»Ehrung ist nicht gerechtfertigt«

Der Bonner Student Lukas Mengelkamp will keinen Kissinger-Lehrstuhl an seiner Universität

Lukas Mengelkamp studiert Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Mit der »Initiative Zivile Uni Bonn« hat er einen Offenen Brief dagegen aufgesetzt, dass dort ein Lehrstuhl für internationale Beziehungen und Völkerrecht eingerichtet wird, der nach dem US-Politiker Henry Kissinger benannt werden soll. Dies hatte die Bundesregierung im Mai 2013 zum 90. Geburtstag Kissingers beschlossen. Mit ihm sprach Peter Nowak.

nd: Kürzlich haben sich zahlreiche Wissenschaftler in einem Offenen Brief gegen die Kissinger-Professur ausgesprochen. Sehen Sie darin einen Erfolg Ihrer Öffentlichkeitsarbeit?
Mengelkamp: Ja, natürlich freuen wir uns als »Initiative Zivile Uni Bonn« sehr, dass nun endlich dem Thema eine angemessene Aufmerksamkeit zuteil wird. Wir bemühen uns schon seit einem halben Jahr darum, eine Debatte über die Professur anzustoßen. Vor allem zeigt uns der Brief, dass wir mit unserer Kritik alles andere als allein sind.

Wird der Aufruf die Debatte um die Professur beeinflussen?
Der Aufruf hat die Debatte nach unserem Empfinden schon ein ganzes Stück voran gebracht. In vielen überregionalen Zeitungen wurde berichtet. Etwa eineinhalb Wochen vor dem Offenen Brief haben wir bereits eine Erklärung veröffentlicht, die über 1000 Personen unterschrieben. Die Initiative wird von einer breiten zivilgesellschaftlichen Bewegung getragen, die Wissenschaftler, Menschenrechts- und Ärzteorganisationen, namhafte Juristenvereinigungen, kirchliche Organisationen und internationale wie nationale Friedensorganisationen umfasst. Zu den Unterzeichnenden zählen Hochschullehrende, gewerkschaftlich Organisierte, Handwerker, Politiker, Theologen und Unternehmer – also ein Querschnitt der Gesellschaft.

Sie setzten sich schwerpunktmäßig für eine zivile Hochschule ein. Inwieweit ist die durch den Namen eines Politikers, der nie Militär war, tangiert?
Wir kritisieren die Namensgebung und die Finanzierung durch das Bundesverteidigungsministerium. Henry Kissinger steht für eine Politik, in der das Völkerrecht mit Füßen getreten wurde. Dazu proklamiert das Verteidigungsministerium eine militarisierte Außenpolitik. Hier ergibt sich der Verdacht, dass es das Interesse des Ministeriums ist, im wissenschaftlichen Diskurs seine Interpretationslinie von Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken.

Sprechen nicht Kissingers aktuelle Warnungen vor einem konfrontativen Kurs gegenüber Russland in der Ukraine für ihn?
Das würde darauf hinaus laufen, dass man hunderttausende Tote in Südostasien mit seiner Entspannungspolitik zwischen den Blöcken des Kalten Krieges aufzuwiegen versucht. Er war aber mitverantwortlich für die Massenbombardements über Kambodscha und Laos während des Vietnamkriegs. Außerdem hat er Militärdiktaturen in Lateinamerika und Pakistan aktiv unterstützt und den Angriffskrieg Indonesiens gegen Osttimor gebilligt. Die Namensgebung ist eine ungerechtfertigte Ehrung.

Was werden Ihre nächsten Schritte gegen die Kissinger-Professur sein?
Die Bonner Initiative wirbt weiter für die Erklärung gegen die Kissinger-Professur. Besonderen Wert legen wir auf unsere Forderung nach einer zivilen Hochschule, die in Forschung und Lehre möglichst unabhängig bleibt und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für Frieden und dem Wohlergehen der Menschen gerecht wird.

Haben Sie die Unterstützung der rot-grünen NRW-Landesregierung?
Die Universitätsleitung behauptet, sie werde bei der Professur uneingeschränkt vom Wissenschaftsministerium unterstützt. Nach unserem Wissensstand gibt es keinerlei Aussagen von Seiten des Ministeriums, die diese Behauptung belegen könnten. Von politischer Seite wird unsere Erklärung unter anderem von den Landtagsabgeordneten Rolf Beu von den Grünen und Felix von Grünberg von der SPD unterstützt. Außerdem von der Europaabgeordneten Barbara Lochbihler ebenso von den Grünen und dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko von der LINKEN.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/929448.ehrung-ist-nicht-gerechtfertigt.html

Interview: Peter Nowak