Internetmobbing auf den Index?

Ein Mobbingfall in Berlin und die Folgen
„Karin fehlt heute ohne Entschuldigung.“ Solche Schülerprosa gehört eher zu den harmloseren Postings, die auf der Mobbingplattform „I share Gossip“ zu finden sind. Oft werden dort missliebige Jugendliche mit realen oder erfundenen Geschichten öffentlich kompromittiert. Es kam deshalb schon zu Selbstmordversuchen. Vor einigen Tagen geriet die Mobbingseite wieder in die Schlagzeilen, weil die Angriffe nicht nur virtuell blieben.

Ein Jugendlicher wurde bei einer Schlägerei zwischen zwei Jugendgruppen im Berliner Stadtteil Wedding schwer verletzt. Die Boulevardpresse hatte ein neues Thema entdeckt. Dann schaltete sich auch die Politik ein. Bundesjugendministerin Kristina Schröder hat angekündigt, konsequent gegen Mobbing-Seiten im Internet vorgehen zu wollen.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien will die Webseite auf den Index setzten. Dann wäre sie nicht mehr über Suchmaschinen aufzurufen. Zuvor hatte der Vorsitzende des Berliner Landeselternausschusses eine Abschaltung der Mobbingseite gefordert. Das ist aber gar nicht möglich, weil sich der Server im Ausland befindet. Angemeldet wurde die Webseite in den USA. Daher könnte sie nur auf Anordnung eines US-Gerichts aus dem Netz genommen werden. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main gegen die Betreiber blieben bisher erfolglos, weil die anonym sind.

Schwerpunkt Medienerziehung

Doch es gab in der aufgeheizten Stimmung um die Mobbingseite auch Stimmen, die nicht in erster Linie auf Repression und Verbote setzten. So empfahl der Schulleiter der Carl-Bosch-Schule Dietmar Weißleder, die von der Gemobbten und einigen ihrer Kontrahenten besucht wird, die Schüler sollen sich durch die Kommentare nicht aufhetzen lassen. Generell solle man an der Schule jetzt keine Bedrohungsszenarien aufbauen und dem Thema „I share gossip“ nicht zu viel Raum geben. „Ich finde es falsch, dass bei allen gesellschaftlichen Problemen immer die Schule verantwortlich gemacht wird“, betonte Weißleder.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner erklärte:

„Jugendliche benötigen unsere Unterstützung, um sich Medienkompetenz anzueignen und mit dem PC, dem Internet und Handy verantwortlich umzugehen.“

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat sich zur Diskussion um die Mobbingseite nicht geäußert. Allerdings heißt es in der Stellungnahme zum mittlerweile gescheiterten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag:

„Indizierungen, Verbote und Filter überdecken die Notwendigkeit einer ethisch-moralischen Diskussion, die zu einem tragfähigen freien Kodex des Selbstschutzes führen würde.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149525

Peter Nowak