an gewarnt. Es ist müßig, automatisch zu glauben, dass dadurch, dass jetzt in einigen Ländern mehr Freiheit herrscht, automatisch sich auch Demokratie und Menschenrechte, Religionsfreiheit verbessern. Das ist nicht der Fall.“

Dabei bleibt allerdings unklar, welche Konsequenzen Mißfelder aus dieser Einschätzung des arabischen Frühlings zieht, die übrigens in Israel schon vor einem Jahr laut wurde. Hat sich die Bundesregierung aus staatspolitischen Gesichtspunkt nicht richtig verhalten, als sie sich nicht aktiv am Sturz des Gaddaffi-Regimes beteiligte? Schließlich hat dies in der Flüchtlingsabwehr den EU-Staaten und beim Verhör mutmaßlicher Islamisten auch den USA gute Dienste erwiesen. Zudem dürften sich manche Anhänger des libyschen Regimewechsels fragen, ob sich das Unternehmen gelohnt hat, wenn dort nun die Islamisten, die man zunächst vom Gaddafi-Regime foltern ließ und dann bewaffnete, nun am Personal der US-Botschaft Rache nehmen. Sollte man nun trotzdem eine syrische Opposition weiter bedingungslos unterstützen, wenn mittlerweile auch vom Assad-Regime unabhängige Quellen bestätigen, dass Islamisten dort mittlerweile eine wichtige Rolle spielen?

Andererseits könnten auch die Anhänger eines spezifisch deutschen Umgangs mit dem Islam nach dem Sturm auf die deutsche Botschaft im Sudan zu einer kritischen Bilanz kommen. Die Dialog-Linie wird zumindest von den Islamisten nicht belohnt. Hier bietet sich ein Einfalltor für die Atlantiker, die in der Union, aber auch in der SPD und der FDP vertreten sind und einer stärkeren Kooperation mit den USA das Wort reden. Mißfelder gehörte schon in der Vergangenheit zu den Politikern, die vor einer zu starken Entfremdung von den USA warnten. Dabei geht es keinesfalls um eine Unterordnung, sondern um die Frage, ob sich deutsche Interessen eher in guter Kooperation mit den USA oder eher in mehr oder weniger deutlich artikulierten Dissens zu Washington besser vertreten lassen. Für Letzteres stand die rotgrüne Regierung unter Schröder während des Irakkriegs. Damals gehörte Merkel noch zu den Atlantikern. Da sich diese Position allerdings in der Bevölkerung als nicht mehrheitsfähig erwies, zeigte sie auch in dieser Frage viel Flexibilität. Diese Geschmeidigkeit kann man auch führenden Politikern von SPD und Grünen nicht absprechen, die im Libyen-Konflikt der Bundesregierung vorwarfen, nicht eindeutig auf Seiten der Gaddafi-Gegner Position bezogen zu haben.

Hoffnung auf Obama-Niederlage?

Doch Mißfelders Intervention zielt nicht nur auf die deutsche Innen- und Außenpolitik, sondern sehr deutlich wird auch Obamas Nahostpolitik und dabei besonders seine als Versöhnungsgeste verstandene Rede in Kairo kritisiert: „Wenn man die Rede von Obama in Kairo zugrunde legt, wenn man auch zugrunde legt, was er in der Türkei gesagt hat, und das mit der Realität vergleicht, dann ist man sehr weit davon entfernt. Das ist nicht zwangsläufig Barack Obamas Schuld, aber man muss wirklich sagen, es gibt eine große Lücke in der Politik im Nahen Osten, was den Führungsanspruch der USA angeht, und es gibt einfach kein konsequentes Konzept der USA.“ Damit reiht sich Mißfelder in den Reigen der Politiker in den USA, in Israel und in anderen Ländern ein, die den aktuellen islamistischen Furore um den Mohamed Trailer nutzen, um Obama zumindest Schwäche gegenüber der arabischen Welt vorzuwerfen. Der Vorstoß von Mißfelder hat keine unmittelbare Auswirkungen auf die aktuelle Außenpolitik. Sie soll vielmehr im Vorwahlkampf den Atlantikern, die in der Union besonders stark sind und ihre außenpolitische Linie auf Adenauer zurückführen, das Gefühl geben, dass sie in der Partei noch eine nicht unwichtige Stimme haben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152798
Peter Nowak

Linke Buchtage

Debatten über Kommunismus

Debatten über den Kommunismus scheinen gerade angesagt zu sein. In Berlin tagte am Wochenende ein mit bekannten Intellektuellen bestückter Kommunismuskongress in der Berliner Volksbühne. Auch im linken Initiativenzentrum Mehringhof wurde am Freitagabend über den Kommunismus diskutiert. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Linken Buchtage statt, die nun zum achten Mal in Berlin vor allem theoretisch interessierte junge Leute anlockten. Neben Buchvorstellungen gab es zudem viele Podiumsdiskussionen.

»Wie heute über den Kommunismus reden?« lautete das Motto. Der Kulturwissenschaftler Robert Zwarg von der linken Leipziger Zeitschrift »Phase 2« sprach sich für einen Kommunismusbegriff aus, der auch das Glück der Individuen mit einschließt. Felicita Reuschling, ebenfalls Autorin der »Phase 2«, zeigte am Beispiel des politischen Wirkens der russischen Kommunistin und Feministin Alexandra Kollontai den wichtigen Beitrag, den die Oktoberrevolution für die Frauenemanzipation leistete. Mit der Stalinisierung sei auch hier der Rückschlag gekommen. Allerdings kritisierte Reuschling, Kollontai habe von Marx die Geringschätzung der Hausfrauenarbeit übernommen. Eine Referentin der linken Berliner Gruppe paeris stellte die Frage nach der Funktion der Infrastruktur und die Produktion im Kommunismus.

Einmal im Monat diskutiert eine Gruppe von Menschen in Berlin diese Fragen, die auch dabei helfen sollen, eine andere Gesellschaft wieder vorstellbar zu machen. In die Diskussion sollen verstärkt Aktivisten sozialer Bewegungen einbezogen werden. Ihre Themen waren auf der linken Buchmesse gut vertreten.

Joachim Bischoff und Richard Detje von der Zeitschrift »Sozialismus« sehen in der aktuellen Krise eine politische und wirtschaftliche Weichenstellung für die Zukunft. Die Zunahme prekärer Arbeits- und Lebensbedingungen verschlechtere eher die Kampfbedingungen für die Betroffenen. Doch die Autoren halten auch eine andere Entwicklung für möglich: »Bei dem erreichten Stand von Überschussproduktion und Produktivitätsentwicklung sind armutsfeste Einkommen und Zeitwohlstand ebenso denkbar wie die Nutzbarmachung arbeitsorganisatorisch-technischer Potenziale und die selbstbewusste Einbringung subjektiver Kreativität.« Da stellt sich indes die Frage, wo die Bewegung ist, die diese Reformen durchsetzen kann. Vielleicht kann eine neue Marx-Lektüre nachhelfen, die der Berliner Ökonom Michael Heinrich auf einer gut besuchten Veranstaltung präsentierte. Auch der Stadtsoziologe Andrej Holm, der im Unrast-Verlag ein Buch zum Widerstand gegen die Gentrifizierung veröffentlichte, fand großes Interesse.

Viel Raum nahm auf den Linken Buchtagen Bücher zu ideologiekritischen Themen ein. Dabei geriet eine Vorstellung des Buches »Sex, Djihad und Despotie« von Thomas Maul zu einem Austausch antiislamischer Ressentiments. Der Referent führte nach einer kurzen Buchvorstellung einen Rundumschlag gegen den Islam und seine vermeintlichen Freunde in der linken und feministischen Bewegung aus. Ein Teilnehmer verstieg sich – von dieser islamischen Weltverschwörungstheorie ermutigt – unwidersprochen zu der Aussage, man müsse auch sagen dürfen, dass man die Moslems hasst.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/174013.linke-buchtage.html

Peter Nowak